Fingerspiel: nicht wippen!

Noch einmal: Chopin op. 25 Nr. 6 gis-moll

Ich vermute, es ist ein schülerhafter Fehler, dem ich auch durchaus nicht verfallen bin. Aber es lohnt sich trotzdem, die Gefahr zu notieren und zu beobachten. Das Wippen von Terzgriff zu Terzgriff, – aber nicht nur, weil es sich nicht beschleunigen lässt. Es ist eine grobe Unhöflichkeit gegenüber der feinen Lebensart der Finger.

Chopin Terzen

Als ich zum erstenmal die Tänzerinnen des georgischen Ensembles Rustavi erlebte, staunte ich, wie man sich so von der Stelle bewegen kann: gewissermaßen ohne Schritte. Man sah die Füße nicht, – sie waren unterm Kleid verborgen, aber es schien, als bewegten sie sich auf Rollen. Es handelte sich offenbar um so winzige und derart schnelle und kontinuierliche Bewegungen, dass die Tänzerinnen sich unmöglich mit den Spitzen oder den Hacken auch nur einen Millimeter vom Boden erheben konnten, vielleicht machten sie minimale Gleitbewegungen – seitlich, das könnte ich mir vorstellen, aber „rollten“ sie nicht auch vor und zurück?

Gottseidank, haben wir nur mit den Klaviertasten zu tun, aber die Vorstellung der georgischen Tänzerinnen könnte beim Fingerspiel nützlich sein.

Bei den Terzen-Tonleitern an dieser Stelle der Chopin-Etüde hat man in unregelmäßiger Folge zwei weiße Tasten oder eine weiße gekoppelt mit einer schwarzen Taste zu bedienen, wobei sich unvermerkt ein „klappernder“ Anschlag einschleicht. Um das zu vermeiden und beide Tasten genau gleichzeitig an den Anschlagspunkt zu „schleudern“, versucht man dem Anschlag mehr Schwung (Wucht) zu geben, und schon stellt sich das Wippen ein, das sich als äußerst hinderlich erweist, wenn man ein schnelleres Tempo erreichen möchte. Der einzige Weg ist der, den Paul Barton so schön zum Anfang dieser Etüde demonstriert, siehe hier. Dieselbe Übe-Methode gilt natürlich auch für die Terzen-Tonleiter. Man gebraucht allerdings manchmal den Daumen allein als Scharnier beim Übersetzen von der einen Terz zur nächsttieferen Terz.

Chopin Terzen-Lauf

Ein Versuch, das Überhalten und das Ausholen zum neuen Anschlag in Zeitlupe einzuprägen. Der Pfeil nach oben bedeutet „Tasten freigeben, bereit sein für neuen Anschlag“, die Fermate bedeutet „den Daumen als Scharnier bedenken“. Der Ton wird nicht lang gehalten (nicht wie eine Fermate), der Daumen muss sich ja unter dem Terzenanschlag in die neue Position bewegen. Geduld! Und beim Beschleunigen an die georgischen Frauenfüße denken…