Klavierübung der linken Hand und des logischen Harmonieverlaufes
Der Fingersatz und die Entfaltung in einer runden Sechzehntelkette übt die Weichheit der Handbewegung (es gibt keine Spannung durch die weit auseinanderliegenden Töne, nicht einmal in Takt 29: der Daumen zerrt nicht am dritten Finger, dieser gibt nach: wozu haben wir ein Pedal?)
Und die Logik? Zugegeben: die rechte Hand fehlt, aber die Töne der linken Hand reichen aus, die Logik des Harmonieverlaufs vollständig zu vermitteln. Es ist günstig, wenn wir schon eine Vorstellung von der harmonischen Logik des Präludiums Nr. 1 aus dem ersten Band des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach haben: es könnte sogar als (seit langem grundlegende) Idee (Erfahrung) noch hinter diesem C-dur-Stück stehen wie hinter einem anderen des gleichen Komponisten. Wenngleich vereinfacht, und – sobald das Endtempo erreicht wird – im Nu vorbeihuschend. Logik ist keine Sache des Tempos. Sie geht einem auf beim Studium der Gedanken und der Fingerfolge in Ruhe und Sorgfalt. Es geht hier um die Einheit von Hand und Gehirn. Be–Greifen.
Hier folgt also BACH (erst später wird an dieser Stelle verraten, welches Stück wir mit der obigen Übung unter einem technischen Vorwand strukturell erfassen wollten. Jeder Pianist wird es auf Anhieb erkannt haben.)
Identifikation der Linke-Hand-Übung im Chopin Prélude op.28 Nr.1
Der interessanteste Teil der Arbeit beginnt jetzt mit den „harmoniefremden“ Tönen der rechten Hand. (Die in blauer Farbe hinzugefügten Taktzahlen dienen der schnelleren Auffindung im ganz oben wiedergegebenen Übe-Schema.)
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Ebenso: die physiologisch guten Bewegungen der Hände: jeden Takt einzeln wiederholen, bis er sich „schön anfühlt“. Die Hände in Wellen „wie verliebte Schwalben“, einander streifend. Auch Zweitaktgruppen wiederholen, Viertaktgruppen z.B. T.13-16, T.17-20, T. 21-24, T. 25-28.
Auch Pedalbeobachtung: nur linke Hand, aber nicht auf den Tasten liegen lassen, sondern weich nach rechts oben abheben lassen (KIang hören!) und wieder auf dem kleinen Finger landen lassen.
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Über dem Spielen das Denken wachsam halten: wenn die rechte Hand in der ersten Hälfte des Stückes immer die Zählzeit 1 freilässt (Sechzehntelpause!), aber in den Takten 18 bis 20 diese 1 anschlägt (in den letzten Takten des Crescendos), aber den Höhepunkt, das ff wieder freilässt, ebenso im nächsten Takt, dann wieder einen Takt mit Anschlag auf 1, dann wieder nicht, ab Takt 25 zweimal mit, zweimal ohne, – was bedeutet das? Warum ist das so? Warum hört man ab Takt 29 in der linken Hand als dritten Ton immer ein G, während die rechte Hand einen F-dur-Dreiklang spielt? (Dumme Frage, schwer zu beantworten. Glockenwirkung dieses Ausklingens.)
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Für Katharina, Sonntag 8. Februar 2015
Nachtrag
Eine kleine Unlogik ab Takt 18 u.ä.: Unter dem oberen Bogen steht eine 5, als handele es sich um eine Sechzehntel-Quintole. Das ist nicht richtig, die 5 Sechzehntel sind nicht gleich lang, die ersten beiden haben den Wert von je anderthalb oder mit anderen Worten: es handelt sich um eine Duole, während wir sonst seit Takt 1 immer 2 Triolen in jedem Takt haben, in diesem Takt aber haben wir in der ersten Hälfte zwei ganz normale Sechzehntel („Duole“), deren zweites auch präzise in die Triole der linken Hand gesetzt werden muss, nämlich genau zwischen den zweiten und dritten Ton der Triole.
Von der Mittelstimme des Daumens der rechten Hand schweigt des Logikers Höflichkeit (Achtel mit Punkt + Sechzehntel): Sechzehntelpausen und Sechzehntelnoten werden stillschweigend in den Fluss der Sechzehnteltriolen eingepasst.
Weitere Übung
Hören, was ein gewisser Paul Barton zu diesem Stück zu sagen hat,sehr nützlich: 8 Minuten auf youtube.