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Was heißt: politisch denken?

Heißt das etwa, bestimmten Parolen folgen, die uns ein Gefühl von Stärke vermitteln, und zwar mit Hilfe von Mehrheiten, an denen wir teilhaben? Oder etwa die ANDEREN?

Wohl nicht. Es beginnt vielleicht einfach mit intensivierter Zeitungslektüre. Nachdenken. Mitdenken. Ich lese also, wie ein anderer etwas gelesen hat. Hier z.B. zündete es kürzlich gerade bei mir (ein neues Buch ist womöglich fällig, – der Titel wird gleich zu Anfang genannt):

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Ah, ich hätte auf Anhieb nicht einmal sagen können, was genau eine Liberale Demokratie ausmacht. Also bitte: lies nach. Es ist nur ein kurzer Wikipedia-Artikel! Ja, Gewaltenteilung, das hätte ich auch genannt, diese Balance hat mich schon immer fasziniert. Und da sind auch noch andere Nachschlag-Stichworte… freie Wahlen, Gewaltentrennung, Rechtsstaatlichkeit, Menschen- und Bürgerrechte … Oder soll ich erstmal den Zeitungsartikel weiterlesen?

Da wird des weiteren erläutert, dass dieses Narrativ nunmehr „dekonstruiert“ sei, es sei nämlich eine parteiische Erzählung. Es werde dabei so getan, „als sei die liberale Demokratie die Demokratie schlechthin, alles andere bloß eine elektorale Demokratie, der es zur vollen demokratischen Dignität an der rechtlichen Einhegung des Mehrheitswillens fehle.“  Dann heißt es:

Liberal sind Demokratien nur dann, wenn starke Verfassungsgerichte Gesetze verwerfen können, die von parlamentarischen Mehrheiten verabschiedet worden sind.

Liberale Demokratien in diesem Sinne seien historisch jung. Erst seit 1990 sei die Anzahl der Staaten mit starken Verfassungsgerichten sprunghaft in die Höhe geschossen, weil sich vor allem die osteuropäischen Länder am deutschen Modell orientierten. „Doch selbstverständlich gibt es historisch ehrwürdige Demokratien, die den Akzent ganz anders setzen – man denke an das Vereinigte Königreich.“ Sie hier. (https://de.wikipedia.org/wiki/Politisches_System_des_Vereinigten_K%C3%B6nigreichs)

Man könnte einschnappen bei dem Satz: „Je mehr Quatsch das Volk wählt…“, ebenso, wenn nachher vom „rohen Mehrheitswillen“ die Rede ist. Dabei spricht man privat ständig so über grundsätzliche Bedenken, wenn populistische Sentenzen Wirkung zeigen.

(Fortsetzung folgt)

ABBRUCH mit Quellenangabe

Quelle DIE ZEIT 20. Juni 2024 In welcher Welt werde ich leben? In diesem Buch spielen Kinder eigentlich gar keine Rolle, trotzdem geht es darin um sie: Der Politikwissenschaftler Philip Manow denkt über die Zukunft der Demokratie und ihre selbst gesteckten Grenzen nach / von Ijoma Mangold

(Fortsetzung bald)

Zum Widerspruch – dieses Gespräch mit Bazon Brock

Hatte ich es nicht selbst thematisiert im Jahre 2010 ? hier
Folkwang Universität der Künste in Essen
Symposium „Kulturelles Handeln im transkulturellen Raum“
18. Nov. 11.30 Uhr
„Transkulturelle Verständigung und die Lust, sich musikalisch abzugrenzen“ (Reichow)

Man kann es üben an der gegenwärtigen Aufregung über das Zeichen der „grauen Wölfe“ bei der Fußball-EM, das man tolerieren oder ahnden kann. Gehört es zu der anderen Kultur (oder zu ihren Schattenseiten)?

Auch die Vergangenheit der Moderatorin (im Bazon Brock Video) ist nicht o.k., – spielt das hier eine Rollle? Sie arbeitete von 2014 bis 2021 für den russischen Propaganda-Sender RT DE. Dort moderierte sie von November 2014 bis zur Einstellung im Juli 2020 die Sendung Der Fehlende Part. Danach leitete sie die Social-Media-Abteilung von RT DE. (Siehe Wikipedia hier).

Seine Pauschalisierung ist nicht hinnehmbar. (Forts.folgt)

Medien Misstrauen Durchblick

„Was sehe ich?“ oder „Was höre ich?“

„Wokeness“

Ich habe dieses Wort gegoogelt, um Weiteres über den Bedeutungsumfang zu erfahren, und war im Nu bei „Cancel Culture“ und einer Web-Seite, deren Impressum ich untersuchte, nachdem ich mit dem lehrreichen Inhalt fast fertig war. Pragmaticus-Verlag usw., Liechtenstein. Bedeutet das: Unabhängigkeit?

Doch zurück zu besagtem Web-Artikel: HIER. „Das Ende der Vernunft“ von Konrad Paul Liessmann. Im Vorübergehen habe ich gelesen: Österreichs Vorzeigephilosoph… das schürt Misstrauen. Zwei Klicks weiter bin ich bei den Salzburger Nachrichten-Zeilen: Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hat gemeinsam mit Prinz Michael von und zu Liechtenstein ein neues Medienprojekt aus der Taufe gehoben: „Der Pragmaticus“ startet ab sofort als Onlineplattform.

Noch ein Klick weiter: hier (Wikipedia): Laut Bloombergs Billionaires Index  belegte er im Februar 2022 und einem geschätzten Vermögen von 15,4 Milliarden US-Dollar den 132. Platz auf der Rangliste der reichsten Menschen der Welt.

Bin ich kuriert? Oder ganz ins Reich der Vorurteile abgedriftet? Wo steht nun Konrad Paul Liessmann? Aber warum habe ich mich nicht von vornherein an Wikipedia gehalten? Der Artikel „WOKE“ klärt weitgehend auf. Sogar speziel über den Gebrauch des Wortes in Deutschland und Österreich.

Ich werde zurückkehren zum ersten Medium meines Vertrauens (das selbst die Gründe des möglichen Misstrauens reflektiert). DIE ZEIT 19.05.2022 N° 21 .

1 Das Ende der Globalisierung / Die Überlegenheit des westlichen Lebensstils hat sich als Illusion erwiesen. Wie konnten wir nur daran glauben? Von Jens Jessen

Was man politisch missbilligte, nahm man zugleich als Konsument in Kauf.

2 Verteidiger des Anstößigen / Der österreichische Philosoph Robert Pfaller kämpfte schon gegen Wokeness, als es den Begriff noch gar nicht gab. Mit seinem neuen Buch über die Scham bringt er die intellektuellen Verhältnisse erneut zum Tanzen. Ein Besuch in Wien. / Von Ijoma Mangold

Scham ist zu einem allgegenwärtigen Affekt geworden. Man schämt sich für sein eigenes Verhalten (Flugscham), aber noch häufiger findet man, andere müssten sich schämen für ihr Verhalten, oder man schämt sich gar in der Form der Fremdscham anstelle der anderen.

3 Die große Seelenschau / Die Deutschen erkunden ihr Inneres wie nie zuvor. Das ist gut für den Einzelnen. Doch hilft es auch der Gesellschaft in schwierigen Zeiten? / Von Stefanie Kara und Rudi Novotny

Wo kommt das alles her? Macht es die Gesellschaft als Ganzes besser? Und ist es überhaupt noch angemessen in einer Zeit, in der plötzlich Härte so wichtig zu sein scheint: gegenüber Putin, gegenüber den Zumutungen des Krieges und seiner wirtschaftlichen Folgen? Sollte eine Gesellschaft, die sich wehren muss gegen einen Aggressor, sich lieber nicht so sehr mit sich selbst beschäftigen – oder gebraucht gerade sie die psychische Stärkung, um alles durchzustehen?

3 Der gute Ton in schlechten Zeiten Muss man russische Musik derzeit boykottieren, um ukrainische zu würdigen? Über die Politisierung der Künste in Zeiten des Krieges / Von Florian Eichel

das zweite und problematischere Argument gegen russische Musik: Man hadert mit der symbolpolitischen Wirkung, die es entfaltet, der russischen Kultur eine Plattform zu geben, wenn gerade die ukrainische schutz- und aufführungsbedürftig ist. Doch rücken solche Überlegungen in den Vordergrund, die man eigentlich überwunden zu haben hoffte.

(…) Wie viel politischen Ballast hält antipropagandistische Kunst aus, bevor sie unter einem solchen Gewicht selbst zu bloßer Propaganda wird? Jenseits der Hochkultur stellte sich diese Frage beim jüngst ausgetragenen Eurovision Song Contest.

4 Warum so wütend, Herr Snyder? Der Historiker und Ost-Europa-Experte Timothy Snyder wirft den Deutschen vor, ständig »Nie wieder Faschismus« zu sagen – aber ihn nicht zu bekämpfen, wenn er sich zeigt. Ein Gespräch über Kolonialismus, unterlassene Hilfe in der Ukraine und den Rohstoff Schuld

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Als Voraussetzung oder wesentliche Ergänzung zu 1 gilt aus meiner (stark persönlich bedingten) Sicht:  Zur Dialektik der postkolonialen Kritik von Daniel Martin Feige, der auf der vierten Seite die Kaluli erwähnt. Immerhin. Und die Musikästhetik von Christian Grüny und vor allem eine analytische Arbeit von Simone Mahrenholz. Ein Neuanfang. (Publikationen dieser Autorin hier.)

Aber die eigene Suche danach erspare vorläufig niemandem. Meine Bezugsthematik findet sich in einem Buch, das mich vor 10 Jahren beeindruckt hat:

Inhaltliches bei socialnet hier

Was ich so hervorragend finde an der „Musikbeschreibung“ von Simone Mahrenholz, lässt sich schwer „in eigene Worte“ fassen, vor allem, wenn es solche sein sollen, die jemand anderen nicht veranlassen, sofort zu sagen: das kenne ich schon, das ist doch nicht neu! Das findet man doch ebenso deutlich bei Victor Zuckerkandl oder bei Adorno, nur anders formuliert. Und wenn man triumphierend auf Susanne K. Langer weist, hätte man sogar völlig recht, ja, – aber mit größtem Unbehagen würde ich mich daran erinnern lassen, dass ich vor vielen Jahren einen Disput mit Joachim E. Berendt hatte: Er schien mir auf eine absurd unwissenschaftliche Weise ein neues Zeitalter des Hörens ausrufen zu wollen, das sich im Einklang mit einer mystisch verstandenen Physik wähnte, kombiniert mit einem starken Schuss indisch-exotischer Philosophie, kondensiert in der Formel „Nada Brahma“. Lauter Worte, die sich einer heiligen Naivität verdankten, Worte, die auch heute wieder auftauchen könnten und immer irgendwie wahr sind: z.B. „Wendezeit“ (Frithjof Capra). Wahrscheinlich hat es angefangen mit Jean Gebser, Anfang der 60er Jahre, und seiner Vision einer großen Abendländischen Wandlung. Ich will das alles gar nicht beschwören, diese Themen waren ja innerhalb weniger Jahre kontaminiert. Schwärmertum, mehr oder weniger  dilettantische Weltentwürfe. Immer das große Ganze. Nicht umsonst begegnet man bei Simone Mahrenholz des öfteren der Warnung vor Mystizismus. Auch modisch-elegante Philosophen wie Peter Sloterdijk haben sich  ein Weile von der Nada-Brahma-Welt des „Jazz-Papstes“ aus Baden-Baden becircen lassen und wortreich wieder hinausmanövriert. Unter dem Deckmantel des universalen Klangs ließ sich alles verkaufen. Die Doppelgestalt des Tones – wie schön das klingt, wie zauberisch -, und Berendt selbst hat sich erst vollständig lächerlich gemacht, als er die großen klassischen Werke in seinen Aktionismus einbezog, möglichst letzte, allerletzte Werke, mit direktem Draht zum Jenseits: „Hinübergehen“ hieß sein letztes Buch.

Ich erwähne dies nur, um ganz deutlich zu machen: diese Zeiten sind vorbei und werden nicht wiederkommen. Und wenn nicht längst deutlich wäre, dass die Esoterik der Rudolf-Steiner-Welt nach wie vor mit Wissenschaft nichts zu tun hat, – das ist halt „Geheimwissenschaft“, die durchaus absolut „geheim“ bleiben darf -, so wäre jede neue Musikphilosophie, die nur entfernt danach klingt, auch nur leeres Gerede. Nonsens.

Die von Simone Mahrenholz aufgestellte These lautet, „dass ein gemeinsamer Nenner für alle existierenden Musikformen in der Funktion einer (anvisierten) Transformation der Wahrnehmung liegt. Diese impliziert Bewusstseinsveränderung. Alle im Text angesprochenen Musikformen haben diesen Effekt (oder dieses Ziel) – mit unterschiedlicher Intensität und Stoßrichtung.“ Und sie fragt dann: „Wie ist Wahrnehmungsveränderung durch Musik konkret möglich? Worin ist sie situiert?“

Es ist die Wortwahl oder die Blickrichtung, die ein Phänomen plötzlich in ein neues Licht setzen und die Augen weit öffnet: das große Staunen ist da, welches nach Plato der Anfang jeder Philosophie ist. Hör ich das Licht? (Tristan). Was sieht man? (Ich verkürze:) Ein Mehr an Realität. Bei Mahrenholz folgen dann die Sätze, die das Interesse und die Phantasie befeuern:

Eine Antwort hierauf liegt in der musikalischen Materialität. Wie entstehen Töne, sound, noise, Klang. (Anmerkung !) Bekanntlich durch in Bewegung [(in)] versetzte Materie, vor allem Musikinstrumente und dadurch ausgelöste Luftschwingungen, die sich über das Resonanz-Prinzip im Raum fortbewegen. Nach welchen Gesetzen produzieren diese ausgelösten Oszillationen Töne? Hier liegt der Schlüssel für das Weitere. Musikinstrumente und bewegte Körper produzieren streng genommen keine Töne. Sie produzieren Schwingungen, Schwingungsfrequezen. Da deren Geschwindigkeit gewöhnlich viel zu hoch ist für direkte Wahrnehmung, wandelt die menschliche Hörphysiologie sie in Tonhöhen um. 440 Schwingungen pro Sekunde ergeben den Kammerton a. Das heißt, Musikinstrumente und Hörphysiologie zusammen produzieren Töne. Verschiedene Tonhöhen und verscieden schnelle Oszillationen.

Das ist so bekannt, dass manch eine(r) mit Hochmut reagieren mag. Gerade auch, wenn als nächstes das Phänomen der Obertöne erläutert wird; man denkt an den Obertongesang, der uns in den 80iger Jahren vielleicht in eine Sackgasse befördert hat. Was mich heute fasziniert, ist die völlig andere Stoßrichtung der verwendeten Begriffe.

Simone Mahrenholz verbalisiert vorsorglich auch die Hemmung, „das ideologisch aufgeladene Wort ›Obertöne‹ in den Mund zu nehmen“, bevor sie formuliert, dass „das Wahrnehmen von Musik als eines sinnhaften Gebildes (…) dem hörenden Individuum zugleich etwas über die physiologischen Gesetze des Seins mitteilt.“ Dazu gehört Mut, und man sollte solche Sätze nicht aus dem Kontext isolieren, mit Pathos aufladen und weitergeben.

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„Wunderbarer als die Erscheinung des Regenbogens“ – Werbetext für eine WDR-Veranstaltung am 22.07.1982 mit dem Harmonic Choir unter David Hykes :