Von der Eigenart fremder Völker

Warum nicht BBC hören?

 

Nein, nicht nur hören, man muss es hören, sehen und fühlen, aber eine Radiosendung kann der Anfang sein. Oder ein Konzert, eine Live-Veranstaltung, ein Besuch in Madagaskar, wenn man noch einigermaßen bei Kräften ist. Und nie mehr über Bogenführung meckern will!

Ich bin einstweilen ganz glücklich über diesen Sender bzw. über das Angebot dieses Senders, das so leicht abrufbar ist:

Unzählige „Episoden“, abrufbar hier. Ich wähle gerade diese Seiten, weil mein Freund Hans sich dort befindet, es ist seine Lieblingsregion in Ägypten. Er hätte Simon Broughton dort begegnen können, wenn er sich für den Besuch britischer Musikethnologen brennend interessierte, er lebt aber dort wie ein Einheimischer. Und manchmal reist er selbst durchs Land, neugierig wie ein Fremder: siehe hier. Oder er fährt nach Kairo, um die Literaturszene dort zu studieren.

Ansonsten habe ich bei BBC mit den Madagaskar-Sendungen angefangen, weil ein anderer Freund und ehemaliger Kollege, mit dem ich im WDR – Tür an Tür – fast 30 Jahre zusammengearbeitet habe, mir gestern eine Mail geschrieben hat:

Wir schauen uns gerade ein youtube-Video an, zu dem uns Jenny einen Link geschickt hat: traditionelles Reisbauern-Musiktheater aus dem madegassischen Hochland. Vor ziemlich genau zehn Jahren hatten wir da eine Coproduktion mit dem Theater an der Ruhr – das war und bleibt für mich eins der eindrücklichsten Erlebnisse meiner ganzen Berufszeit.
Ich hab jetzt sofort an Dich gedacht: vor allem wegen der Geiger… ;-).
Wenn Du also mal Lust auf ‚großes Theater‘ hast: gönn‘ Dir dieses unterhaltsam-erbaulich-belehrende Volksbildungswerk aus Volkes eigenem Mund.

 

Ja, und das habe ich gern getan und empfehle es auch denen, die zufällig in diesen Blogbeitrag geraten sind. Aber nicht ohne sich vielleicht etwas kundig zu machen. Bei Wikipedia zum Beispiel allgemein über Madagaskar, wobei ich zu meinem Verdruss bemerke, dass dort unter „Kultur“ nicht die Musik hervorgehoben wird, sondern ausschließlich – Sport. Daher sollte man, sofern man der englischen Sprache einigermaßen mächtig ist, unbedingt mit den BBC-Sendungen beginnen. Oder auch zunächst – in französisch – eine nationale Original-Notiz über das Volksfest „Hira Gasy“ zur Kenntnis genommen haben: hier.

Und dann dies: hier (https://www.bbc.co.uk/programmes/b00pky51)

  also: mit Lucy Duran, Justin Vali und Paddy Bush.

Ich vergaß hervorzuheben, dass ich immer als erstes (oder zweites), das MGG neu (Die Musik in Geschichte und Gegenwart) konsultiere. Autor des Artikels in Sachteil Bd.5 (1996): August Schmidhofer, – mit Staunen sehe ich im Link, wieviel Forschungsreisen er noch nach 1996 in Madagaskar, Malawi, Mosambik und Uganda durchgeführt hat. Wie mag sein heutiger Wissensstand sein?

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Heute entdecke ich die Dissertation, deren frühere Version ich studieren durfte, – wann, weiß ich nicht mehr, habe gerade erst die fabelhafte Endversion von 2010 im Internet entdeckt: hier. Von damals stammt die folgende „Original-Seite“, die ich mir wegen der Violinhaltung vorgemerkt habe. Jetzt finde ich die lebendigste Illustrierung jederzeit auf Youtube (s.u.). Und ich traue meinen Augen nicht, da ist schon die Rede von „Hira Gasy Violin Players“, wovon ich  damals und bis heute keine Ahnung hatte. Obwohl wir im WDR schon Konzerte mit madegassischen Ensembles veranstaltet haben, als Jenny noch als hochbegabtes Kind in Lohmar lebte… Und als sie glaube ich noch studierte, haben wir zum ersten Mal zusammengearbeitete: ohne ihre gründliche Übersetzungsarbeit hätte die Sendung über Johnny Clegg am 13. April 2006 niemals fertiggestellt werden können, und diese Sendung beruhte auf einem Interview, das im Frühling 1981 in meinem Garten stattgefunden hatte.

Skript vor 2010

WDR Sendung 2006 Zitat:

Es war im Frühling 1981, als Kevin Volans uns besuchte, der Komponist aus Südafrika. Damals war er noch völlig unbekannt, eine CD des Kronos Quartets, „White man sleeps“, hat später seinen Namen schlagartig in der ganzen Welt zu einem Begriff gemacht. Heute kann er damit rechen, dass sein neues Klavierkonzert in Los Angeles von Marc-André Hamelin uraufgeführt wird. Damals war Frühling, wir blickten von der Terrasse auf den Waldrand, der Zulu-Musiker Sipho Mchunu hockte am Hang unter der alten Eiche, an deren Stamm ein Haufen Steine angeschüttet worden war; und er prüfte jeden einzelnen Kiesel: er glaubte an die Kraft dieser Steine und wollte ein paar erlesene Stücke daheim in die Mauern seines Hauses einfügen.

Ende der Sendung:

Auch unsere Sendung geht zuende: ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, und wenn Sie wissen wollen, was aus Johnny Clegg geworden ist: er hat ja danach eine erfolgreiche Karriere als Rockmusiker begonnen, alle Stationen sind auf seiner Web-Seite nachzulesen. Und Kevin Volans gehört inzwischen zu den erfolgreichsten Komponisten der Neuen Musik. Sipho Mchunu ist in seine Heimat zurückgekehrt, Ladysmith Black Mambazo macht nach wie vor erfolgreiche Tourneen. Alle Webseiten-Angaben bekommen Sie über unserer Hörertelefon, notfalls auch über meine eigene Webseite. Das Hörertelefon gibt Anregungen, Lob und Kritik an uns weiter, wir interessieren uns sehr dafür.
Für Anregung und Mithilfe bei dieser Sendung danke ich Jenny Fuhr (Niederschrift des 2stündigen Volans-Clegg-Interviews).
Für die Technik sorgte Alexander Hardt (Studio Rheinklang Köln).
Eine Musikliste wird gerade von unserer Produktionsassistentin Sarah Brasack zusammengestellt.
Am Mikrofon verabschiedet sich J.R. (Wortende bei 111:30)
(Vogelstimmen hoch, eine Hummel umfliegt das Mikro)

Ich konnte nicht widerstehen, diese Erinnerungen einzuflechten bzw. anzudeuten: unfassbar, solche Zeitspannen, und ich kann hier, wo ich sitze, aus dem Fenster schauen, dorthin, wo damals die alte Eiche stand, die jetzt der Länge nach am Boden liegt. Ein Denkmal ihrer selbst. Johnny Clegg lebt nicht mehr, s.a. Sipho Mchunu’s Gedenken hier, in der Wikipedia-Biographie wird der WDR genannt: hier. Auch dies: 1978 The Cologne Zulu Festival (1992). Darüber bin ich glücklich. Und heute auch über dieses unverhoffte Video, ein Festival namens Hira Gasy.

Was mir jetzt am Herzen lag: mich in wenigen Tage vertrauter zu machen mit der Eigenart eines Volkes, dessen Musik mich bei jeder Begegnung aufs neue begeistert hat, sogar eine CD ist auf der Grundlage von WDR-Veranstaltungen herausgebracht worden. Birger Gesthuisen produzierte Mitte der 90er Jahre eine wunderbare Serie:

Und eines Tages kam auch Jenny Fuhr mit Konzert-Reminiszenzen, allerhand musikalischem Gepäck und vielen neuen Ideen aus Madagaskar zurück:

Jetzt aber hätte ich eine neue Ebene der kulturellen Begegnung erleben können, Madagaskar hier und heute: Jenny Fuhr und ihr Ehemann Erick Manana zum zweiten Mal in Solingen… in meiner Stadt, – das Kulturamt der Stadt Solingen also mit einem Weitblick sondergleichen, nicht etwa im Schlepptau des WDR, oder irgendwie anknüpfend an die in früheren Jahrzehnten in Köln, Düsseldorf oder Bielefeld eingeübten radiophonen Initiativen. Autonome Kulturarbeit! Und ich in privater, autonomer Vorfreude und von dem Willen beseelt, diese Musik nach so vielen Jahren auf eine neue Weise wahrzunehmen, aus nächster Nähe, nicht auf der großen Bühne, sondern in Wechselwirkung mit einem interessierten Publikum . . .

Screenshot

Leider wird nichts aus diesen Plänen: Corona hat zugeschlagen. Keine gesundheitspolitische Vorsichtsmaßnahme, nein, das Virus selbst ist schuld: das Konzert fällt krankheitsbedingt aus. Ein Trauerspiel! Die Musik aber soll Hoffnung machen auf einen unbeschwerten neuen Termin: