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Couperin Pièces

Ein Zugang mit Tilman Skowroneck

Heute kam die Information per Mail, ich greife das gern auf, um meine Kenntnis der Stücke zu vertiefen, deren EMB Study Scores ich mir 1985 in Szombathely gekauft habe, um sie dann ruhen lassen. Jetzt wäre die Gelegenheit.

Aber nicht nur dafür, sondern vor allem, die interessanten Berichte aus der Praxis des Musikers Tilman Skowroneck an Ort und Stelle aufzusuchen, etwa hier und hier. Ich bin so frei, mich zu bedienen: ich suche die passenden Noten heraus, erinnere mich, dass ich ein Stück mit dem Titel „Les Niais des Sologne“ vor längerer Zeit schon einmal mit Bach in Verbindung gebracht habe (WTC II Fuge Fis-dur) und sehe hier eine Fanfare, die mich an Bach und Mozart erinnert (aber warum soll ein erfrischendes Signal nicht auch zum Allgemeingut gehören?). O.K., man kann der Sache ja mal nachgehen…

Achtung: geirrt! es war damals nicht Couperin, sondern Rameau: hier.

Und hier meine Bach- und Mozart-Beispiele zur „Fanfare“:

  

Aber nun zur Sache:

Lesenswert vor allem der MGG-Artikel, Personenteil Bd.4 Sp.1755f, Autor Denis Herlin :

ZITAT (Tilman Skowroneck)

I spent two of the last days in March 2020 before the (comparatively moderate, but still) Swedish coronavirus-stay-at-home recommendations went live, recording a harpsichord program with music by François Couperin. The program contains the first Prélude in C-major and selections from the third Ordre in C-minor from book 1 of the Pièces de Clavecin; the second Prélude in D-major and selections from the second Ordre, and the sixth Prélude in B-minor and the entire magnificent eighth Ordre in B-minor.

The recording was made in Ödenäs church on March 4 and 5, 2020, by Erik Sikkema. The Harpsichord is a 18th-century French model (5 octaves) by Martin Skowroneck (1980).

Two sound samples are here (Second Ordre, La Terpsicore and La Garnier):

La Terpsicore :

La Garnier :

 

Zum Mitlesen (eventuell die Klangbeispiele im Extrafenster aufrufen hier)

      

Was machen denn die Musiker*innen JETZT?

Das ernste Wort eines Konzertmanagers

Ich habe es gut, ich bin nicht krank, und am zunehmenden Alter kann und will ich nichts ändern. Also nicht jammern, nur kein Leerlauf. Meinetwegen auch mit andern Leuten in der Schlange stehen, Abstand nach Vorschrift. Weil der Frühling offensichtlich aktiv ist und nicht nur Pflanzen sondern auch Tiere und Menschen aktiviert. So fuhr auch ich am frühen Nachmittag zu OBI, um Pflanzen zu kaufen und Blumenerde, hörte die Vögel singen und dann plötzlich im Autoradio DLF

 frohgestimmt

… die folgende, trotz der ganzen Corona-Misere doch etwas erfreuliche Nachricht; sie war tatsächlich dann auch zuhaus im Internet nachzulesen:

Kulturstaatsministerin Grütters ist zuversichtlich, dass Deutschland die Vielfalt und Qualität seiner Kulturlandschaft nach der Corona-Krise erhalten kann.

Sie sagte der „Süddeutschen Zeitung“, wenn überhaupt ein Milieu sich als widerstandsfähig erwiesen habe, dann sei das in Deutschland die Kultur. Sie werde als Demokratiestabilisator, als notwendiges kritisches Korrektiv vom Staat und seinen Bürgern anerkannt.

Gerade in der jetzigen Ausnahmesituation erlebe sie in der Politik eine nie da gewesene Solidarität mit der Kultur- und Kreativwirtschaft. „Ich muss oft für deren Bedürfnisse werben, aber jetzt waren die Künstler und Kreativen unter den Ersten, an die bei den Rettungspaketen gedacht wurde“, ergänzte die Ministerin. Was ihr Sorgen mache, seien die wegfallenden Einnahmen. Doch es gebe einen großen Ehrgeiz, das Kulturmilieu nicht beschädigt aus dieser Krise hervorgehen zu lassen.

Yippie!

Und dann las ich in den Mails von heute, was ein bekannter Konzertmanager in Berlin zu diesem Thema sagt. Irre ich oder stimmt da jemand mit der Wirklichkeit nicht überein? Frau Grütters könnte mit Hegel sagen: Um so schlimmer für die Wirklichkeit! Ja genau!

ZITAT Berthold

Werden die Tourneen z.B. von Patti Smith im August oder von Van der Graaf Generator im September tatsächlich stattfinden? Ich weiß es nicht. Und ganz ehrlich: Die Chancen stehen bestenfalls bei 50 Prozent. Sicher ist derzeit nur so viel: Bis Juli wird es keine Tourneen, Konzerte und Festivals geben (dass immer noch einige Juni-Festivals nicht abgesagt wurden, hängt ausschließlich mit Haftungsfragen zusammen, die Veranstalter warten auf die Absagen der Behörden).
Für uns alle, die gesamte Konzertbranche wie die Fans, wäre es sehr hilfreich, wenn die zuständigen Behörden langfristig agieren und verbindliche Aussagen treffen würden. Die Vorbereitung von Tourneen und von Festivals zieht sich über etliche Monate, und wenn wir alle einigermaßen im Voraus Bescheid wüssten, könnten wir uns einen Teil der notwendigen Investitionen (von Wo*Manpower bis Werbung) sparen. Tourneen brauchen Vorlaufzeiten (und übrigens auch Reisefreiheit). Die österreichische Regierung hat diese Woche alle Veranstaltungen bis Ende Juni, die dänische sogar bis Ende August untersagt, weswegen auch das bedeutendste europäische Festival, Roskilde, abgesagt werden musste. Die baden-württembergische Landesregierung hat immerhin bis zum 15.6. alle Veranstaltungen untersagt. Bitte: Die Konzertbranche braucht Klarheit und Planungssicherheit!
Und niemand braucht einen Flickenteppich von Entscheidungen, Föderalismus hin oder her. Verbindliche Aussagen mindestens drei Monate im Voraus!

Uns Musiker*innen, Veranstalter*innen und Kulturarbeiter*innen ist bewusst:
Konzerte waren das erste, was unter- und abgesagt wurde. Und Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen werden das letzte sein, was wieder möglich sein wird.
Insofern betrifft der Lockdown die Kulturszene ganz besonders. Und die Ungleichheit, die allerorten herrscht, ist aktuell auch in der Konzertszene manifest: Daß Covid-19 und Corona alle gleich machen würde, ist eben grober Unfug. Sicher, Anna Netrebko kann ebenso wenig öffentlich singen wie die kleinen Songwriter*innen in Neukölln oder Giesing. Doch die Superstars verfügen anders als junge und unbekannte Musiker*innen über einen ausreichenden ökonomischen Background, um problemlos über die Runden zu kommen.
Nochmal zur Erinnerung: das durchschnittliche Jahreseinkommen von Musiker*innen in D betrug zum 1.1.2019 laut Künstlersozialkasse gerade einmal 14.628 Euro; das der weiblichen Musikerinnen betrug sogar nur 12.222 Euro, das der Musiker*innen unter 30 Jahren 13.398 Euro und das der weiblichen Musikerinnen unter 30 nur 12.191 Euro…
Während der Vorstandsvorsitzende von CTS Eventim, Klaus Peter Schulenberg, Dollar-Milliardär ist und der CEO von Live Nation, Michael Rapino, über ein Jahreseinkommen von mehr als 70 Millionen US-$ verfügt, verdienen die zahlreichen, meist selbständigen Arbeiter*innen im Konzertbetrieb, also Stagehands, Securities, Roadies, Busfahrer usw., häufig gerade einmal Mindestlohn.
Die Ungleichheit setzt sich bei den Konzert- und Tourneeveranstaltern fort:
CTS Eventim und Live Nation sind Aktiengesellschaften und verfügen über zig Millionen Rücklagen und sind außerdem im Milliardenbereich kreditwürdig (die langfristigen Verbindlichkeiten, „long-term debts“, von Live Nation beliefen sich laut Geschäftsbericht des Konzerns zum 31.12.2019 auf 3,31 Milliarden US-$!). Die Rücklagen der unabhängigen Tournee- und Konzertveranstalter dagegen sind gering und reichen bestenfalls für ein paar Monate, wenn überhaupt. Und Clubs und Kulturzentren, die von gestern auf heute schließen mussten, können kaum ein paar Wochen überleben. Und was passiert mit den Busfirmen, deren Nightliner oder Vans jetzt monatelang herumstehen?

Eigentlich vertrete ich ja die Ansicht: Gejammert wird nicht! Wir alle, die wir das unabhängige Konzertleben am Laufen halten, sind in der Regel mit Leidenschaft bei der Sache, und selbst die vielen unter uns, die hart am Prekariat entlang schrammen, wissen es doch zu schätzen, daß sie ein gegenüber Verkäufer*innen oder Arbeiter*innen privilegiertes und selbstbestimmtes Leben führen können. Doch in der aktuellen Situation gibt es einfach keine wirtschaftlichen Lösungen mehr. Es geht in der Konzertszene, und dort vor allem den kleinen und mittleren Firmen, Musiker*innen, Kulturarbeiter*innen, schlicht um die Existenz! Seit März keine Konzerte mehr, absehbar mindestens vier, wahrscheinlich sogar noch mehr Monate mit null Einnahmen – wie soll das gehen?

In dieser Situation benötigen wir tatsächlich Hilfe. Und zwar neben den vielen ehrenwerten solidarischen Initiativen eben auch staatliche Hilfe. In keinem anderen Bundesland wurde dem unabhängigen Kulturbetrieb so entschieden und so vehement geholfen wie im Land Berlin. Was Kultursenator Klaus Lederer und die R2G-Koalition dort geleistet haben, verdient allergrößten Respekt! In wenigen Tagen wurden 1,3 Milliarden Euro Soforthilfe mobilisiert und Hunderttausenden geholfen, vor allem den Solo-Selbständigen und kleinen Firmen mit weniger als 5 Mitarbeiter*innen, die vom Land Berlin binnen 3-4 Tagen eine Soforthilfe in Höhe von € 5.000 erhielten (dagegen Hessen z.B.: „bis zu € 1.000“, und das auch nur, wenn keine anderen Liquiditätshilfen wie Kredite oder Steuerstundungen zur Verfügung stehen). Hier hat sich gezeigt, daß für den so häufig gescholtenen Berliner Senat die Förderung unabhängiger Kultur nicht bloß eine Worthülse ist (und ja, auch ich habe das erste Mal in 32 Jahren Existenz dieser Agentur ein wenig „Staatsknete“ beantragt und erhalten).

Von der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters (CDU), hört man in diesen Tagen viel – kaum ein Mikrofon, an dem sie vorbeigeht, kaum ein Feuilleton, in dem nicht ein langes Interview mit ihr erscheint. Aber in der Substanz? Null. Wurden die Besonderheiten der Kulturbranche bei der Konzeption von Nothilfen aufgrund der Corona-Epidemie berücksichtigt? Natürlich nicht. Gibt es einen Kultur-Soforthilfe-Fonds der Bundesregierung? Nein. Oh, fast hätte ichs vergessen: Frau Grütters hat ja die Schirmherrschaft über den Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung übernommen (und null Euro Bundesmittel dazu gegeben)…
In Zeiten der Krise erfährt man deutlich, wer handelt und auf wen man sich verlassen kann – und wer nur schöne Worte macht.

Wir werden erleben, ob wir uns im August und September schon wieder bei Konzerten sehen können. Ich hoffe es wirklich sehr. Aber sollte das nicht der Fall sein, bleibt mir neben dem Appell an die Politik, die unabhängige Konzertszene nicht untergehen zu lassen, nur, mich dem Appell von vielen Künstler*innen und Veranstalter*innen anzuschließen:
Es würde uns allen, die wir in dieser komischen, verrückten, nicht selten Piranha-haften, aber auch verdammt wunderbaren Konzertbranche tätig sind, sehr weiterhelfen, wenn Sie Ihre Tickets nicht zurückgeben würden, sofern Sie es sich leisten können, und wenn Sie stattdessen die Ersatztermine besuchen und/oder statt Erstattung der Konzertkarten Gutscheine für die künftigen Konzerte akzeptieren würden! Damit es diese Konzerte dann überhaupt noch geben wird, ob im August und September 2020, im Januar oder im Sommer 2021…

Quelle: Berthold Seliger Presserundbrief 1/2020 .  Immer empfehlenswert, auch seine Internetseiten zu besuchen: hier. Büro für Musik, Texte & Strategien.

Und morgen früh werde ich die Hortensien einpflanzen und dann täglich gießen, auf die Natur ist doch weiterhin Verlass. Vielleicht steht in der Zeitung dann auch noch eine reale Zusage von Frau Grütters.

*    *    *

Entschuldigung: da mir in diesem Moment wieder eine Mail zugeflogen ist, die einen Link enthält, den ich leicht verpflanzen kann und der eine wunderbare Wirkung ausübt, – eine reichverzierte, aber in meinen Ohren todtraurige Sarabande von Johann Sebastian Bach -, ja, so folge ich meiner Neigung und beende meine Tagesarbeit, indem ich wieder und wieder diese Musik höre. (Bitte vorweg leise einstellen, ein gutes altes Cembalo im Raum knallt nicht!)

Mehr davon und darüber? Siehe Tilman Skowroneck hier.

9. April Da wir gerade dabei sind: Cembalo! In meiner Nachbarstadt Remscheid wird heute Geburtstag gefeiert. Herzlichen Glückwunsch, Volker Platte hier.