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In finsteren Zeiten

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Mit diesen Zeilen beginnt ein Gedicht, das Bertolt Brecht im Jahre 1939 „An die Nachgeborenen“ geschrieben hat:

Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.

Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!
Der dort ruhig über die Straße geht
Ist wohl nicht mehr erreichbar für seine Freunde
Die in Not sind!

Es lohnt sich, das Gedicht einmal wieder von Anfang bis Ende nachzulesen: „Der Neue Conrady“ Patmos Verlag, Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf und Zürich 2000 (Seite 704 ff). Siehe auch bei Wikipedia hier.

Im Spiegel-Gespräch sagt der Berliner Künstler Philipp Ruch, es gehöre zu den toxischen Ideen zu behaupten, die Welt sei so groß und unübersichtlich, dass der Einzelne sowieso nichts tun könne.

SPIEGEL: Aber die Menschen tun was, sie helfen.
Ruch: Eine Minderheit. In Deutschland leben 80 Millionen Menschen. Die allermeisten stehen dem Horror an den Grenzen gleichgültig gegenüber – wie auch die politischen Eliten. Die SPIEGEL-Bestsellerliste wird angeführt von einem Buch mit dem Titel „Das geheime Leben der Bäume“. Diese Form des politischen Eskapismus ist gerade in meiner Generation leider weit verbreitet.

Quelle Der SPIEGEL 48/2015 Seite 144 f „Wir kommen aus der Apokalypse“ Die Politik habe den Sinn für das Schöne verloren, sagt der Berliner Künstler Philipp Ruch und fordert einen aggressiven Humanismus. Aber was soll das sein?

Philipp Ruch zitiert etwas später Elie Wiesel, der gesagt habe: das Gegenteil von Liebe sei nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.

Und noch einmal sei hier Bertolt Brechts Gedicht angeführt, die letzten Zeilen:

Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht.

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Nachtrag 29.11.2015 (zur Aufhellung)

Wohlleben antwortete, sprach von „knallharter Wissenschaft“, zitierte Studien. Für die Nachrichtenverbreitung sorgten Pilze. Pilze agierten wie die Glasfaserleitungen des Internets. „Sie durchziehen den ganzen Waldboden und leiten teilweise auch elektrische Signale weiter. Sie verteilen gleichzeitig auch Zuckerlösungen. Ein Teelöffel Walderde enthält mehrere Kilometer dieser hauchdünnen Fäden.“ „Wood Wide Web“ heißt diese Vernetzungsstruktur, ein Begriff aus der Wissenschaft, nicht von Wohlleben. Bäume, sagt er, könnten sogar zählen. Im März gebe es ja schon einige sehr warme Tage, aber die Bäume würden mit dem Austreiben trotzdem warten. Weshalb? Möglicher Spätfrost. „Die Technische Universität München hat festgestellt, dass die Bäume die Anzahl der Tage über zwanzig Grad zählen. Erst wenn eine bestimmte Anzahl überschritten ist, treiben sie aus.“

Quelle Frankfurter Allgemeine online 29. November 2015 Bäume sind so tolle Lebewesen
Peter Wohlleben ist Deutschlands berühmtester Förster, sein Buch über „Das geheime Leben der Bäume“ steht seit Monaten auf der Bestsellerliste. Der Hype findet kein Ende. Wohlleben sei ein Baumflüsterer, heißt es. Aber stimmt das? / Von MELANIE MÜHL