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Über die Sprachlosigkeit der Tiere und…

… warum sie nicht Klavier spielen

Marian Dawkins:

Will ich wissen, was Ihnen etwas bedeutet, kann ich Sie fragen. Sie könnten eine leidenschaftliche Rede über all das halten, was Ihnen wichtig ist – Familie, Karriere, das Sammeln alten Silbers oder was es auch immer sein mag -, und ich würde in recht kurzer Zeit eine deutliche Vorstellung davon bekommen, was Ihnen etwas bedeutet. Natürlich ist das bei anderen Lebewesen nicht möglich. Ich kann mich hinsetzen und sie beobachten und den Lauten zuhören, die sie hervorbringen. Doch woraus sie sich – wenn überhaupt etwas machen, darüber schweigen sie sich beharrlich aus.

Aber vielleicht liegen wir ganz falsch, wenn wir denken, nur über die Sprache erfahren zu können, was wir wollen. Vielleicht versperren wir uns, indem wir uns an die Sprache klammern, den Zugang zu einer noch ergiebigeren Informationsquelle. Sicherlich läßt sich über die Sprache schnell und geschickt herausfinden, was anderen Menschen wichtig ist, aber sie ist schließlich nicht die einzige Möglichkeit hierfür – auch bei Menschen, die unsere eigene Sprache sprechen. In mancher Hinsicht erfahren wir durch das, was Menschen tun, viel mehr über ihren Gefühlszustand als durch das, was sie uns in so vielen Worten über ihre Gefühle mitteilen. Jemand, der gelegentlich sagt, „Oh, ich möchte Klavier spielen können!“, drückt sehr viel weniger überzeugend aus, was er wirklich will, als jemand, der nichts sagt, aber jeden Tag vier Stunden seines Lebens opfert, um zu üben. (…)

Quelle Marian Stamp Dawkins: Die Entdeckung des tierischen Bewußtseins. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg etc. 1994 (Seite 192 f Kapitel 5. „Fühlen wie wir“)

ZITAT SZ „Drei Wege zum Gesang“

Ausgangspunkt für das genetische Riesenprojekt war die Frage, welche Gene Vögel brauchen, um singen zu lernen. Eine der großen Überraschungen ist nun die Erkenntnis, dass sich der Gesang wohl gleich dreimal in den verschiedenen Entwicklungslinien der Singvögel, der Kolibris und der Papageien ausgebildet hat. Die dafür zuständigen Gene sorgen beim Menschen für das Sprachvermögen und könnten auch bei anderen Tieren an unterschiedlichen Lernvorgängen beteiligt sein. Bislang war bereits klar, dass sich auch die Hirnstrukturen, die für das Singen bei Vögeln und das Sprechen beim Menschen zuständig sind, stark ähneln. Eine weitere Studie zeigt zudem, dass das Singen einen steuernden Einfluss auf 10 Prozent der Vogelgene hat – und liefert damit einen Hinweis darauf, wie das Verhalten eines Tieres und seine Erbanlage sich gegenseitig beeinflussen können.

Quelle Süddeutsche Zeitung 12. Dezember 2014 Drei Wege zum Gesang. Neuer Stammbaum zeigt, wie sich Vögel entwickelten. Von Hanno Charisius

Wie dem auch sei, entscheidend ist, daß die Sprache bei weitem nicht die einzige Möglichkeit darstellt herauszufinden, was anderen Menschen etwas bedeutet. Und zumindest einige der anderen Wege – beispielsweise Handlungen, die uns überzeugen, daß jemand meint, was er sagt, oder wirklich durch starke Gefühle an etwas gebunden ist – stehen uns auch offen, wenn es um andere Arten geht. Daß es keine entsprechende Büffel-, Birkhuhn- oder Bärensprache gibt, in der wir diese Tiere in Worten fragen könnten, was wir fühlen, ist also kein so gewaltiges Hindernis, wie es zunächst vielleicht scheint. Ganz im Gegenteil: Die Tatsache, daß wir gezwungen sind, bei ihnen nach direkteren und zwingenderen Methoden zu suchen, könnte sich im Endeffekt als Vorteil erweisen. Zumindest ist es schwieriger zu lügen, wenn man keine Worte benutzen kann. (…)

Tiere haben kein Geld zu vergeben und kein Klavier, um darauf zu üben. Wollen wir also über ihr Handeln herausfinden, was sie fühlen, müssen wir etwas Einfallsreichtum zeigen und uns Situationen ausdenken, in denen sie uns das eindeutig mitteilen.

Quelle Dawkins (wie oben) Seite 193 f

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Raggiana Paradiesvogel (Wikimedia Common markerharper1)