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Mehr über Maori-Menschen?

Nach 140 Jahren: Gesichter lesen, Geschichten erfahren

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Quelle: Commons Wikimedia Bitte einzelne Bilder anklicken!

Diese Bilder sind nebst vielen anderen im Internet zu finden, wenn Sie dem Namen Gottfried Lindauer folgen. Von selbst werden Sie auf eine Fundgrube von Informationen stoßen, wollen sich aber vielleicht zunächst einen Überblick verschaffen, wer die Maori sind und was man über ihre Geschichte weiß: bitte HIER bei Wikipedia. Ein weiterer Link (mit den Geschichten zum Bild) HIER.

Der entscheidende Punkt ist aber der, dass es zur Zeit in Berlin eine Ausstellung gibt, die alle flüchtigen Eindrücke vertieft und konkretisiert. Ich zitiere aus dem Prospekt der Veranstalter:

Die Ausstellung Gottfried Lindauer. Die Māori Portraitsfordert dazu auf, gewohnte Denkrahmen zu überschreiten. Bisher wurden in der Alten Nationalgalerie Werke europäischer Künstler ausgestellt, nun werden dort die Bilder eines Malers ins Licht gerückt, dessen Identität und Werk sich eindeutigen Zuordnungen entziehen. War Lindauer Künstler, war er Ethnograph? Warum hat er hauptsächlich die indigene Bevölkerung Neuseelands dargestellt? Sind seine Werke strategische Inszenierungen des Fremden oder standen sie im Dienst kolonialer Zwecke?

Im Zentrum des Vermittlungsprogramms stehen Dialoge und der Wechsel von Perspektiven. Dabei soll nicht nur das was wir sehen eine Rolle spielen, sondern auch die Frage, was den Blick lenkt und unsere Wahrnehmungsweisen prägt. Mehrfach gibt es Gelegenheit die Stimmen derjenigen zu hören, die Lindauers Porträts zu ihrem kulturellen Erbe zählen. Wöchentlich besteht die Möglichkeit vor den Werken mit Wissenschaftler/innen unterschiedlicher Disziplinen ins Gespräch zu kommen.

Alles weitere unter dem folgenden Link: HIER. Oder Sie wählen den wunderschönen Flyer als pdf HIER.

Für mich ist bei der Betrachtung aller Traditionen in Mikronesien und Polynesien der Stand der Musik ein entscheidendes Indiz. Ich zitiere aus dem Artikel Ozeanien im Sachteil (Band 7) des neuen MGG-Lexikons (Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Verlage Bärenreiter und Metzler, 1997. Autoren: Barbara Smith bzw. Richard M. Moyle (Übers. Thomas M. Höpfner):

ZITAT

Seit der Entdeckung Guams durch Fernão de Magalhães (span. Magallanes) 1521 wurde Mikronesien durch Forscher, Handeltreibende, Kolonial- und Militärpersonal u.a. aus allen Kontinenten bereist und besiedelt, die viele verschiedene Musikstile einführten, die z.T. von den Eingeborenen übernommen, z.T. imitiert und phantasievoll angepaßt wurden (….). Vor dem Zweiten Weltkrieg übten die christlichen Missionare den stärksten Einfluß aus; einheimische Musik und Tanz wurden massiv unterdrückt und die Gesänge der Religionsgemeinschaften eingeführt. Im östlichen Mikronesien übersetzten die Protestanten Kirchenlieder in die dortigen Sprachen, veröffentlichten Gesangbücher und lehrten an ihren Schulen auch Singen und Notenlesen.

(…)

Die Missionierung im 19. Jahrhundert gab den stärksten Anstoß zum kulturellen wie auch musikalischen Wandel in Polynesien in historischer Zeit. Französische katholische Priester tolerierten vorhandene Gesangs- und Tanzgattungen, britische protestantische Missionare dagegen untersagten, sobald sie örtlich Einfluß gewonnen hatten, systematisch die Darbietungen in vielen Gebieten, so daß landesweit ganze Gattungen verschwanden. In Samoa und Tonga wurden bald neue zulässige Gattungen geschaffen, um das kulturelle Vakuum auszufüllen. (…).

Weiter verstärkt wurde der Einfluß der Missionare durch die Einführung vierstimmiger Kirchenlieder für gemischten Chor; obwohl neu in den meisten Gegenden, ist dieses Medium schließlich in ganz Polynesien angenommen worden. Bei den protestantischen Denominationen in den Zentralgebieten Ostpolynesiens bildete sich eine vergleichbare Tradition des Kirchenliedgesangs mit mehrstimmigen Chören, die Verse aus lokalen Bibelübersetzungen singen. (…)

Der Massentourismus hat den Interpretengruppen etliche fundamentale Veränderungen beschert. Die Identität des ausübenden Künstlers und der Kulturbesitzbegriff sind über ihre Stammes- oder Dorfbasis hinaus zu einer nationalen Basis gelangt; Gesänge und Tänze werden einem ausländischen Publikum als nationales Gut präsentiert und stellen Kennzeichen des nationalen Selbstverständnisses dar. In einem solchen Zusammenhang sollen Gesang und Tanz ein Gesamtbild entwerfen, nicht nur den Gehalt der Gesangstexte schildern. Tatsächlich wird jetzt nicht mehr das geäußerte Wort einem aktiven, denkenden Publikum dargeboten, sondern ein größtenteils passives Publikum, für dessen Gegenwart der sprachliche Inhalt des Gesangs unerheblich ist, bekommt eine visuelle Schau vorgesetzt. Als Primärkriterien für die Auswahl der Darbietenden haben physische Erscheinung und Leistungsfähigkeit die persönlich soziale Identität abgelöst, und aus eine Vielzahl von Aufführungsfunktionen sind lediglich die Faktoren Unterhaltung und die Widerspiegelung der Identität mit der eigenen Kultur übrig geblieben. Daß diese Projektion zweihundert Jahre europäischer Präsenz und Einflußnahme überlebt hat, beweist ihre zentrale kulturelle Bedeutung. (ZITATENDE und Ende des oben näher bezeichneten MGG-Kapitels)