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Die sogenannte Realität

Ich interessiere mich neuerdings für die Cayman Islands. (Ich war noch nie in der Karibik.)

Die Gipfel eines unterseeischen Gebirges, des bis nach Kuba reichenden Kaimanrückens, bilden die Inselgruppe. Ihren Namen verdanken die Inseln den hier lebenden Echsenarten, den Kaimanen, die man zu Beginn mit Krokodilen verwechselt hatte.

1503 von Kolumbus entdeckt, nachdem er von der geplanten Route abgewichen war. Später britisches Überseegebiet. Hauptexportmittel waren über lange Zeit Schildkröten und Muscheln. So lese ich in Wikipedia.

Aber ehrlich gesagt, was mich aufmerksam gemacht hat, ist eine Notiz in der ZEIT (19. März 2015 Seite 54):

… auf den Cayman Islands [sind] 80 000 Unternehmen registriert, aber nur 53 000 Einwohner.

Einerseits muss ich zugeben – Wirtschaftsstrukturen interessieren mich weniger als musikalische, andererseits bin ich deshalb noch lange kein Traumtänzer. Was tun? Ich mache mir Notizen und warte, ob sie weiterwirken. Noch kaufe ich das entsprechende Buch nicht. Ich lese in Wikipedia den Abschnitt, der nach dem Satz über Schildkröten und Muscheln folgt. Überschrift: Wirtschaft. Nicht nachlassen, die paar Zeilen kannst du absinken lassen, bitte HierWas braut sich da zusammen?

Die Cayman Islands liegen weit vor unserer Küste, off shore, vor jeder Küste, es ist der freie Raum da draußen. Aber man ist nicht einsam dort: eine ganze Schicht ist hier zu Hause, eine „globale Schicht, die aus hochvermögenden Einzelpersonen und Familien, Eigentümern/Managern großer Konzerne und Dienstleistungsunternehmen besteht“ (John Urry), sie verwenden „eine bestimmte ökonomische Strategie, quasi Kampftechnik, (…)  um ihre Gewinne zu erhöhen.“ Man nutzt den freien Raum.

Die Cayman Islands sind nur ein Beispiel, es gibt unzählige andere Orte außerhalb der „verwalteten Welt“, deren Verherrlichung natürlich nicht das Ziel dieser Notiz ist. Zugleich gilt es die Orte außerhalb zu entromantisieren.

Man denke an Offshore-Bohrinseln, auf denen Offshore-Energie-Unternehmen Öl aus dem Meeresboden pumpen. Man kann es onshore gut verkaufen, und diese Regel gilt eben nicht nur für Öl. Ich zitiere aus der Buchbesprechung, die referiert,

wie sich Konzerne und ihre Eigentümer, man kann auch sagen, das Kapital, darauf besonnen haben, dass sie gegenüber Staaten und Arbeitern einen Startvorteil haben: Sie sind mobil. Sie können ihr Geld über die Landesgrenzen hinweg verschieben und die Welt nach den geringsten Löhnen, niedrigsten Steuersätzen und lockersten Umweltauflagen absuchen.

Es geht also nicht nur um den Öl-Verkauf oder um billige Herstellung und profitablen Verkauf sonstiger Güter, sondern auch um die „Entsorgung“ von Müll und giftigen Chemikalien – und auch um das Angebot anderswo verbotener oder verpönter Dienstleistungen und Praktiken wie etwa Drogenkonsum oder Sex mit Teenagern.

Und nun der entscheidende Text:

Es ist nicht so, dass sich diese Offshore-Welt nicht verändern ließe, dass man sie nicht in eine Onshore-Welt zurückverwandeln könnte. Nötig wären hierfür Bündnisse unter einzelnen Regierungen, eine Art zwischenstaatliche Solidarität, theoretisch ist das möglich. In der Praxis versprechen sich Regierungen mehr vom zwischenstaatlichen Wettbewerb um die Gunst der Konzerne, in der Hoffnung auf Wachstum und Arbeitsplätze.

Und Ähnliches gilt auch für das Freihandelsabkommen TTIP, das man nach Strich und Faden bekämpfen sollte. Doch darüber später.

Quelle der Zitate und Anregungen: DIE ZEIT 19. März 2015 Seite 54 In die Tiefe des Raumes Wie schafft es das Kapital eigentlich, alles auszulagern, was seine Interessen stört? John Urry und Thilo Bode benennen in ihren Büchern die Tricks des Systems. Von Wolfgang Uchatius.