Seine Lieder mit Blue Heron (Erste Schritte)
Anders als damals (hier), ist der aktuelle Anreiz, dem Phänomen Ockeghem näherzurücken, nicht eine wissenschaftliche Arbeit, sondern ein Klangerlebnis, eine reale CD, und keine heiligmäßige, strenge Missa, sondern „Songs“, die leicht überschaubar sind und inhaltlich einen menschlichen, affektiven Ansatz bieten. Ein Hemmnis bleibt, dass kein deutscher Text vorliegt und dass der Text wegen des vorgegebenen CD-Maßes so klein geschrieben ist, dass man eine Teleskopbrille brauchte, um ihn zu entziffern. Ich werde ihn in einer leicht vergrößerbaren Kopie folgen lassen. Das Youtube-Video verspricht, dass die Interpreten uns vermitteln, was an Ockeghems Kompositionen so faszinierend ist. Und auch das bloße Anhören der CD (ohne besondere Vorkenntnisse) hat seinen besonderen Reiz, es kommen nicht nur fremde Kadenzformeln vor, sondern auch scheinbar vertraute Terzparallelen. Ich empfehle, jedes einzelne Stück sofort mehrfach zu hören und die Wiederkehr des Gleichen zu vermerken, man braucht diese musikalische Orientierung, auch wenn man den Text mitliest auf strophischen Gleichlaut oder refrainartige Zeilen zu achten. Oder einfach im Video darauf zu achten, wie die Mitwirkenden ihre Liebe zu dieser Musik begründen. Alles andere, das wissenschaftliche Quellenstudium, die Aufführungspraxis u.dgl., kann uns erstmal völlig egal sein. Wir wollen etwas vom Lebensgefühl jener frühen Zeit um 1480 in uns nachbilden. So wie wir es auch bei – sagen wir – Dante Alighieri halten würden, für den wir noch mehr als 150 Jahre weiter zurückgehen würden. Es wäre zum Beispiel ganz absurd, dieser Dame preziös dreinblickenden ins Antlitz zu schauen und zu sagen: „Ich möchte sie um keinen Preis kennenlernen“. Man erlebt es doch täglich, dass man sich vollständig irrt in der Deutung von Gesichtern, gerade in den gängigen Talkshows, wo Leute lange schweigen, ehe sie ins Gespräch gezogen werden und gewissermaßen eine Umwendung unserer Einschätzung um 180 Grad bewirken. „Sprich, damit ich dich sehe!“ hieß es bei Sokrates. Man könnte auch sagen: „Singe, damit ich weiß, wer du bist.“ Man könnte noch für sich selbst hinzufügen: „Gut zuhören, sonst verstehe ich gar nichts.“
Wer ist denn nur diese Dame?
hier mit Text zum Bild
Lesen Sie den Text und vergrößern Sie das Bild, während Sie es lange anschauen.
und hier mithören…
Erste Hinführung zu Ockeghem’s Songs:
Blue Heron’s Ockeghem@600 project — to perform all the works of Ockeghem over the next few years (through roughly 2020) — is explained. The video includes interviews with Project Advisor Sean Gallagher (New England Conservatory) and Music Director Scott Metcalfe and generous musical excerpts from Blue Heron’s performances of works of Johannes Ockeghem (c.1420-1497) in early 2015. Gallagher and Metcalfe explain what is captivating and brilliant about Ockeghem’s compositions.
Was haben die Vertreter des Ockeghem-Projekts (Gallagher und Metcalfe) sonst noch zu sagen? Ich habe aus Gründen der Lesbarkeit ihre Texte gescannt und vergrößert. Hier Teil 1:
Der folgende Song im externen Fenster, damit Sie beim Hören den Text mitlesen können: hier.
(Fortsetzung folgt)