Ein neues Heft Musik & Ästhetik ist Paul Bekker gewidmet
Es geht nicht um Antiquarien-Huberei, es geht um die Substanz, – die Frage: Was können Worte über musikalische Gedanken aussagen?
Inhaltsverzeichnis „Musik & Ästhetik“ Heft 77, Januar 2016
ZITAT
Unter dem Streit um die angemessene Beschreibungssprache verbirgt sich allerdings einer um die Methodenhoheit. Die Richtungen, für die Bekker und Halm stehen, lassen sich weit ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen: Bekkers Ansatz ist der einer Hermeneutik, die jeder Musik nur insofern Substanz zuerkennt, als sie „Ausdruck“ ist und einer „poetischen Idee“ folgt; Halm hingegen ist Teil einer Strömung, die Rudolf Schäfke und, ihm folgend, auch Carl Dahlhaus später als „Energetik“ bezeichnet haben und die alle Motive und Themen in einem musikalischen Funktionszusammenhang von „tönenden Formen“ zu verstehen versucht. Wichtige Referenzfiguren im zurückliegenden Jahrhundert sind also Friedrich von Hausegger einerseits, der mit seiner Studie Die Musik als Ausdruck der Inhaltsästhetik eine neue physiologisch-wissenschaftliche Grundlage zu verschaffen gesucht hatte, und Eduard Hanslick andererseits, der mit ähnlichem Engagement wie später Halm schon 1854 „gegen die verrottete Gefühlsästhetik“ zu Felde gezogen war. Halms polemische Sprachkritik verdankt daher ihre Schärfe – die seiner in einer ausführlichen Rezension dargelegten Gesamtwürdigung von Bekkers Buch wohltuend abgeht – der Überzeugung, in Bekkers Prosa exemplarisch die Wiederkehr „einer veralteten, innerlich morschen Weise des Musikschriftstellerns“ abwehren zu müssen. In dieselbe Kerbe hat dann 1936 nochmals Walter Riezler in seiner bedeutenden und wirkmächtigen Beethoven-Monographie geschlagen. Gerade aber der programmatische Satz, den Riezler scharf zurückweist – die Behauptung, Beethoven sei „in erster Linie Denker und Dichter, in zweiter erst Musiker“ (560) -, ist Bekkers wichtigste Legitimation für seine dezidiert sprachkünstlerische Annäherung an die Musik Beethovens.
Quelle „Musik & Ästhetik“ Heft 77, Januar 2016 Klett-Cotta Stuttgart / Seite 7-24 / Hans-Joachim Hinrichsen: Ein Beethoven für das 20. Jahrhundert.
Im Zitat oben habe ich Anmerkungen und Quellenangaben des Textes weggelassen (JR).
Von Hans-Joachim Hinrichsen vorzumerken die Publikation: „Beethoven. Die Klaviersonaten“ Verlag Bärenreiter (2013). Preis 40.-€.
Vorsatz (?), 2016 zum zweitenmal sämtliche Beethoven-Sonaten – sagen wir – manuell durchzugehen, dies als begleitende Lektüre (zusätzlich zu Jürgen Uhdes Analysen)?
Darin Kapitel zu Analysemethoden, zur Musikästhetik und zum Verhältnis von Struktur und Gehalt, besonderes Kapitel zum Spätstil Beethovens…