Der Rosenkavalier

Dank Mediathek ARTE abrufbar bis 23. April 2021

Pressetext

Barrie Kosky inszeniert „Der Rosenkavalier“ an der Bayerischen Staatsoper. Der flamboyante Regisseur schreckt vor Denkmälern bekanntlich nicht zurück. Eine Neuproduktion unter der musikalischen Leitung des designierten Generalmusikdirektors Vladimir Jurowski. Star-Sopranistin Marlis Petersen debütiert als Marschallin.

https://www.arte.tv/de/videos/102651-000-A/richard-strauss-der-rosenkavalier/

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Gespräch der Mitwirkenden über diesen Rosenkavalier HIER ab 19:14 über Melancholie und das „Ja,ja“ der Marschallin. „Oktavian ist nicht ihr letzter Lover!“ (B.Kosky)

 

  • Marlis Petersen (Die Marschallin)
  • Christof Fischesser (Baron Ochs auf Lerchenau)
  • Samantha Hankey (Octavian)
  • Johannes Martin Kränzle (Monsieur de Faninal)
  • Katharina Konradi (Sophie de Faninal)
  • Daniela Köhle (Marianne Leitmetzerin)
  • Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Valzacchi)
  • Ursula Hesse von den Steinen (Annina)
  • Komponist: Richard Strauss
  • Inszenierung: Barrie Kosky
  • Fernsehregie: Henning Kasten
  • Dirigent: Vladimir Jurowski
  • Orchester: Bayerisches Staatsorchester
  • Chor: Chor der Bayerischen Staatsoper
  • Libretto: Hugo von Hofmannsthal
  • Bühnenbild / Ausstattung / Bauten: Rufus Didwiszus
  • Kostüme: Victoria Behr
  • Licht: Alessandro Carletti
  • Dramaturgie: Nikolaus Stenitzer
  • Land: Deutschland
Widmung des „Rosenkavaliers“

Meine private Vorgeschichte: es ist Ostern 2021, 1. Feiertag, und der München-Tatort am Abend war derart ärgerlich, grausam, sinnlos und dumm, dass nur der Dienst am bürgerlichen Kunstwerk einen gewissen Ausgleich schaffen konnte. Vielleicht als Exkulpation der Öffentlich-Rechtlichen. Morgen gehts weiter, aber nicht mit dem Feiertagsprogramm…

Eine Zumutung, bitte nie mehr wiederholen:

eine Strafe für jeden, der hineingerät. Ganz schlimm: das Pittoreske, die Pseudoschönheit im Elend. Der latente oder offene Sadismus (Fingerbrechen). Der medizinische Unsinn. Die Unlogik als Handlungsfaden, der Dilettantismus, die absurde Psychologie, die verkitschte Kindesliebe (die unbedarfte Kleine soll doch in Dresden studieren). Die „offene“ Dreier-Beziehung, die jugendliche Surfbrett-Freiheit, die lächerliche Nacktheit an Portugals wildester Küste.

*    *    *

1910/1911 Klavierauszug

Im „Rosenkavalier“: man erlebt zweifellos eine Sängerin, soll sie aber als jungen Mann akzeptieren, der sich dann als Frau ausgibt, die prompt von Ochs angebaggert wird. Geht das? Man könnte auch eigensinnig darauf beharren, dass es sich um die große Feier der lesbischen Liebe handelt. Wir hätten vielleicht ein bessereres künstlerisches Gewissen. Was für ein Unsinn, der sich an die sogenannten „Hosenrollen“ heftet. Stellen wir uns doch lieber vor, dass die wahre Octavia sich nur hinter einem kindischen Rollenspiel als Octavian verbirgt, der ja noch nicht mal den Stimmbruch erlebt hat. Müssten wir uns etwa mit einer verkappten Form des Missbrauchs auseinandersetzen? Bei wachsender Sympathie für die (angeblich) früh alternde Marschallin. Während uns die Figur des Ochs einen politisch korrekten Absturz anmaßender Männlichkeit lehrt? – Lauter Gedankenspiele, die vielleicht zu einer kritischen Reflexion des intendierten Handlungsablaufs führen, falls uns dabei nicht die komödiantische Idee völlig verloren geht. Wer war (was wollte) Hofmannsthal ? Seine Gedichte gehörten zu den ersten, die ich freiwillig lernte. Auch noch parallel zu Benn. In der Schule lasen wir den Lord-Chandos-Brief, als Auftakt der deutschen Moderne.

Mein aufgescheuchter Blick auf den „Rosenkavalier“ ist garantiert nicht neu, das ist ja längst alles psychoanalytisch durchgehechelt und analysiert, mit Rückblick auf Salome und Elektra, in den langen Snack-Pausen, – was soll das Festival-Publikum noch diskutieren? man droht einander vielleicht neckisch mit dem Zeigefinger? Ja, man wird den kleinen Mohrenjungen vermissen, der abschließend, nach dem Tüchlein fischend, über die Bühne eilt, aber bitte, jeder weiß, was heute einfach nicht mehr geht… Ich habe den „Rosenkavalier“ 1960/61 in Berlin mehrfach gesehen, mit Grümmer und Greindl und anderen. Ein Kommilitone betrieb all die Opernbesuche, stellte sich nächtelang an, er spielte virtuos aus der Partitur, sang auch gut, gab mir inspirierenden Klavierunterricht, privatissime, leider war er homosexuell, wusste allerdings nicht, dass auch das Gegenteil nicht formbar ist, wurde allmählich zudringlich und war der Hauptgrund für meine Abwanderung nach Köln. Ich sollte abwarten, was mir während der kommenden Seancen so in den Sinn kommt und garantiere für nichts.

Ein Sprung ans Ende des Rosenkavaliers:

Kein Mohrenknabe taucht auf, nein, ein Greis mit Engelsflügeln. Und die Zeit wird abgeschafft.

1911
 
 

Einige Fixpunkte:

Pause vor dem zweiten Aufzug ab 1:19:20 GESPRÄCH mit Barrie Kosky und Wladimir Jurowski (Maximilian Mayer)  u.a. über Travestie (Hosenrolle)

Ab 1:23:20 Die Klingel zum Zweiten Aufzug

Und vorher, mit entsprechenden Textausschnitten zum Nachlesen:

59:00 Marschallin: Und in dem „Wie“, da liegt der ganze Unterschied…

01:04:56 Marschallin: Die Zeit, das ist ein sonderbar Ding…

Text siehe hier

26.04.21 trauriger Nachtrag als Review