Resilienz und so weiter

Dünkt es mich nicht, dass ich gestern noch nach dem gängigen Wort gesucht habe, und nun ist doch schon anderthalb Jahre her? Ich sehe es hier.

Ein lieber Freund hat reagiert und mir ein viel-fragen-lösendes Buch geschickt mit einer Bildpostkarte, die mich in Begeisterung versetzt: ist es doch das erste Gemälde, das nicht die Gottesmutter in den Mittelpunkt setzt, sondern den Intellektuellen. Natürlich nicht irgendeinen, sondern Thomas von Aquin, dessen Lebensgeschichte ich allerdings zum erstenmal aufmerksam studiere.

Es ist ein Füllhorn aktuellen Wissens, ich kann es allen Intellektuellen meiner Bildungswelt empfehlen, zugegeben: es sind wohl solche, die außer der ZEIT wenig Politlektüre an sich herankommen lassen, und ich erinne mich an Zeiten, als ich dieses überdimensionale Wochenblatt nicht einmal auf der Titelseite zu lesen begann, sondern sofort ins Feuilleton sprang.

Die Welt hat sich grundlegend verändert, deshalb spielt auch das Wort Resilienz für mich eine besondere Rolle. Wollen Sie die Liste genauer unter die Lupe nehmen? Ich gestehe: das erste Wort, dessen Analyse mich hier gethrillt hat, war das Wort HASS, das man heute oft auf selbstgemalten Schildern bei Demonstrationen liest.

Interessant wird es dort, wo es wirklich um das Selbstbild des Hassenden geht:

Im Unterschied zu anderen Emotionen gilt für den Hass [allerdings], dass er in der Regel nicht explizit als Hass kommuniziert wird, sondern nur als Fremdzuschreibung auftaucht. Sich zum eigenen Hass zu bekennen, wirkt anrüchig. Hassen tun immer nur die anderen. Der Grund für diese Abspaltung mag in der Logik der Polarisierung liegen, die verlangt, der unbedingten Negativität des Hasses ein möglichst positives individuelles wie kollektives Selbstbild entgegenzusetzen. Damit die Feindschaftsgefühle dieses Bild nicht trüben, werden sie umetikettiert. Noch die übelsten Beschimpfungen und perfidesten Drohungen verbrämt der Hassende als besorgte Warnung, als mutigen Einspruch, der die Dinge beim Namen nennt, als Notwehr gegen finstere Mächte und nicht zuletzt als Ausdruck der Liebe zur eigenen Gruppe. Die Verfolger treten auf im Gewand der verfolgten Unschuld. Diskrepanzen zwischen dem explizit Gesagten und dem ausgedrückten Gefühl fallen nicht auf, weil die kommunizierten Affekte ohnehin stärkere Resonanzen erzeugen als die mitgelieferten Erklärungen. (Seite 178 f)

… Je emotionaler und verstörender eine Äußerung, desto höher die Chance, dass sie wahrgenommen und kommentiert wird. Angefeuert wird diese Dynamik noch innerhalb der Selbstbestätigungszirkel digitaler Echokammern, deren Mitglieder sich mit immer extremeren Positionen zu überbieten versuchen und auf diese Weise Reputationsgewinne einzufahren hoffen. Damit die Erregung nicht absinkt, darf der Strom an Posts nicht abreißen. An den sozialen Medien zeigt sich allerdings auch, wie innen und außen, vermeintlich virtuelle und vermeintlich reale Welt ineinander verschränkt sind – und dass die Effekte, die sie hervorrufen, nicht an sich gut oder schlecht sind. Der Flashmob, der sich über Social Media zusammenfindet, um gemeinsam zu tanzen, nutzt dieselben Online-Plattformen wie der Flashmob, der das Kapitol erstürmt. (Seite 181)