Wie in der Popwelt über Klassik gesprochen wird
Immer mal wieder beschäftigt mich die Frage, wie andere Menschen eigentlich ohne klassische Musik auskommen.
Anders gefragt: welche Rolle spielt die klassische Musik für die Mehrheit unserer Gesellschaft? Tut sie bei ihnen keinerlei Wirkung? Oder: was ist es denn, was die Leute bewegt, wenn sie sich außerhalb der Klassik mit Musik beschäftigen? Und richtig zuhören. Nicht nur mitwippen. Oder tanzen. Was zwingt sie, nach Wiederholung zu verlangen?
Man schaue auch hier. Und hier.
Das beschäftigt mich also nicht nur am Rande, es betrifft ja mich selbst „existenziell“, wenn ich mich z.B. mit Enkelinnen und Enkeln unterhalte, deren Wohlergehen mir alles andere als gleichgültig ist. Auch die Frage der Toleranz spielt da eine Rolle: dulde ich es (nehme ich es hin), wenn abfällig über „Opas Musik“ gesprochen wird. Oder denke ich: es ist unwichtig, wenn sie in diesem Punkte „dumm“ sind? (Sind sie nicht: sie denken auch bei ihrer Musik.) Ist es auch egal, wenn sie nicht lesen? Oder nur Krimis? Oder ihre Zeit mit Computerspielen ausfüllen. Ist heute ALLES anders? Hat die UMWERTUNG aller Werte längst stattgefunden? Aber anders als Nietzsche gedacht hat. Seinen Namen kennt niemand mehr. Die Umwertung ging in Richtung Entwertung. Klassik aber braucht einen Vorschuss an positiver Bewertung und eine frühe Eingewöhnung in das Ritual, z.B. die Erfahrung, in einem Liederabend – hinter dem gekünstelten Ritual – so etwas wie die Inkarnation einer Wahrheit zu erleben. . . . . »das weite Meer schon dunkelt, laß ausruhn mich von Lust und Noth, bis daß das ew’ge Morgenroth den stillen Wald durchfunkelt.«
Als ich noch „an der Macht“ war, folgte ich einem antiautoritären Prinzip der Erziehung, soweit ich es vermochte. Summerhill wurde ja überall diskutiert. Ich selber lehnte nachträglich die in meiner Kindheit zuhaus „genossene“ Erziehung ab. Meine Mutter war später entsetzt, wenn mein Söhnchen „Blödmann“ zu mir sagte und ich nicht reagierte. Wir redeten ja viel miteinander, ohne Wörter dieser Art zu benutzen, es gab viel Freiheit. Aufklärung hatte eine große Bedeutung. Alles konnte zur Diskussion gestellt werden, gerade auch die „Würde“ der Eltern, nur eins nicht: dass man Musik lernt. Wenn man wartet, bis das Kind selbst entscheiden kann, ist es zu spät. Was im täglichen Leben konkret bedeutete: Klavier zu lernen soll wenigstens in einer Musikerfamilie selbstverständlich sein, das lernt man genau so wie Lesen und Schreiben. Der sinnvolle Gebrauch der Finger! Feinmotorik! Klavier ist das abendländische Instrument schlechthin, wie die Laute für den Orient. Aber gern – nach freiem Wunsch des Kindes – auch ein zweites Instrument. Auch Jazz, Pop und alles andere stand offen, – sobald die klassische Pflicht erledigt war.
Aber das ist hier nicht mein Thema, sondern nur der Hintergrund meines Interesses an anderen Menschen, gerade solchen, die ohne meine Themen zufrieden sind. Ein dazu passendes Grundthema wäre dabei im Hintergrund eben auch – wie gesagt: TOLERANZ. (Ein Extra-Artikel ist in Planung.)
Und Barbara Schöneberger ist ein Phänomen. Oft schwer zu ertragen, schrille Mode präsentierend, zuweilen auch schlechte Sendungen, laut und aufdringlich, imponiert sie doch immer wieder mit ihren Einfällen und ihrer Fähigkeit, auch ernstere Themen mit guter Laune anzugehen. Unverkennbar: Menschlichkeit. Ich weiß, dass ihr Vater Soloklarinettist beim Bayerischen Staatsorchester war. Sie ist also mit (neben) klassischer Musik aufgewachsen. In die folgende Sendung bin ich durch Zufall geraten und habe sie nicht abschalten können. Kein Versuch, mich jetzt vorsichtig zu distanzieren. Im Gegenteil: ich will sie lesen lernen.
Ab ca. 12:00 Die Mutter erzählt: sie konnte schon als kleines Kind – vielleicht so zwischen zwei und drei Jahren – so locker 200 Lieder singen. Vater: sie ist wach geworden morgens und hat eigenmtlich schon gesungen, sie hat nie geweint, wenn sie aufgewacht ist. (ab 12:23 hört man das Kind singen! „aber der Wagen der rollt“) Mutzke: „und du konntest tatsächlich so 200 Lieder auswendig singen?“ „Ja, und wenns nicht so wäre, dann würdfe ich das… nicht jetzt grade demontieren…“ (wendet sich an die Mama, die im Saal sitzt:) „stimmt das, dass die Barbara damals tatsächlcih 200 Lieder …? “ Mutter: „Ja, Frühling, Sommer, Herbst, Winter, Fasching…“ etc. etc. „Wenn der böse Weingeist dem Papa in das Bein beißt“ / bis 13:56 dann Vater gesagt sie soll mal „Opernsängerin werden“ sie fand es aber total uncool, Opernsängerin! Mutzke: Und dann solltest du auch noch Klavier lernen! Sie: „Aber das Instrument und ich sind keine besonderen Freunde geworden.“ – „Jetzt habe ich natürlich wieder ein Klavier und so einen Chopin-Walzer krieg ich schon noch hin.“ Dann das Thema Rachmaninow (ab 14:35), Mike Schott (?) spielt das Thema des Klavierkonzertes Nr.3… ab 14:56 er musste es und tat für Mutzke sein Bestes, aber natürlich hat das Thema in dieser vollgriffigen Form keinerlei Wirkung. Wer Rachmaninow kennt, denkt an den Anfang dieses Konzertes, wie es aus dem Nichts kommt, und nur dann hat es die Aura einer fernen Erinnerung.
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Soviel zu Barbara Schönebergers klassischer Musikausbildung. Mit ihrem Rachmaninow-Wunsch hat sie bei mir ein auditives „déjà-vu“ ausgelöst. Das rechne ich ihr hoch an.
Hören Sie doch den Anfang des „originalen“ Konzertes, ertragen Sie das Ritual des Konzertsaales, des Orchesters, des Publikums, hören Sie nur das Klavier mit seiner archaischen Melodie. Können Sie aussteigen? Nein, cool ist das nicht, auch wenn es noch so cool gespielt wird. Sie wollen es wiederhören. Und als ein „Lebenslied“ könnte man es sich in der Popwelt durchaus vorstellen. Hier.
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Ich kann so nicht enden, quasi mit einem großen Fingerzeig in die reine Welt des Konzertsaals. Zu Anfang des Artikels sprach ich noch von der Welt der Enkel:innen, ohne zu erwähnen, dass die Anspielung auf das Wort TOLERANZ nicht einen heimlichen Richterspruch verbrämen sollte. Daher folgt hier ohne großen Kommentar ein neues Lebenslied der Enkelgeneration, – ich habe sie allerdings nicht befragt, sondern nur vertrauensvoll die neue ZEIT gelesen -, Schlagzeile im Feuilleton Seite 46: Glänzendes Vorbild.
Zitat Wikipedia (s.hier):
Redakteure des Eye Weekly Magazins schrieben: „Es gibt keinen Zweifel daran, dass Beyoncé eine der besten Sängerinnen in der Popwelt ist, vielleicht sogar die beste lebende […].“[
In der ZEIT nachzulesen HIER. Um welche Stelle geht es? s. im Video bei 3:35