Krimi Kurzkritik

Notizen nach einem dürftigen Tatort

Spontanes Urteil am Ende (die vorübergehend spannenden Momente zählen nicht mehr):

Hanebüchen!

( Das gilt im Nachhinein für alles, nach den Vorschusslorbeeren, auch für die Einzeldarsteller, die Musik, die Handlung, das Drehbuch, die Regie, die Insel, die Logik, – alles …)

Irreführendes in der Presse nachher:

Vorher Infos hier + Zuschauer-Echo

Vorab-Werbung im Kölner Treff HIER ab 42:50

W.W.Möhring ab 44:50: „Die Musik ist Hauptdarsteller und die Insel. Norderney.“ Meint er das Kleine-Terz-abwärts-Glissando, das derart bedeutungsvoll tut? Und das hüfthohe Wasser bei steigender Flut, das glücklicherweise keinerlei Sog entwickelt. Am Ende liegt man am Strand, die Handschellen haben sich wundersam aufgelöst, nur die eine lästige Frau ist verstorben. Die andere jedoch ist im Dunkel der Nacht genau hier zur Stelle.

*    *    *

Fundstücke aus dem Programm

Hat nichts damit zu tun, aber: Ein ähnlicher Schock heute Mittag im Auto, offenbar ein neuer Trailer für Sendehinweise: WDR3 Kultur-Ambulanz.

Erste Reaktion: O Gott, dahinter steckt eine nagelneue Programmreform. Ja?! Es macht mich krank! Spontan, nach 25 Jahren oder nach 18 Jahren? Wird daher die Ambulanz als Vorhut geschickt?

Ein Missverständnis: man hilft der notleidenden Kultur. Kulturambulanz geht in eine neue Runde. „Wir streamen Kultur in Zeiten von Corona – Online, im Radio und über Facebook präsentiert WDR 3 Konzerte aus NRW, die wegen der Corona-Pandemie nicht öffentlich stattfinden können.“

Aber warum ein Etikett aus dem Krankenhaus-Bereich? Stopp, durchaus nicht, warum denn so negativ: wir beziehen uns auf den Bereich „Gesundheit, Bildung, Kultur“. Wie hier. Eine aussagekräftige Kombination. Wird so in Zukunft auch negative Musik gemieden? Zu ungesund! Nur noch gesundheitsfördernde Klänge. Vergleichbar der Aktion: Mozart im Kuhstall!

Bei dieser Gelegenheit stoße ich auf eine noch gar nicht so lang zurückliegende Reaktion auf Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Richard David Precht. Bemerkenswert! Habe ich damals nicht mitbekommen, hier also nachzuholen: HIER

Noch etwas über die Geschichte von WDR 3 hier (Wikipedia)

Ich sollte mal wieder WDR 3 hören…

*    *    *

ARTE Indien hier ein ungeschickter Film, die Musik Rajasthans – Fehlanzeige… so unbedarft präsentiert man auch bei uns gern „Wunderkinder“. Auch hier ist es dilettantisch in den Wind geschossene Sendezeit. Mit dem Anschein der Weltoffenheit.

*    *    *

Natürlich kenne ich die Argumente mancher Cineasten: in diesem Film gibt es die besten Dialoge, in jenem die hinreißendsten Autorennen oder die gelungensten Hochgebirgsabstürze, dort die unheimlichsten Szenen mit Türeknarren, hier Mondschein in der Sahara oder wilde Stürme um Helgoland. Es interessiert mich alles nicht, wenn die Geschichte nicht stimmt! Der Faden von A bis Z. Siehe Mozart: il filo.

*    *    *

27.01.2021 Es gibt tatsächlich allerhand Neues im Kulturradio. Am neuesten fand ich aber früher immer die Abschaffung von etwas. Ich mag mich geirrt haben, ich klebte zu sehr am Alten. Aber jetzt verstehe ich um so besser die reformatorische Sprache: es wird ja nichts abgeschafft, alle Inhalte bleiben, sie werden nur konsumentenfreundlicher verteilt.

Zur Info studiere die verbreiteten Vorurteile:

Süddeutsche Zeitung 25. Januar 2021 Thema:  Öffentlich-rechtlicher Rundfunk Verrat am Kulturauftrag / Der WDR streicht sein Literaturprogramm zusammen. Weiß der öffentlich-rechtliche Rundfunk, welchen Schaden er anrichtet? Von Felix Stephan /  Hier (Leider mit Bezahlschranke)

ZITAT

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der immer noch ein paar wichtige Kultursendungen unterhält, hat panische Angst davor, als „elitär“ zu gelten, deshalb entfernt er aus dem Programm immer mehr angeblich Kompliziertes und ersetzt es durch Gefühltes. In Wahrheit aber tritt gerade in diesem Paternalismus eine narzisstische Öffentlichkeitsverachtung hervor. Um als nicht elitär zu gelten, verdunkeln die Verantwortlichen den Himmel und versuchen, dem Publikum die Illusion zu vermitteln, es gebe keine Geisteswissenschaft, keine Kritik, keine Sprachanalyse, nur noch Landschaften, Luft und Laune.

Nun auch noch die FAZ, und zwar: HIER

ZITAT

Wenn etwas abgeschafft wird, geht das oft mit einer Verbrämung einher. Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und insbesondere, wenn es um die Abschaffung von Kultursendungen geht, ist man darin besonders geübt. Als der Hessische Rundfunk 2019 plante, seine Kulturwelle HR2 zu einer „durchhörbaren“ Klassikwelle zu machen, nannte er den geplanten Abriss natürlich „Transformationsprozess“ und die Abrissbirne nicht Abrissbirne, sondern „Kultur-Unit“. Als sich starker Protest dagegen regte, musste der Sender erst noch eigens hervorheben, HR2 werde „selbstverständlich nicht ‚wortfrei‘ sein, sondern stärker um die Klassik zentriert“.

Eine ANTWORT:

Mehr Vielfalt für die Literatur

Die Literaturberichterstattung bei WDR 3 steht nicht zur Diskussion. Sie soll vielmehr vielfältiger und innovativer werden und nicht auf einem vereinzelten Sendeplatz am Morgen im immer gleichen Format ausgespielt werden. Wir haben mit WDR3-Programmchef Matthias Kremin gesprochen.

Abrufbar insgesamt hier.

Und in der Tageszeitung heute, am 27.01.2021, ärgert mich ein Bibelwort in der Standard-Rubrik SERVICE. So überflüssig und in sich unwahr wie das Etikett „Kultur-Ambulanz“. Wie auch der vorsorgliche Hinweis, dass der chirurgische Notdienst dies Jahr an Heiligabend, Silvester und Rosenmontag nicht zur Verfügung steht. Wo bleibt die Ambulanz für Nervenzusammenbruch?