Fades Licht ist schön!

Nachdem mir kürzlich die Wörter „fade“ und „Fadheit“ mit positiver Konnotation nahegebracht wurden, bemerke ich, dass mir das „fade Licht“, das man offenbar gern im Dezember beobachtet und fotografiert, immer schon etwas bedeutet hat. Aber was? Wirkte es „unheilschwanger“ oder „glückverheißend“? Oder hatte ich einfach ein fahles Licht gemeint?

In Bayern sagt man „fad“, wenn langweilig oder gehaltlos gemeint ist. Ich käme nicht auf die Idee, den „Faden“ damit zu assoziieren, denn er bedeutet gerade Zusammenhang, er verläuft nicht im zufälligen Außenbereich, sondern verbindet die Kernpunkte zu einer im Prinzip unendlichen Linie. Was ist mit „fadenscheinig“? Die Fäden scheinen durch, der Stoff ist mürbe, er will zerfallen. Trotzdem keine unästhetische Vorstellung, man denkt schon fast an „licht“.  Oder Licht. Nur in der Logik gilt die Fadenscheinigkeit als Täuschungsmanöver. Ein fadenscheiniger Vorwand kann nicht als positiv gewertet werden. Es sei denn, er hebt die Verlegenheit um so deutlicher ans Licht. Das englische „fading“ hat nicht nur einen ganz anderen Klang, es hat auch von Natur einen Hauch Poetik. Ich finde es ungehörig, das deutsche „fade“ mit dem englischen „fade“ assoziativ zu vermengen. Da könnte ich doch gleich Gegensatzpaare zusammenstellen und behaupten, es handle sich nur um Schattierungen. Oder ist es so?

Nehmen wir die Fadheit. Das Synonymenlexikon sagt, sie habe mit Langeweile und Geschmacklosigkeit zu tun, des weiteren werden genannt: Monotonie, Alltäglichkeit, Einerlei, Einförmigkeit, Gleichförmigkeit, Tristesse, Trostlosigkeit, Öde, Einfallslosigkeit, Mangel an Abwechslung.

Damit wäre der Fall für mich erledigt, ich muss dieses Wort nicht anwenden, wenn es sogleich in einem sehr engen Sinn – nämlich aufs Chinesische bezogen – verstanden werden soll. Oder soll ich zur Eingewöhnung in den Gebrauch eines bestimmten Wortes  ein ganzes Buch lesen?

François Jullien: Über das Fade – eine Eloge. Zu Denken und Ästhetik in China, Berlin 1999.

Vielleicht.

„Läßt man die unzulässigen, weil unhistorischen und undifferenzierten Generalisierungen unbeachtet, so ermöglicht Julliens erstes in deutscher Sprache vorliegendes Buch eine ungewöhnliche Perspektive auf ein zentrales Thema der chinesischen Elitekultur: die Feier des Neutralen und Geschmacklosen als des höchsten Werts ästhetischer Empfindung“  (Michael Lackner FAZ 26.07.1999)

Vielleicht…

„Indem Siemons mit Laotse und Konfuzius die Psychoanalyse neu und subversiver lesen möchte, werden dem Rezensenten die Fährnisse der Vorgehensweise erst deutlich. Abstraktion der Denkmuster führt hier zu einer merkwürdigen Schwerelosigkeit, durch die das behandelte Material seine Lebendigkeit verliert, meint Siemons.“ (Perlentaucher über die Rezension eines anderen Buches von Juillien, 5.10.2013 FAZ.)