… und die Banalität als tägliches Surplus (s.a. hier)
So las ich’s in dem Magazin Natur (Spezialheft August 2017 Seite 7) und war begeistert, dass dergleichen frei angeboten wird. Und kaum hatte ich es angesehen, fing die Mäkelei an: das gigantische Spektakel, die ungeheuerliche Realität, wird von einer schmählichen Musik begleitet, die den Namen nicht verdient.
Das ist aber noch nicht alles: ich hasse die Zeitraffertechnik, wenn sie dazu dient, kosmische Prozesse für den kleinen Fritz, der keine Geduld und darum keine Zeit hat, kurzweiliger zu gestalten. Rasende Wolken ohne Sturm, – gut, sind schneller vorbei. Aber: Blitze ohne Donner, stattdessen Pseudo-Musik, das ist Frevel.
Also mein guter Rat für heute: Ton ausschalten, Vollbild einstellen, abwarten. Und den Film alle 10 sec anhalten.
Als ich in Berlin zu Beginn des Musikstudiums einen Yogakurs bei Swami Dev Murti absolvierte, enttäuschte er mich, weil er uns nur „reinigen“ wollte, Atemwege und Nase, nichts was an Meditation erinnerte: „Der Körper ist wie die physische Welt“, sagte er, „Flüsse, Landschaften, Vegetation, Luftraum, ein Mikrokosmos, der dem Makrokosmos gleicht. Bleibt bei euch!“
Heute ist mir der Körper genug, um Anwesenheit, Präsenz im Raum zu spüren, und deshalb schätze ich schon die physische Violine, diesen leichten Hohlraum mit scharf gespannten Saiten (der mir als Kind allzu unspektakulär schien) und ebenso das Ungetüm des Flügels mit seiner geometrischen Tasten-Phalanx. Und nehme mir vor, nicht überrascht auf das Alter zu reagieren, z.B. eine so banale Störung wie den „Springfinger“, auch „Schnappfinger“ genannt („geh doch mal zum Arzt!“): es betrifft in meinem Fall den lächerlichen kleinen Finger der linken Hand. Man kann wie Paul Valéry Lobgesänge auf den Körper als physiologisches Phänomen schreiben, der – meine ich – nebenbei beansprucht, ICH zu sein. Oder „mir“ persönlich sogar eine ähnliche Konsistenz zuzusprechen, wie er sie ganz von Natur aus realisiert. Aber dann meldet er sich mit solch einer Banalität.
Wikipedia HIER
Ein Hilfsmittel: Hier beginnt mit Reklame = überspringen! (Danach kommt der Arzt… Ich experimentiere noch). Später mehr davon. (Notiz 2022: mein Problem verschwand damals!)
Doch zurück zum Anblick der Sterne.
Einiges habe ich mir vorgemerkt für Nachtwanderungen an der Nordsee: natürlich fange ich oben an, wo ich mich auskenne (großer Bär, kleiner Bär). Aber wo ist der Orion, der mir doch sonst nie entgeht?
Was mich ansonsten dort interessiert, ja, bewegt: die Insekten. Hier bei uns hat man inzwischen hundertmal gelesen, es sei ein Rückgang des Bestandes um 80% zu verzeichnen sei. Eine Erfindung der Grünen zum Wahlkampf? Es ist offenbar nicht von einer hieb- und stichfesten neuen Studie die Rede, verdächtig oft wird der private Blick auf die insektenfreie Windschutzscheibe erwähnt. Wobei aber auch nicht erwiesen ist, – sagen dann andere -, ob sich nicht die veränderten aerodynamischen Verhältnisse an den Karosserien segensreich ausgewirkt haben könnten. Sollte es sich tatsächlich um eine übergreifende aktuelle Katastrophe handeln, so wäre mir wohl nicht nur die Zukunft der Autoindustrie, der Landwirtschaft und der Grünen-Politik egal, sondern auch der banale kleine Schnappfinger und dieser ganze gestirnte Himmel über mir.
Nachtrag 17.08.2017 (zu den 80%)
Ein Lob an die ZEIT: Nicht selten beantwortet sie mir binnen einer Woche Fragen, die ich nicht lösen konnte. Und wenn dabei eine Name auftaucht, der mir nicht zum erstenmal positiv auffällt, bin ich zufrieden. (Entschuldigung, dass ich von mir rede! Der Name folgt.)
Es geht um das Insektensterben:
Bis heute gibt es in Deutschland keine Anstrengung, mit einem breiten, qualitativ hochwertigen Insekten-Monitoring zu beginnen, weder die Deutsche Forschungsgemeinschaft noch das Bundesforschungsministerium haben bislang etwas unternommen. Die Folge: Obwohl plötzlich öffentliches Interesse für dieses Spezialthema vorhanden ist, obwohl es beinahe zum Politikum geworden ist, kann die Wissenschaft das Phänomen weder anständig beschreiben noch zweifelsfrei die Gründe bestimmen.
Aber es gibt Lichtblicke: Seit 2005 liefern 500 Freiwillige dem Umweltforschungszentrum in Halle Daten über Tagfalter in Deutschland. Noch sind die Reihen zu kurz, doch deutet sich an, dass die Populationen starken jährlichen Schwankungen unterliegen – wie vieles in der belebten Umwelt. Zusammen mit anderen europäischen Daten belegt das Monitoring, dass auf Wiesen und Weiden lebende Arten von 1990 bis 2015 um 70 Prozent zurückgegangen sind.
Das hat Folgen. Schon seit Jahren sind die Bestände von insektenfressenden Vögeln wie Feldlerche, Mönchsgrasmücke oder Singdrossel im Sinkflug. Die Hälfte aller Wildbienenarten Deutschlands stehen als bedroht auf der Roten Liste. Imker beobachten seit Jahren das Phänomen des Völkerkollapses.
Quelle DIE ZEIT 17. August 2017 Seite 29 Auf der Spur der Insekten Verschwinden gerade Käfer, Bienen, Fliegen und Schmetterlinge? Warum es so schwierig ist, das zu beantworten / Von Fritz Habekuss / Der ganze Artikel im Netz HIER
Links zum Tagfalter -Monitoring HIER