Diese Zeitungsnotiz war der Anlass…
Genauer gesagt: die Tatsache, dass eins der größten Orgelwerke von Bach angekündigt wurde und dass man bei einem Kirchenmusikdirektor aus Berlin mit einer guten Aufführung rechnen darf. (Kein Irrtum!) Womit ich nicht gerechnet hatte: dass der Raum und die Realität des Klanges so überwältigend sein würden. Ein Event? Alles wie vor 50 Jahren. (Die Buxtehude-Passacaglia hatte ich vorab noch einmal zuhaus gehört, Martin Rost an der Stellwagen-Orgel zu Stralsund, CD MDG).
Der Kirchenraum ist derselbe wie damals, inzwischen alles sehr schön renoviert, gutes Programm, nur die Bibeltexte hätte ich lieber in Luthers Deutsch gehört. Ach, die Choräle! Nicht gesungen, aber mit Text, wie neu. Interessantes auch in den neuen Stücken, ein moderner Choral endet mit einer Strophe in Bachs Harmonisierung, und zwischen den Zeilen einige b-a-c-h-Rufe… Mir ist es recht. Am Ende wartet ohnehin der große Bach. Viel wunderbare Wildheit in der Fantasie, und wie aus dem Nichts der Aufstieg, der den Ahnungslosen auf der Stelle aus der Fassung bringt, auch wenn man vorher alles nochmal in den Noten durchgeschaut hat, unbegreiflich stark und EINFACH. („Confirmatio“ habe ich vor Jahrzehnten drüber geschrieben, als ich das Buch von Jacobus Kloppers und die Regeln der Rhetorik studierte.) Und was für eine fröhliche Riesenfuge in Moll! Übersprudelnd – sie wird ihren lächerlichen Beinamen leider nicht mehr verlieren.)
Und dann ist da noch dieser subjektive Zeitsprung. Damals kam ich aus Bayreuth, wo wir mit dem Collegium – ich glaube – die Johannes-Passion (im Juli???) gespielt hatten. Wenig Schlaf, Vollmond, nächtliche Autofahrt durch die Eifel. Aber das E-dur-Konzert hatte ich in den Fingern und im Kopf, alle Müdigkeit verflog. Das waren Zeiten!
Leitung: Konrad Burr (Schüler von Fritz Neumeyer und Michael Schneider), unser erstes gemeinsames Konzert; heute spielen wir immer noch zusammen, Mozart-Violinsonaten und Vierhändiges am Klavier.
Was gab es noch für mich, in diesem Jahr damals? Violin-Examen, die Orient-Tournee mit Kammerorchester unter Günter Kehr, Beginn des Studiums außereuropäischer Musik, weitere Reisen mit den Deutschen Bachsolisten (Helmut Winschermann), Bach-Kantaten mit dem Collegium Musicum des WDR, Quartettspiel, viel Klaviertrio.
Aber eine Entdeckung muss ich heute für immer festhalten, das A und O für Bach-Verehrer – in einer Zeit, da die Selbstverständlichkeiten verloren gehen. CHORÄLE. Wer sie nicht kennt und liebt, wird es nicht leicht haben mit Bach. Und ohne Bach ist das Leben noch viel schwerer.
Allerdings ist dies erst der Anfang (immer nur eine Strophe). Um eine Melodie zu begreifen, braucht man viele Strophen. Das Gesangbuch gehört zur Grundausrüstung des Musikers, egal welchen Glaubens oder Nichtglaubens. Schön: dieser Berg als Einladung. Petrarca war dort.