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Schon wieder Bach

L. Kavakos und F. P. Zimmermann

Rheinische Post Düsseldorf 9. April 2022

Ich bin etwas spät dran. Das interessiert mich natürlich, bei aller Bewunderung für den Geiger Leonidas Kavakos habe ich mich von seinem Solissimo-Bach ganz vorsichtig distanziert (siehe hier). Jetzt aber musste ich mir eilends die von Frank Peter Zimmermann eingespielte CD bestellen (ich warte). Gegen inneren Widerstand werde ich sogar den Klang der Stradivaris vergleichen, obwohl ich die Provenienz der Geigen im Fall Bach für völlig unwichtig halte. Nicht der Ton entscheidet die Interpretation, sondern die Gesamtheit der Töne. Jedenfalls: von einem Duell zweier Stradivaris kann keine Rede sein! Immer wieder diese Sucht, eine Konfrontation zu konstruieren, wo es um bloßes Verstehen (Verständnis, ja, Einfühlung) ginge. In einer Rezension fände ich zunächst einmal angemessen, die Titel der Stücke bzw. die Bezeichnung als Sonata oder Partita ernstzunehmen, siehe gleich in den ersten oben wiedergegebenen Zeilen: in a-Moll geht es zweifellos um eine Sonate, in E-Dur dagegen zweifellos um eine Partita. Einfach zu erkennen: mit Fuga = Sonata, mit Tänzen = Partita. In d-Moll (von Allemanda bis Ciaccona) lauter Tanzformen, also korrekt „Partita“ oder sogar „Partia“, wie es bei Bach steht. Soviel Zeit muss sein. Auch wenn man als Geiger oft etwas salopp von Bachs „Solosonaten“ spricht und damit die „Sonaten und Partiten“ meint oder – mit Bachs Worten – alle „Sei Solo“ …

Zum Reinhören → jpc hier

Zum direkten Vergleich (Kavakos) → → → jpc hier

Bewerten Sie nicht, registrieren Sie nur: kann man bei soviel Hall-Anteil (Kavakos) überhaupt den Klang einer Geige beurteilen? Je nach Raum-Anteil verändert er sich – zumindest subjektiv – für das hörende Ohr enorm. Es kann nur also um Tempowahl, Phrasierung u.dgl. gehen. Abphrasierung (A-moll-Fuge) der Themen-Einsätze, eingestreute Atempausen oder striktes  Tempo (Beat)? Modellierung der Dynamik?

Allerdings, – ein fairer Vergleich ist auf diese Weise kaum möglich, da die kleinen Kostproben nicht die gleichen Ausschnitte wiedergeben: bei Zimmermann immer die Anfänge, bei Kavakos jeweils mitten im Stück. Vor allem aber: Kavakos hat die Geige einen Ton tiefer eingestimmt („alte Stimmung“), d.h. seine E-dur-Partita hören wir im Anschluss an Zimmermann in D-dur. Im übrigen sind seine „Kostproben“ technisch leicht übersteuert (einfach schlecht kopiert).

Endlich:

Donnerstag 12.5.22, 18 Uhr:  Die Version mit Frank Peter Zimmermann ist angekommen, und die Wirkung ist frappierend. Ich beginne mit E-dur. Tonlich (und aufnahmetechnisch) so zurückgenommen, dass man es kaum glauben will. Ein E-dur-Preludio, fast möchte man sagen: durchweg im Pianobereich, nirgendwo die virtuose Siegerpose, – hier stehe ich mit meiner Stradivari und zeig es euch! -,  stattdessen ein Glanz von innen, ein Vexierspiel von Akkorden und Läufen, überall durchsichtig, man ist verblüfft, wenn es (leider) schon vorbei ist. Die Loure um so lieblicher, überquellend von Liebenswürdigkeit und Grazie, ein Tanz, den Bach nur wenige Male in seinem Leben komponiert hat, vielleicht weil nur die Franzosen ihn erfüllen konnten, und er, Bach, an anderer Stelle wohl nur noch in der Französischen Suite G-dur, – zweimal einzigartig. Gewöhnungsbedürftig dagegen für mich: die Wiederholungsteile mit ihren variierenden Protuberanzen, warum nur? Ja, er kann das auch, wie die historisch Informierten, und vielleicht will man es eines Tages auch nicht mehr entbehren. Ich werde es wohl im Zusammenhang noch oft hören. Und mit unausweichlichem Vergnügen.

Eine andere Überraschung sei hier schon angedeutete: ein Booklettext, den es zu lesen lohnt, ich weiß nicht, wo ich das schon mal erlebt habe: keine Mystifizierung und keine Plattitüden, Signifikantes zum Hörverhalten, auch wenn man glaubt, die Kompositionstechniken seit langem zu kennen, selten wird es so präzise, einfach und so neu gesagt:

Es ist dieses Ineinandergreifen der Dimensionen der Melodik, der Rhythmik, der Harmonik und der Kontrapunktik, welche den Sei Soli spürbar Ausgewogenheit, Vielschichtigkeit und strukturelle Offenheit gewähren. Am deutlichsten tritt diese Verknüpfung der komplementären Dimensionen in den Fugen der drei Sonaten hervor. Dabei offenbart sich ein wesentlicher Grundzug des gesamten Bach’schen Komponierens. Seine subtile Balance zwischen den diversen Komponenten des Klangsatzes führt dazu, dass Töne, welche auf der einen Ebene bloß schmückende Funktion besitzen, auf einer anderen durchaus zu unverzichtbaren Elementen werden, dass also Strukturelles und Ornamentales in ein komplexes dialektisches Verhältnis zueinander treten.

Genau so ist es (und so wird es auch in der dritten Sonate sein, der in C-dur, die uns noch auf einer weiteren CD bevorsteht, mit der großartigsten Fuge, die je geschrieben wurde). Diese CD beginnt mit dem überwältigenden A-moll-Satz der Trauer – „Grave“ – der dem Adagio in G-moll, dem Portal der 6 Werke, so merkwürdig ähnlich ist – mit den drei zur Fuge überleitenden Schlusstakten, überzeugend, wenn auch mit der konventionellen Gestalt des Sexten-Trillers, der zu einem Bogen-Vibrato einlädt. Die Fuge mit dreimal präsentiertem Thema, dreimal mit einer Kunstpause vorweg, als gelte es Matthesons Wort des Staunens zu illustrieren:

Wer sollte wohl dencken, daß diese acht kurtze Noten (…) so fruchtbar wären, einen Contrapunctus [=Fuge] von mehr, als einem gantzen Bogen [= fast 4 Seiten], ohne sonderbarer Ausdehnung, gantz natürlich hervorzubringen?

Tatsächlich spielt FPZ diese 7 Minuten lange Fuge mit einer faszinierenden Natürlichkeit, im stetig dahingleitenden Tempo, mit winzigen agogischen Anpassungen an die Gliederungskadenzen der Großform. Ein Wunder, gerade wenn man etwas ahnt von den Griff-Problemen der linken Hand, verbunden mit der Schwierigkeit, die Brechungen der vierstimmigen Akkorde bogentechnisch elegant zu meistern. Ein Wunder ist auch der leichter überschaubare dritte Satz, das Andante, ein Traum, dessen makellose melodische Linie durch einen gleichmäßig getupften „Bass“ begleitet und getragen wird, die Illusion der zwei oder sogar drei Stimmen auf dem eng begrenzten Raum des Melodieinstruments, das ist vollkommen, der Raum öffnet sich. Das abschließende Allegro durcheilt ihn in alle Richtungen, lotet ihn aus, nach Höhe und Breite und in den Diagonalen; trotzdem kein Virtuosenstück, schon die feinen Echowirkungen signalisieren Zeit und freie Entfaltung. Wie die Fuge, die auch durch solche stehenden Echo-Takte, durch ausgespannte Dreiklangsgirlanden, und immer wieder durch die gleichförmig gestalteten Sequenzen der Zwischenspiele für weite, formbildende Ausblicke sorgt.

Die Ciaconna

Die Wirkung ist enorm, was eigentlich erstaunlich ist, wenn man bedenkt, dass man diese Wirkung seit ungefähr 60 Jahren kennt (auch wenn ich in den Anfängen glaubte, es sei so ähnlich wie mit der Vitali-Chaconne). Sobald ich heute darüber nachdenke, fällt mir immer als erstes Janine Jansen ein, – und ich habe der Neigung widerstanden, jetzt ihre Aufnahme „zum Vergleich“ zu hören. Es kann nicht darum gehen, wie ergriffen ich bin und wo am meisten. Ich werde mich hier auf ein paar Besonderheiten konzentrieren und ansonsten genau diese Zimmermann-Aufnahme als unüberbietbar in Erinnerung behalten. Zunächst aber habe ich nicht genau erkennen können, ob er den Sarabanden-Rhythmus überall mit Doppelt-Punktierung spielt, oder ein Mittelding wählt, am Anfang schärfer punktierend als – vom Dur-Teil geläutert –  am Ende. Was diesen Abschnitt so wunderbar macht, ist die Tatsache, dass Zimmermann hier einfach nichts macht, außer schön spielen. Wie weich er Akkorde relisiert, wenn es von der Zwei- zur Dreistimmigkeit übergeht, und wie er in dem darauffolgenden 16tel- Abschnitt die Fanfaren-Töne herausarbeitet, in einer milden Steigerung, zuerst wie aus der Ferne, dann immer mächtiger. Irgendwie liegt es in der Logik des Aufbaus, im Arpeggio-Teil, der in die Wiederkehr des tragischen Tonfalls von D-Moll mündet, alle artistischen Ambitionen zu entfesseln und auch noch ornamentale Blitzlichter einzubauen, es wird mich bei wiederholtem Hören gewiss mehr begeistern. Übrigens auch die geringfügige, aber suggestive, ja zwingende Temposteigerung im letzten Teil vor der abschließenden Themen-Apotheose – es ist überwältigend – gerade darin auch die Idee, es nicht zu weit zu treiben, auf dem Cis der verminderten Septakkordes im drittletzten Takt ein Piano-„Memento“ zu setzen, keinen Schlusstriller zu ergänzen, sondern eine leere Quinte zu präsentieren, dieselbe wir vorher im Ausklang des Dur-Themas. Und ein Schlusston, der die Verdopplung des Tones D nicht benutzt, um die Stradivari aufblühen zu lassen… Unspektakulär wie in Bachs Handschrift. Mehr kann nicht gesagt werden, und es ist deshalb auch noch nicht ALLES gesagt.

Ob es wirklich etwas zu bedeuten hat oder nicht: Man sieht unwillkürlich den hintergründigen Zusammenhang des verminderten Cis-Akkordes in der dritten Zeile mit dem am Ende der sechsten Zeile:  ………………..  ⇓

(Fortsetzung folgt)

Kavakos mit Bach

„Sei Solo“ – die Solo-Sonaten und Partiten – neu

weiter zum folgenden Link

HIER ↵ Leonidas Kavakos im Podcast

Stichworte, die dem Gang der Erläuterungen folgen, ohne eine genau Übersetzung zu liefern. Es ist lediglich meine Erinnerungsstütze. (JR)

Zuerst allgemein über Behandlung der Violine als Solo-Instrument, melodisch, symphonisch, bei Beethoven, Brahms. Immer die Geige als singende Stimme. Viel später, im 20. Instrument, Komponisten wie Ysaye, der Szigeti mit Bach-Partitas gehört hatte, schrieb selbst 6 Solosonaten. Oder später Bartók, eins der größten Meisterwerke dieses Genres, am nächsten bei Bach. Reger, Prokofieff. [Beisp. H-moll Partita]  L.K. hörte eines Tages in Italien bei einem Sammler, Kinderarzt, die Aufnahme von Sigiswald Kuijken, was ihn „umhaute“. Absolut anderer Klang, die tiefe Stimmung, akustisch: es transformiert das Instrument, beseitigt alle Romantizismen, die wir gewöhnlich anwenden. Andere Frequenzen, weniger Druck auf den Saiten, dem Steg, dem Instrument. Dadurch für mich: mehr Raum für Polyphonie. 10:50. Die Saiten sind flexibler. Kuijken, mit Barockbogen. Ich liebte das so, ich hörte auf, Bach zu spielen… weil: denken denken denken. Ich muss üben, üben , üben. Von vorne anfangen. 11:50. Dass es mich wirklich berührt. Das war ein sehr langer Prozess. 1990, 1991 war es, als ich stoppte mit Bach. Ich begann erst wieder … jetzt … vor 4 Jahren. Nicht, dass ich es nicht mehr tun konnte, es ist wie die Erde zu verlassen, einen anderen Planeten erreichen, absorbieren etc. sich wieder der Musik nähern, Barockbogen! ich liebte es, wie das Instrument reagiert in der tieferen Region, ich probierte die Darmsaiten, allmählich formte ich einen neuen Weg für mich, wie auch immer. Neue Wege der Poyphonie entdeckend. 13.00. Bisher: wenn man zu einem Vierton-Akkord kommt, nimmt man die Aufteilung 2 +2 Töne. Beim Drei-Ton-Akkord gibt es zwei Möglichkeiten, entweder alle Töne zugleich, oder – das ist lustig, worüber ich viel nachgedacht habe -, man nimmt 2 plus 2, (Ton1+2 und Ton 2+3). Was kann man anders machen? Jetzt Blick ins Faksimile von Bachs Hand: die Akkordnoten sind einzeln mit Hälsen versehen! er schreibt 4 einzelne Noten. Das heißt für mich: jede Note ist eine eigene Geschichte, eine einzelne Präsenz. 14:40. Niemals 2+2. Es kann sein 1+1+1+1. etc Das eröffnete mir eine völlig neue Welt, diese Musik zu spielen! Ab 16:25 über Fuge. Ich schaue auf die Noten wie auf Akteure eines Theaterspiels. 19:51 Beisp. g-moll-Fuge 20:14 „The Fugue …“ Das Wort Fuga – to leave, to escape, – keiner weiß warum. Wäre die allererste Frage an Bach. Warum das Wort Fuga? Für mich – säkulare Musik – das Preludio zu 3. Partita – exakt dieselbe Musik wie in Sinfonia der Kantate [nicht19 sondern] 29, „Wir danken dir, Gott“ . mit Orchester, mit Bass. Man weiß also, was Bach innerlich hört, wenn er eine Musik ohne Bass schreibt…22:30 geschrieben, kurz nachdem seine Frau gestorben war, der Titel „Sei solo“ which means „you are on your own“ [???] 22:54 und wir haben die Fuge, we say „fugitive“ 23:00 genau wie im mod. Griechisch „eefüjä“, wenn jemand weggeht. Ich nehme es metaphysisch. 23:20 Das Motiv, das von Stimme zu Stimme geht, ich interpretieren es als verschiedene Inkarnationen des Lebens. Dasselbe auf verschiedenen Ebenen. Eine Reise durch verschiedene Ebenen. Der Schock für mich ist der letzte Akkord der C-dur-Fuge. Eine ganz spezifische Form (beschreibt die großen Abschnitte samt Dacapo). Es endet mit dem C-dur-Akkord, aber er fügt hinzu als Spitze des Akkords ein g, die Dominante. 24:45. Für mich weine riesige Frage, – was ist die Rolle dieses Tones? [L.K. betont mehrfach das Wort Dominante, obwohl der Ton g ja nicht in seiner Dominantfunktion erscheint, sondern als Bestandteil des Tonika-Akkords, wenn auch in ungewöhnlicher Lage.Seine Interpretation dieses Phänomens:] dass die Seele wiederkehrt („the soul returns“). 25:15. Das mag ein bisschen zuviel [reininterpretiert sein] , aber das kommt von Boris Moravieff, der das Buch schrieb: über esoterisches Christentum („esoteric chistianism“). Er spricht über den Abstieg innerhalb einer Oktave („descending octave“) in der Schöpfung (?), er präsentiert die C-Skala der „Creation“ und gibt die verschiedenen Stufen, von C zu H – zu A – zu G – zu F … also absteigend in der Oktave der „Creation“, und er sagt, dass unser Level, unsere Stufe, unser C,  in der Welt beginnt bei der kosmischen Dominante, dem kosmischen G. 25:59 (Ende bei 30.00).

Hier breche ich ab, L.K. findet diesen „Wissenschaftler“ phantastisch. Er hat offenbar noch nie von Kepler gehört und all den musikbezogenen Kosmos-Theorien, die darauf basierten, und begeistert sich, weil es ihm neu ist. Er kennt zum Glück nicht J.E. Berendt, nicht Harry Hahn mit seinem „Symbol und Glaube“ und der ganzen unerquicklichen Notenzählerei, er kennt offenbar auch nicht Helga Thönes großangelegten Versuch einer mystischen Deutung der Bachschen Solissimo-Werke, nur die Fama betr. ein Epitaph für Anna Magdalena. Für mich lauter sehr zweifelhafte Wege, die Bachsche musikalische Welt „dingfest“ zu machen. Ich stelle anheim, weitere Informationen in den nachfolgenden Links zu suchen.

Boris Mouravieff HIER oder Hier

Aber unbeschadet aller Vorbehalte bleibt die Tatsache, dass alles, was Leonidas Kavakos bisher als Geiger vorgelegt hat, absolut faszinierend ist. Seine Beethoven-Interpretationen sind ohne Vergleich, und der Ernst seines Bach-Unternehmens gebietet, alles was jetzt an Musik zu hören ist, als solche zu deuten und zwar ausschließlich als solche – alles andere ist sekundär.

Ich warte sehnsüchtig auf die realen CDs, die ich bestellt habe, sobald ich davon wusste.

Allte Einzeltitel anspielen bei jpc hier (Im folgenden Youtube bricht die g-Fuge bei 2:46 ab.)

Übrigens spielt er hier nicht mit Barockbogen, benutzt auch keine Darmsaiten, zumindest an der E-Saite (wohl auch an der A-Saite) ist ein Feinstimmer zu sehen, also Stahl. Zudem auch in Normalstimmung, nicht einen Ton tiefer (wie auf der CD). Dies ist keine Kritik, es handelt sich hier ja auch um eine Konzert- und Livesituation…

16.Febr. 2022 Die CD war heute in der Post!

Erste Frage: warum diese Reihenfolge und nicht die von Bach vorgegebene? Vielleicht, damit das glänzende Preludio am Anfang steht und die riesige Ciaccona am Ende? Oder wegen der Dreiklänge in der Tonartenreihenfolge? E C A / G H D ? Die Dominante GHD (von C-dur) – als höheres Zeichen – muss ich bei Mouravieff nachlesen? Nein! Lieber nur hören …

Zweite (beiläufige) Frage: welchen Ton spielt er als „Bass“ in der Mitte von Takt 3 des g-Adagios? Kavakos spielt das korrekte ES, das nicht in Bachs Handschrift steht…

Dritte (beiläufige ) Frage: wie führt er den Abschluss des Grave der Sonata II aus? Er spielt in der Tat einen (irrsinnig schwer zu greifenden) Doppeltriller in Sexten. Warum hat ihn niemand informiert, dass ein Bogen-Vibrato (auch hier) gemeint sein könnte? Wie traumhaft und mühelos hätte dieser Übergang zur Fuge klingen können!

Dritte Frage: die Brechung der Akkorde – große Kunst, z.B. im Schlussakkor G-moll, wo am Ende das B minimal länger oder bevorzugt klingt, oder im C-Adagio Takt 42, wo vom dreistimmigen Akkord H-As-D zuerst der Ton As (bleibend), dann H (unten), dann D (oben) zu hören ist, man versteht warum, möchte aber sagen „zuviel der Bogenkunst“. Letzter Akkord der großen C-dur-Fuge: Zeitlupenbrechung, und sehr spät der vierte hohe Ton G, auch so lang, dass die Absicht herausragt.

Vierte Frage: Zeitverlust durch allzu sorgfältige Brechung der Akkorde, man kann nicht weiterzählen, muss ganze Zählzeiten addieren, musikalisch nicht unbedingt notwendige Verzögerungen. Vermutlich ist auch deshalb das Tempo der A-moll-Fuge relativ ruhig, statt beschwingt; die schwersten Griffe (links) wirken federleicht. Bewundernswert, aber auch diese Fuge wirkt bei aller Phantasie im Einzelnen etwas lang, sie tanzt nicht.

Fünfte Frage: Verzierungen – das ist so üblich geworden und auch erlaubt. Aber plötzlich sind Sätze, die selber schon Verzierungen sind (Doubles), stark „überverziert“, als gebe es einen Wettbewerb im Auffüllen des Textes; mich stört es geradezu in der letzten Zeile der Ciaccona. Dafür ist der letzte Ton D (doppelt) ein Kunstwerk für sich, gerade zu ein Verweis auf die Ewigkeit. Ich denke heimlich ans Klavier, genauer: an Busonis Bearbeitung…

Ein kleines Beispiel: das Präludium der E-dur-Partita. An einer einzigen Stelle setzt Kavakos eine Variante ein, in Takt 37, – eine triolische. Warum in diesem Takt und nirgendwo sonst? Weil das Stück, so wie es komponiert ist, keiner übermütigen Zusatztöne bedarf. Also: warum hier? Und nicht schon im Takt davor. Bach hat eigentlich nichts vergessen oder anheimgestellt, wie man an den Bindungen in den darauffolgenden Takten sieht.

Man weiß, dass dem Pädagogen Bach diese Ausfüllung von Terzgängen geläufig ist, und so schreibt er sie einem Faksimile seiner Invention 1 konsequent aus (für Schüler). Aber warum braucht man sie hier, inmitten des Sechzehntel-Perpetuum?

Faksimile 1723 Invention 1

Um es kurz zu machen, als Fazit würde ich nur noch sagen: das Ganze – als Interpretationsleistung – ist einfach überragend. Fast vollkommen. Warum mich die Ciaccona weniger ergriffen hat, mir auch, leicht enttäuschend, kürzer vorkommt – sagen wir: im Vergleich zu Janine Janssen -, weiß ich nicht. Mir fehlt ein wenig das Pathos. Meist finde ich die eigenen kritischen Bemerkungen zugleich peinlich kleinkrämerisch. Und ich will nicht gelten lassen, dass man die Bewältigung barock-geigerischer Hürden besonders hervorhebt (ich möchte phrasenweise vergleichen mit Isabelle Faust oder der viel früheren Rachel Podger).

Es gibt viele Kleinigkeiten, über die man streiten könnte. Für mich sind viele ornamentale Veränderungen unnötige Stolpersteine, keine relaxed eleganten Varianten. Ich stolpere, wenn allzuviele größere Intervalle durch tirata-ähnliche Läufe ausgefült werden. Z.B. in den Wiederholungen der so fein austarierten Corrente. Brauche ich denn soviel zusätzliche Kurzweil? Makellos das nachfolgende Presto, und überragend die Sarabande, – abgesehen von glücklicherweise winzigen Stolpersteinen, einem einzelnen Lauf in Takt 10 (ebenso im drittletzten Takt), auch zusätzlichen Vorhalten. Jeder (sanft) gebrochene Akkord ein Erlebnis, z.B. der Schluss-Dreiklang H-Fis-H : Grundton allein und die Quinte dazu, diese wie ein Vorschlag zur Oktave, beide zusammen ausgehalten, nahtlos das obere H allein, sehr leise und recht lang. Überall große Geigenkunst. Vielleicht etwas zu groß?

Ich denke an den eigenwilligen jungen Thomas Zehetmair, unvergesslich, wie er im C-dur-Adagio Takt 12 hineinfuhr wie eine Furie, obwohl es als Dynamik nicht dasteht, – aber doch als „Figur“. Und die Antwort steht in Takt 33. Es hieß, da habe ihn Harnoncourt persönlich inspiriert.

Der Booklet-Text stammt von Tully Potter, der tatsächlich das Buch von Helga Thöne favorisiert. Die Überschrift „You are alone“ bzw. „Du bist allein“ (als Übersetzung von „Sei Solo“) kommt wohl von ihr; meines Wissens hat Christian Tetzlaff das als erster im Booklet seiner ersten Aufnahme propagiert. Ich kann verstehen, dass im Kavakos-Booklet die frühe Gesamtaufnahme von Grumiaux besonders hervorgehoben wird, nicht jedoch, dass die von Szeryng, der für die geigende Generation der 60er Jahre ganz neue Maßstäbe setzte, keine Erwähnung wert ist. Zum Ausgleich völlig daneben die Einschätzung der Bach-Interpretation des späten Menuhin. Undsoweiter – da fehlt im Text einfach etwas Kompetenz, die im biographischen Feld liegen mag.

Zum Wort „Fuge“, das Kavakos in seiner oben behandelten Einführung etwas mystifiziert, – als sei die Fuge ein Ausdrucksmittel zum Thema Abschied -, eine kurze Information:

Der Begriff Fuge ist inhaltlich durch die unendliche Vielfalt der Bachschen Fugen „bestimmt“, ist „von Haus aus“ aber eher eine bloße Technik als die Vorgabe eines Affektes (Abschied).

In den 60er Jahren machte ich mir die folgende, leicht greifbare Frühgeschichte des Wortes Fuge zueigen, die dem Buch eines Autors entstammt, den ich heute allerdings ungern konsultiere, auch wenn er ideologiefrei wissenschaftlich recherchiert. Im übrigen verweise ich auf das enzyklopäische Lexikon MGG, mit dem es heute eigentlich jedem Musiker leicht geworden ist, sich jederzeit vorurteilsfrei zu informieren und vielleicht sogar eigene etymologische Versuche zurückzustellen.

 

Quelle

Joseph Müller-Blattau: Geschichte der Fuge (dritte, erweiterte Auflage) Bärenreiter Kassel Basel etc. 1963

MGG Musik in Geschichte und Gegenwart (neu 1995 Sachteil Band 3) Stichwort FUGE Autor: Emil Platen

Fragen an Beethoven

Eine Übung

Es ist eigentlich Leonidas Kavakos, der mich mit seinen mustergültigen Interpretationen der Beethoven-Violinsonaten darauf brachte, dass mir zwei davon lebenslang fast unbekannt geblieben sind. Obwohl ich sie in meiner Studienzeit mehr als einmal gehört, allerdings nie selbst gespielt habe, auch nie den Drang dazu gespürt habe. Im Gegenteil, ich habe sie gemieden, und das war dumm: Die Sonate Nr. 6 A-dur op. 30, 1 und die Sonate Nr. 10 G-dur op. 96.

Merkwürdigerweise sieht Kavakos in seiner verbalen Einführung gerade diese beiden Sonaten innerlich verbunden. Es ist alles sehr hörenswert, was er sagt, aber man gehe auf youtube direkt an die Stelle, die der Sonate Nr. 6 gewidmet ist: HIER – ab 10:36 bis 14:51.

Leider findet man man von dieser Sonate nur den 2. und 3. Satz in der Interpretation mit Leonidas Kavakos und Enrico Pace auf youtube. Ich nehme aber gern vorlieb mit der alten Oistrach-Aufnahme HIER. Man kann auch die Einzelsätze anklicken, was später ganz nützlich ist, wenn man Kavakos wirklich an einem der größten Violinisten der Geschichte messen möchte.

Der zweite Satz mit Kavakos: HIER,
und der dritte: HIER.

Es ist sehr merkwürdig: man muss bei dieser Sonate ehrlicherweise über etwas reden, was sie unattraktiv macht! Und das tut Kavakos auf beachtliche Weise. Er sagt, dass sie keine wirkliche Melodie hat, kein wirkliches „Statement“. (Er spielt sie an: sachlich, non espressivo, setzt das Thema der Frühlingssonate dagegen.)  Es ist eher wie eine Kontemplation. Das sei wie in der Sonate 10, die beginnt wie eine „Unanswered Question“ (Ives), kontemplative Atmosphäre, – Kavakos lässt einen mit fragmentierten Sätzen spüren, dass es schwer zu sagen ist: es ist auch in der Sonate nicht klar, „dies ist das Statement, dies ist die Verarbeitung“ – gewiss, alles ist da (er springt an den Schluss, den er spielt, indem er mimisch zeigt, wie es da offen bleibt: „ist es eine Antwort, ist es eine Frage? Niemand kann es sagen.“) Und dann sagt er: das sei irgendwie magisch, dass Beethoven den ersten Satz beendet auf eine (unspektakuläre) Weise, ja … okay … lasst uns sehen, wie das läuft… und dann kommt der langsame Satz, der zusammen mit dem der Frühlingssonate zu den melodischsten Sätzen Beethovens gehört. Es ist dies Moment der Ruhe, des Nicht-Vorwärtsdrängens, diese höhere Macht („superior power“). Relaxation. A moment of calmness. (Gelassenheit!) Das sind seltene Momente in der Musik! Und wenn das kommt …, dann ist das von machtvoller Wirkung. Den letzten Satz (die Variationen!) nennt Kavakos ein „Rondo“, und das ist kein Lapsus linguae, auch die Interpretation, die ich gleich zitieren werde, spricht über „Rondo-Momente“: Da heißt es: „Gleich die erste Variation läßt eher auf eine kontrastierende Episode [wie in einem Rondo] als auf eine motivisch-thematische Veränderung schließen.“ Es ist fast, als habe Kavakos diese Ausführungen gelesen: Peter Ackermann in: „Beethoven. Interpretationen seiner Werke“ / Herausgegeben von Albrecht Riethmüller, Carl Dahlhaus, Alexander L. Ringer / Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1996 / Bd. I S. 242 ff. Und hier wird auch daran erinnert, dass der ursprünglich vorgesehene Finalsatz des Werkes — in die Kreutzer-Sonate gewandert ist.

Doch deutet sich in der Substituierung des Finales zugleich ein Problem der kompositorischen Integrität des Werks an. Nicht auf die zyklische Striktur insgesamt, sondern auf Details der inneren musikalischen Logik bezogen sieht Alexander Wheelock Thayer markante Schwächen der A-Dur-Sonate. Im Vergleich mit den beiden anderen aus op. 30 stünde sie an „natürlichem Fluß, an zwingender Notwendigkeit der Entwicklung entschieden zurück. Der erste Satz zerbröckelt in zu viele gegen einander abgeschlossene kleine Sätzchen und läßt mehrfach die modulatorischen Einschiebsel, welche die Tonartordnung erfordert, unliebsam hervor treten […]. Trotz aller aufgewandten Kunst und alles fein empfundenen Detail (sic!) bleibt der Gesamteindruck der eines mosaikartigen Zusammensetzens der ganzen Sonate.“

Zur schnellen Orientierung ein Link zum (historischen) Notentext: HIER.

Dann kommt der Kommentator auf den wesentlichen Punkt (den er eher als gattungsgeschichtliche Notwendigkeit der Violin-Klavier-Sonate behandelt): die Polyphonie.

Daß die A-Dur-Sonate, den von Thayer attestierten Schwächen zum Trotz, einen entscheidenden Schritt in dem gattungsgeschichtlichen Prozeß von der Klaviersonate mit Violinbegleitung zur Sonate für zwei gleichberechtigte Instrumente darstellt, tritt an einem zentralen Merkmal zutage. Das Hauptsatzthema des ersten Satzes ist in diesem Sinne geradezu programmatisch. Drei zwischen Klavier und Geige polyphon verflochtene Linien heben die satztechnische Unterscheidung in Haupt- und Nebenstimme, in Melodie und Begleitung auf, Polyphonie selbst wird zum Signum des integralen Zusammengehens der beteiligten Instrumente.

Es ist durchaus möglich, dass Beethoven die heimliche politische Botschaft der gleichberechtigten Stimmen assoziierte und in der emanzipatorischen Tendenz dieser Jahre seinen entscheidenden Fortschritt sah. So wäre es kein Zufall, dass er gerade dieses dreigeteilte Opus, mit dieser Sonate als Auftakt, dem neuen König von Russland widmete, Alexander I., der für seine aufklärerische Haltung (seine Erziehung nach den Prinzipien Rousseaus) bekannt war.

(Fortsetzung folgt)

Aus dem Handgelenk

Die eindrucksvollen Auftritte des Geigers Leonidas Kavakos könnten manchen jungen Violinspieler veranlassen, nicht nur den Ernst und die musikalische Intensität des genialen Griechen zum Vorbild zu nehmen, sondern auch zu vermuten, dass seine Technik in allen Details nachahmenswert ist. In der Tat: sie funktioniert und fügt sich zwanglos allen Absichten des Interpreten, soweit ich das beurteilen kann. Dennoch muss man wohl feststellen, dass die Bogenführung bzw. die Bewegung des rechten Arms und insbesondere die Herausstellung des rechten Handgelenks einer altertümlichen Lehre folgt, die vielleicht nicht ohne Grund von der Entwicklung des modernen Violinspiels aufgegeben wurde. Man kann das an verschiedensten Stellen nachlesen, aber viele Geiger lesen wenig, um keine wertvolle Übe-Zeit zu verlieren. Daher dieser Blogbeitrag. Der Unterschied fällt auf Anhieb ins Auge: links Leonidas Kavakos Quelle: youtube), rechts Christian Tetzlaff (Quelle: youtube), beide hervorragende Virtuosen und Musiker! Es geht hier nicht um ein Ausspielen des einen gegen den anderen, sondern allein um das rechte Handgelenk:

Kavakos Screenshot 2015-07-15 Tetzlaff Screenshot 2015-07-15 20.39.14

Ich kenne keinen Geiger, der das Handgelenk so anwinkelt und den Ellbogen so dicht am Körper hält wie Kavakos, – und erinnere mich an mein antiquarisch erworbenes Exemplar der Geläufigkeitsstudien von Schradieck, an deren Rand ein Lehrer geschrieben hatte: „Etwas unter dem Arm halten!“ Das war früher so üblich: der Ellbogen am Körper sollte die Hauptleistung ans Handgelenk delegieren. Auch eine historische Violinschule von 1913 illustriert das (Foto links oben), wobei die Position der Finger anders ist als bei Kavakos.

Violinschule ca 1913

Es ist offenbar die alte deutsche Praxis, die auch im Vorwort eines erhellenden Buches von Percival Hodgson im Jahre 1958 beschrieben wird, wenn auch auf Campagnoli bezogen:

Violin Bowing Motion Study x

Quelle Percival Hodgson: Motion Study and Violin Bowing / American String Teachers Association Urbana 1958 (Introduction S. IX)

Schon Carl Flesch beschrieb 1929 die verschiedenen Methoden der Bogenhaltung in seinem grundlegenden Werk „Die Kunst des Violinspiels“ sehr genau, und er bebilderte auch die von ihm abgelehnten Usancen, wie hier:

Flesch Foto

Er berief sich in seinen Ausführungen auf den Mediziner Friedrich Adolf Steinhausen und dessen Buch „Physiologie der Bogenführung auf den Streichinstrumenten“ (1903) und meinte:

Steinhausen war der erste Theoretiker, der die Kraftquellen als im Ober- und Unterarm lagernd erkannte und dem bis dahin maßlos überschätzten Handgelenk sowie den Fingern eine nur vermittelnde Rolle zugestand. Seine Ansicht hat sich nicht nur durch ihre zwingende Logik, sondern vor allem durch die Bestätigung in der praktischen Ausübung als richtig erwiesen.

Carl Flesch: Die Kunst des Violinspiels I. Band: Allgemeine und angewandte Technik. Verlag Ries & Erler Berlin 1978 (Seite 38)

Aber ganz so apodiktisch muss man es wohl doch nicht sehen, zumal wenn man beachtet, dass diese „zwingende Logik“ die eines Physiologen war, der selbst nur Hobbygeiger war, und dass der Berufsgeiger Flesch als Künstler (und Kollegenkritiker) durchaus nicht unanfechtbar war. Die verschiedenen Stile der Bogenführung haben – je nach individueller Prädisposition – vielleicht doch ganz unterschiedliche Vor- oder Nachteile. Der Vater „der“ russischen Geigenschule, Leopold Auer, selbst Schüler Joseph Joachims, schrieb in aller Vorsicht und eingestandener Subjektivität:

When I say that the hand should be lowered – or rather that the wrist should be allowed to drop when taking up the bow – and that as a consequence the fingers will fall into position on the stick naturally and of their own accord, I am expressing a personal opinion based on long experience. I myself have found that there can be no exact and unalterable rule laid down indicating which one or which onesd of the fingers shall in one way or another grasp and press the stick in order to secure a certain effect. Pages upon pages have been written on this question witzhout definitely answering it. I have found it a purely individual matter, based on physcal and mental laws which it is impossible to analyse or explain mathematically. Only as the result of repeated experiment can the individual player hope to discover the best way in which to employ his fingers to obtain the desired effect.

Joachim, Winiawski, Sarasate and others – every great violinist of the close of the last century – had each his own individual manner of holding the bow, since each one of tzhem had a differently shaped and proportioned arm, muscles and fingers. Joachim, for instance, held his bow with his second, third and fourth fingers (I except the thumb), with his first finger often in the air. Ysaye, on tzhe contrary, holds the bow with his first three fingers, with his little finger raised in the air. Sarasate used all his fingers on the stick, which did not prevent him from developing a free, singing tone and airy lightness in hies passagework. The single fact that can be positively established is that in producing their tone these gerat artists made exclusive use of wrist-pressure on the strings. (The arm must never be used for that purpose.) Yet which of the two, wrist-pressure oder finger-pressure, these masters emphasized at a given moment – which they used when they wished to lend a certain definite colour to a phrase, or to throw into the relief one or more notes which seemed worth while accenting – is a problem impossible of solution.

Incidentally, we may observe the same causes and the same effects in the bow technique of the virtuosi of the present time. They may have nothing in common either in talent or temperament, yet, notwithstanding this fact, each one of them will, according to his own individuality, produce a beautiful tone.

Quelle Leopold Auer: Violin Playing As I Teach It / Dover Publications, New York, 1980 (1921) ISBN 0-486-23917-9 (Seite 12 f.)

Eine wunderbare Passage, – sofern man auch im Violinspiel eine gewisse Toleranz gelten lassen will und die beiden ganz oben abgebildeten Violinisten nicht gegeneinander ausspielen will.

Man könnte Leonidas Kavakos, der bei Josef Gingold studiert hat, sogar an der Bogenhaltung seines berühmten Lehrers messen, dürfte aber nicht übersehen, dass dieser von physiologisch völlig anderer Statur ist und – nebenbei – auch wohl nie einen solchen Beethoven-Zyklus wie sein griechischer Schüler gespielt hat.

Gingold Screenshot 2015-07-15 20.58.02 Josef Gingold (Quelle)

Mag sein, dass Kavakos sein violinistisches Körper- und Fingerspitzengefühl noch am Griechischen Konservatorium entwickelt hat, bei Stelios Kafataris, vielleicht auch schon bei seinem Vater und im Kontakt mit der griechischen Volksmusik (siehe hier). Vielleicht sogar durch eigenes Denken und Arbeiten?

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Wer von diesen technischen Aspekten des Violinspiels jetzt noch nicht genug hat, der lese getrost weiter auf den sehr instruktiven Blog-Seiten von Stefan Maus: Hier.

Nachtrag 11. April 2018

Ein schönes Beispiel aus der irischen Volksmusik: Der fabelhafte Fiddler Frankie Gavin spricht über Bogentechniken und empfiehlt u.a. die alte Methode, ein Buch unter den rechten Arm zu klemmen: siehe das instruktive Video HIER , zum Thema Bogenarm ab 8:11 bis 9:18 (Fazit: zu große Bewegungen nehmen dem Arm Energie).