Weshalb man sich dieses Buch besser erspart
Ich besitze es seit dem 12.12.71 und sehe, dass ich es nur bis Seite 14 durchgearbeitet, ansonsten wohl nur Bilder betrachtet habe. Sonst wäre mein Ärger größer. Immerhin hatte ich eine hohe Meinung von Bertrand Russell, denn am 24. Dezember 1982 legte ich in das Buch einen ZEIT-Artikel, der mir offenbar imponiert hat. (Autor: ein gewisser Dr. Marcus Bierich, von Beruf Wirtschaftswissenschaftler, damals Vorstandsmitglied eines Versicherungskonzerns. Weiteres siehe hier.)
Das Buch „Denker des Abendlandes“ gibt es auch heute noch (und auch in anderen Verlagen, weitgehend unverändert, erkennbar am Namen des Übersetzers Károly Földes-Papp) zu kaufen. Der Laie verwechselt es leicht mit dem großen und wirklich heute noch sehr empfehlenswerten Hauptwerk von Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes / Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung. Und vielleicht soll man es sogar verwechseln, obwohl kaum eine Zeile im „Denker“-Buch wirklich von Russell stammt. Vielleicht mit Ausnahme des Vorwortes, das stark nach Autorisation klingt:
„Denker des Abendlandes“ Vorwort
Auf der Titelseite steht ganz deutlich und scheinbar authentisch „Verfaßt von Bertrand Russel“, im Vorwort liest man immerhin, ein Dr. Paul Foulkes habe „beim Schreiben des Textes geholfen“. Im Wikipedia-Link findet man immer noch unter den Ausgewählten Schriften auch das Werk des Jahres 1959 – „Wisdom of the West“ – als ein Russell-Werk mit dem Zusatz Hrsg. von P. Foulkes.
Wie der Fall wirklich liegt, kann man bei Ulrich Erckenbrecht nachlesen:
Die Gelddenker des Abendlandes / Bertrand Russell und seine Namensausbeuter (Seite 62 bis 82) in: Ulrich Erckenbrecht „Die Unweisheit des Westens / Scherflein zur Philosophie und Sprachkritik“ Muriverlag Göttingen 1998 ISBN 3922494153 (Postfach 1765 D-37007 Göttingen)
Nur ein einziges Zitat, – es hat einen leichten Hautgout von Kolportage, bietet aber erst einen Vorgeschmack des ganzen Skandals:
Wie kam Paul Foulkes dazu, im Namen und unter dem Namen von Bertrand Russell das Buch „Wisdom oft the West“ / „Denker des Abendlandes“ zu verfassen? Lesen wir den spannenden Spadoni! [Spadoni gehört zu den besten Russell-Kennern der Welt. Er schrieb 1986 den erhellenden Aufsatz „Who wrote Bertrand Russel’s Wisdom of the West?“ JR] Der Bestsellererfolgt von Russels „History of Western Philosophy“ brachte einen findigen und windigen Verleger auf die Idee, sich mit einem Imitatbuch an diesen Bestsellererfolg anzuhängen (solche Leute soll es ja heute noch im deutschen und internationalen Kulturbetrieb geben).
Dieser angelsächsische Verlagsmensch machte sich im Winter 1956/57, als Russell 84 Jahre alt war, an den hochwohlgeborenen Earl heran und bot ihm einen beträchtlichen Honorarvorschuß für ein neues Buch. Das traf sich gut, denn Russell brauchte in jenen Jahren dringend Geld; sein Sohn war samt Schwiegertochter davongelaufen und hatte Russell und dessen Frau die Sorge für drei Enkelkinder überlassen.
Russell verstand die Sache so, daß er selbst ganz wenig zu machen bräuchte und nur als eine Art Schirmherr für das Buch fungieren würde (die eigentliche Schreibarbeit würden andere leisten). Dazu war er gern bereit, und mit Freuden strich er als Vorschuß eintausend englische Pfund ein – das war damals eine schöne Stange Geld. Weitere fünftausend englische Pfund sollten zum Zeitpunkt der Publikation des Buches an Russell gezahlt werden. Viel Geld für wenig Arbeit!
Quelle Erckenbrecht a.a.O. Seite 66f