Don’t Dont? Au contraire!

Kavaliersdelikte auf der Geige

So zeigt man eine gewisse Weltgewandtheit, aber in Wahrheit geht es um sehr private Schlampereien, die ich nur an mir selber zeige, weil ich von Kritik an anderen in diesem Punkt nichts lernen kann. Je älter man wird (Achtung, so beginnen lästige Ratschläge!), desto mehr kann passieren, – auf dem Griffbrett wie auf dem Bürgersteig. Ich hörte einmal einen freundlichen Laienpianisten (der Streicher begleitete), er sagte hinterher: „Je älter ich werde, desto weniger Pedal benutze ich.“ Ich mochte ihm nicht widersprechen, denn genau so hatte es geklungen. Hölzern. Die Zeiten, da man das Pedal zum Vertuschen verwendet, sollten ja weit zurückliegen, genug Zeit also, irgendwo von einem der Großen den Satz gehört zu haben: „Das Pedal ist die Seele des Klaviers.“ Gemeint ist natürlich das rechte, möglicherweise in einer Mischung mit dem linken.

Ich liebe Dont, Jacob Dont, weniger seine großen Etüden, nein, seine „24 Vorübungen zu Kreutzers und Rodes Etüden“, sein op. 37, sie treiben weniger an die Grenzen, dort wo versuchsweise auch gern Gewalt angewendet wird (Fingerstrecken links, Bogen fixieren im Ricochet o.ä). Ich liebe aber ebenso die spezielle Notenausgabe, die mein neuer Lehrer verlangte, als ich 15 war, die Peters-Ausgabe (inzwischen gibt es Henle u.a.), zumal dort zuweilen ausführliche handschriftliche Anweisungen drinstehen, die mich heute mehr zum Nachdenken bringen als damals (Prof. Raderschatt sei Dank!). Zur Sache:

 

Ich spiele diese Etüde häufig, auch einige andere, eben, weil sie noch in den Fingern liegen und keine Sonderleistungen erzwingen. Oder doch? Plötzlich sagt eine innere Stimme: merkst du nicht, dass kein einziger Saitenwechsel wirklich reibungslos gelingt, immer nur mit Geräusch oder Ruck. Ich übertreibe natürlich, aber das sagte mein Lehrer damals auch. Und das saß. Die Neigung zum pauschalen Zurechthören der eigenen Leistung ist aktiver als die zur Geistesgegenwart und punktuellen Vertiefung. Die zweite Lage ist ohnehin etwas unbequem, in diesem Fall besonders, weil sie gleich den vierten Finger (cis“‘) herausfordert durch den Wechsel mit den Tönen his“ und h“ (wirklich sauber!) und dann durch das Übersetzen desselben Fingers auf die nächsttiefere Saite. Was soll der dilettantische Bruch, bevor du zu derselben Aktion wie eben mit dem vierten Finger übergehst, jetzt auf der A-Saite? Genau darauf bist du fixiert, wenn überhaupt, aber der Ruck rechts ist das Übel, du musst schon unterbrechen… (Wie immer: der Rechtsruck!) Es geht um die Legato-Verbindung zwischen der vorletzten Sechzehntel-Vierergruppe und der letzten: vom gis“ zum fis“. Wenn das nicht schön ist, kannst du die Geige gleich wieder einpacken! Die Legato-Verbindung übt man genau so wie auf dem Klavier: der Ton gis“ auf der E-Saite muss noch zu hören sein, wenn du den Ton fis“ auf der A-Saite anspielst. Die Streckung links ist auch nicht völlig angenehm, aber unentbehrlich, man muss sie nur einmal wahrgenommen haben, egal wie vorübergleitend sie geschieht und sich verflüchtigt. Und am Ende des nächsten Taktes – beim Übergang zur D-Saite – ganz genauso. Und so weiter. So einfach ist das.

Die folgende Etüde – in Zeitlupe zunächst mit weniger langen Bindungen – gibt Gelegenheit zu beobachten, wieviel Töne auf welcher Saite angestrichen werden und in welcher Tonqualität: in der ersten Vierergruppe 1 Sechzehntel pro Saite, in der zweiten je 2 Sechzehntel pro E- und A-Saite, in der dritten heißt es 1+2+1 (Töne pro Saite). Während der Vierergruppen ist die Bewegung des Oberarmes und die gleichzeitige des Unterarmes zu fühlen. Auch von den Saiten losgelöst „in der Luft“ zu analysieren. (Nur nicht todernst, – man bedenke, wie ein Vogel die Arbeit mit den eigenen Flügeln erleben würde. Oder wie Bobby McFerrin singt: „don’t worry be happy“)

Dieser Blogeintrag begann als bloße Ermunterung für mich selbst (das hilft!!!), denn es gibt heute sicher weniger „private“ Geiger, als es sich der Musiker in optimistischen Stunden vorstellt. Aber natürlich kann man Ähnliches für jedes Instrument und jedes Genre erdenken, auch für handwerkliche oder sportliche Aufgaben, die schrittweise geschmeidiger gelingen sollen. Es geht letztlich um die aufmerksame Hinwendung, der Buddhist nennt es auch Achtsamkeit.

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Mehr über Achtsamkeit? Hier.