Es sind zwei Sachen, die ich nicht vergessen will: die eine stammt aus einem Text von Daniel Kehlmann und betrifft Vogelstimmen, aber eigentlich nicht zentral; die andere macht die Vergleichbarkeit von Kunst und Sport zum Thema, und daran habe ich ja schon des öfteren gedacht, wenn auch eher „spielerisch“. (Denn ich glaube an den Geist der Kunst. Sonst erkläre ich demnächst meine Autofahrt nach Herford zum rollenden Kunstwerk.)
Ich erinnere mich an Aufnahmesitzungen mit dem Collegium aureum, die meistens im Juni auf Schloss Kirchheim (Bei Mindelheim) stattfanden. 70er Jahre. In der besonderen Akustik des Zedernsaales waren Schlussakkorde etwas Besonderes, wir horchten in den Raum, mit dem Bogen in der Luft, und warteten auf das Lautsprecherknacksen, das „Dankeschön“ und die Durchsage, mit welchem Take es weitergehen sollte. Kurz davor aber, nach dem Verklingen der Musik blieb ein leises Vogelgezwitscher: die Spatzen in den Blättern an der Außenwand des Schlosses (Wein oder Efeu? ich weiß es nicht mehr). Zuweilen rief jemand in Richtung Mikrophon: Stören die Vögel im Nachklang? Pause. „Das ist unser Kirchheimer Markenzeichen!“, so die Antwort. Ich habe es später nie zuhaus überprüft, wenn die Schallplatte ankam. Wer zieht schon den Nachklang eines starken Schlussakkords so weit auf. Eines Tages vielleicht doch noch… nach 50 Jahren.
Ich werde auch nie vergessen, wie in einer Aufführung der Marienvesper von Monteverdi unter Paul Nitsche im Altenburger Dom, in dem tagsüber irgendwo am Mauerwerk Renovierungsarbeiten stattgefunden hatten, zwischen zwei Sätzen im Moment der Stille die Stimme eines Rotkehlchens erklang, das auf einer Stützstange zwischen zwei Säulen saß. Es sang so rührend und stark, dass wir im Orchester die Augen dorthin wendeten und auch das Publikum wie gebannt auf die Himmelserscheinung blickte. Die Pause dauerte länger als vorgesehen. Aber es war zweifellos Rotkehlchengesang, kein Nachklang der Echowirkungen Monteverdis.
Dies und Ähnliches kam mir in den Sinn, als ich Daniel Kehlmann las:
ZITAT
Wir kamen mit dem Auto aus Wien, hielten auf einem der vorgesehenen Parkplätze und ließen uns von den das Publikum zu vorsichtigem Treppensteigen ermahnenden Ordnern in den Steinbruch lotsen. Und dort standen wir also. Weit weg von der Bühne, auf der nach einigen Reden die Wiener Philharmoniker zu spielen begannen. Sie spielten so gut, wie die Wiener Philharmoniker eben spielen, nämlich sehr, sehr gut, und Beethovens Musik war so prachtvoll, wie Beethovens Musik nun mal ist; und unterdessen wurde es dunkel – ein wolkenloser Frühlingssonnenuntergang ereignete sich aufs Theatralischste. Enorm leistungsfähige Lautsprecher lieferten erstklassigen Ton, und da die Firma, die die elektrischen Anlagen bereitgestellt hatte, offenbar ihr volles Angebot an Leistungen anbieten wollte, gab es auch eine auf die Musik abgestimmte Farbbeleuchtung an der Steinbruchwand: von Dunkelrot zu Blau zu Türkis; so wars nun mal bei Freiluftkonzerten üblich, und offenbar hatte niemand Anweisung gegeben, es in diesem Fall doch lieber anders zu halten.
Am faszinierendsten aber waren die Vögel. Ich hatte noch nie eine klassische Sinfonie unter freiem Himmel dargeboten gehört, und so war ich in keiner Weise darauf vorbereitet, wie die Singvögel in der Stille zwischen den Sätzen Motive, die wir gerade gehört hatten, wiederholten – eine Antwort des Frühlings, der Natur, des quellenden Lebens auf Beethovens Kunst.
Quelle DIE ZEIT 13. September 2018 Seite 44 Es ist gerade erst geschehen Dass mein Vater das „Dritte Reich“ überlebte, verdankte er höchst unwahrscheinlichen Zufällen. Ohne sie wäre ich nicht hier. Eine Erinnerung – und ein Appell / Von Daniel Kehlmann
Zugegeben: was ich zitiert habe, lässt nichts vom Sinn des langen Artikels aufleuchten, man kann ihn aber leicht online abrufen. Ich fand ihn lesenswert wie alles, was ich von Kehlmann kenne.
Es ging mir aber nur um diese eine marginale Feststellung, die auch am Schluss des Artikels aufgegriffen wird: dass „die Vögel Bruchstücke von Beethovens Melodien wiederholten“ – es wurde die Neunte gespielt. Mir scheint, das ist des Dichters bloße Projektion, – denn selbst der höchstbegabte Schwarzdrosselmann, der Motive seiner Rivalen aufgreift und gefühlsecht wiedergibt, wäre von diesem Orchesterwerk überfordert. Oder würde reagieren wie der Kanarienvogel auf den Staubsauger: mit akustischer Selbstbehauptung um jeden Preis. Wettbewerb um jeden Preis!
Womit wir vielleicht zum Sport übergehen dürfen.
Jörg Scheller ist der Autor eines Buches mit dem Titel: „Arnold Schwarzenegger oder Die Kunst, ein Leben zu stemmen“, und in der Zeit-Kolumne, die er zur Eröffnung des „Palais Populaire“ der Deutschen Bank geschrieben hat, heißt es:
Sport basiert auf quantifizierbaren Resultaten. Kunst lässt sich nicht quantifizieren? Das ist nett gemeint, aber Folklore aus dem 19. Jahrhundert.
Ein gewichtiger Unterschied besteht allerdings noch: Die Kunstliga schmückt sich mit dem edleren Vokabular. Aber wenn Adorno erst mal ein bisschen länger tot ist, sollte sich auch das legen. Dann wird kein Blatt Papier zwischen Baselitz und Bolzplatz passen!
Der Versportung der Kunst ist die Verkunstung des Sports kongenial. Längst verhält es sich so, dass Sportler nicht nur sportliche Leistungen zu erbringen haben. Nein, alsogleich müssen diese vor der Kamera analysiert, kontextualisiert, kritisiert werden. Der Verbalisierungsdruck, der an der französischen Kunstakademie schon im 17. Jahrhundert einsetzte, hat den Sport voll erfasst. Arnold Gehlens Rede von der „Kommentarbedürftigkeit“ der modernen Kunst trifft in gleichem Maße, ja vielleicht mehr noch auf den Sport zu.
Ist es Studierenden an Kunsthochschulen bei Höchststrafe untersagt, das Sprechen über ihre Arbeiten vermittels Jacques-Rancière- und Chantal-Mouffe-Zitaten zu unterlassen, so sehen sich Sportler heute genötigt, Torschüsse, Matchbälle oder Knock-outs medienkompetetent zu kommentieren. Kurz gesagt: Der Zeitgeist bildet ein tragfähiges Fundament für das neue Berliner Kunstbankenpalais. Kryptokommunistische Assoziationen hin oder her.
Quelle DIE ZEIT 13. September 2018 Seite 57 Zwischen Baselitz und Bolzplatz Warum es höchste Zeit ist, dass Kunst- und Sportwelt fusioniert werden / Von Jörg Scheller
Ich wundere mich nicht, dass der Autor sich auf einen „großartigen Essay“ (1997) von Wolfgang Welsch bezieht, der sich ebenfalls mit leicht fahrlässiger Gedankenführung zwischen heterogenen Genres bewegt. Ob in dem Satz über die Studierenden nicht vielleicht ein Wörtchen fehlt, der die Aussage ins Gegenteil verwandelt? Jacques Rancière und Chantal Mouffe würden es selbst eher sportlich nehmen.
Mehr über Kunst, Kultur und Sport – natürlich exclusiv bei der Deutschen Bank HIER.
Abschließend sei Menschen, die – ähnlich wie dieses ehemals mächtige Geldinstitut – aufgeschlossen sind für ganz große Zusammenhänge, eine Sendung empfohlen, sagen wir: zumindest die ersten 30 Minuten der Markus-Lanz-Sendung von vorgestern, also vom 12. September. Zu Gast war Dirk Laabs, der u.a. für seinen Film Der Fall Deutsche Bank – Abstieg eines Geldhauses ausgezeichnet worden ist. Im ZDF HIER (abrufbar bis 12.10.2018).
Constance Scharff (SCH) im Interview mit Michael Rüsenberg (RUE) / Schlussteil
(Foto: Thomas Berg)
[Gäste stellen Fragen]
SCH: … die [Dame] hatte ne zweite Frage, das war diese Stille. Das heißt dann, wenn in einer Lautäußerung grade Pause ist, …….. – wie eben, das spielt natürlich ne super wichtige Rolle für das, was man mitteilt, wann ich ne Pause mach, wann der Vogel ne Pause macht, und wird teilweise auch wieder aktiv jetzt auf der neuronalen Ebene kodiert, also wenn da nix passiert, dann sagen viele Zellen „sei still!“, man muss teilweise aktiv die Pause machen, das heißt, dieser Unterschied zwischen aktiv und passiv hängt davon ab, ob wir jetzt über den Laut reden oder ob wir darüber reden, was da passieren muss, und spielt das ne Rolle im …, wie Sachen wirken und wie Sachen rüberkommen, und wie wir vorhin geredet haben, auch … ab wann ist das noch Gesang beim Zebrafink? Da kann z.B. es wichtiger sein, wenn die Pausen zu lang werden, das ist schlimmer als wenn die Noten zu lang werden. Bei einer Art, die untersucht worden ist. Also die sind sensibler für die Pausen als für die Noten.
RUE: Ich weiß jetzt nicht mehr genau, ich glaube von dort hinten kam noch ne Frage (etc.)… Sie beide dann!
FRAGER: Nur ganz kurz wegen Missverständnissen in der menschlichen Sprache, die Zwischenbereiche, die unbekannt sind. Ich spreche kein Arabisch, aber einmal in Ägypten auf einem Souk habe ich gesehen ein Produkt mit der Bezeichnung Eftescheff. Was ist das???? Später ist es mir eingefallen: es ist Aftershave. (verhaltenes Lachen)
SCHARFF: Das ist ein super Beispiel für diese kategorische Perzeption, ne? Also Aftershave mit m deutschen Akzent, mit m japanischen Akzent, mit allen…, wenn man n bisschen internationale Ohren hat, dann kann man das alles akzeptieren. Aber Eftescheff war einfach zu weit weg für Sie als „das gilt jetzt nicht mehr“ für die, die da aber jetzt leben, wird Eftescheff auch ganz bald akzepiert als das, was noch Aftershave ist, ehh wir haben also auch noch flexible Theorien, aber das ist n Klassiker für „ab wann ist das noch der gleiche Inhalt“. Und das ist bei Vögeln eben auch so. (auch so geschrieben, mit e). Warum auch nicht?
RUE: Die Dame neben Ihnen.
FRAGERIN: Ja, ich habe noch ne Frage zu der Frequenz, von der Frequenzhöhe, also ich habe beobachtet, ich spiele auf diesem ganz alten Ding Schwanenknochenflöten, also die man gefunden hat, und da hab ich beobachtet, dass wenn man danach singen lässt, die Kinder oder die Leute, dass sie dann zwei Oktaven tiefer nachsingen, aber trotzdem, das ist zwei Oktaven höher, und trotzdem empfinden wir es als Menschen nicht so tief, und das wollte ich mal fragen, ob Sie da die Frequenzlage…
SCH: Aber die Flöte selber ist in einer Frequenzlage, wenn ein Kind das nachsingen könnte, von der … ne eben … also wenn die das nicht können, transponieren die das natürlich runter (trotzdem, bei der normalen Sopranflöte ist das ja auch so, dass das ne Oktave höher ist als die so wirklich empfunden wird).
SCH: Da sind zwei Sachen, eine Sache, also das Hören, was ich empfinde, kann natürlich sein, dass diese ganze Harmonik, also diese Oktaven, die sind ja relativ ähnlich kodiert auch, das ist gar nicht so anders… (Ist das bei Vögeln auch so? Haben die auch so ne Oktavempfindung? ) Bei denen: das wurde lange gesagt: nein, aber Butcherbirds zum Beispiel singen Motive, die ganz ähnlich sind, also (singt:) Da-di-da-diiih, oder dii-da-di daaa – die können das umdrehen, jetzt kein gutes Beispiel, aber die können die erste Note ne Oktave höher oder tiefer singen, gleich, als wenn das gar nicht so wichtig ist, ob das jetzt g7 oder g8 – das ist vielleicht für die nicht so relevant.
(Und was ist das für ne Hz-Zahl – und die tiefen Töne…)
Das ist total unterschiedlich von Vogel zu Vogel …. hmmmm… die tiefsten Vögel, ho, da fragen Sie mich … müsste … weiß ich nicht. Ich überlege grade, obs (RUE: Rohrdommel!) Rohdommel! (lachen).
RUE: Ist ja auch schön, wenn man mal was unbeantwortet sein lässt. Ja, wir sind … also noch nicht am Ende, aber fast am Ende. Ich will nur noch kurz sagen, was jetzt noch folgt. Dort eine Liste – wer… Newsletter … Einladungen etc.
Ein Buch mit dem Titel Penguin Bloom, das ist die Geschichte eines Butcherbirds, einer Würgerkrähe, die eine Familie geholfen hat, Familienmitglied einen schweren Unfall hatte … unfassbar schöne Bilder… wo der Vogel Übungen mitmacht, physische Übungen, die die machen müssen zur Wiedergenesung, dann liegen da noch Flyer für unsere nächste Veranstaltung, die ist am 8. Juni. Wolfgang Welsch Zeitgenössische Kunst zwischen Natur und Kultur… Fragebogen mit Frau Scharff.
Welsch – hätten Sie ein Frage an ihn? (Ja)
SCH: Ich würde gerne wissen, wie sich sein Denken möglicherweise verändern würde, wenn morgen bekannt würde, durch Forschung, dass sehr viele Tierarten ein ästhetisches Verständnis haben… Würde das sein Weltbild verändern? (Sehr gut)
RUE: So dann kommen wir jetzt zum Gedankensprünge-Fragebogen. Das wird der erste Teil sein, der dann auf der Web-Seite Gedankensprünge im Netz zu finden ist. Ansonsten, ich bin nächste Woche weg …. etc. 7:17 So der Fragebogen: 12 Fragen oder 12 Halbsätze bitte ergänzen:
[Zum Fragebogen bitte den gleich folgenden Link verwenden!]
RUE: Toll, wunderbar. Dankeschön an Constance Scharff. (Applaus) 9:50
Zur Reihe „Fragebogen“ in den GEDANKENSPRÜNGEN: Hier.
[JR – Wenn ich nicht irre, – ich habe keine Möglichkeit der Verlangsamung -, ist der erste Ruf der Drossel in dieser Aufnahme von 0:00 bis 0:06 identisch mit dem, der in Chris Hughes Stück „Slow Motion Bird“ behandelt wird. Vielleicht stand ihm damals – 1994 – die gleiche Aufnahme zur Verfügung, deren Herkunft weder hier noch dort näher benannt wurde.]
RUE: Slow Motion Bird. Das ist ein Stück von Chris Hughes, den wird kaum eine von Ihnen kennen. Das ist ein englischer Popkunstproduzent, der hat u.a. Paul McCartney produziert und Peter Gabriel, kein renommierter oder berühmter Mann, der 1994 eine CD gemacht hat, die heißt „Shifts“, da hat er Stücke von Steve Reich, also dem großen Minimal Komponisten interpretiert, allerdings auf nicht-Reichische Art und Weise. Und der Slow Motion Blackbird wird man nicht im Repertoire von Steve Reich finden, aber es gibt da wohl eine Komposition mit der Anweisung, man solle was spielen so langsam, wie es nur geht, aber die Tonhöhe soll die gleiche bleiben, sie soll also nicht sozusagen absaufen. Und der hat also nun folgendes gemacht, der Chris Hughes, der hat einen Amselklang gehabt, der dauert 2 Sekunden, der hat da n Keyboard druntergelegt und ne Violine, und dieser kleine Clip von 2 Sekunden, der wird immer weiter verlangsamt, die Tonhöhe bleibt aber gleich, und das ist schon ne ganz jecke Erfahrung, und selbst wenn Sie denken, noch langsamer geht’s nicht, es geht noch langsamer, der letzte Zirkel ist also glatte 50 Sekunden. Und ich denke, wir hören uns das mal an. Und das wäre dann mein Dankeschön an Sie für den auch für mich schönen Abend, und der Ausklang. Und ein gutes Nachhausekommen.
SLOW MOTION BLACKBIRD (Ende 12:33) (Der folgende im Nachhinein ausgewählte Film gehörte ursprünglich natürlich nicht zur Tonaufnahme von Chris Hughes. Bitte beachten Sie aber die Info bei Youtube unter dem Video. JR.)
ENDE
Niederschrift des gesamten Textes nach der Tonaufnahme: Jan Reichow. Einige Originalzitate in Wort und Ton, sowie Infos über alle Veranstaltungen finden Sie HIER.
Eine aktuelle Liste der Publikationen des Instituts, das Prof. Dr. Constance Scharff in Berlin leitet, findet man Hier.
Freie Universität Berlin, DEPARTMENT OF BIOLOGY, CHEMISTRY, PHARMACY / INSTITUTE OF BIOLOGY / ANIMAL BEHAVIOR. Das Team: Hier.
Man lese als Ergänzung auch auf Michael Rüsenbergs Homepage das Gespräch mit Donna Maney (Atlanta): Hier. Mehr über ihre Arbeit im Birdbrain Lab , darin auch zur Frage „Why study songbirds?“ Hier.
Im übrigen kehre ich bereichert und mit neuem Mut in mein Gartenzimmer zurück (es heißt so, weil die Tür zur Terrasse geht; es könnte auch Geigenzimmer heißen, weil ich beim Üben dort hinausschaue). Ein Teil der Bücherwände sind der Literatur zu Musikpraxis und -pädagogik gewidmet, ein anderer Teil der Ethnologie und der Natur. Eins fehlt dort unten, nämlich „The Origins of Music“ edited by Nils L. Wallin, Björn Merker, and Steven Brown. Es liegt hier in PC-Nähe im Bach-, Mozart-, Beethoven-, Musikethnologie-Regal, das am meisten frequentiert wird. Wo aber auch Peter Schleunings „Die Sprache der Natur“ zu finden ist, also zu „Natur in der Musik des 18. Jahrhunderts“. Kein Link soll missing sein!
Constance Scharff (SCH) im Interview mit Michael Rüsenberg (RUE) (Fortsetzung)
[Abschluss des Podiumgesprächs / Gäste stellen Fragen]
SCH: … damit zufrieden wäre. Deshalb habe ich das auch noch nicht geschafft. (RUE: Sie sind auch mehr Kritiker Ihrer Kollegen?) Ne ne, das ist vorhin falsch rübergekommen. Es muss unterschiedliche Typen geben. Es gibt Sprachrohre für die Wissenschaft, und die – vielleicht notwendigerweise – verschleifen vielleicht die Details n bisschen. Da ist man als Eingeweihter immer n bisschen unduldsam. Aber das heißt nicht, dass sie nicht gute Forschung machen und dass das auch legitim ist. Man kann nicht immer alles perfekt rüberbringen, besonders nicht, wenn man ein Synthetiker ist, also, viele von den Leuten, die dann auch wirklich bekannt werden, ziehen sehr viel Forschung und Wissen aus anderen Bereichen zusammen und synthetisieren das, und dabei geht es dann manchmal nicht…, man kann es dann manchmal nicht vermeiden, dass es n bisschen oberflächlich wird.
RÜ: … resümierender Ton, das passt mir sehr gut, denn … was ist eigentlich der Zweck, der… was ist der tiefere Grund, warum Sie sich mit den Zebrafinken etc. beschäftigen. Was wollen Sie rausfinden? Wo soll das hinführen? Ist das Grundlagenforschung?
SCH: Ja, es ist auf jeden Fall Grundlagenforschung, es ein Interesse an … ursprünglich: wie ticken Tiere? Also: mein Vater hatte ein unglaublich gutes Auge für Verhalten von Tieren, der wär auch gern Tierarzt geworden, ist aber dann irgendwie in einer kaufmännischen Laufbahn versandet, aber hat mir das weitergegeben, der konnte Tiere ankucken und hat gewusst, wie man das erstmal so verstehen muss, – so die kleinen Ohrstellungen von Hunden und sowas, das hat mich fasziniert, so, andere Tiere, andere Sprache, was bedeutet das, ist die Interpretation richtig? Denke ich jetzt nur … in die rein, und wie kommt man da ran? Und dann ist mir klar geworden, dass ich auch jemand bin, der sehr gerne präzise Sachen wissen möchte, da wurde mir irgendwie zu Anfang meines Doktors bewusst, dass ich nicht die reine, klassische Verhaltensforschung machen möchte, die beobachtet und immer correliert, ich sehe das und sehe das, hat wohl miteinander zu tun, ich möchte gern mechanistische Antworten haben, und dafür muss ich experimentieren, dafür muss ich den Tieren an den Kragen. Und ich möchte gerne wissen, wie funktioniert im Gehirn dieses Audio-Hören, Vokal-Laute, diese Integration. Auf ner relativ runtergebrochenen Ebene, und dann hat sich das ergeben, dass wir n Gen bearbeiten, das was mit Menschen zu tun hat, und dann fängt man natürlich an, viel genauer zu kucken, wie gut kann man Sprache und Tierlaute vergleichen, sind Vögel eigentlich eher relevant als Modell für Sprache oder letztlich für Musik oder für beides? Und inzwischen lernt man ne Menge Sachen, die man vorher nicht unbedingt wissen wollte. Inklusive den Respekt vor diesem Anderssein, und ob man… also: Wittgenstein hat ja mal gesagt: If a lion (nein, hat er deutsch gesagt) also: Wenn ein Löwe sprechen könnte, wir würden ihn nicht verstehen. Das ist für mich immer son Motto, – wenn ich das alles rauskriege, – es ist trotzdem gut möglich, dass wir das tiefgehend nie verstehen, sondern immer nur die menschliche Version dessen, was da ein anderes Lebenwesen macht. Das fordert einem auch zunehmend den Respekt ab, da frag ich mich: Ist das überhaupt o.k., müssen wir die nicht lieber in Frieden lassen und dran freuen, wie toll das klingt? Ein bisschen spät in meiner Karriere! (lacht)
RUE: Letzte Frage, bevor wir ins Publikum gehen: Gibt es eine Erkenntnis – vielleicht gibt’s ja ganz viele – aber gibt es eine Erkenntnis, von der Sie sagen: das ist meine? Ich hab dazu beigetragen…
SCH: Ja, ich glaub ich hab dazu beigetragen, also …, in meinem Forschungsfeld hab ich … wofür stehe ich im Textbuch? Dafür, dass man über die Wirkweise eines menschlichen Gens bei der Sprache was maßgeblich bei den Vögeln herausfinden kann.
Ab 4:26 RUE: Dankeschön an Frau Sch. An dieser Stelle! Etc. etc.
Fragen aus dem Publikum:
1) Haben Sie je versucht, – Sie vielleicht mehr als ich – einen Buchfink nachzumachen?
SCH: (Tatatatadiiiia) (Lachen etc. ) Also n Buchfink ist auch nicht super für seine musikalische Virtuosität so bekannt. Aber er spielt halt – “spielt“ also wieder sehr menschlich gesehen – mit seinem begrenzten Repertoire, und die Frage ist eben – man kann das, wenn man das ganz mechanistisch sieht – wir wissen im Kopf, wo der conductor… Dirigent sitzt, also wir wissen tatsächlich, wie ein Ensemble von Zellen alle sieben Millisekunden das Los trifft, das einen gewissen Ton macht. Wir können das wie einen Computer sehen. Da ist so n Netzwerk, manchmal die Reihenfolge, und dann sitzt manchmal einfach der Strom son bisschen anders beim nächsten Mal, und dann kommt die Reihenfolge, – das ist die Computerversion. Dann kann man natürlich auch sagen: das ist bei uns ja auch so. Da unten passiert jetzt ganz viel sowas, X X X X, und dann kommt das raus, was ich jetzt sag, auf der andern Seite habe ich irgendwie Kontrolle über das, was ich da tue, und kann also zum Beispiel jetzt …… aufhören zu sprechen. Wie doll hat der Vogel das unter Kontrolle zu sagen, jetzt habe ich dreimal das Gleiche gesungen, das ist jetzt genug! Ich will jetzt mal die nächste Version singen, weil das sonst einfach langweilig wird. Also diese Frage zwischen Automaton und Selbstbestimmung… ist natürlich sehr sehr schwer rauszukriegen, bei Tieren, die nicht sagen können: das habe ich mit Absicht gemacht, das bringt mir Spaß, das finde ich schön. Wir können nur sagen: Folgt das menschlichen ästhetischen Prinzipien? Bei vielen Vögel irgendwie ja, besonders wenn man die schnellen Vögel verlangsamt. Wie – das ist der Preview für den Blackbird… Plötzlich hören sich Sachen an, die sonst nur so kratzig wirken, die hören sich dann ganz toll an, so xxxx wie Walgesänge, oder auch wieder für unsere Ohren interessant. Aber, anschließend, – der Papagei, der sprechen konnte, der berühmte Alex, dem wurden menschliche Worte beigebracht, und der konnte dann mit denen kommunizieren. Nicht wie Sprache, aber er konnte sagen: Alex want apple. Ne? Gib mir n Stück Apfel, kraul mich, bye bye, und die hat er auch richtig, im richtigen Kontext benutzt, da würde man sagen… Da gibt’s auch Bücher drüber, „My life with Alex“ von Irene Peppercorn, das ist super interessant, weil in dem Moment, wo wir mit dem Tier in unserem Kanal kommunizieren können, findet man heraus, dass die tatsächlich Kontrolle darüber haben, was sie dann sagen. Und was sie damit wollen. In dem Fall von Papageien auf jeden Fall. Das heißt nicht, dass jetzt die andern viereinhalb tausend Arten von Singvögeln das auch tun, aber das Potential dafür ist im Prinzip da.
Gast: Kann ich noch was anhängen? (Ja) Nämlich das Gegenteil, vieles von dem, was Sie sagten n Pendant da… wie weiß ich, zwischen Menschen auch so ganz großen philosophischen Fragen, bin Steuerberater, kein Philosoph, wie weiß ich, dass mein Gegenüber es so verstanden hat, was ich sagte, was ich meinte, was passiert in dem und dem Augenblick…
Genau. Was macht der mit dem, was ich gesagt hab?
SCH: Ja, wenn zwei Leute das gleiche…, manchmal hat man das Gefühl, man ist in dem neudeutsch Flow, wo man sich total gut versteht, wo ein Wort das andere gibt, und man baut was auf, manche Konversation … man benutzt die gleiche Sprache und hat das Gefühl, man redet voll aneinander vorbei, – das hat natürlich viel damit zu tun, dass bei uns der Geist und die Sprache so eng miteinander verwoben sind, – wieder ne andre Sache als bei Tieren, die haben ja keinen Geist, also… es kommt da auch nicht der Geist raus so über die Laute – das ist also … bei vielen Linguisten der „Casus knaxus“, nicht? Also wir denken mit unserer Sprache, weil Tiere nicht denken, who says, weil Tiere nicht denken, ist das bei denen auch keine Sprache. Das können Sie in ganz vielen Büchern lesen, und dass die manchmal aneinander vorbeikommunizieren, das könnte man möglicherweise untersuchen, ich frag mal so, – die eine Sache ist fragen, die andere Sache ist: kommt man daran? Viele Vögle kommunizieren miteinander, in Territorialkonflikten, um sich nicht zu schlagen. Also, die machen, bevor sie sich tatsächlich physisch in die Haare, in die Federn kriegen,viel schon mit dem Gesang ab. Manchmal führt es aber trotzdem zu physischen Auseinandersetzungen, die kloppen sich dann trotzdem. Die, könnte man postulieren, die kloppen sich trotzdem, weil es mit der Kommunikation nicht gepasst hat, und das könnte man natürlich mal kucken, da könnte man immer ganz viel aufnehmen und kucken, kloppen die sich? und dann versuchen zu korrelieren, was hat dazu geführt, dass es zum Kampf gekommen ist. Es dauert, ist nicht über Nacht zu machen, aber im Prinzip könnte man da rankommen. Wenn Tiere sich missverstehen.
Gast (JR): Meine Frage betrifft das Auflösungsvermögen der Vogelohren. Also es gibt beim Drosselgesang zum Beispiel Endungen, die unheimlich leise sind, die eigentlich nicht auf Entfernung ne große Rolle spielen. Aber spielt das ne Rolle, oder kann man annehmen, dass die Drossel ihren Gesang, die Töne, ungefähr so hört wie wir auch? (ne!)
SCH: Ne, kann man nicht, weil – da gibt es sehr viele psycho-physische Studien zu, wo man Vögel tatsächlich fragt: ab wann kannst du was hören, wie hoch kannst du was hören und wie leise kann das sein? Und da ist unser Ohr teilweise viel unempfindlicher. Unterschiedliche Vogelarten haben unterschiedliche Hörschwellen, das muss man also im Einzelfall kucken, wenn es z.B. diese Zebrafinken, relativ leise, ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum sie tanzen, wenn sie balzen, damit sie schon bevor das Weibchen hören kann, dem Weibchen sagen: Hey, ich mein dich, ich mein dich, ich mein dich, und wenn er dann näher kommt, kann sie ihn auch hören, man würde immer annehmen, dass der Sender, also der Drosselmann, eigentlich den Empfänger im Sinn hat, und wenn die so weit weg ist, dann wäre es nicht so sinnvoll, wenn sie so leise am Ende singt, es sei denn, … entweder ist es son Beiprodukt, wie wir manchmal, auch wenn wir miteinander reden, plötzlich anfangen so zu nuscheln, ist ja auch nicht sehr sinnvoll, tut man ja trotzdem, oder dass er vielleicht auch noch in der näheren Umgebung andere Leute erreichen will, wo auch jemand zuhört, aber a priori …
Gast (JR): oder er nimmt Anlauf (oder er nimmt Anlauf, genau, er muss sich erst warm singen) dass sie erst leise anfangen (und dann lauter werden) vielleicht ist das ganz Leise auch dem Weibchen längst bekannt (Lachen)…
SCH: Jaja, ich weiß schon… (Lachen) Aber, ach so, das ist aber n guter cue – das ist auch, was wir machen, die Rolle der Weibchen, die nicht singen, ob die überhaupt Rückmeldung geben. Ist auch noch nicht richtig untersucht bis jetzt, zum Beispiel Gesten bei Vögeln, es gibt zwei Vogelarten, wo man weiß, dass die Weibchen – eine Vogelart nur gut untersucht – dass die Weibchen durch Körperbewegungen den Männchen mitteilen, ob sie den Gesang nun gut finden oder nicht. Es gibt so ganz schnelles Flügelwischen… und das finde ich gut, und das benutzen sie auch, um z.B. ihren Söhnen zu zeigen, ob sie gut singen lernen. Obwohl die Weibchen selber nicht singen, sagen sie ihren Jungen: ja, das gefällt mir. Und in der Forschungsrichtung gibt es mehrere Sachen, und Gesten können natürlich ne Rolle spielen, der Drosselmann, wie Sie gerade gesagt haben, und das Weibchen mach von weitem den (Geste) „o.k.“ (Lachen). Und den Rest brauche ich jetzt nicht mehr so im Detail…
Fragestellerin: Sie sagten eben, das hat auch viel mit Kommunikation zu tun, also so ne Art Dialog. Gibt es da (13:03)… ne Situation beobachtet, in denen das gar nicht der Fall ist. Müßiggang. Weiß ein Vogel, dass er allein ist, sucht er dann? Oder- wir wir – Musik machen, völlig zweckfrei , also weil es einfach so schön ist?
SCH: Also: mehrere Fragen. Weiß der Vogel wohl, dass er alleine ist? In Bezug auf Gesang, ja! Da gibt es Versuche, wo z.B. gezeigt wird, dass ein Männchen und ein Weibchen sind zusammen, dann singt er nicht so viel, aber wenn man sie jetzt wegnimmt, dann fängt er an, ganz viel zu singen. Das wird interpretiert als: sie ist jetzt weg, jetzt muss ich sie wieder ranlocken. Also er ändert seinen Gesang davon abhängig, ob er allein ist oder nicht. Und dann singen die auch als Müßiggang, das ist also z.B. …. der berühmte Linguist Chomsky, der sagt einfach, ne, die denken nicht mit der Sprache, also wir denken mit der Sprache, auch wenn wir alleine sind, reden wir vor uns hin manchmal, ne, Mensch, das war ja blöd, das tun Tiere nicht, und so Zebrafinken, die Männchen, auch wenn sie allein sind, singen, und zwar ziemlich viel. So, dann kann man aber wieder mechanistisch sagen, das müssen sie tun, damit sie nicht vergessen, wie sie singen. Und das wissen wir auch auf der Gehirnebene son bisschen, da ist was dran. Also wir wissen, dass ein Schaltkreis im Gehirn nur dann an ist, wenn das Männchen allein singt vor sich hin, wenn er das Weibchen ansingt, dann ist der aus, d.h. dann ist der gar nicht aktiv. Und wir wissen, dass dieser Schaltkreis fürs Lernen oder fürs Erhalten von Gesang wichtig ist, d.h. dieses Üben … gibt’s Befunde, die dafür sprechen, dass der übt. Wenn er übt, findet er das auch so … wenn wir alleine sind und sprechen, nach drei Tagen keinen Kontakt, wir wandern alleine irgendwo in den Pyrenäen, da fangen wir auch an – also nicht wir alle – aber viele Leute fangen dann an, mehr zu quatschen. Machen wir das, weil wir üben? Damit wir hinterher nicht so ungelenkig sind mit unserer Sprache, machen wir das, weil wir ne stille Konversation mit uns führen, weil wir vermissen den Gegenüber, machen wir das, weil schön… da gibt es sicher viele Antworten drauf. Aber: Müßggang bei Tieren und was die dann tun, in Bezug auf Laute, da denke ich häufig drüber nach, andere Arten, die so vor sich hin … machen, also z.B. Katzen, schnurren die auch wenn sie nur in der Sonne liegen und keiner ihnen…? wenn die sich wohlfühlen und nicht gerade in Sozialkontakt sind. (15:15) Ich bin kein Katzenbesitzer. Da müsste man mal n bisschen mehr drüber nachdenken: Gibt es Tiere, die bei Müßiggang sich irgendwie lautmäßg äußern? Wäre super, drüber mehr zu wissen.
FRAGERIN: auch so ne Bitte, die in eine ähnliche Richtung … auch in der Lage sind, die unterschiedliche Wahrnehmung auch zu berücksichtigen. Weiß ja, dass die Erdmännchen sich für uns als Laien immer gleich anhören, da kommt n dicker Mann im blauen T-Shirt und da kommt ne schnelle Frau im roten T-Shirt – das kann man vielleicht mit technischen Hilfsmitteln auseinanderhalten. Aber die Wahrnehmung umfasst ja sehr sehr viel mehr. Wir gehen sogar davon aus, dass die Wahrnehmung bei Tieren genau so ist. Vielleicht kann man das ja gar nicht so zusammenhalten.
SCH: Doch das kann man, aber das ist n superwichtiger Punkt, weil traditionell ganz viel Forschung nicht den Empfänger gefragt hat, sondern wir als Empfänger das beurteilt haben. Viel Vogelforschung hat den Vogelgesang sichtbar gemacht, zweidimensional auf diesem Sonogramm mit dem kleinen schwarzen Squeaker [? s. hier], das ist so wie Noten, und dann haben wir gesagt: das ist ne Note, das ist n Motiv, da-da-da, wir haben aber nicht gefragt: hörst du das auch so? Also, wenn man Sprache z.B.analysiert, so wie wir Vogelgesang analysieren, dann würde man das ganz anders einteilen, als wir die Sprache wahrnehmen. Also ein Satz, den wir sprechen und den wir dann sichtbar machen per Maschine, der hat da keine Informatiomnen, wo wir was hören, und da, wo wir nix hören, ist tatsächlich Lautinformation. Und unser Gehirn verändert das, was da tatsächlich auf uns einfließt, ganz anders, und es heißt, das man immer auch die Empfänger fragen muss, erstmal muss. Und das ist gar nicht einfach, aber es geht – man kann die dazu kriegen, dass die einem sagen: Hörst du den Ton genauso wie den Ton? Indem man die konditioniert und sagt denen, wenn du den Ton kennst, dann kriegst du, dann machst du mit dem Schnabel bitte den Knopf, dann kriegst du hinerher auch n bisschen Belohnung dafür, und jetzt spielen wir dir alle möglichen Töne vor, die so ähnlich klingen, für uns, und du sagst uns, ist das immer noch der gleiche Ton? Und diese Forschung wird gemacht, aber lange nicht genug, d.h. häufig werden Lautäußerungen von Tieren einfach eingeteilt nach unseren Kategorien. Das ist der Pfiff, der sieht so ähnlich aus, da wird das wohl die Pfiff-Gruppe A sein, dann wird das wohl B sein, was nicht besonders sinnvoll ist, denn, wie Sie richtig sagen, der Empfänger ist derjenige, der beurteilt, ob was gleich oder anders oder schön oder schlecht ist…
Fragerin: aber das heißt dann ja immer noch, dass man davon ausgeht, dass es auf das Hören ankommt, aber vielleicht gibt es ja noch ganz andere Wahrnehmungen, stehen …..(??)
SCHARFF: Ja, also Sinne, die wir noch nicht kennen, nie auszuschließen! Also ich denke immer, nur weil man was noch nicht gefunden hat, heißt das nicht, dass es das nicht gibt, ist mein Grundgefühl …. Elektromagnetischen Sinn hat man auch lange nicht … oder Ultrasounds von Fledermäusen, die hat man lange nicht gewusst, dass die singen wo wir nicht hören. Kann man aber natürlich auch testen, grade so Sachen, in welchem Hörbereich, aber wenn es noch andere Sinne gäbe, – kann man nicht ausschließen. Aber wenn sie natürlich reagieren auf die Sachen, die wir auch hören, oder die wir denen vorspielen können, könnte man sagen: das ist schon relevant. … Oder?
RUE: So, wir haben eine ganze Reihe von Wortmeldungen, es geht dort hinten weiter.
SCH: Ich versuch mich mal kürzer zu fassen, damit mehr rankommen.
FRAGERIN: Also wenn nun so ne Grasmücke viele Gesänge oder Motive von andern Vögeln lernt und nachsingt, … dann könnte das ja auch son bisschen in die Richtung gehen. Also was wie son Nachdenken ist, hat das schon son Revierverteidigungssinn…
SCH: also Sie meinen jetzt so Vögel, die so mimicken können, so Vögel wie die Stare mit den Handy-Tönen, also es gibt ja Vögel, die machen nicht nur ihre eigene Art nach, sondern die machen alles Mögliche nach. Das ist ne super interessante Frage, da haben sich viele Leute drüber Gedanken gemacht, was soll das?! Und eine der Ideen ist: die zeigen einfach, wie virtuos sie sind, „kuck mal, was ich kann! Ich kann Jazz und Klassik, und Barock“, möglich, dass das irgendwie, weil es so toll und variabel ist, und so gut rüberkommt, es könnte, es gab so eine „beau geste“-theorie, dass der Vogel so tut, als ob … dass so ganz viele andere Vögel in seinem Revier leben, und die sagen: hier ist besetzt, da ist ne Grasmücke, und dann ist da auch noch n Kleiber, und dann ist da auch noch sonstwas, da gibt’s aber nicht soviel andere, das ist zwar ne gute Idee, hat nicht so gut funktioniert, in dem verfolgen, und spielen die damit, weil sie da einfach Bock drauf haben, das ist schwer zu sagen „nein“, aber es ist auch schwer zu wissen, welche Bedingungen würden das rauslocken. Also es gibt z.B. auch die Butcherbirds: die singen eben drei, vier Stunden lang diesen schönen melodischen Gesang, und plötzlich machen die alle möglichen Arten in ner ganz kurzen Zeit nach, – nicht immer! Das ist selten, aber sie tun das. Und dann fragt man sich: was hat denn da jetzt oben den Knopf angetriggert, dass die da jetzt fünf Arten nachmachen, was ist da der Auslöser, – weiß man nicht. Das machen die eher am Ende, ja. „Und das kann ich auch noch!“ (20:41) (Lachen)
FRAGERIN: … ist meine Frage schon son bisschen beantwortet. Sich eben Vogelgesänge son bisschen beeinflussen, verschiedene Vogelarten, die sie hören, andere Prioritäten haben, bzw. Forschung eben sagt, ich stimm mich jetzt auf Zebrafinken ein, wie die singen, was die fürn Takt haben, und dann mach ich per Computer – verschiebe ich das mal… Zebrafinken
SCHARFF: Wie lange findet n Zebrafink das noch zebrafinkig… (lachen) Ja,ja, die Forschung gibt es auch, das kann man so sagen, was ist es eigentlich, dass das als Arterkennungsmerkmal ausmacht, und dann kann man sagen, wir spielen jetzt hier mal mit so allen möglichen Sachen, also wir schieben das mal in der Frequenz hoch und runter, dann wird das mal höher und… oder wir machen das länger, und solche Froschung gibt es auch zu sagen: sind es jetzt eher die Noten, die wichtig sind, oder sind das eher die Pausen, oder ist das beides? Das ist wieder von Art zu Art unterschiedlich, und wie bei uns auch, wie man – was nicht mehr das gleiche… was nicht mehr ne Kategorie bildet, sagt: das ist jetzt was andres, unser Gehirn hat ne Tendenz, immer Kategorien zu bilden, und die Zwischentöne zu ignorieren, da gibt es auch schöne Forschung, z.B. bei Vokalen, also z.B. „daaa“ und „deee“, das kann man mit dem Computer so verändern, über viele Grade, dass es ineinander übergeht, dass es über „daaa“ über viele Stellen zu „deee“ geht. Wenn ich Ihnen das vorspiele, und sage, dass wir den Knopf drücken und wenn es „deee“ ist, den. Dann drücken Sie fast die ganze Zeit „daaa“, und irgendwann dann „deee“, aber die ganze Mitte, wo es also weder-noch ist, das hören wir nicht. Weil unser Gehirn das natürlich kategorisiert, denn wir wollen ja grade duuu als duuu hören, und diii als diii, weil alles, was dazwischen ist, ist ja kein Wort. Ne? (22:33)
FRAGERIN: (??)
SCH: Irgendwann sagen sie: Ne, das ist ja kein Zebrafinkengesang mehr.
Ja, aber das hängt wieder total ab von dem, was sie so machen in ihrem Leben. Also wenn da andere Vögel sind, die um die gleichen Ressourcen buhlen, z.B. um das gleiche Futter wollen, sie wollen ja nicht das gleiche Weibchen, oder das gleiche Männchen, die verpaaren sich ja nur in der gleichen Art. Es muss schon um was anderes gehen, um Nistmaterial oder Nistplätze, wenn die sich da in die Quere kämen, wäre es natürlich auch sinnvoll, wenn sie miteinander kommunizieren könnten, das tun die aber eigentlich nur… also artübergreifende Laute sind Warnrufe, ne? Die sind fast bei allen Vögeln ähnlich, das hat sich so entwickelt, die können sich gegenseitig hören, die können sie gegenseitig benutzen, wahrscheinlich ist das aber so, weil wenn man einen Warnruf machen will, dann muss der gewisse Qualitäten haben, den muss man zum Anfang nicht hören, dasmit der Feind das nicht lokalisieren kann, das kommt ganz ganz leise, wird das lauter, sssssssssssS und das ist n Laut, den andere Vögel hören können, aber der, vor dem man warnt, nicht. Deswegen sind die alle ähnlich wahrscheinlich, und deswegen können sie auch von allen Vögeln benutzt werden. Und selbst von andern, die zuhören. Aber meistens ist die innerartliche Kommunikation nicht so das, was die Evolution vorantreibt. Deswegen können wir auch vielleicht nicht mit Elefanten reden und nicht mit Schweinen, weil wir wollen mit denen ja nicht soviel kommunizieren (lacht). Bis wir das dann doch wollen…
RUE: Nur mal die letzten Wortmeldungen: …. (30:14) vier…
FRAGER: interessieren ziemlich alle Vögel? (Nein!) Ist da der Kranichschrei nicht angeboren, nicht angelernt. Und wie ist das da mit diesem FoxP2- Gen, betrifft das auch alle Vögel?
SCH: Genau, also nochmal zurück: nicht alle Vögel sind Vocal Learner, sondern nur im Moment bekannt drei Abzweigungen: die Papageienartigen, die Kolibris und die Singvögel. Bei den Singvögeln sind es viereinhalb tausend Arten, unterschiedliche Arten, die können alle singen; aber es gibt auch eben , den Kranich zum Beispiel, der lernt seinen Ruf nicht. FOXP2: gibt es bei allen Vertebraten, nicht nur bei uns, die wir sprechen lernen, oder bei Vögeln, die singen lernen, in allen möglichen unterschiedlichen Gehirnregionen, nicht alle werden wohl was mit diesem Laut machen zu tun haben. Die Idee, dass Menschen einzigartiges Verhalten wie Sprache – Musik oder was sonst nur wir machen, wenn es das gibt, von besonderen Genen kontrolliert werden, ist genetisch ehhh Nonsense – wie heißt das? ehh Quatsch! Also es gibt zwar ganz wenige Gene, die wirklich nur bei uns vorkommen, aber die Mehrheit der Sachen, die wir besonders machen, liegt dadran, dass irgendwelche neuen Zusammen…spiele passieren. Irgend n Gen plötzlich irgendwo anders im Kopf erscheint, also die Tatsache dass es FOXP2 überall gibt, heißt nicht, dass es nicht beim Menschen irgend ne besondere Rolle spielen könnte. Und zu spielen scheint. Ist das das Gen, mit dessen Hilfe wir Sprache evolviert haben? Sehr unwahrscheinlich! Deswegen ist es auch nicht das Sprachgen, also es gibt nicht ein Heureka-Gen, das plötzlich uns zum Menschen macht.
RUE: Nächste Frage…
FRAGER: Ja, zwei kurze Fragen: Zum einen zur Forschungslandschaft und dann eben auch zur Stille. (Zur Stille? Ja, sehr gut.) 26:20 Also Forschungslandschaft. Zu hören, dass ein Gutteil der publizierten Ergebnisse zur Forschung im englischsprachigen Raum abspielt. Wie sieht das aus mit der Einbindung z.B. der Kultur- und Sprachräume, die in sich z.B. Japanisch, Chinesisch, Koreanisch etc. sehr nuanciert vorgehen, dass diese Forschungen oder die Forschungen zu Vogelstimmen zur Wahrnehmung dann immer auch in der englischsprachigen Literatur geeignet sind. Das ist die eine Frage.
Die zweite Frage zur Stille. Es ist heute natürlich viel die Rede vom aktiven Kommunizieren. Sie sprechen auch an das Beispiel der Rhythmen, der Pausen, der Intervalle. Inwieweit ist bei Vögeln diese nicht-aktive Kommunikation, also die natürlich dann für die Kodierungen eigentlich mitgeteilt werden, nicht ganz unmaßgeblich, sozusagen eine aktive Zeit und zu welchen Momenten z.B. in Kompositionen, also in musikalischen Kompositionen (???)…
SCH: Erste Frage: Ist die Mitteilung der naturwissenschaftlichen Forschung auf meinem Gebiet und allgemein der naturwissenschaftlichen Forschung in englisch? Ja! Was hat das für Einflüsse darauf…? Ich hab jetzt nicht… Sie meinen nuanciert… weil der asiatische Sprachraum, der ja sehr vielfältig ist, – warum ist der nuancierter? (in der Sprache! Wenn man z.B. Japanisch mit Deutsch vergleicht, klassisches Beispiel: Schriftbild, unterschiedliche Phonetik, sozusagen 3, 4, 5 verschiedene Ebenen, die allein durch…) ah, durch die Prosodie (ja!) genau! Also es geht um diese Tondifferenz. Genau. Was hat das… Geht das, wenn sie in englisch publizieren verloren? Ist das die Frage?
FRAGER; Beziehungsweise – wird, werden Forschungen aus diesen Kulturräumen wir sprechen da nuanciert, artikulieren, wird das dann auch adäquat im Englischen abgebildet? Also in der Forschungsliteratur?
SCH: Aber ich glaube, da ist n gewisser Kurzschluss, weil z.B. die Tatsache, dass im Mandarin Chinese zwei verschiedene Worte, also Wortinhalte, nur durch die Tonhöhe kodiert werden, das heißt ja nicht, dass, was das Wort bedeutet, jetzt im Englischen nicht übertragen werden kann. Also das ist ja nur ne andere Kodierung, das ist zwar tonal nuancierter, aber semantisch, vom Inhalt her, ist es total gut ins Englische übertragbar. Die Frage ist natürlich immer: Kann man alle Sprachnuancen der verschiedenen Sprachen in der Welt adäquat in einer anderen Sprache ausdrücken? Ich glaube: nein, (können vielleicht besser drüber nachdenken) ehh, also das ist ja wurscht, die Tatsache, wie stark beeinflusst unsere Sprache, unser Denken – das ist n super kontroverses Thema, da gibt es viele Linguisten, die sagen, überhaupt nicht! Und da gibt es andere, die sagen: natürlich! – diese berühmten Worte für „Schnee“ bei den Inuit, das gar nicht stimmt, also da kann man sich stundenlang drüber unterhalten, – aber hier ist die Frage: Hat eine nuancierte Aussprache, eine nuancierte Kodierung von Sprache einen Einfluss dadrauf, in den Nuancen, was das mitteilen kann, geht da was verloren, wenn man es ins Englische überträgt, bin ich keine Experte, kann weder Japanisch, noch Mandarin, noch Kantonese noch irgendwas spreche, bestimmt, ich würde das einfach annehmen, jedes Mal wenn man was aus der eigenen Sprache, der Muttersprache. in eine andere Sprache überträgt, dann ist das nicht so nuanciert, es sei denn, man ist total bilingual, wie es sein könnte wahrscheinlich, spielt das in der Wissenschaft eine Rolle, ich glaube nicht, weil da sind wir so grob, da hauen wir mit großen, dicken Hammern auf Sachen drauf, vielleicht nicht in der Philosophie, aber in der Naturw …. (Abbruch des Aufnahme-Takes) 30:14 (Niederschrift nach der Tonaufnahme: Jan Reichow).