Melodie- und Taktgefühl der Tiere

Haben sie es wirklich? Eine Stoffsammlung

HIER (Klicken, wenn sich ein separates Fenster öffnen soll)

So lustig es wirkt, es könnte eine Marotte sein, die weniger mit der Musik zu tun hat als wir meinen (abschreckendes Beispiel: Tanzbär). Zu prüfen wäre auch, ob dieser Vogel hier unterschiedliche Tempi erfasst, oder ob er immer ein und dasselbe Tempo produziert, dem sozusagen jede Musik dieses Tempos unterlegt werden kann. Und wir wären es dann, die eine Absicht in die Synchronizität seines Tanzes projizieren. Gibt es Videos, in denen er „daneben“ liegt? Andererseits kennen wir ja Vogelduette, in denen sich die Tiere nachweisbar mit irrsinnig schnellen Repetitionen synchron schalten. (Betr. z.B. Zwergtaucher, siehe G.Thielcke: Vogelstimmen Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1970 Seite 27 ff).

Duetting Thielcke

Allerdings darf man auch damit rechnen, dass die Verhaltensforschung Irrtümer der angedeuteten Art längst ausgefiltert hat. Ich komme zufällig noch einmal auf dieses Snowball-Beispiel, das als Joke seit langem bekannt ist, und zwar durch den Hinweis des Bestseller-Autors Mario Ludwig in einer Sendung des Deutschlandradios: Mario Ludwig Hier: Den Beitrag „Tiere mit Taktgefühl“ anklicken. (Wie seriös das ganze ist, darüber erhoffe ich mir Aufschluss durch Nachrichten aus dem Berliner Forschungs-Institut für Verhaltensbiologie, wenn Prof. Constance Scharff einen Vortrag in Bonn hält. Das ist also der mittelbare Anlass für diesen Blogbeitrag. Siehe auch hier: Gedankensprünge Flyer-Scharff ).

Gedankensprünge Bonn Screenshot 2017-05-04 Buchladen 46 Kaiserstraße 53115 Bonn

Notiz am Tag nach dem Vortrag: Meine Bewunderung für diese Art, wissenschaftlich zu denken, ist grenzenlos. Ich warte auf den Tag, an dem Teile des Gesprächs bei Rüsenberg im Internet erscheinen. Ich werde mich mit allen Veröffentlichungen beschäftigen. (Korrekte Schreibweise des Vornamens übrigens mit zweimal „c“.) Sie ist eng befreundet mit der Musikerin Holly (?), mit der sie 2 Jahre lang Butcherbirds in Australien beobachtet hat, und erwähnte, dass diese gerade ein Buch veröffentlicht hat. (Ich werde das noch genauer notieren, irgendwo habe ich schon in früheren Jahren etwas gelesen. In Terra Nova 1997 Rothenberg, dort auch CD-Beispiel von David Lumsdaine mit Butcherbird of Spirey Creek, auch Slow Motion Blackbird; vielleicht auch in „Wild Soundscapes“ von Bernie Krause, oder in The Origins of Music von Wallin, Merker, Brown, darin auch der Schluss von Francois Bernhard Mâche: „I can only say, as a composer, that Craticus nigrogularis, the pied butcher bird, is a kind of colleague.“) Habe gefunden, was ich suchte. Siehe weiter unten!

Übrigens hat die Forscherin die Korrektheit der Snowball-Aufnahmen bestätigt (funktioniere auch bei veränderten Tempi, auch Ausgleichsbewegungen, um dem zu entsprechen u.ä.). 

Sendungsbeitrag Hörfunk WDR5 am 29. Juni 2017 Sendung „Leonardo“

Percussion mit Federn: Palm-Kakadus trommeln mit Stöcken

Manche Palmkakadus können trommeln – und zwar ähnlich rhythmisch wie Menschen. Sie schlagen mit selbst gemachten Schlagstöcken oder harten Samenkapseln regelmäßig gegen hohle Äste. Einige trommeln langsam und regelmäßig, andere klopfen schnellere Rhythmen, berichten australische Forscher im Fachblatt «Science Advances». – Autor: Rainer Langen. Abrufbar auf Mediathek HIER.

Sendetermin in SWR2 beachten: 18. Mai 23.03 über Improvisation:

Evolution Von Michael Rüsenberg

Improvisation, das zeigen die bisherigen Folgen dieser Reihe, geht weit über Jazz und Musik hinaus; große Teile des Alltags sind erfüllt davon. Der amerikanische Musiker und Biologe Aaron Berkowitz sagt sogar: „Die Fähigkeit zu improvisieren, scheint zu funktionieren bis hinunter auf die Ebene der Zellen und Moleküle.“ Die Verhaltensbiologin Constance Scharff widerspricht: „Wenn Darwin unser Gespräch führen könnte, würde er sagen: Improvisation ist eine Frage der Begrifflichkeit, er würde Variation vorziehen.“ Denn: „Improvisation im biologischen Sinne braucht einen Handelnden – Variation nicht.“ Scharff trennt deutlich zwischen Improvisation und Variation und Zufall. Sie zieht Grenzen zwischen dem, was noch als Improvisation bezeichnet werden kann und was nicht. Die „musikalischen“ Fähigkeiten mancher Tiere aber gehören dazu, insbesondere die der Buckelwale. Der Philosoph und Musiker David Rothenberg hat mit ihnen improvisiert, es waren unter allen, die er mit Tieren geführt hat, „die besten Dialoge“.

Fundstück betr. Hollis Taylor

Hollis 2009 NEU: Hollis Taylor Buch

***

Ein Text aus Berlin (Autor: Sebastian Haesler)

Immerhin: Fast alle höheren Tiere kommunizieren durch Laute, allerdings ist bei den meisten Arten diese Vokalisation nicht erlernt. Das bedeutet, dass sich Lautmuster unabhängig von der Hörerfahrung herausbilden. Einige Affenarten können beispielsweise mit bestimmten Lautäußerungen ihre Artgenossen vor Gefahren warnen. Doch fehlen bislang Beispiele dafür, dass sie diese Signale durch Imitation erlernen. Ihr vokales Repertoire ist also wahrscheinlich angeboren. Bei einigen wenigen Arten, darunter Singvögel, Papageien, Kolibris, einige Meeressäuger und Fledermausarten, ist das ganz anders. Sie erlernen die Lautmuster indem sie ihre Eltern imitieren. Und dieser Vorgang ähnelt in gewisser Weise den ersten Schritten eines Säuglings beim Spracherwerb: Anhand des Gehörten entwickelt auch dieser eine Vorstellung davon, wie es »richtig« geht – und vermag die eigenen Laute dem anzupassen. Vögel »brabbeln« wie menschliche Säuglinge Die Parallelen zwischen dem erlernten Gesang bei Singvögeln und dem menschlichen Spracherwerb sind inzwischen gut untersucht. Die männlichen Tiere lernen die Melodie ihres Vaters oder eines anderen erwachsenen Artgenossen zu kopieren. Zunächst trällern die jungen Piepmätze außer den Ruflauten nur einzelne Elemente des späteren Gesangs. Diese Vokalisation wird im Englischen »Subsong« genannt und hat Ähnlichkeit mit dem Säuglingsbrabbeln: Sie dient dazu, den eigenen Stimmapparat zu schulen. Durch intensives Üben nähern sich die jungen Singvögel dem Vorbild immer mehr an, experimentieren aber noch mit der Reihenfolge und akustischen Struktur der Gesangselemente. Erst mit der sexuellen Reife hat der Nachwuchs es dann geschafft und flötet ein festes Repertoire, das dem Vorbild stark ähnelt. Experimente mit verschiedenen Spatzenarten haben gezeigt, dass diese zwar durchaus fähig sind, artfremde Melodien zu lernen. Aber wenn sie die Wahl haben, bevorzugen sie doch den Gesang der eigenen Art. Darüber hinaus sind Singvögel wie Menschen auf Hörerfahrung angewiesen, um eine normale Vokalisation zu entwickeln. Berieselt man Singvögel lediglich mit lauten Geräuschen, lässt sie ertauben oder unterbindet das Feed-back ihres »Gesangslehrers«, so lernen sie nicht richtig singen. Die soziale Isolation von Jungtieren hat den gleichen Effekt. Das zeigt, wie wichtig die Interaktion von Lehrer und Lernendem ist. Bei vielen Singvogelarten können die Jungvögel ihren arttypischen »Song« nicht vollständig lernen, wenn er lediglich von einem Band vorgespielt wird. Wenn sie das Versäumte später nachholen sollen, geht es ihnen ähnlich wie erwachsenen Menschen, die eine Fremdsprache lernen wollen: Sie tun sich deutlich schwerer. Ebenso wie wir haben also auch Singvögel eine Art »sensitive Periode«, in der sie Kontakt mit einem speziellen Gesang haben müssen, um ihn perfekt zu lernen. Die Ähnlichkeiten zwischen erlerntem Vogelgesang und Sprache gehen aber noch weiter: Sowohl Menschen als auch Singvögel haben neuronale Strukturen entwickelt, die auf das Wahrnehmen und Produzieren von Lauten spezialisiert sind. Singvögel haben im Vergleich zum Menschen ein eher modular aufgebautes Gehirn, in dem verschiedene Kerne spezialisierte Aufgaben übernehmen. Auditorische Reize erreichen im Vogelhirn ein Kontrollzentrum namens HVC (für englisch: High Vocal Center), das über den motorischen Kern auch die Muskelbewegungen des Vokalorgans steuert. Um die Bedeutung von HVC als »Gesangsdirigent« wissen Forscher, seit in den 1970er Jahren gezeigt wurde, dass Schädigungen des Gebiets das Singen unterbinden.

Quelle Also sprach der Zebrafink Ein Gen namens FoxP2 ermöglicht uns Menschen das Sprechen. Aber wie? Antworten geben uns – die Singvögel. Von Sebastian Haesler. Ausschnitt aus dem Originalartikel, der HIER als Ganzes abrufbar ist.

Nah-Ansicht eines singenden Amselmännchens: HIER (Was denkt das Tier sich dabei?)