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Kalenderjahr 1981

Frühling 2022

  Ende August 2022

Der Frühling war wie immer. In diesem Dickicht steht auch der Blutahorn, den ich 1981 gepflanzt habe, nebst 25 anderen Bäumchen. Die Wasserkatastrophe vom Juli des Vorjahres 2021 hatten wir inzwischen begriffen, von der Dürre dieses Sommers wussten wir noch nichts. Aber ahnungslos waren wir seit 40 Jahren nicht mehr. Der Kalender für meine Mutter war eine Gemeinschaftsarbeit der Familie. Der zitierte Spruch ist bei Luther nicht nachweisbar, klingt aber grundsätzlich optimistisch, mein „Ja, aber“ war allerdings von Kindheit auf bekannt und sollte weiterhin zum Zweifel ermutigen. Auf dem zweiten Bild oben sieht man den Blutahorn, den ich pflanze, deutlich hervorragen, im Dickicht steht auch ein späterer Gingko-Baum (1 Zweig schafft den Weg vorne hinaus).

Auf dem Kalenderbildfoto unten wird der rote Baum gerade gesetzt (Blickrichtung damals vom Tal aufwärts), die alte Eiche, oben rechts hinter dem Pflanzer, liegt heute am Boden und bietet ein eigenes Biotop. Ich könnte behaupten: hier stirbt nichts. Ja, aber das hätte ich auch schon damals sagen können. 40 Jahre sind keine lange Zeit. Ich hätte besser einen Goethe-Spruch gewählt. Hier? Oder Hafis!

Kalenderblatt 1981

Spiegel 15.11.1981

Wir hatten auf unsere Weise alles getan, um unterhalb unseres Grundstücks einen Wald entstehen zu lassen. 1976 schauten Besucher:innen – unter ihnen im gestreift gesäumten Kleid meine Mutter – ziemlich ratlos, ja kritisch in die Sumpflandschaft, die vom Viehbach geprägt und mir besonders lieb war. In Kürze wuchs dort – von selbst und mit Nachilfe – ein Erlenwald. Am Abhang pflanzte ich rundum ein Gemisch von Bäumen; Weißbuchen, Ahornarten, Ebereschen, Weiden, mit manchen hatte ich kein Glück, z.B. Pappeln am Abhang knickten nach 5 Jahren rasanten Wachstums in der Mitte ab.

Um ganz genau zu sein: Wo standen sie damals?

Genau: Dort unten auf dem helleren Fleck… Vor meinem inneren Auge aber stand wohl ein ganz anderes Bild (Dauerlektüre seit 1974):

Um nicht die vielen Bücher aufzuzählen, deren Titel mit dem Wort „Rettet…“ begann (…den Wald, die Natur, die Wale). Was mich interessierte (abgesehen von Musik, Sprache, Philosophie), war alles, WAS LEBT. Emanuele Coccia kam mir recht. Siehe hier.

Hin & zurück / Augenblicke wie für Raumfahrer…

zwischen Boppard und Kaltenengers

Blumen für Mainz

Reiselektüre gestern auf der Fahrt nach Mainz (und zurück) ein Artikel in der ZEIT, der auch nicht gerade behaglich stimmt; Nietzsche ermunterte schon mal, unsere kleine Welt sub specie aeternitatis zu sehen. Ja, warum auch nicht, – es dient natürlich kaum dem augenblicklichen Wohlbefinden. Eher ein Blick in die – durch die Natur vorgegebene – Ausweglosigkeit:

»Leben hat den Drang, zu erobern« Ein ZEIT-Gespräch mit dem Astronomen und Nobelpreisträger Didier Queloz. Was aus seinen Äußerungen bewegt mich so, dass ich es an dieser Stelle notieren muss? Warum als erstes gerade die Titelzeile? Es kann ja nichts Tröstliches werden… (Meine Mutter hatte damals, als sie in den Sumpf des Lebens schaute, noch fast 30 Jahre zu leben, mein Vater war schon über 20 Jahre tot.)

Queloz:

Mit dem Leben ist es so: Solange es nur in einer kleinen Nische auf einem Planeten existiert, wird es nicht überdauern; denn wenn sich die äußeren Bedingungen dieser Nische ändern, ist es vorbei. Das heißt, um zu leben, muss sich Leben auf seinem Planeten ausbreiten. Leben hat den Drang, zu erobern. Philosophisch überspitzt könnte man sagen: Das Leben wird zum Gott des Planeten, es formt ihn so, wie es ihn braucht. (…) wir haben den Planeten in unserem Sinne geformt, wobei wir es soweit getrieben haben, dass uns alles andere Lebendige kaum kümmert. Dabei sind wir eng verwoben mit der Erde, mit ihren Bedingungen und Ressourcen. Manche Leute glauben, man könne vor dem Klimawandel auf andere Planeten fliehen. Das ist Unsinn. Wir sind ein Produkt dieses Planeten, sobald man ihn verlässt, stirbt man. (…)

(ZEIT: Welche Folgen hätte wohl die Entdeckung fremden Lebens auf einem fernen Planeten?)

Das würde ein völlig neue Dimension eröffnen, indem es die Annahme infrage stellt, dass der Mensch einzigartig sei. Wir haben in dieser Hinsicht ja schon einige Bescheidenheit gelernt. Wir wissen, dass die Erde nicht mehr das Zentrum des Alls ist, sondern nur ein Stern unter vielen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich irgendwann herausstellt, dass wir nur eine von vielen möglichen Lebensformen sind. Es könnte auch sein, dass wir noch etwas anderes feststellen – nämlich dass Leben immer nur eine begrenzte Zeit dauert.

Quelle DIE ZEIT 8. September 2022 Seite 37 »Leben hat den Drang, zu erobern« Didier Queloz / Interview: Stefan Schmitt und Ulrich Schnabel / siehe auch hier.