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Schönberg als Ganzes

Versuch einer persönlichen Rückschau 2025

(begonnen mit den Gurre-Liedern und „Moses und Aron“ in Berlin 1960)

Violinkonzert in Köln LP mit Wolfgang Marschner und Michael Gielen 1962

Hilary Hahn 2008: Phantastische Aufnahme, auch H.H.s Text über die Erarbeitung, überhaupt sachkundiges Booklet

Violinkonzert mit Notentext Zvi Zeitlin hier als Film mit Michael Barenboim hier

Text (Hilary Hahn CD) von Roger Ruggeri (Übersetzung Reinhard Lüthje)

Schönberg-CDs betr. u.a. die Variationen op.31

op.31 im Vergleich

der Zugang, etwas gründlicher

Das Thema von op.31, private Skizze JR, nur zum Üben (Mitsingen!) , einstellen: RATTLE CD 2 Tr.16 ab 1’06 / oder: KARAJAN CD Tr. 7 Thema (ohne Introduktion) 1’06

Hören Sie gut? In Takt 2 bzw. (grün) 35: ist es g oder f ?  und in Takt 36 letztes Viertel? Im Orchester wäre der Abschreiber nicht zu gebrauchen…

In der letzten Zeile, die Solo-Violine ist z.T. kaum zu hören.

Jede Zeile enthält alle zwölf Töne z.B. b – fes (=e) – ges – es – f – a -d – cis – g – gis – h – c

Quelle Rudolf Stephan: Über Schönbergs Arbeitsweise / in: Arnold Schönberg Gedenkausstellung 1974 Redaktion: Ernst Hilmar / Universal Edition Wien

(Fortsetzung folgt)

„Nun sag ich dir zum ersten Mal“

Die Zeit des Gurreliedes

Ob ich sie schon von Berlin nach Köln, meinem neuen Studienort, mitgebracht hatte? Ich war stolz auf die französische Schallplatte über Neue Musik. Sprecher und Autor war Antoine Goléa. Sie begann mit dem ersten Praeludium C-dur aus dem Wohltemperierten Klavier, wohl wegen der instruktiven Entfaltung der Harmonien aus dem C-dur-Akkord („unsensibel gespielt“, meinte Freund Christian de Bruyn, der Pianist, damals schon bewundert für seine Kunst des Rubatos), und irgendwo folgte das eine Stück aus den „Gurreliedern“, als Musterbeispiel für die extremen Sprünge zwischen den einzelnen Tönen einer wirklich modernen Melodie. Das leuchtete mir ein, und ich liebte das Stück, aber nicht die grelle Stimme der Sängerin, nicht einmal das penetrante Fachmann-Organ des Moderators. Der Text, den ich nicht verstand, hätte ein übriges getan, obwohl ich Jens Peter Jacobsen verehrte seit Langeoog 1956 („Mogens“ und „Niels Lyhne“ durch Hans-Dieter Mauritz). Keine Chance, die Worte Volmer, Narr oder nichtigen Tandes usw. akustisch zu entziffern.

Nun sag‘ ich dir zum ersten Mal: »König Volmer, ich liebe dich!« Nun küss‘ ich dich zum ersten Mal, und schlinge den Arm um dich. Und sprichst du, ich hätt‘ es schon früher gesagt und je meinen Kuß dir geschenkt, so sprech‘ ich: »Der König ist ein Narr, der nichtigen Tandes gedenkt.« Und sagst du: »Wohl bin ich solch ein Narr«, so sprech‘ ich: »Der König hat recht«; doch sagst du: »Nein, ich bin es nicht,« so sprech‘ ich: »Der König ist schlecht.« Denn all meine Rosen küßt‘ ich zu Tod, dieweil ich deiner gedacht.

Erst jetzt weiß ich, dass A. Goléa schon eine gewisse Prominenz hatte. Die folgende Youtube-Aufnahme berührt mich, weil sie die typische Radio-Produktionsatmosphäre der alten Zeit der Neuen Musik wieder auferstehen lässt, die ich ab Ende der 60er Jahre ganz ähnlich noch im WDR erlebte.

Antoine Goléa Wiki hier

Rund 1 Jahrzehnt später „studierte“ ich in meiner Studentenbude (1961) Köln-Niehl Feldgärtenstraße, bloß hörend, Schönbergs „Erwartung„, immer nur hörend, wiederholt, auch sein Violinkonzert, dies dank Wolfgang Marschner, bei dem ich Winiawsky und Ravels „Tzigane“ studierte. In Berlin hatte ich mich vorher u.a. durch Musik von Stockhausen und Boulez, im „inneren Widerstand“ gegen die Polemik unseres konservativen Theorielehrers Max Baumann geübt. Ähnlich in Köln gegen die typischen Schulmusik-Professoren.

Jetzt, als ich in den ehemaligen Beständen eines verstorbenen Freundes die Boulez-Aufnahme der „Gurre-Lieder“ und allerhand Schönberg-„Stoff“ (Partituren!) reaktivierte, habe ich an die Hörweise von damals angeknüpft; zuerst mehrmals Tr.7 („Nun sag‘ ich dir“), dann Nr.6 und 7, dann 6, 7 und 8, dann 5, 6, 7, 8. Die Partitur nicht gleichzeitig – das lenkt ab! – , sondern nachträglich am Tisch, das Gehörte nachvollziehend.

Was ich schon 1975 hätte dazulernen können (Gedenkausstellung  1974):

Universal Edition Redaktion: Ernst Hilmar ISBN 3-7024-0010-9

Damals war es schwieriger, die ganze Breite der Musik zu erfassen, ohne Internet, also ohne Google, Youtube und Wikipedia und all diese Quellen, die einem damals nur mit viel Geld erschwinglich waren (das Musikhaus Tonger befand sich schräg gegenüber meinem späteren Bürohaus Carlton (WDR).

Andere Zeitsprünge

Seltsamerweise versäumte ich von Anfang an, dem Gesamtwerk „Gurrelieder“ nachzuspüren, stattdessen besorgte ich mir das „fortschrittliche“ Melodram „Erwartung“ als LP, das ich mir durch extensives Hören zu amalgamieren versuchte. Es gelang mir nicht so, wie ich erwartete.

In den 90er Jahren gab es die Gurrelieder in der Kölner Philharmonie, eine Aufführung, die ich versäumte. Aber ih erinnere mich, dass wir nachher auf der Straße den WDR-Musikchef Dr. Hermann Lang trafen und nach seinen Eindrücken befragten. Er antwortete: „Eins weiß ich jetzt: die Gurrelieder habe ich zum erstenmal gehört und ganz gewiss auch zum letzten Mal!“ Ich glaubte ihn zu verstehen und fand seine Äußerung trotzdem unangemessen. Meine Methode war eine andere, nämlich die unverdrossene Wiederholung, andernfalls blieb ein vages Schuldgefühl, weil ich die Ahnung hatte, dass mir eine Tür verschlossen war, nur weil ich untätig reagierte. Tatsächlich im Fall Gurrelieder eine Lähmung, die dem Zeitgeist geschuldet war. Wenn Schönberg, dann „richtig“!

Neue Erinnerung (im Auto, WDR 3):

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/klassik-forum/audio-mitreissender-dirigent-markus-stenz-im-klassik-forum-100.html hier

hier Sabine Webers Rezension, – sie ist instruktiv, provoziert allerdings eine überflüssige Nachfrage zum „Botaniker“ J.P. Jacobsen, die sich in Wikipedia auflöst, wo allerdings von „dem jungen dänischen Geschichtsstudenten“ die Rede ist: hier

Dies zu bemerken ist überflüssig, man muss – mit Schönberg – den „verworrenen“ Text lieben lernen. Nur die Übersetzung von Nr.7 (besonders die deutsche Reimerei) ist linkisch. Auch das CD-Booklet ist übrigens nicht angenehm zu lesen.

Ich vergleiche die Anfangstakte jedes Tracks der beiden vorliegenden Aufnahmen, und sei es nur, um das Vibrato des jeweils tätigen Soprans zu prüfen: hier (Boulez) und hier (Stenz).

Es ergibt ein Extrathema: der dramatische Sopran ist für mich in jedem Fall ein Problem! Dass es eine vollkommene Leistung in dieser Stimmlage gibt, zeigt diese Salome HIER.

Vorläufiges Ziel bis Tr.8 / Lesen Sie den Text in Vergrößerung!

Damit berühre ich frappierend die Gegenwart: die Zeit ist auch heute noch das Problem. Gerade in der Musik. Ich habe es indirekt aber auch ganz unverhofft vorhin vom Nobelpreisträger Hassabis in der ZEIT bestätigt bekommen. Momentmal, ich brauche eine Sekunde! Oder zwei!! Und ohne Musik.

Quelle DIE ZEIT 30. Januar 2025 Seite 31 »Wir werden von ihnen alles bekommen« Es gibt kaum einen Wissenschaftler, der mehr von KI versteht als Demis Hassabis. Im vergangenen Jahr erhielt er den Nobelpreis. Hier spricht er darüber, was von den intelligenten Menschen als Nächstes zu erwarten ist / Das Gespräch führten Uwe Jean Heuser und Jochen Wegner

(Fortsetzung folgt)

Kontinent der zwölf Töne

Eine Weltreise mit Steuermann

Für mich wieder so ein Fall, im Jahr 1960 anzusetzen, als ich in Berlin mit Adornos Philosophie der Neuen Musik im Gepäck ankam, wild entschlossen, das Phänomen Musik neu aufzurollen. Mein Vater war tot. Er hatte dekretiert, dass Mahler Kapellmeistermusik geschrieben habe und dass man in 100 Jahren von Schönberg nicht mehr reden würde. Mein Erzieher wurde nun Adorno.

Philosophie der Neuen Musik (JR 1960)

2022 wenn Sie genau hineinschauen, können Sie sagen: das sieht verdächtig nach pro domo promo aus, und irgendwie hätten Sie recht. Sowohl Martin Zenck als auch Michael Schwalb gehörten in der großen Epoche des WDR zu meinen engeren Musikkollegen, und ich verdanke beiden unzählige Anregungen. Ebenso vielleicht wie den Neue-Musik-Kollegen Harry Vogt und Frank Hilberg, die mich zuweilen in ihre interessanten Programme einbezogen. Über Volker Rülke, den ich dank dieses neuen Buches zu schätzen weiß, kann man sich an der Universität Würzburg informieren (nicht: Rühlke!) oder z.B. hier… Warum ich gerade heute von Michael Schwalb spreche? Die nahtlos passende Post kam sozusagen gleichzeitig auf meinen Tisch, auch im Radio gab es schon ausführliche Hinweise, siehe hier. Eine wirklich willkommene Ergänzung des Steuermann-Bandes: siehe dort Inhaltsverzeichnis Seite 523-637.

Steuermann, Leibowitz per Post

Zu einem andern, jüngeren Theoretiker und vor allem Praktiker der Neuen Musik habe ich schon lebenslang Kontakt gehalten, – was auf Gegenseitigkeit beruht und sich fast von selbst versteht.

Ich beobachte mit großem Interesse aus der Ferne (fast) alles, was er arbeitet und produziert, vor allem in Heidelberg und Stuttgart. Das KlangForum Heidelberg feierte im vorigen Monat 30jähriges Bestehen. In dem – wie immer äußerst vielschichtigen – Programmheft lese (blättere) ich noch fast jede Nacht vor dem Einschlafen, in der stillen Hoffnung, am nächsten Morgen mit neuen Ideen aufzuwachen. Ja, gewiss, ich übertreibe, denn ich kann mich nicht retten vor allerhand anderen Themen, die mir den Schlaf und die Zeit rauben. Sagen wir „Kurdistan“, „Bach-Fugen“, „Chopins Mazurken“. Und vor allem liegt da ja nun als gewaltige, begeisternde Lese- und Hör-Aufgabe das Steuermann-Buch auf dem Schreibtisch…

Foto: Thilo Ross

Ein alter und immer noch neuer Zugang zu Arnold Schönberg

Steuermanns frühe Erfahrungen mit dem Medium

(Ausschnitt aus dem Buch „Kontroverse Wege der Moderne“)