Kurzfassung eines langen Artikels
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Schnell stellte sie fest, dass nicht einmal Gewissheit bestand, aus wie vielen Neuronen das menschliche Gehirn überhaupt besteht. Dieses Unwissen schien ihr unerträglich. Sie beschloss die Hirnzellen auszuzählen.
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Das Ergebnis bestätigte ihren Verdacht, dass der Mensch Rekordhalter bei der Neuronenzahl ist. In seinem Großhirn sind 16 Milliarden Nervenzellen miteinander verdrahtet – rund dreimal so viele wie beim Elefanten. Nicht im bloßen Hirnvolumen, sondern in der Zahl der grauen Zellen schien also das Geheimnis menschlicher Intelligenz zu liegen. Dicht an dicht drängeln sie sich offenbar in seiner Großhirnrinde.
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Wie aber schaffte es Homo sapiens – anders als seine tierischen Vettern -, die vielen Milliarden Neuronen in seinem Gehirn zu ernähren? Auch darauf hat Herculano-Houzel eine Antwort: das Kochen habe den entscheidenden Unterschied ausgemacht. Erst das Feuer habe die Menschwerdung ermöglicht.
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Durch das Kochen steigerte der Urmensch den Kalorienertrag seiner Nahrung, er ersparte sich mühselige Kauarbeit und verringerte die Kosten der Verdauung.
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Und so trat Homo sapiens die Herrschaft über den Planeten Erde an.
Quelle: DER SPIEGEL 29/2016 (Seite 121) Johann Große: Die Lehren der Hirnsuppe / Evolution / Eine brasilianische Neurobiologin hat die Nervenzellen von Mensch, Affe und Elefant gezählt – und glaubt, so das Erfolgsrezept des Homo sapiens gefunden zu haben.
Mir scheint die Sache mit dem Kochen und dem Ersparen mühseliger Kauarbeit allzu einfach. Ich habe schon des öfteren über drastische Veränderungen in der Lebensweise der Menschen gelesen (Sesshaftwerdung, Ackerbau etc.), auch über den Gebrauch des Feuers etc., konsultiere jedoch zunächst den bewährten Richard Dawkins, der sich ausführlich und mit der Evolution des Gehirns (und mit dessen Volumen im Verhältnis zum Körper) beschäftigt, merkwürdigerweise aber nur ein paar Seiten dem Feuer (bei den „Ergasten“, Vorfahren des Homo sapiens) widmet. Ihm ist die Differenzierung der Software des Gehirns offenbar wichtiger als deren Energieversorgung.
Nachtrag 1. September 2016
Heute können wir endlich die Frage klären, ob jeder Vollrausch tatsächlich 10.000 Hirnzellen abtötet. Aber im Moment … kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern, wo ich die Auflösung gelesen habe. Jedenfalls stammt meine Verunsicherung (mal wieder) vom Anfang der 60er Jahre, als ich meiner Freundin die Wohltaten der Weines verbal zu vermitteln suchte.
Scherz beiseite: Christoph Drösser hat dazu in seiner Rubrik „Stimmt’s?“ in der ZEIT eine schöne Rechnung präsentiert:
Abgesehen davon, dass unser Gehirn sehr üppig mit Nervenzellen ausgestattet ist (geht man von 100 Milliarden Hirnzellen aus, würde das rein rechnerisch für zehn Millionen Räusche reichen): Diese Warnung, die wohl aus der Zeit der Prohibition in den USA stammt, ist völlig aus der Luft gegriffen.
Danke, das genügt. Selbst wenn es nur 16 Milliarden wären, wie oben erwähnt, gäbe es keinen Anlass zur akuten Beunruhigung. Drösser zählt die Symptome auf, die uns allen bekannt sind, – betreffend Gleichgewichtssinn, sprachliche Artikulation und Erinnerungslücken -, und bemerkt:
Aber all diese Symptome weisen nicht auf den Tod von Gehirnzellen hin, sondern auf eine gestörte Kommunikation zwischen ihnen. Tatsächlich mindert Alkohol die Signalübertragung in den Dendriten, den „Kabeln“ unseres Denkapparats – aber nicht auf Dauer. Ist der Kater überwunden, ist auch das Gehirn wieder einsatzfähig.
Quelle DIE ZEIT 1. September 2016 Seite 32 „Stimmt’s?“ von Christoph Drösser.