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Kant und Swedenborg

Die unzulänglichen Vorarbeiten zu einem tiefer sitzenden Problem

Die hier vorangestellten Bemerkungen bzw. Blog-Links (Rückblenden in eigener Sache) können leicht übersprungen werden, da sie in der Hauptsache nur für mich Bedeutung haben, nicht so sehr für andere Individuen, die eine andere biographische Entwicklung hinter sich haben. Zumal  für sie heute (anders als in meinen bildungstechnisch wichtigen Jahren) per Internet unzählige Anregungen leicht auffindbar sind, während ich – als Musikstudent – auf die Neuerscheinungen im Angebot von „Siegert am Dom“ oder im Untergeschoss von Bücher-Ludwig im Kölner Hauptbahnhof angewiesen war. Unten nur zwei Beispiele (1961 und 1964). Abgesehen von der Lektüre, die Indien (Aurobindo), Ostasien (Zen) betraf, oder C.G.Jung und Freud. Oder Musik. Damals las ich auch zum ersten Mal (in) Kants „Träume eines Geistersehers“, nicht ohne Enttäuschung: ich begriff nicht, dass er partout nicht verriet, ob ja, ob nein, wahr oder falsch, sondern dass er (lange vor den Kritiken) auf die Erkenntnisgrundlagen ging und weit über Swedenborg hinaus die ganze Metaphysik in Frage stellte.

Aus: http://www.janreichow.de/txt_aesthetik.htm hier Nr. 38 [über Erfahrung]

Es wird berichtet, daß der greise Joseph Haydn, als er der ersten Aufführung seiner „Schöpfung“ lauschte, beim strahlenden C-dur-Klang der Stelle „Es werde Licht“ in Ohnmacht fiel.
Als er den Klang einst niederschrieb, hat niemand den Komponisten ohnmächtig gesehen, und auch beim stummen Lesen der Partitur ist ihm nichts widerfahren.

Energie!

Anlässlich des Wasserbuches von Leonardo

Etwas zum Denken

Zu einigen gebliebenen Fragen:

Welche historischen Veränderungen hat die Unterscheidung von Traum und Wachen seit der Neuzeit durchlaufen? Wie geht die Herrschaft der Vernunft um mit ihrer Angst vor der Auslieferung an innere Hirngespinste? 6

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Bei seiner intensiven Swedenborg-Lektüre in den Jahren 1864-66, in der das Programm der kritischen Philosophie entsteht, bemerkt Kant offensichtlich eine unheimliche Nähe zu einem populären Phänomen: “Das 18. Jahrhundert ist erfüllt von Phantasten, Geistersehern, Wundermännern, Heiligen, Mystikern und Narren und wahren Begegnungen von Schwärmern, Fanatikern, Heilssuchenden, die ihnen folgen.“ 14

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Wer wollte entscheiden, was ein solches erkennendes Sehen, was bloße Phantasterei und was eine gültige Erfahrung sei? Ist der Glaube daran nur ein Beleg des Nicht-Wissens? Kann überhaupt für den Menschen eine Realität bestehen, die sich sprachlich nicht oder nicht zutreffend beschreiben lässt? 16

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Diese Fragen beziehen sich inhaltlich auf die folgende wissenschaftliche Arbeit (2012):

https://journals.openedition.org/ceg/11927?lang=en hier “Spekulation aus lauter Luft”: Kants Polemik wider die schlafende Vernunft

hier (die Autorin) https://www.kuwi.europa-uni.de/de/dekanat/team/prodekan_in/Allerkamp/index.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Swedenborg hier

Am 19. Juli 1759 soll er von Göteborg aus den 400 Kilometer entfernt stattfindenden Stadtbrand seiner Heimatstadt Stockholm beschrieben haben, um damit zu beweisen, dass er über hellseherische Fähigkeiten verfüge. Laut dem Swedenborg-Biografen Lars Bergquist sei dies jedoch erst am 29. Juli, zehn Tage nach dem Brand, geschehen.

https://meiner.de/philosophische-bibliothek/k/kant/traume-eines-geistersehers-erlautert-durch-traume-der-metaphysik.html  hier:

Die 1766 erschienenen »Träume eines Geistersehers« nehmen eine Schlüsselstellung in Kants Werk ein. Anlässlich der Auseinandersetzung mit der Geisterseherei Emmanuel Swedenborgs prüft Kant die Erkenntnisansprüche der rationalen Psychologie und weist sie als haltlos zurück. Diese Kritik weitet sich zu einer Ablehnung der gesamten herkömmlichen Metaphysik aus, deren Scheitern Kant zum Anlass nimmt, nach der angemessenen Methode in der Philosophie zu fragen. Als solche empfiehlt er die Hinwendung zu erfahrungswissenschaftlichen Verfahren. Damit hat Kant bereits wesentliche Momente seiner späteren Vernunftkritik erarbeitet. Aber auch die praktische Philosophie profitiert von der im Geist des Skeptizismus und im Tonfall ironisch­sarkastischer Redeweise durchgeführten Untersuchung. Es zeigt sich, dass die Grundzüge von Kants Moralphilosophie bereits 1766 gefunden sind. Kants Abhandlung bedeutet somit in mehrfacher Hinsicht das Ende seiner vorkritischen Phase und markiert die eigentliche Geburtsstunde des Kritizismus. Die Ausgabe präsentiert Kants Text erstmals in historisch-kritischer Gestalt und mit deutschen Übersetzungen der Stellen aus den »Arcana Coelestia« Swedenborgs, auf die sich Kant bezieht. Die umfänglichen Erläuterungen decken die Anknüpfungen an die zeitgenössische Philosophie auf und stellen die Verbindung der Abhandlung mit Kants vorkritischen wie kritischen Werken her.

ZITAT aus Kants Geisterseher-Schrift (farbige oder fette Hervorhebungen immer: JR)

Die Fragen von der geistigen Natur, von der Freiheit und Vorherbestimmung, dem künftigen Zustande u.d.g. bringen anfänglich alle Kräfte des Verstandes in Bewegung und ziehen den Menschen durch ihre Vortrefflichkeit in den Wetteifer der Spekulation, welche ohne Unterschied klügelt und entscheidet, lehret oder widerlegt, wie es die Scheineinsicht jedesmal mit sich bringt. Wenn diese Nachforschung aber in Philosophie ausschlägt, die über ihr eigen Verfahren urteilt, und die nicht die Gegenstände allein, sondern deren Verhältnis zu dem Verstande des Menschen kennt, so ziehen sich die Grenzen enger zusammen, und die Marksteine werden gelegt, welche die Nachforschung aus ihrem eigentümlichen Bezirke niemals mehr ausschweifen lassen. Wir haben einige Philosophie nötig gehabt, um die Schwierigkeiten zu kennen, welche einen Begriff umgeben, den man gemeiniglich als sehr bequem und alltägig behandelt. Etwas mehr Philosophie entfernet dieses Schattenbild der Einsicht noch mehr und überzeugt uns, daß es gänzlich außer dem Gesichtskreise der Menschen liege. Denn in den Verhältnissen der Ursache und Wirkung, der Substanz und der Handlung dient anfänglich die Philosophie dazu, die verwickelte Erscheinungen aufzulösen und solche auf einfachere Vorstellungen zu bringen.

Ist man aber endlich zu den Grundverhältnissen gelangt, so hat das Geschäfte der Philosophie ein Ende, und wie etwas könne eine Ursache sein oder eine Kraft haben, ist unmöglich jemals durch Vernunft einzusehen, sondern diese Verhältnisse müssen lediglich aus der Erfahrung genommen werden. Denn unsere Vernunftregel gehet nur auf die Vergleichung nach der Identität und dem Widerspruche. [Siehe Satz vom zureichenden Grunde hier] Soferne aber etwas eine Ursache ist, so wird durch Etwas etwas Anders gesetzt, und es ist also kein Zusammenhang vermöge der Einstimmung anzutreffen; wie denn auch, wenn ich ebendasselbe nicht als eine Ursache ansehen will, niemals ein Widerspruch entspringt, weil es sich nicht contradicieret, wenn etwas gesetzt ist, etwas anderes aufzuheben.

Daher die Grundbegriffe der Dinge als Ursachen, die der Kräfte und Handlungen, wenn sie nicht aus der Erfahrung hergenommen sind, gänzlich willkürlich sind und weder bewiesen noch widerlegt werden können. Ich weiß wohl, daß das Denken und Wollen meinen Körper bewege, aber ich kann diese Erscheinung als eine einfache Erfahrung niemals durch Zergliederung auf eine andere bringen und sie daher wohl erkennen, aber nicht einsehen. Daß mein Wille meinen Arm bewegt, ist mir nicht verständlicher, als wenn jemand sagte, daß derselbe auch den Mond in seinem Kreise zurückhalten könnte; der Unterschied ist nur dieser, daß ich jenes erfahre, dieses aber niemals in meine Sinne gekommen ist. Ich erkenne in mir Veränderungen als in einem Subjekte, was lebt, nämlich Gedanken, Willkür etc. etc., und weil diese Bestimmungen von anderer Art sind als alles, was zusammengenommen meinen Begriff vom Körper macht, so denke ich mir billigermaßen ein unkörperliches und beharrliches Wesen. Ob dieses auch ohne Verbindung mit dem Körper denken werde, kann vermittelst dieser aus Erfahrung erkannten Natur niemals geschlossen werden. Ich bin mit meiner Art Wesen durch Vermittelung körperlicher Gesetze in Verknüpfung, ob ich aber auch sonst nach andern Gesetzen, welche ich pneumatisch nennen will, ohne die Vermittelung der Materie in Verbindung stehe oder jemals stehen werde, kann ich auf keinerlei Weise aus demjenigen schließen, was mir gegeben ist. Alle solche Urteile, wie diejenige von der Art, wie meine Seele den Körper bewegt oder mit andern Wesen ihrer Art jetzt oder künftig in Verhältnis steht, können niemals etwas mehr als Erdichtungen sein und zwar bei weitem nicht einmal von demjenigen Werte als die in der Naturwissenschaft, welche man Hypothesen nennt, bei welchen man keine Grundkräfte ersinnt, sondern diejenige, welche man durch Erfahrung schon kennt, nur auf eine den Erscheinungen angemessene Art verbindet, und deren Möglichkeit sich also jederzeit muß können beweisen lassen; dagegen im ersten Falle selbst neue Fundamentalverhältnisse von Ursache und Wirkung angenommen werden, in welchen man niemals den mindesten Begriff ihrer Möglichkeit haben kann und also nur schöpferisch oder chimärisch, wie man es nennen will, dichtet. Die Begreiflichkeit verschiedener wahren oder angeblichen Erscheinungen aus dergleichen angenommenen Grundideen dienet diesen zu gar keinem Vorteile. Denn man kann leicht von allem Grund angeben, wenn man berechtigt ist, Tätigkeiten und Wirkungsgesetze zu ersinnen, wie man will.

Wir müssen also warten, bis wir vielleicht in der künftigen Welt durch neue Erfahrungen und Begriffe von denen uns noch verborgenen Kräften in unserm denkenden Selbst werden belehrt werden. So haben uns die Beobachtungen späterer Zeiten, nachdem sie durch Mathematik aufgelöset worden, die Kraft der Anziehung an der Materie offenbaret, von deren Möglichkeit, (weil sie eine Grundkraft zu sein scheint), man sich niemals einigen ferneren Begriff wird machen können. Diejenige, welche, ohne den Beweis aus der Erfahrung in Händen zu haben, vorher sich eine solche Eigenschaft hätten ersinnen wollen, würden als Toren mit Recht verdienet haben, ausgelacht zu werden. Da nun die Vernunftgründe in dergleichen Fällen weder zur Erfindung noch zur Bestätigung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit von der mindesten Erheblichkeit sind, so kann man nur den Erfahrungen das Recht der Entscheidung einräumen, so wie ich es auch der Zeit, welche Erfahrung bringt, überlasse, etwas über die gepriesene Heilkräfte des Magnets in Zahnkrankheiten auszumachen, wenn sie ebensoviel Beobachtungen wird vorzeigen können, daß magnetische Stäbe auf Fleisch und Knochen wirken, als wir schon vor uns haben, daß es auf Eisen und Stahl geschehe. Wenn aber gewisse angebliche Erfahrungen sich in kein unter den meisten Menschen einstimmiges Gesetz der Empfindung bringen lassen und also nur eine Regellosigkeit in den Zeugnissen der Sinne beweisen würden, (wie es in der Tat mit den herumgehenden Geistererzählungen bewandt ist), so ist ratsam, sie nur abzubrechen, weil der Mangel der Einstimmung und Gleichförmigkeit alsdenn der historischen Erkenntnis alle Beweiskraft nimmt und sie untauglich macht, als Fundament zu irgendeinem Gesetze der Erfahrung zu dienen, worüber der Verstand urteilen könnte.

So wie man einerseits durch etwas tiefere Nachforschung einsehen lernet, daß die überzeugende und philosophische Einsicht in dem Falle, wovon wir reden, unmöglich sei, so wird man auch andererseits bei einem ruhigen und vorurteilfreien Gemüte gestehen müssen, daß sie entbehrlich und unnötig sei. Die Eitelkeit der Wissenschaft entschuldigt gerne ihre Beschäftigung mit dem Vorwande der Wichtigkeit, und so gibt man auch hier gemeiniglich vor, daß die Vernunfteinsicht von der geistigen Natur der Seele zu der Überzeugung von dem Dasein nach dem Tode, diese aber zum Bewegungsgrunde eines tugendhaften Lebens sehr nötig sei; die müßige Neubegierde aber setzt hinzu, daß die Wahrhaftigkeit der Erscheinungen abgeschiedener Seelen von allem diesen sogar einen Beweis aus der Erfahrung abgeben könne. Allein die wahre Weisheit ist die Begleiterin der Einfalt, und da bei ihr das Herz dem Verstande die Vorschrift gibt, so macht sie gemeiniglich die große Zurüstungen der Gelehrsamkeit entbehrlich, und ihre Zwecke bedürfen nicht solcher Mittel, die nimmermehr in aller Menschen Gewalt sein können.

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