Kann ich brauchen, was ich gelernt habe?

Eine Selbstprüfung

Ich beziehe mich auf die Blogbeiträge über Kapitalismus und über Filmmusik, während ich mich mit dem Video beschäftige, dessen Ankündigung in FAZ.net ich gleich als Screenshot wiedergebe. Zufällig sieht man auch schon meine kleine Abschrift, die ich im Übereifer angefertigt habe, – im Namen meiner Geheimprivatgesellschaft für lebenslanges Lernen (Heidi). Ich verhehle nicht, dass ich die technisch-ästhetische Realisierung des Filmchens zunächst etwas kritisch sehe. Auch die Sprechweise des Text-Interpreten, die – wie der ganze Soundtrack – der Dramatisierung des sachlichen Inhalts dient. Einen Augenblick lang denke ich an den Sprecher der Fußballweltmeisterschaft bei der abschließenden Artikulation des Sponsors in „und Coca Cola„, – wie der letzte a-Vokal gleichsam mit heraushängender Zunge geformt wurde, mit einem fast hörbaren Atemausstoß. Mir wurde das damals bei jeder Wiederkehr auffälliger, ja, etwas widerlich. Hier ist es nicht genauso, vielmehr dezenter, aber es fällt mir eben ein, und nicht völlig ohne Grund… Es ist halt diese „Ranschmeiße“, diese „Anmache“.

In dem unten wörtlich wiedergegebenen Text füge ich noch die Zusätze, die zwischendurch in großen Lettern oder Bildchen zu sehen sind; vor allem auch Notizen zur akustischen Gestaltung (Musik).

raubtierkapitalismus-faz-screenshot-2017-01-11-19-16-55

Erklärvideo: Raubtierkapitalismus und der freie Markt © Deutsche Welle dw.com (FAZ Net 11.01.2017)

TEXT (notiert von JR)

Was ist Kapitalismus?

Luxus ohne Ende, Privateigentum, freier Handel, der Beste setzt sich durch, viele halten den Kapitalismus für ein Raubtier. Gewinn ist es tatsächlich, was die Wirtschaft antreibt, der Eigennutz wichtigster Motor für Wohlstand, sagte Ökonom Adam Smith. [Musikakzent, cresc.] Wenn jeder an sich denke, profitieren auch alle anderen.

Auch für den deutschen Philosophen Karl Marx war Gewinn zentral. Er behauptete, das Kapital würde sich ständig selbst vergrößern und komme nur dem Fabrikbesitzer zugute. Um einen Mehrwert zu erzielen, würden Kapitalisten alles ausbeuten: Arbeiter, Maschinen, Rohstoffe. [RENNWAGEN HEULT AUF] Der Mehrwert wird, laut Karl Marx, auf dem freien Markt erzielt, wenn das Produkt verkauft wird. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, Konkurrenten stehen im Wettbewerb. Gewinner ist, wer die Fabrik besitzt. Immer mehr Gewinn, immer mehr Produktion. Alle anderen [FAST ATEMLOS:] gehen leer aus. So sah Marx den frühen, [EMPHATISCH] entfesselten Kapitalismus.

Trotz aller [KNURREN] Kritik hat sich der Kapitalismus aber in fast allen Ländern der Erde [SCHRIFTZUG „WACHSTUM“ MIT PFEIL SCHRÄG NACH OBEN] mehr oder weniger durchgesetzt. Auch mit seinen [ZWEI MENSCHEN, ZWEI STECKDOSEN AUS DENEN DER STECKER GEZOGEN WIRD] Schattenseiten: dass Konkurrenten pleite gehen, dass der Arbeiter prinzipiell weniger [ZWEI ZAHNRÄDER DIE DURCH KETTENGLIEDER MIT €-ZEICHEN ANGETRIEBEN WERDEN. SIE HÄUFEN SICH AN DER SEITE DES BETRIEBS. NUR WENIGE AM BEIN DES ARBEITERS] abbekommt, vom Mehrwert kaum profitiert, – das gehört zum System. [MUSIKAKZENT] Niedriglohn, [DAS GROSSE WORT „KRISE!“ ERSCHEINT] Ungleichheit, Armut, Umweltzerstörung, Finanzkrisen, Monopole kommen immer wieder vor. [MENSCH MIT LÖWENKOPF STEHT DA]

Doch der Kapitalismus heute ist reformfähig, [ER KNURRT] Regeln und Gesetze [PARAGRAPHENZEICHEN + BÜROPAPIER AN KETTEN] legen ihn an die Kette, doch immer wieder [KNURRT, DIE KETTEN ZERREISSEN] kommt das Raubtier durch. [KNURRT + SCHLUSSAKKORD]

***

Bei dem ideenreichen Urheber, der Deutschen Welle, findet man dieses Video (3.1.17), so wie auch viele andere mit wissenswerten Informationen, unter folgendem Link:

http://www.dw.com/de/was-ist-kapitalismus/av-35881864

Oder auch gleich HIER.

Damit man mich nicht missversteht: es ist eine gute Sache, Wissen verständlich zu vermitteln. Bis zu einem gewissen Grad verstehe ich auch die Methode des Infotainments, die Vermeidung der gravitätischen Belehrung vom hohen Ross. Was ich kritisiere, ist das spürbare Theater, das entsteht, sobald dieser „technische“ Teil in fremde Hände gegeben wird, die von einer „kundenorientierten“ Mentalität besessen sind, in Wahrheit aber die Kunden für dumm verkaufen. Zum Dank entwickeln diese (wir z.B.) eine psychologische Sperre, da sie eine üble Verkaufsmasche wittern, die den Urhebern durchaus fremd war.

Das, was wir lernen müssen, ist: das eine vom anderen zu trennen. Die Arbeitsteilung zu durchschauen. Und nicht müde werden sie anzuprangern, wenn die Idee schaden nimmt. (Es kann auch gutgehen.)

Lesen Sie auch den FAZ-Artikel HIER „Die Globalisierung ist nicht schuld“. Nebenbei mögen Sie mit Ehrfurcht auf das Containerschiff MSC Daniela schauen, das sich vielleicht auf dem Wege zum UST-Luga Terminal befindet. Vielleicht beladen mit einigen Containern, die nach Russland geschafft werden sollten, jedoch im scharfen Wind über Bord gingen und unseren lieben Strand von Langeoog mit hunderttausend Schokoladenhasen und Überraschungseiern überschütteten. Eurogate, ein gutes Wort. Es lebe die Globalisierung!

Nun, habe ich wirklich gebraucht, was ich gelernt habe? Sicher nicht, sonst wäre ich zum Schluss nicht in die Lächerlichkeit ausgewichen. Und wahrscheinlich war es doch, wie man auf Langeoog hörte, ein nigerianisches Containerschiff und nicht die stolze MCS Daniela. Und was hat das überhaupt mit globaler Vermarktung und kapitalistischen Filmtechniken zu tun, – auch die Natur von oben will mit Strategien von unten an ein zahlendes Publikum vermittelt werden.

Und dies verlangt mit Recht, dass die Majestät der schneebedeckten Alpengipfel nicht nur mit Bildern gezeigt, mit Worten benannt, sondern auch noch mit feierlichen Computerfanfaren bestätigt wird. Auf dass wir glauben, ohne zu sehen.

Und es schadet auch nicht, den griffigen Definitionscontainer des Kapitalismus noch etwas süffiger zu verpacken. Wir können doch einiges aus der Werbebranche lernen. Falls wir es nicht vorziehen, in erster Linie unseren Verstand zu gebrauchen und Verdoppelungen und Verdreifachungen als überflüssig zu betrachten.