Fortsetzung nach dem Stück MIDARE (Moderation der Sendung „Musik zum Kennenlernen“ 24.3.1993).
Das klassische japanische Kotostück MIDARE, gespielt von MAKIKO GOTO. In demselben Konzert am 12. Februar im Japanischen Kulturinstitut Köln wirkte auch Junko Ueda mit, eine Meisterin der 5-saitigen laute Biwa und des alten epischen Gesangs. Davon gleich noch eine Kostprobe. Das Konzert, das wir in voller Länge im Musikatlas auf WDR 5 senden werden, fand aus Anlaß der Tagung des ICTM statt: dies ist das Kürzel für „International Council of Traditional Music“, eine Organisation, die der UNESCO angehört; ihre Aufgabe besteht darin, das Studium, die Praxis, die Dokumentation, die Bewahrung und Verbreitung von traditioneller Musik und Tanz aller Völker zu unterstützen. Die Tagung wurde ausgerichtet von der Abteilung Ethnomusikologie des Musikwissenschaftlichen Institutes der Universität zu Köln; die Kompetenz dieser Abteilung wurde schon durch das Textheft zum japanischen Konzert eindrucksvoll bestätigt. Da las man über den Ritualgesang SHOMYO des japanischen Buddhismus, der sichj aus indischen und chinesisch-koreanischen Ursprüngen zu einer eigenständigen Vokalmusik meditativen Charakters entwickelt hat: z.B. zu melismatischen Gesängen, „in denen einzelne Silben des Textes auf langgezogenen, melodischen Linien intoniert werden, die gleichsam mosaikartig aus einzelnen, genau profilierten (…) Melodieformeln zusammengesetzt sind. (…) Es ist Gesang im Sinne einer Lautwerdung des Atems, der Essenz des Lebens, und es läßt sich eine deutliche Korrelation zwischen der stilistischen Komplexität dieser Gesänge und ihrer Wirkkraft im religiös-meditativen Kontext der buddhistischen Liturgie feststellen.“ Hier ein melismatischer Opfergesang während des Ausstreuens stilisierter Blütenblätter aus Papier, – ein Reinigungsritus für den Liturgieplatz. Der Text, der im japanischen Original nur 10 Silben umfaßt, lautet auf deutsch:
„Ich hoffe darauf, am Ort der Erleuchtung zu sein, und will Buddha Weihrauch und Blumen darbringen.“
(3) SANGE (Nr. 1 a des Konzertes) 0’00 – 7’11“
„Gesang zu fallenden Blüten“, ein buddhistischer Ritualgesang aus Japan, vorgetragen von Junko Ueda. Die Künstlerin war auch beteiligt am Round-Table-Gespräch des folgenden Tages. Thema: „Ethnomusikologie in der Verantwortung: Ziele, Möglichkeiten und Grenzen von Verbreitung, Wirkung und Anwendung ethnomusikologischer Forschung.“
Ich kann die einzelnen Statements hier nicht wiedergeben, nicht einmal zusammenfassen, wenn ich nicht den Musikanteil dieser Sendung unangemessen kürzen will. Außergewöhnlich war immerhin, daß die Wissenschaftler nicht unter sich im elfenbeinernen diskutierten, sondern auch Museumsleiter, Pädagogen, Studenten, Verleger, Komponisten, Künstler und Medienvertreter hinzugezogen hatten. Unter ihnen auch der arabische Musiker Rabih Abou-Khalil, der durch seine Arbeit im Westen seit Jahren gezeigt hat, daß die Kulturen in ihrer gegenseitigen Reflexion durch ethnomusikologisches Schubladendenken nicht zu erfassen sind. Und das weiß natürlich auch die Ethnomusikologie, wie die Kölner Tagung gezeigt hat. Hören Sie Rabih Abou-Khalil.
(4) RABIH Abou-KHALIL Tr. 9 9’20“
Ein Teil der ICTM-Runde: ganz links Prof. Dr. Robert Günther als Leiter der Konferenz, in der Mitte Jan Reichow, ganz rechts Rabih Abou-Khalil. (Ist er’s wirklich? Ich habe ihn doch zum Kölner Bahnhof gefahren. Sah er damals aus wie ein Student? Nein, vgl. auch hier.)
Ich kann mich nicht an alle Namen erinnern: neben mir auf der linken Seite Prof. Helmut Schaffrath (der schon ein Jahr später, mit 51 Jahren verstarb), dann Rabih Abou-Khalil, dritter von rechts Prof. Artur Simon aus Berlin, daneben Junko Ueda und ein Übersetzer.
(Die Abschrift des Notizbuches wird später fortgesetzt, zunächst aber weiteres zum Thema Musikethnologie in Köln).