Wie die Vögel fliegen

Oder: wie Dichter den Vogelflug deuten

Hölderlin:

Wieder ein Glück ist erlebt. Die gefährliche Dürre geneset,

Und die Schärfe des Lichts senget die Blüte nicht mehr.

Offen steht jetzt wieder ein Saal, und gesund ist der Garten,

Und von Regen erfrischt rauschet das glänzende Tal,

Hoch von Gewächsen, es schwellen die Bäch und alle gebundnen

Fittige wagen sich wieder ins Reich des Gesangs.

Voll ist die Luft von Fröhlichen jetzt und die Stadt und der Hain ist

Rings von zufriedenen Kindern des Himmels erfüllt.

Gerne begegnen sie sich, und irren untereinander,

Sorgenlos, und es scheint keines zu wenig, zu viel.

Denn so ordnet das Herz es an, und zu atmen die Anmut,

Sie, die geschickliche, schenkt ihnen ein göttlicher Geist.

Quelle Friedrich Hölderlin. Aus: Stuttgart hier

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Stifter:

Und so schritten sie nun mit einander fort; über Hügel zu Hügeln, über Felder zu Feldern – und oft konnte man den Jüngling sehen, wie er an einem Wiesenbache den Hund wusch und ihn mit Gräsern und Laubwerk troknete – oft, wie sie ruhig neben einander gingen – und oft, wie der Hund neben seinem Herrn stand und die Augen zu ihm empor richtete, wenn dieser auf einer Anhöhe stille hielt und weit und breit über die Auen schaute, über die langen Streifen der Felder, über die dunkeln Fleken der Wäldchen und über die weißen Kirchthürme der Dörfer.

An dem Wege des Wanderers wallten oft die Wellen des Kornes, das jemanden gehören mußte, Zäune umgaben es, die jemand gezogen haben mußte, und Vögel flogen nach diesen und jenen Richtungen, wie nach verschiedenen Heimathen.

Quelle Adalbert Stifter. Aus: Der Hagestolz hier

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Benn:

(…) so fallen die Tage,

bis der Ast am Himmel steht,

auf dem die Vögel einruhn

nach langem Flug.

Quelle Gottfried Benn: Aus „Ach, das ferne Land“ Statische Gedichte / Arche Zürich 1948

(Fortsetzung folgt)

Dank an JMR für Hölderlin und Stifter