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Wilde Auswahl (März Charts)

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Dieser Artikel muss wirklich nicht sein, er entspringt dem mutwilligen Entschluss, einen Zeitungsartikel (der womöglich absurden Gedanken nachhängt, was mir selbst auch oft genug passiert) ernst zu nehmen, nur weil ich probeweise alles ernst nehme, was jemand zur Musik sagt. Es ist ja Indiz für irgendetwas, was sich schwer in Worte fassen lässt, – wie jeder weiß, der sich mit Musik verbal beschäftigt.

Und so entstand ein virtuelles Arbeitspapier, das mir gestattete, das zu hören, wovon die Rede war. Drei Musikstücke, Muskstile (?), Einzeltitel, die für viele Menschen etwas bedeuten, denn sonst stünden diese Titel ja wohl nicht in „den Charts“ (deren Entstehungskriterien jetzt für mich nicht zur Debatte stehen).

 Süddeutsche Zeitung 29./30.August 2020

Normalerweis würde ich kurzen Prozess machen, aber da ich nun mal mit Vogelstimmen leicht zu fangen bin, bleibe ich hängen. Einem Gesprächspartner hätte ich vielleicht entgegnet, man müsse unbedingt klären, was wir unter „gute Musik“ verstehen. Das hat doch mit Neurowissenschaft herzlich wenig zu tun, nicht wahr? Lass uns über „Bedeutung“ reden. Warum wir Vogelgezwitscher lieben und das Piepsen der Weckers hassen? Weil das eine einem vergnügten Vor-sich-hin-Trällern gleicht, das andere aber einem nervigen Befehl, möglichst umgehend das gemütliche Bett zu verlassen. Wenn der elektronische Wecker listig mit Vogelgezwitscher gespeist wäre, würde dies in Kürze genau dieselbe Funktion des ärgerlichen Weckrufes übernehmen. Es hätte eine andere Bedeutung bekommen.

Ob das Gehirn Musik und Sprache in lauter kleine Pakete verteilt, interessiert mich nicht im geringsten, wenn die Großpakete so gestaltet sind wie die in den folgenden Links und Texten abrufbaren. Ich höre sie allerdings sozusagen im wissenschaftlichen Auftrag und verweigere nur die große Arbeit, die am Ende herauskommen könnte.

Im Namen der Liebe

Unser Traum ist kein Traum, im Namen der Liebe
Wir sind wir, wir sind hier, wir sind nicht allein
Stopp, im Namen der Liebe
Hass hat Hass nie besiegt, lass es Liebe sein
Top, wir können nicht verlieren
Weil ein Herz, das liebt, keine Grenzen kennt
Unser Traum ist kein Traum, er ist wahr
Es gibt nichts, was uns trennt

Halt die Welt mal an
Weil so, wie es grad ist, nichts bleiben kann
Und selbst wenn der Schein uns trügt
Ich will, dass über uns der Himmel blüht
Schieß‘ den alten Plan in die Umlaufbahn
Nichts steht wirklich still und ich will
Und wenn ich will, geschieht ein Wunder

Unser Traum ist kein Traum, im Namen der Liebe
Wir sind wir, wir sind hier, wir sind nicht allein
Stopp, im Namen der Liebe
Hass hat Hass nie besiegt, lass es Liebe sein
Top, wir können nicht verlieren
Weil ein Herz, das liebt, keine Grenzen kennt
Unser Traum ist kein Traum, er ist wahr
Es gibt nichts, was uns trennt
Es gibt nichts, was uns trennt

Was du siehst, das will ich sehen
Und das, was du verstehst, will ich verstehen
Du bist du und ich bin ich
Zusammen sind wir zwei ein Schwergewicht
Eins und eins macht zwei
Wir sind jetzt und frei
Was uns fehlt ist Mut, es wird gut
Und wenn wir wollen geschehen Wunder

Unser Traum ist kein Traum, im Namen der Liebe
Wir sind wir, wir sind hier, wir sind nicht allein
Stopp, im Namen der Liebe
Hass hat Hass nie besiegt, lass es Liebe sein
Top, wir können nicht verlieren
Weil ein Herz, das liebt, keine Grenzen kennt
Unser Traum ist kein Traum, er ist wahr
Es gibt nichts, was uns trennt
Es gibt nichts, was uns trennt

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Zur „Arbeit“ gehört, alle nur erreichbaren Fan-Kommentare zu lesen und zu deuten. Und da liegt auf der Hand, dass die Texte zur Kenntnis und für bare Münze genommen werden. Die Aussage ist scheinbar sehr klar, sie liegt auf der Linie, die auch im Fußball als Slogan vorgegeben wird und dort recht sinnvoll wirkt, da sie die Beleidigungen dunkelhäutiger Profispieler als Thema zuspitzt. Man sieht z.B. auch eine lange Reihe von realen Spielerportraits, deren Autorität den Slogan verstärkt („gibt dem Hass keine Chance!“ o.ä.). Dann kommt das reale Spiel, und das Publikum kann beweisen, ob es kapiert hat, was gemeint war. Wenn man das Video dieses Schlagers oberflächlich betrachtet, könnte man glauben, es sei ähnlich angelegt. Sympathie für Fremde! Daraus kann man sich aber ausklinken, zumal der Text so allgemein gehalten ist, dass man jeden Inhalt hineindeuten kann: „Im Namen der Liebe: Hass hat Hass nie besiegt, lass es Liebe sein, Top, wir können nicht verlieren“ usw., letztlich dürfen wir die frommen Wünsche auf zwei Personen reduzieren und alle anderen ausschließen. „Eins und eins macht zwei – Wir sind jetzt und frei“. Freundliche Begegnungen allenthalben, selbst Kopftücher inbegriffen, bunte Großstadt auf Grußabstand. Es hält sich alles im Rahmen des Beliebigen, wie in den alten Zeiten, als man so allgemein wie nur möglich hoffte „Wunder gibt es immer wieder“ (1970) oder sich noch schwammiger „Ein Bisschen Frieden“ (1982) wünschte. Und es gibt auch musikalisch keinen nennenswerten Niveau-Unterschied. Die Melodie „Im Namen der Liebe“ ist wie tausend andere. Der gemeinsame Nenner: Meidet Konflikte, habt euch alle lieb. Denkt euch nichts dabei.

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Heaven shall burn (Info über diese Gruppe bei Wikipedia hier)
1 Titel
HIER Heaven shall burn mit „Übermacht“

Übermacht (Text)

Absolute rule, reason alone did not prevail
Only one hope, your time is up
And all new entities will dawn
And they’ll be risen from no ashes
Merciless and adamant, all options gone
We are surrounded by the wolves

Es zwingt Dich auf die Knie
Vor Unerbittlichem stehst Du allein
Und voller Zweifel im Zustand der Angst
Endlich, beugt sich Dein Haupt der Übermacht

Du hast die Henker selbst gewählt
Hast jeden Widerstand aus Deinem Geist verbannt
Als die Jahre des Handelns verstrichen
Dein Tanz im Lügenreigen
Brachte Dein treues Herz zum Schweigen

Days of the green wolves dawning
A new hegemony ascending, survive at any cost
Like flies you’ll crowd around the only light
No storm will sweep away what you call safety
No war will swallow all your rapture
For generations, unfolding in obscurity
Lifted upward to the stars by collective heresy

Days of the green wolves dawning
A new hegemony ascending, survive at any cost
Now you know, time wasted is time lost

Es ist vorbei
Vor Unerbittlichem stehst Du allein
Und ohne Gnade hör‘ ich die Seelen brechen
Endlich, devot folgst Du dem Übergang

Did you never see the shadows?
Freedom from danger is no more
How could you fail to hear the echoes
The calling of impending doom?

Days of the green wolves dawning
A new hegemony ascending, survive at any cost
So much too late you saw and understood

Es zwingt Dich auf die Knie
Endlich, beugt sich Dein Haupt der Übermacht

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Ein Spiel mit der Rebellion, Identifikation mit der Übermacht, man will selbst gefährlich wirken, indem man an dieser gefährlichen Überwelt teilhat, das Unterliegen ist fingiert, gleich stehen sie auf und machen weiter, siehe Stillstand bei 3:03, man braucht das, um nicht gegen die Effekte abzustumpfen, Ästhetik der Horrorfilms, man lerne Näheres bei Wikipedia hier

Psychologisch ist der Clip und die Musik nicht so weit von Marianne Rosenberg entfernt, wie der Autor des SZ-Artikels meint, das eine ist die Heuchelei der Zärtlichkeit, das andere die der unzähmbaren Wildheit. „Das Tier in mir“.

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Rapper Fler hier bei Wikipedia
Am 20. März 2020 wurde Flers 16. Soloalbum Atlantis veröffentlicht.
Die zugehörigen Singles Shirinbae, Fame, Noname
(ein Disstrack gegen seinen ehemaligen Weggefährten Bushido),
Grind und Lost erreichten allesamt die deutschen Charts.
https://www.youtube.com/watch?v=MZXZ5seI7Rk Hier „Shirinbae“
https://www.youtube.com/watch?v=a0-0tOeigKg    Hier  „Grind“
https://www.youtube.com/watch?v=IvJd8P1yzMs      Hier „Vermächtnis“
.
Vermächtnis (Text)

Simes got that secret sauce

Wenn ich sterbe, ist das hier mein Vermächtnis (mein Vermächtnis)
Hoffe, ich bleibe der Straße im Gedächtnis (im Gedächtnis)
Wenn ich sterbe, spielt das hier kein Orchester (nein)
Mit paar Gangster chillen macht dich noch lang nicht zum Gangster (nein)

Wenn ich sterbe, ist das hier mein Vermächtnis (meine Legacy)
Hoffe, ich bleibe der Straße im Gedächtnis (so wie Maxim)
Wenn ich sterbe, spielt das hier kein Orchester (eh-eh)
Mit paar Gangster chillen macht dich noch lang nicht zum Gangster

Don-Bosco-Heim, ich war Maler und Lackierer (psst, psst)
Karte, BVG-Ticket, der Verlierer (Blick nach oben)
Meine Mama gab mir die Antidepressiva (Psychiatrie)
Wegen ihr bin ich so ein schlechter Diskutierer (kann nix dafür)
Reflektiere mein selbst nur in der AP (tick-tock)
Reflektiere mein selbst nur in dem Selfie (Paparazzi)

Seh‘ dich hier am Block niemals ohne einen Begleiter (heiße Luft)
Von dem Shisha-Rauchen wirst du bestimmt kein Fighter (pah, pah)
Deine Bitch ist mein Beifahrer (legendär)
Trag‘ den Carlo-Sweater wie’n Bulldozer (drip, drip)
Roli ist an mei’m linken Arm am Schimmern (pow, pow)
Hater schauen auf mein Insta, Kammerflimmern (Herzinfarkt)

Wenn ich sterbe, ist das hier mein Vermächtnis (mein Vermächtnis)
Hoffe, ich bleibe der Straße im Gedächtnis (im Gedächtnis)
Wenn ich sterbe, spielt das hier kein Orchester (nein)
Mit paar Gangster chillen macht dich noch lang nicht zum Gangster (nein)
Wenn ich sterbe, ist das hier mein Vermächtnis (meine Legacy)
Hoffe, ich bleibe der Straße im Gedächtnis (so wie Maxim)
Wenn ich sterbe, spielt das hier kein Orchester (eh-eh)                                                          Mit paar Gangster chillen macht dich noch lang nicht zum Gangster

Mein Outfit passt in das Schemata (immer fly)
Für die Vollidioten vom Dezernat (kleine Girls)
Deutsche Star-Producer nur Plastik-Beats (Plastik-Beats)
Keiner pu-pu-pumpt wie am Muscle Beach (keiner)
Rap ist straight seit dem ersten Take (huh, huh)

Ihr gebt mir Anerkennung mit eurem Hate (huh)
Live on Stage mit der Uzi-Waffe (klick, pow)
Dreißig Grad, ich trage die Gucci-Jacke (ja)
Deutsche Rapper biten MHD (wouh)
Rapper biten Rapper, Schneeballsystem (ja)
Guck mal, jeder bläst jetzt für die Radio-Plays (ay)
Doch hat mal angefangen durch die Carlo-Tapes (wouh)

Wenn ich sterbe, ist das hier mein Vermächtnis (mein Vermächtnis)
Hoffe, ich bleibe der Straße im Gedächtnis (im Gedächtnis)
Wenn ich sterbe, spielt das hier kein Orchester (nein)
Mit paar Gangster chillen macht dich noch lang nicht zum Gangster (nein)
Wenn ich sterbe, ist das hier mein Vermächtnis (meine Legacy)
Hoffe, ich bleibe der Straße im Gedächtnis (so wie Maxim)
Wenn ich sterbe, spielt das hier kein Orchester (eh-eh)
Mit paar Gangster chillen macht dich noch lang nicht zum Gangster

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Man könnte sagen, das ist einfach nur schlechte Sprache, Unterschicht, unbeholfen, mit einigen hochgegriffenen Vokabeln („Schemata“, „Vermächtnis“, „Orchester“, dies allerdings gereimt auf „Gangster“). Man könnte auch sagen, das steht in der Tradition des „poète maudit“, aber eher rückbezogen auf Villon als auf Verlaine, man darf an Kinski denken und einige Berufsprovokateure. Aber nur wenn man es als Provokation ganz hoch hängen will. Dagegen dürfte ein anderer sagen: Rap steht in der Tradition des klassischen Rezitativs (bei dem manche nur warten, wann endlich die „Musik“ beginnt). Oder im Gegenteil, Rilke abwandelnd: Hört euch die Rapper an, wenn erst das Singen begann, wie bald sie lügen. Dieser Mann wird nicht singen. Aber er verwendet auch keine Musik, an die man sich hängen könnte. Oder doch: ein Ostinato aus hochgesetzten klassischen Akkorden. Fetzen. Den Fans genügt eine rhythmisierte Sprache, die gegen Normen verstößt, aber mit fast musikalischem Nachdruck. Mit unwillkürlicher oder auch beabsichtigter Komik („keiner pu-pu-pumpt“). Man muss die Sprache hören, nicht lesen. Am Ende wird er hingerichtet, und man beginnt von vorn, aufmerksamer, spielt er das oder ist er das?!

James Last und der Abgrund

Die Süddeutsche folgt ihm in die Tiefe

Man könnte meinen, es sei schon etwas zuviel oder jedenfalls mehr als genug gewesen, was jetzt, da er gestorben ist, in kürzester Zeit an Nachrufen zur Hand war. Jeder weiß, dass alles bereitliegt, wenn ein Prominenter schon mal den 75., den 80. und den 85. Geburtstag erlebt hat. Das ging den ganzen Tag bis weit nach Mitternacht (bei Markus Lanz wurde so kräftig und zukunftsgewiss wiederholt, dass Nichtsahnende meinen konnte, es sei ja auch längst an der Zeit gewesen, ihn jetzt Jahr für Jahr zu feiern). Und am nächsten morgen stehe ich auf und finde das Tageblatt und die Süddeutsche, und beide feiern ihn, „oh happy day“!

In der Süddeutschen fesselt mich sofort die Analyse (wenn man es so nennen soll) des Titels „Happy Heart“, – wie konnte ein Redakteur so schnell so fleißig sein?

Erschienen ist der Titel, natürlich, im „Happy Music Verlag“, und zum Intro gleitet die E-Gitarre vom zweigestrichenen g aus nach unten, platscht auf betonhartes C-Dur. Das macht Spaß, das ist Freude, da hüpft das Herz und schlägt Purzelbäume, noch bevor der Song überhaupt begonnen hat. Dann aber kommt die Stunde des galanten Schlagwerks, immer leicht federnd, als habe es gerade zwei neue Hüftgelenke bekommen. Das Schlagzeug ist dazu da, all die Zweifler und Nörgler der Hansi-Happiness abzuschmettern.

Das Wort „hüftlahm“ bietet sich an, aber ich scheue den Weg zum Computer nicht, ich will die Musik in voller Sound-Qualität erleben. HIER. Hört, wohin der Bass geht, – in betonhartes C-dur!? 35 Sekunden genügen. Hat er den Trugschluss nicht gehört? Aber weiter im Text:

Man muss diese luftige Balance aus beinahe Nichts und beinahe Etwas schon genau hinbekommen, alles musikalisch oder sonst wie Tiefschürfende würde hierbei stören. Für den anspruchsvollen Hörer, der hier aber wirklich nicht gefragt ist, klingt das oft wie „Music Minus One“, die Übeplatten für Solisten, auf denen nur die Orchesterbegleitung zu hören ist.

Eine sehr schöne Beobachtung, die der Autor jedoch sogleich zurückweist, denn das schon erwähnte Wort liegt ihm auf der Zunge:

Dieser hüftlahme Vergleich ist aber falsch. Es geht hier vielmehr um Wellness des Herzens und Happysound der Seele. Man hat das schon mal analysiert („man“? – wer denn, um alles in der Welt?): Über die schon seit ein paar Takten anvisierte Septe im Bass, also dem Sekundakkord, fällt das beinahe erreichte D-Dur in die flauschig ausgebreitete Subdominante, das reine G-Dur, das ein bisschen nach frischem Heu riecht.

Nach frischem Heu? Es riecht nach Déjà-vu. Finde ich die Analyse im Internet? Nein, nicht sofort. Ich lande vielmehr HIER. Auch hier das frische Heu und noch mehr als ich hoffen konnte: Schweinequieken und ein Masseur mit heißen Steinen.

Da muss ich mich meiner Stimmgabel nicht schämen. Mir fehlt das absolute Gehör.

Quelle der eingerückten Zitate (mit Ausnahme des roten Zwischenrufes): Süddeutsche Zeitung 11. Juni 2015 (Seite 9)  Glück ohne Abgrund  Die ideale Balance aus beinahe Nichts und beinahe Etwas: Der Bandleader James Last ist tot / Von Helmut Mauró

Zur Schonung des Journalisten sei vermutet, dass er vielleicht nicht von dem Youtube-Konzert-Video ausgeht, das aber immerhin aus dem Jahr 1977 stammt; es wird keine „archaischere“ Frühfassung geben, sagen wir ohne die auffällige „Rückung“. Vielleicht steht es in den Noten anders. Aber: hat ein Musik-Journalist etwa echte Noten? Gar aus dem Happy-Music-Verlag, den er erwähnt???

Auf unserm irgendwie authentischen Video also beginnt das Klavier (nicht die E-Gitarre) und zwar in G-dur, die Basstöne der Akkordfolge des Klaviers steigen abwärts:  g‘ (4mal) fis‘ (4mal) f‘ (4mal) e‘ (4mal) es‘ (4mal) d‘ (2mal) g‘ (2mal) fis‘ (4mal) – und dieses fis‘ ist Bestandteil des Dominantseptakkords (d‘-fis‘-a‘-c“) – und könnte nun rückkehrend „aufschlagen“ – aber wo??? Niemand erwartet etwas anderes als ein G-dur, dieselbe Tonart, in der es begann. Was kommt stattdessen? Ein B-dur, ob rein oder nicht, da platscht nichts auf, es ist eine Überraschung – nennen wir es Rückung oder Trugschluss, jedenfalls ein Sprung in die terzverwandte Tonart B-dur. Und wenn das B-dur seine Pflicht getan hat, – hier ist endlich auch der E-Bass dabei, und zwar mit den Pfundnoten B A G F Es D C B D D / und jetzt alle: E Fis / G-dur (bei 0:32) – da sind wir ja wieder!

Man sieht vielleicht: schon der harmloseste Ansatz einer Analyse wirkt etwas anspruchsvoll und würde dennoch genau die simplen Harmonieformeln ans Licht bringen, nach denen die Musik ohnehin klingt. Nichts, was nicht 100 bis 200 Jahre alt wäre. Und die Melodie macht fortwährend Gebrauch vom sogenannten Sequenz-Gang: jede kleine melodische Wendung wird, kaum ist sie vorgetragen, eine Stufe tiefer gesetzt, und sofort noch einmal, – das ist zeitgleich vorauszusehen, schon im Ansatz. Die Leute schalten blitzschnell und freuen sich ihres musikalischen Einvernehmens so sehr, dass sie rhythmisch mitklatschen und schunkeln.

Aber bloß keine Hochkultur-Ironie! Erheben wir uns von den Plätzen. So etwas wird es auch noch lange nach James Last geben.

PS. 12.06.

Es lässt mir keine Ruhe, ich glaube, ich muss diesen Anfang erst notieren, ehe ich ihn loswerde. Vor meinem inneren Auge steht die Bläser-Phalanx, davor der Admiral im weißen Anzug, etwas erhöht die gleißenden Damen mit Geigen, in der Tiefe das dumpf schaukelnde Publikum, man möchte laut schreien. Ich muss es aufschreiben, damit die Banalität des Frohsinns zu einem bloßen Schriftbild gerinnt. – Aber nun hab ich’s, weshalb es mich verfolgt, mich wider Willen sogar romantisch anheimelt! Nein, vergleichen Sie nur:

0:00 bis etwa 0:27 HIER – dann stoppen, und dann unmittelbar Hier klicken.
Sehen Sie? das ist B-dur mit der ganzen Kraft einer Sequenz, be happy, James, in Ewigkeit, Amen.