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Einfaches sagen

… ohne zu simplifizieren

Ich hatte mir dies Buch bestellt, zugegeben: gegen einen gewissen Widerstand. Der Titel erschien mir als Anbiederung, im Untertitel nochmal ähnlich: „Eine musikalische Entdeckungsreise für Neugierige“, – fehlt nur noch „speziell für Kids“. Für mich war letztlich der Name des Autors ausschlaggebend. Es ist ein sehr anregendes Buch, das keine überflüssigen Anekdoten referiert, sondern sehr nah an der Musik selbst bleibt und uns vorweg zusichert: jede Musik, von der hier die Rede ist, kann man auf Youtube hören. Stimmt. Was zur Folge hat: von der Lektüre – am stillen Ort – direkt ins Internet… So kommt es, dass man täglich woanders landet, ich zum Beispiel auf den letzten Seiten, im Nachtrag und bei Monteverdi. Über die elektrisierenden Worte „Duo Seraphim“ in dem scheinbar völlig misslungenen Satz:

und danach folgt dann auf dann: dann wieder der Lobgesang „sanctus“ = „heilig“ , nacheinander von dreien vorgetragen, dies dreimalige sanctus auf höherem Ton wiederholt, dann dreimal die Anrufung „Sabaoth“, von Stimme zu Stimme weitergereicht, dann dreistimmig aufgefächert (…)

Ich steige aus und glaube, das wirkt nur überzeugend, wenn man katholisch ist (wie ich nicht) oder wenn man das Werk schon seit Jahrzehnten liebt. Und schon bin ich glücklich.

Siehe auch hier , und was ich damals zu erwähnen vergaß…

Die im Text erwähnte Aufnahme mit dem Allegro Siciliano von Philipp Emanuel Bach, gespielt auf Clavichord, gewiss einem etwas fragwürdig gestimmten, immerhin eine Rarität, findet man hier. Zum Ausgleich sollte man das Mozart-Adagio durchaus auf dem Steinway hören: hier.

Kritisches würde ich zu den beiden Beispielen auf der linken Seite anmerken. Wenn tatsächlich eine Musikliebhaberin sagt, sie empfinde eine Verwandtschaft zwischen diesen beiden Themen, so darf man es ihr abnehmen. Aber es „bedeutet“ überhaupt nichts, – es sei denn, man akzeptiert die Behauptung, jedes Stück sei mit jedem verwandt, nur weil beide eine begrenzte Anzahl von Tönen (innerhalb eines vieltönigen Zusammenhangs) in ähnlicher Reihenfolge verwenden. Ein entscheidendes Indiz der Griegschen Melodie ist wohl die Pendelbewegung, darin die dreimalige Abstiegsbewegung, die im vierten Takt verspätet erfolgt. Der ausgleichende Abstieg der aufsteigenden Smetana-Melodie aber liegt jenseits der wiedergegebenen Takte. Die „Empfindung“ eines Laien muss sich ebenso korrigieren lassen wie die eines Fachmannes.  – Ich erwähne das nur, weil Clemens Kühn eigentlich immer recht hat…

Man betrachte auch – zur Ergänzung – die unterschiedlichen Verwandtschaftsgrade der Melodien, die sämtlich dem Moldau-Thema zum Verwechseln nah zu sein scheinen – oder sogar mit ihm identisch sind: hier.

(Fortsetzung folgt)