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Vom Portamento

Wie gebräuchlich war früher die gleitende Verbindung zwischen den Tönen?

Anstelle eines Kommentars gebe ich nur Stichworte zu den Originaltexten. Im folgenden zu beachten die Namen: Baillot, Spohr.

Quelle MGG Musik in Geschichte und Gegenwart Kassel 1998 Sachteil Band 9 Violine Sp 1642

Der nächste Text bezieht sich auf Baillot (darin erwähnt: Spohr). Genau ansehen: die Fingersätze, insbesondere zu Mozart (das andere ist eine nützliche Etüde): am Anfang des Klarinetten-Quintetts KV 581, – der allerdings eigentlich der Klarinette zugedacht ist: der dritte und der vierte Melodieton würde, auf der Geige mit dem 3. Finger gespielt, einen Rutscher ergeben, den man heute unbedingt vermeiden würde. Egal, wie dezent oder lässig man ihn gestalten kann.

Lässiges Portamento, aber Bilder wie

aus einer Zwangsanstalt?

Quelle Marianne Rônez: Pierre Baillot, ein Geiger an der Schwelle zum 19. Jahrhundert. Ein Vergleich seiner Violinschulen von 1803 und 1835 / pdf hier

„… während das Hineingleiten in Töne in romanischer und slawischer Musik häufiger Anwendung finden kann, ja, zur stilvollen Darstellung dieser Musik gehört.“

Quelle Hans Diestel: Violintechnik und Geigenbau / Die Violintechnik auf natürlicher Grundlage nebst den Problemen des Geigenbaues / Kahnt Leipzig 1912, ²1919

Über Spohr und in der Folge Ferdinand David und Joseph Joachim…, aber nicht etwa „jüdische Einflüsse…“ (1948), über die Nachahmung der Sänger und über deren Portamento…

Quelle Arthur Jahn: Methodik des Violinspiels / Breitkopf & Haertel Leipzig 1948

Auers Empfehlung, eine Passage mit Portamento zu singen, um zu entscheiden, ob es gerechtfertigt ist oder nicht. Die abschließende Anekdote hat eigentlich wenig mit dem Thema zu tun („the spicing of the tone they produce with vibrato, portamento and other similar devices“).

Quelle Leopold Auer: Violin Playing As I Teach It / Dover Publications New York (1921) 1980

Violin-Transkription der Sarabande aus Bachs Suite für Cello Nr.V (Fingersatz!)

Bach – „con dolore“

Joseph Ebner 1913

Ich habe keine Cello-Version gefunden, die so klingt, wie diese Violin-Transkription – dem Fingersatz nach – empfunden sein müsste. Die heutigen Cellisten – schon seit Pablo Casals – halten sich sehr zurück, niemand romantisiert ein derart verinnerlichtes Stück. Es gehört zum Allerheiligsten. – Die Geiger aber lassen sich am ehesten im Ausdruck zügeln durch die Akkorde, mit denen Bach seibst seine Solissimo-Adagios einhüllt. Und dementsprechend sieht dann auch die (von Bach) harmonisierte Cello-Sarabande der Suite VI in der Violin-Version ganz anders aus, sparsamster Lagenwechsel ist durch die Akkorde vorgegeben:

Und ausgerechnet dazu gibt es eine historische Aufnahme des Cellisten Julius Klengel, in der er sich allein auf die Melodie konzentriert, die er mit zahlreichen Portamenti anreichert, während er die (leicht abgewandelten) Harmonien einem Klavier anvertraut. Vermutlich in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Die Geiger sind allerdings nicht pauschal entlastet, im Gegenteil:  ich erinnere an die unsägliche Fassung des Air aus der Bach-Suite D-dur von August Wilhelmj: die ganze Melodie auf der G-Saite. Statt vieler Worte folgt gleich der Verweis auf die entsprechende Website: hier. (Oder ist dies die Originalversion des Artikels? Hier). Im Link vorher zu beachten: Wilhelmj wurde 1875 von Wagner, der ihn bewunderte, als Konzertmeister ans Bayreuther Festspielhaus berufen!

Váša Příhoda Wikipedia hier

Fritz Kreisler, siehe auch Chopins Nocturne in Es-dur hier, sowie anschließend Sarasates Malaguena—

Was mich jedoch am meisten erstaunte, war die Wiederkehr (?) und systematische, „chorische“ Anwendung des Portamentos der Streicher im Orchester unter Mengelberg. (Der Zufallseffekt bei Richard Strauss war mir als Negativum in Erinnerung: eine Stelle am Anfang der Mozart G-moll-Sinfonie Takt 12 in den Tönen a“-c“‘-fis“-a“ , nämlich von c“‘ abwärts nach fis“). Übrigens realisierte es ausschließlich in Aufnahmen mit dem Orchestre Concertgebouw Amsterdam, es war sorgfältig einstudiert.

Dazu Kommentar in „Mahler-Dokumente“ (folgt noch!)

Und zum Abschluss etwas ganz Anderes, – von allen guten Geistern verlassen… oder… besessen?

(Zur Sicherheit – ein „Original“: Hier (https://www.youtube.com/watch?v=BB-cpNtbVuo)

Noch ein schönes Gitarren-Beispiel: „Slide“ (Dank an C.A.)

Zugabe (Klassik):

Ein lähmendes Notenbild

Wenn Musikmachen nur mäßiges Vergnügen bietet 

Spohr Duetto II

Es ist Alltag, z.B. morgen 10.30 Uhr bis mittags, eine Probe, für die man sich – schon aus Kollegialität – gründlich vorbereiten muss. Zwei Geigen, beide Stimmen sind nicht leicht, man muss jeden Takt sorgfältig geübt haben, aber es wird durchaus nicht froh und brillant klingen, sondern mühselig und beladen, vor allem fragwürdig hinsichtlich der Intonation, mit allzu vielen schwierigen Vierklängen für nur zwei Streicher…

Aber man kennt diese Formation (Duo oder Duetto für zwei Geigen) praktisch seit der Zeit, als man mit Geigespielen begann, der Lehrer spielte immer mit, nolens – volens. Bei Schülervorspielen kamen sehr bald die Mazas-Duos in Frage, Freundschaften wurden gefestigt. Und irgendwo im Unterbewussten nistete sich die Vorstellung ein, wir sind autark, wir können leben ohne die schwerfällige Bass-Region. Ich werde die Programme heraussuchen, die meine Erinnerungen ans Licht befördern. Bis hin zu Max Regers „großem“ Duo, das wir bei Wolfgang Marschner erarbeiteten: eine mühsame Übephase, bis hin zur Vortragsstunde in der Kölner Hochschule. (Was war das eigentlich? nichts „im alten Stil“).

Hier ist das Dokument vom 26. Juli 1962, durch das aber nicht alles geklärt wird: denn das op. 131b besteht nur aus 3 Duos (Canons u. Fugen), aber das 4. (!) Stück Allegro moderato hat sich mir als „hochromantisch“ eingeprägt. Mein Mitstreiter war damals Dietmar Mantel, der sich bald darauf in die Lehre des Cellisten George Neikrug begab, Marschner ging 1963 nach Freiburg, und ich wechselte innerhalb der Kölner Hochschule zu Franzjosef Maier (später Konzertmeister Collegium Aureum), ein Glücksfall, der mein ganzes Leben prägte. Neben diesen Zettel der Vortragsstunde 1962 setze ich ein fast 10 Jahre älteres Programm meines ersten Geigenlehrers Gerhard Meyer in Bielefeld, der mit meinem Vater zusammen das „Bielefelder Kammertrio“ gegründet hatte.

Reger Duos Hochschule Schüler Meyer 1953

Zurück zur erfreulichen Probe des heutigen Morgens. Wiederholung Louis Spohr op.39 Nr.1 und erster Satz aus der Nr.2 desselben Opus. Ein wunderbares Stück Musik, harmonisch erfindungsreich, alle Möglichkeiten des Lagenwechsels einbeziehend, ohne Rücksicht auf Bequemlichkeit. Manchmal möchte man kaum glauben, dass dies von einem Geiger geschrieben wurde, andererseits konnte doch nur ein Geiger auf die Idee kommen, dass es in dieser Form ausführbar ist. Oder überhaupt zumutbar? Es muss einem schon Spaß machen, mit den Widerständen der eigenen Finger zu „ringen“.

Die folgende – sehr schöne – Aufnahme bitte anklicken und dann oben links in der Ecke auf den kleinen Pfeil gehen, danach im Angebot der Duets auf Nr. 4 „Andante“. (Den Beginn der in diesem Artikel oben abgebildeten Noten erreicht man bei 3:46, falls Sie mitlesen möchten. Achtung: bei 5:53 spielt Violino Secondo ein A, während in den Noten das As nicht aufgelöst ist. Nachprüfen.) [direkt? hier]

Wie war das mit dem „mäßigen Vergnügen“? Eine falsche Befürchtung. Jedenfalls, wenn beide Spieler den Termin ernst genommen (also: gut geübt) haben und die Atmosphäre gut ist. Schließlich geht die Freundschaft auf die gleiche Zeit bei Marschner zurück (siehe oben), bewährte sich damals schon in der gemeinsamen Streichquartett-Arbeit (bei Prof. Günter Kehr). Und in den letzten Jahren ebenso im Duo wie im Quartett.