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Von Lüneburg ausgehend

Das Buch ist da!

backsteingotik

Der Titel des Blogbeitrags ist nur für mich von Bedeutung; Lüneburg war der Auslöser, kommt aber in diesem Buch überhaupt nicht vor. Letztlich waren es ein paar rätselhafte Anmerkungen der Dame, die dort mit einer Führung durch die Kirche St. Nicolai betraut war. Ich konnte es im Nachhinein nicht glauben, dass es eine Art Hierarchie der Steine gebe: zugunsten des geschnittenen Felsens, zum Nachteil des gebackenen Ziegels, richtiger: des Backsteins. Sicherlich ein Missverständnis meinerseits. Aber ein Missverständnis, das zur Suche und zur Bestellung dieses wunderschönen Buches führte, in dem ausführlich vom Material die Rede ist. Ich habe ja auch nicht zum erstenmal Backsteingotik erlebt: Schließlich bin ich in Greifswald geboren, dort in der St-Marien-Kirche getauft, und ich muss bis zu meinem 5. Lebensjahr auch immer wieder den Dom St. Nikolai wahrgenommen haben. Aber wichtiger waren mir die Steinplatten des Bürgersteigs, über die ich hüpfen konnte, ohne die Randlinien zu berühren.

ZITAT

Der Innenraum der romanischen Jerichower Klosterkirche (seit 1148) ist vollständig mit roter Ziegelfarbe getüncht, auf der weiße Fugenstriche einen regelmäßigen Rhythmus erzeugen. Das Baumaterial Backstein wird durch die aufgebrachte Farbe gleichsam veredelt, es erhält eine ebenmäßige Farbhaut. Der genormte Backstein bleibt aber das Modul, das kleinste Maß, das den Raum bestimmt. jeder Stein hat seine Geschichte: Aus einer Grube geschaufelt, wurde der Ton von Menschen durchgeknetet, bevor er bei etwa 800 Grad gebrannt wurde. Ganze Wälder wurden als Brennholz verheizt, tonnenweise wurde Kalk zu Mörtel gemischt. Was bei einem romanischen Kloster wie Jerichow schon eine Leistung ist, gerät bei den fast hundert Meter langen, im Mittelschiff oft mehr als dreißig Meter hohen gotischen Stadtkirchen zu einem organisatorischen, finanziellen und menschlichen Kraftakt.

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In der flachen Küstenlandschaft entwickelte sich durch das Material Backstein eine ganz eigenständige Ausprägung der Gotik. Der Backstein gibt ein sehr kleinteiliges Modul vor, das man baukünstlerisch anders behandeln muss als Haustein. Backstein reagiert anders auf Druck und Zug. Aus Backstein lassen sich bestimmte Detailformen nicht herausarbeiten. Das gotische Raumgefühl, das die tragende, geschlossene Wand optisch aufzulösen suchte, entwickelt sich durch das Material Backstein in der Spätgotik in eine neue Richtung, denn Backsteinmauern betonen eher die Schwere. Die vielfach sich überschneidenden, verschliffenen Formen der französischen Gotik sind damit kaum möglich.

Quelle BACKSTEINGOTIK Die Texte dieses Buches – Deutsche Stiftung Denkmalschutz Bonn, 4. völlig überarbeitete und ergänzte Neuauflage 2005 – stammen von Angela Pfotenhauer und Elmar Lixenfeld. ZITATE Seite 11, 15f etc..

(Fortsetzung folgt)