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Marenzios Figuren

Material zur Rhetorik der frühen Madrigale

Der erste Schritt könnte sein, sie schön zu finden. Sinnlich schön! Für mich begann es mit den Vorlesungen, die ich bei Dietrich Kämper in der Kölner Musikwissenschaft hörte (1967). Er war der erste Dozent, der Schallplatten einsetzte und das Hören der behandelten Werke nicht Privatsache sein ließ. (Was in der Musikethnologie die größte Selbstverständlichkeit war: Hören und Aufschreiben, also: ganz genau hinhören). Er legte das Deller Consort auf, dessen außerordentliche Interpretation alter Musik ich im Juli 1967 live in St.Maximin erlebt hatte. Nie im Leben werde ich das vergessen. Wir spielten dort mit dem Collegium Aureum für Harmonia Mundi ; auch die gemeinsame Aufnahme mit Monteverdis „Tirsi e Clori“ entstand dort. (Erst kurze Zeit später trennten sich die deutsche und die französische HM.)

Eingedenk dieser Begegnung soll auch „meine“ Renaissance nach 50 Jahren mit Madrigalen beginnen. Und mit Bildern. Und mit neuem Blick auf die Rhetorik, von der ich damals noch gar nichts wusste. Und später habe ich sie nur auf Bach bezogen studiert. Dies zum Eingewöhnen:

Dieses Video ist leider nicht mehr abrufbar. Gehen Sie stattdessen gleich auf das Marenzio-Madrigal, das unten näher behandelt wird. Hier im externen Fenster. Lassen Sie es dort im Wartestand. (Achtung: Beginn mit ein paar Sekunden Werbung!)

MADRIGALI di LUCA MARENZIO Ausführende: Concerto Italiano, Rinaldo Alessandrini

Inhalte gelöscht! Liste entfernt!

Leider ist das Madrigal, das ich gesucht habe, nicht dabei. Ich gebe die Liste, falls jemand Einzeltitel nachschlagen will. Das was ich suche, brauche ich aus autodidaktischen Gründen, es steht bei Unger im Anhang:

Marenzio a Marenzio b

Immerhin, hineinhören kann man HIER Tr.4 bis etwa Takt 16. Ein weiterer Lernvorgang: die 5 Stimmen in einen spielbaren Klaviersatz übertragen (ist aber leider nur bedingt sinnvoll, wegen der Stimmüberschneidungen), die Klangphantasie darf sich daran entzünden. Aber zunächst, – wer war Luca Marenzio? Siehe Wikipedia hier.

Eine recht gute Einführung könnte man hier studieren, wenn sie nicht ein paar kleine Stolpersteine enthielte, die vielleicht übersetzungsbedingt sind. Z.B. wenn nicht klar zu sein scheint, wer historisch von wem übernimmt, – so jedenfalls nicht: „Burmeister übernimmt und integriert die Analyse, die Unger in seiner Schrift Die Beziehungen zwischen Musik und Rhetorik im 16.-18. Jahrhundert vorgeschlagen hat.“

Ich beschränke mich deshalb ganz und gar auf meine Quelle: Hans-Heinrich Unger (1941 bzw. 1985). Den Text und die Übersetzung entlehne ich der Internet-Quelle Lucio Ivaldi.

Quando i vostri begl’occhi un caro velo  Wenn Eure schönen Augen ein teurer Schleier,
Ombrando copre semplicetto e bianco, einfach und weiß, mit Schatten umhüllt,
D’una gelata fiamma il cor s’alluma, wird mein Herz von einer eisigen Flamme erleuchtet,
Madonna; e le midolle un caldo gelo   oh Herrin; dann überläuft es mich kalt und heiß,
Trascorre si, ch’a poco a poco io manco, so dass ich allmählich vergehe
E l’alma per diletto si consuma.               und sich meine Seele vor Entzücken verzehrt.
Così morendo vivo; e con quell’arme     So lebe ich sterbend; und mit diesen Waffen,
Che m’uccidete, voi potete aitarme.       die mich töten, könnt Ihr mich retten.

***

Dies ist nur ein Anfang, der mich verpflichten soll… Aber zunächst etwas, das eher zur Abschreckung geeignet ist:

Unger Marenzio b Zum Lesen bitte anklicken!Unger Marenzio c Quelle: Unger a.a.O. S. 137 f

Hier folgt eine besser lesbare Wiedergabe des Marenzio Madrigals (realisiert von Allen Garvin). Zu beachten ist, dass die Großtakte unterteilt wurden, so dass sich eine andere Zählung ergibt. Daher habe ich diejenige der UNGER-Wiedergabe nachgetragen. Die roten Zahlen entsprechen der im vorigen Beispiel wiedergegebenen Aufzählung der verwendeten rhetorischen Figuren 1) bis 17). Auf die Wiedergabe der Erläuterungen, die sich in Ungers IV. Kapitel (Seite 62 bis 89) befinden, habe ich verzichtet, da sie sich mit Hilfe der obigen Tabelle einigermaßen aus dem Notenbilde erschließen lassen. Nur eins sei hervorgehoben: „Mimesis“ bedeutet hier „Nachspotten eines zuvor gesagten Wortes oder Ausspruches“ (Gottsched), einfach gesagt: es handelt sich um Wiederholung. Ein „Noema“ unterschiedet sich von der Umgebung durch seine einfache Gestaltung: z.B. homophone Abschnitte in ansonsten polyphoner Landschaft.

Marenzio Partitur rhetor a Marenzio Partitur rhetor bMarenzio Partitur rhetor c

Übrigens ist man heute nicht mehr in erster Linie auf Ungers Buch von 1941 angewiesen, dessen Nachdruck, soweit ich weiß, vergriffen ist. Im Lexikon MGG (Sachteil, Band 6, Sp. 814-852) etwa gibt es einen hervorragenden Artikel von Hartmut Krones, dessen Inhaltsangabe hier folgt:

Rhetorik MGG

Mehr über Marenzio aus dem Booklet der oben wiedergegebenen CD (das Original ist so klein gedruckt, dass man es nur mühsam lesen kann, – aber es lohnt sich):