Schlagwort-Archive: Friedrich Wilhelm Korff

Duo Seraphim

Woher kommt Monteverdis Text? 

Duo seraphim clamabant alter ad alterum:
Sanctus Dominus Deus Saboath.
Plena est omnis terra gloria ejus. (Isaiah 6:3)

Tres sunt, qui testimonium dant in coelo:
Pater, Verbum et Spiritus Sanctus:
et hi tres unum sunt.
Sanctus Dominus Deus Sabaoth.
Plena est omnis terra gloria ejus.

Übersetzung:

Zwei Seraphim riefen einander zu:
Heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Alle Lande sind voll seines Ruhmes.
Drei sind, die Zeugnis geben im Himmel:
Vater, Wort und Heiliger Geist.
Und diese drei sind eins.
Heilig ist Gott, der Herr Zebaoth.
Alle Lande sind voll seines Ruhmes.

Die Vorlage findet man bei Jesaja, 6. Kapitel, wenn auch in etwas anderer Form :

Duo Seraphim Jesaja Lutherbibel

Und nach dem Vortrag in Hannover, in dem Monteverdis Version aus der „Marienvesper“ als Beispiel erklang, – die Zweistimmigkeit geht zur Dreistimmigkeit über („Tres sunt“), gleich danach heißt es „et hi tres unum sunt“, was durch Einstimmigkeit unterstrichen wird -, machte Prof. Friedrich Wilhelm Korff, der zugehört hatte, darauf aufmerksam, dass dies zweifellos eine Anspielung auf Plato sei! Ich hatte geglaubt, es sei rein biblisch, aber am nächsten Abend (zum zweiten Vortrag) brachte er die Platon-Kopie mit, die ich unten wiedergebe. Übrigens wusste er nicht, dass ich ihn kannte, sogar seit einigen Jahren sein Pyramidenbuch besitze, dem ich mathematisch absolut nicht gewachsen war, wie auch jetzt wieder nicht den Formeln, die er mir zu pythagoreischen Intervallen vermitteln wollte. Ich werde einen neuen Anlauf nehmen.  (Vielleicht anhand dieser Web-Eintragung?) Aber im Fall der Seraphim möchte ich eigentlich Plato heraushalten. (Wenn auch das Buch Jesaja aus verschiedenen historischen Schichten zusammengefügt ist und durchaus nicht insgesamt lange vor Plato entstanden sein muss. Übrigens bleibt für mich einstweilen ungeklärt, wann der Text die Form angenommen hat, die zu Monteverdis Zeit allgemein bekannt war.)

Duo Seraphim PLATO Bitte anklicken!

Dies ist offenbar die Schleiermacher-Übersetzung. Nehmen wir aber eine andere und einen größeren Zusammenhang, so erscheint die Beziehung auf den „Duo Seraphim“-Text doch sehr gewagt, zumal hier von der Dreifaltigkeit, dort von der Seele die Rede ist.

Die Seele hat nun aber nicht etwa, wie wir jetzt später von ihr zu reden beginnen, so auch der Gott erst nach dem Körper gebildet, [C] denn nicht würde er bei der Zusammenfügung beider zugelassen haben, daß das Ältere von dem Jüngeren beherrscht werde, sondern wir, wie wir vielfach vom Zufälligen und Angenäherten abhängig sind, reden nur gerade eben auf die entsprechende Weise, er dagegen fügte die Seele so, daß sie ihrer Entstehung so wie ihrer Vortrefflichkeit nach dem Körper voranging und ihm gegenüber die dem höheren Alter zustehende Würde empfing, als seine künftige Herrin und Gebieterin aus folgenden Bestandteilen [35 St.3 A] und auf folgende Weise zusammen. Aus beiden, nämlich aus der unwandelbaren und immer sich gleich bleibenden Substanz und der wandelbaren, mischte er eine dritte Art von Substanz zusammen, zwischen der Natur des Unwandelbaren und der des Wandelbaren, und stellte sie neben diese, zwischen dem Unwandelbaren und den Körpern mit der an ihnen haftenden Wandelbarkeit. Darauf nahm er alle drei und mischte sie zu einer einzigen Gestaltung zusammen, indem er die der Mischung widerstrebende Natur des anderen gewaltsam mit dem Unwandelbaren verträglich machte. Und nachdem er so beide mit der Substanz gemischt und so aus Dreien Eine gemacht hatte, teilte er wiederum dieses Ganze in so viel Teile als es sich gehörte, so aber, daß jeder Teil aus dem Unwandelbaren, dem Wandelbaren und der gemischten Substanz zusammengesetzt war.

So nach folgender Quelle. Übersetzung von Dr. Franz Susemihl in: Platon’s Werke, vierte Gruppe, sechstes und siebentes Bändchen, Stuttgart 1856, bearbeitet. Urheber dieser Wiedergabe siehe hier.

Zur Bedeutung des Buches Timaios (Timaeus) von Platon in Kirchengeschichte, Literatur und Psychologie (C.G.Jung) siehe bei Wikipedia hier.

Zu den Seraphim findet man biblische Zitat-Hinweise hier. Wo aber steht, dass es zwei sind? Vielleicht dank eines Lesefehlers bezogen auf die Versangabe 2 in Jesaia 6? „2 Seraphim standen über ihm…“ Vielleicht deshalb die Korrektur: „Tres sunt…“?

In Meyers Enzyklopädischem Lexikon steht die Auskunft: „In der Einteilung der Engel in neun Chöre durch Dionysios Areopagites bilden die Seraphim einen dieser Chöre, der mit den Cherubim das Trishagion singt.“ (s.u.)

Ein sehr merkwürdiger Hinweis: die Seraphim haben ein Geschlecht, es wird mit dem Wort „Füße“ umschrieben. Siehe Serie Piper Altes Testament Einführungen Texte Kommentare München 1970 ISBN 3-492-10347-2 (Seite 344):

Jesaja Seraphim Piper

In der Göttlichen Liturgie des Heiligen Chrysostomos (Seite 65f) singt der Priester:

Wir danken Dir für diesen Gottesdienst, den Du von unseren Händen anzunehmen geruhtest, obgleich vor Dir stehen Tausende von Erzengeln, Zehntausende von Engeln, die sechsflügligen, vieläugigen, fliegenden Cherubim und Seraphim, das Siegeslied singend, rufend, jauchzend und sprechend:

Chor:

Heilig, heilig, heilig / ist der Herr Sabaoth. / Erfüllt sind Himmel und Erde / von Deiner Herrlichkeit. / Hosanna in der Höhe. / Hochgelobt sei, der da kommt / im Namen des Herrn. / Hosanna in der Höhe.

Quelle Die Göttliche Liturgie unseres heiligen Vaters Johannes Chrysostomos / Leipzig 1976 / Daraus auch die folgende Ikone, bezeichnet als „Dreifaltigkeit (Gastfreundschaft Abrahams)“ Seite 67

Dreifaltigkeit

Ich hätte gleich in das Booklet der Marienvesper-CD schauen sollen, deren Musikbeispiel für „Duo Seraphim“ ich verwendet habe (Concerto Italiano, Rinaldo Allessandrini).  Darin ist zu lesen, dass dieses Stück keine Verbindung hat zu irgendeiner Marien-Liturgie. Stattdessen ist die Heilige Trinität, auf die sich der Text bezieht, Ursache des Martyriums der Heiligen Barbara, der die Basilika von Mantua gewidmet ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es der Zelebration dieser Heiligen gewidmet, was bedeutet, dass die Vesper für Mantua komponiert wurde und zwar zwischen 1607 (dem Jahr der Publikation des Orfeo; der Anfang ist in der Tat eine Neubearbeitung der Toccata des Opernbeginns) und 1610. – Das Heiligenlexikon berichtet über die Heilige Barbara:

Allgemein ist die Annahme, Origenes sei ihr Lehrer im christlichen Glauben gewesen. Uebrigens trug sie schon von frühester Kindheit an ein Verlangen nach höheren Dingen in sich. Einst soll sie die Sterne betrachtet haben und von tiefer Sehnsucht ergriffen worden seyn, zu wissen, was sie seyen und wer sie gemacht habe. Was man ihr Heidnisches über ihre Bedeutung sagte, genügte ihr nicht. Darauf soll sie zum unbekannten Urheber der Gestirne gebetet haben, als Origenes in ihre Nähe kam und sie im Glauben unterrichtete. Mit der Zunahme ihrer Jahre dachte Dioskorus daran, seine Tochter zu vermählen, und machte ihr deßfalls auch Vorschläge; allein sie dachte nicht an irdische Verbindungen und bat ihren Vater, sie mit solchen Anträgen zu verschonen. Diese Zartheit schrieb er ihrem Menschen zu, und dachte auf ein Mittel, sie zu vermögen, zumal die Gesuche um ihre Hand an ihn immer häufiger wurden. Um sie durch Langweile und Entbehrung seiner Gegenwart auf andere Gedanken zu bringen, kündigte er ihr eines Tages an, er werde eine weite Reise vornehmen. Barbara erbat sich von ihm ein Badezimmer in ihrem Thurme, wo sie sich immer noch aufhalten mußte. Der Vater willfahrte ihrer Bitte, gab den Plan derselben, ordnete zwei Fenster zu dessen Beleuchtung und trat die Reise an. Die fromme Jungfrau ließ die Arbeit beschleunigen, aber anstatt der zwei Fenster deren drei machen und ein Kreuz an einer Wand anbringen, um das Geheimniß des dreieinigen Gottes und das Zeichen der Erlösung stets vor Augen zu haben. Es findet sich zwar in unsern Quellen keine Andeutung darüber, aber doch wäre es möglich, daß sie diesen Badeort sich erbeten habe, um während der Abwesenheit des Vaters getauft zu werden.

Quelle Vollständiges Heiligen-Lexikon oder Lebensgeschichten aller Heiligen, Seligen etc. etc. aller Orte und aller Jahrhunderte, deren Andenken in der katholischen Kirche gefeiert oder sonst geehrt wird, unter Bezugnahme auf das damit in Verbindung stehende Kritische, Alterthümliche, Liturgische und Symbolische, in alphabetischer Ordnung. Herausgegeben von J. E. Stadler, F. J. Heim und J. N. Gina 1858 – 1882. Siehe bei ZENO Hier

Nachtrag 18.04.2015

Johannes-Brief Drei sind 1. Johannes Brief, siehe Vers 7 und Anmerkung

Dieser Hinweis stammt aus einem Text von Francis Hüsers:

Der Text von „Duo Seraphim“ entstammt einem Antwortgesang aus einer Sammlung von Papst Innozenz III (1198-1216), der in einem Franziskaner-Brevier 1230 erstmals erschien und letztlich auf zwei biblische Quellen zurückgeht: Jesaja 6.3 und 1. Johannes-Brief 5,7. Die alttestamentarische Quelle liefert dabei das sinnliche Bild der beiden einander rufenden Engel – vielleicht im Himmel in einem gehörigen Abstand voneinander schwebend, so wie zwei Menschen auf zwei benachbarten Berggipfeln stehen könnten -, wohingegen die neutestamentarische Quelle den theologisch eigentlich zentralen Inhalt liefert, nämlich die Akklamation der Heiligen Dreifaltigkeit, also die Einheit von Gott, dem Wort (das im allgemeinen Verständnis dann mit dem Sohn Jesus Christus gleichgesetzt wird) und dem Heiligen Geist. Dies gab auch Anlass für die Spekulation, ob Monteverdis noch in Mantua erstellte Komposition möglicherweise gar nicht für die Marienfeste, sondern für ein Fest der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin in Mantua gedacht war (und dort vielleicht sogar aufgeführt worden ist), weil die Heilige Barbara wegen ihres Glaubens an die Dreifaltigkeit das Martyrium erlitt.

Quelle Sinn und Deutung der Marienvesper-Texte und des Combattimento di Tancredi e Clorinda. Von Francis Hüsers (Mitarbeit: Lena van der Hoven). IN:

marienvesper / combattimento di tancredi e clorinda / Claudio Monteverdi / Herausgegeben von der Staatsoper Unter den Linden Berlin 2007 (René Jacobs, Luk Perceval, Francis Hüsers)