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Sprechen Sie bäumisch?

Eine Antwort auf die Forstwirtschaft (noch in Arbeit)

ZDF Markus Lanz mit Peter Wohlleben HIER ab 1:00:17

ML: „… erst gestern gab es n kritischen Bericht bei den Kollegen der Süddeutschen, wo namhafte Biologen plötzlich auf Sie losgehen und sagen: da sträuben sich bei uns alle Nackenhaare bei dem, was Peter Wohlleben uns da erzählt…“

Es ist mir im Augenblick zu mühsam, diesen Artikel nachzulesen. Ich selbst habe mich schon mal dankbar geäußert, gerade angesichts eines Artikels von Hanno Charisius hier, über den auch ein Wikipedia-Artikel ganz gut informiert. Woraus aber nicht automatisch folgt, dass er immer und überall völlig unbefangen berichtet. Also interessiert mich die Gegenrede.

Peter Wohlleben (spricht sehr schnell, ich kann für einige Details Hörfehler nicht ausschließen JR)

(ab 1:00:44) Ich bin im Sommer vom Chefredakteur vom Stern gefragt worden, ob ich die Titelgeschichte über die deutsche Forstwirtschaft schreibe, ich hab echt überlegt: halt ich das aus, o.k. ich mach das, im Wissen, dass es dann Haue gibt. Denn wir haben zwei heiße Sommer gehabt, es werden sich nach aktuellen Prognosen innerhalb der nächsten Jahre wird sich über die Hälfte der Waldfläche verabschieden, und das liegt nicht am Klimawandel. Der löst das aus, die Wälder sind runtergewirtschaftet. Und dazu gibt es ne Reihe von Studien, – was Sie grade erwähnt haben, die namhaften Biologen sind Forstwissenschaftler, die der Forstindustrie zuarbeiten, es sind in der Regel zwei, und ein Lobbyist des deutschen Forstwirtschaftsrates, das ist das Gremium, das die Forstwirtschaft promotet. Ich wusste: diese drei Leute, die schießen jetzt quer, was die machen, ist zum Beispiel, dass sie sagen: „Holz ist CO²-neutral. Oder weitestgehend CO²-neutral, obwohl rund tausend Wissenschaftler, und es sind renommierte Leute dabei, Chief Scientist UK usw. Cambridge, Harvard, Oxford usw. haben sich an die EU gewandt und gesagt: „bitte, macht das nicht mehr, fördert – ans EU-Parlament schreiben – nicht mehr die Verbrennung von Holz, weil es schlechter als Kohle ist fürs Klima. Wir haben tolle Studien in Deutschland, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, wir haben z.B. festgestellt, dass alte Wälder die Temperatur im Sommer im Schnitt um 15 Grad runterkühlen, im Vergleich zu ner Stadt oder zur offenen Landschaft, also eine Riesenklimamaschine, und sie wird in Deutschland verfeuert. Wir verfeuern ungefähr soviel, wie im Wald nachwächst, das sind also Stoffströme, es wird nicht alles verfeuert, was eingeschlagen wird Bauholz gemacht, dafür wird Holz importiert, in Summe entspricht das dem gesamten Holzanschaff (?), was wir verbrennen. Und diese Leute behaupten, es ist CO²-neutral, obwohl es wirklich mehrfach und von viel, viel renommierten, wie gesagt, es sind rund tausend Forscher, die es widerlegen – die Studien sind zum Teil relativ alt, eh man hätte gegensteuern können, aber die möchten natürlich Holz verkaufen. Wir haben das in der Erölindustrie genauso, dort gibt es natürlich Wissenschaftler, die sagen: Öl ist gar nicht so schlecht fürs Klima, die haben gesagt in den 70er Jahren: den Klimawandel gibt es nicht, und das muss sich mal jeder selber überlegen, ein Baum, den man abholzt, der 100 Jahre alt ist, der aber 1000 Jahre werden könnte, der würde ja weiter CO² einspeichern, der würde das auch entsprechend konservieren, während langlebige Produkte in Deutschland in der Regel nach 32 Jahren in der Verbrennungsanlage sind, also inklusive Dachstühle, Möbel usw., Schnitt 32 oder 33 Jahre. Das ist genau der Punkt: man sagt, wo kommen die Leute her? übrigens die Stern-Geschichte, die haben ja wirklich in 4 Tagen alles auseinandergenommen, bis abends um 10, was ich super finde, mehrfach Quellen belegen, alles hinterlegt, jeden Satz, eh jetzt steht natürlich – und das habe ich provoziert – die Forstindustrie auf und sagt: Mist, der verdirbt uns das Geschäft, jetzt eh wehren wir uns – ist ja auch ihr gutes Recht –

ML … man muss auch dazu sagen: im Grunde – diese Romantik, die Sie da mit reinbringen, die Vermenschlichung quasi des Waldes, dass Sie Bäumen quasi Gefühle zusprechen, Pflanzen – Neurobiologie ist das Thema, – dass große Bäume kleine Bäume aufziehen, und da wird jemand zitiert, der sagt: das ist totaler Quatsch, das ist ein ganz harter darwinistischer Vorgang, der da stattfindet, wenn so ne Buche wachsen soll, dann zieht die keine kleinen Kinder da mit auf, dann sorgt die dafür, dass sie selber genügend Wasser abkriegt, und nur dann kann sie durchkommen, und die allermeisten Buchen kommen nicht durch – was entgegnen Sie diesen Leuten? (01:04:12)

PW Na, also dann verweise ich auf Studien. Ich selber bin ja kein Wissenschaftler, ich bin ja der Übersetzer sozusagen, aber das war ja in der Antike schon so, der Bote wird gekillt, und es wird nicht über die Nachricht unterhalten. Ehm Es ist… das sind Forschungen, es sind deutsche Forschungen übrigens mittlerweile, in der Schweiz auch, über diese Stoffströme, man hat das lange so gedacht – ich übrigens auch, als Förster, man muss da flexibel sein  –  … sagen: oh Mist – die Forschung ganz andere, ich hab früher auch gedacht: Bäume kämpfen gegeneinander, und der Förster mit der Motorsäge ist der Schiedsrichter, ne? und der Ausscheidende, der wird dann noch zufällig verwurstet, ist ja o.k., ist ja n schöner Rohstoff. Nur mittlerweile wissen wir, und was heißt mittlerweile –  wir haben das schon im Vorpraktikum unseres Studiums in Lehrgängen beigebracht bekommen, dass Bäume untereinander Stoffströme haben und teilen. Damals wurden übrigens Bäume noch mit Agent Orange vergiftet, der Hintergrund ist ein ganz düsterer, es war zu teuer, Bäume abzusägen, also hat man sie mit ner Glasampulle vergiftet, Laubbäume, weil man die nicht haben wollte, (ML „entlaubt!“) und wurde gesagt: passt auf, die Nachbarbäume sterben mit ab, die sind mit vernetzt. Das war 1983, dann Anfang der 90er Jahre hat die Universität Vancouver festgestellt: oh, es fließen Stoffströme, Zuckerströme von dem Mutterbaum zu den Sämlingen, zu den eigenen, das kann man bei den genetischen Untersuchungen herausfinden, und … vor allem übern Geigerzähler, das war also radioaktiv markiert, man konnte also genau messen, wo läuft der Zucker hin? zu den eigenen Sämlingen, und ich finde, also das ist schön, aber ich habe mir die Welt nicht schön gemalt, sondern das ist Wissenschaft, vielleicht wissen wir in 10 Jahren ganz andere Sachen, das ist der aktuelle Stand. 01:05:41

ML Sie malen die Welt auf eine Weise dann trotzdem schön, Sie haben einen wirklich tollen Dokumentarfilm mitgebracht, einen Kinofilm, und ich würde gern mal zeigen, einen kurzen Ausschnitt: Polnischer Urwald. Also – wie würde ein echter Urwald, den es leider in unseren Breiten so gut wie … gar nicht mehr gibt (PW bejaht), – wie würde der aussehen? Ehm Was sehen wir da, Herr Wohlleben? Können Sie uns das mal erklären?

PW Białowieża – Das ist der Wald, der immer mal wieder abgeholzt werden sollte. Auch dort sagen Förster: nur ein abgeholzter Wald ist ein guter Wald, und damals haben Aktivisten dafür gekämpft, dass der stehenbleibt. Da sieht man also Eichen, da sind Hainbuchen, das ist Ahorn, unsere heimische Rotbuche kommt so weit im Osten schon nicht mehr vor, aber man sieht: es ist gut zu belaufen, da ist viel Totholz, und das kühöt, das speichert Wasser wie n Schwamm, also diese Wälder sind nach heutigem Stand überlebensfähig. ML Da liegt auch viel rum, wie wir grade sehen. Das was umfällt, bleibt einfach liegen… PW …bleibt alles liegen, es ist ja Urwald. ML …und kommt dann der böse Borkenkäfer…1:06:39 der Borkenkäfer schlägt dann auch zu, und das ist ein natürlicher Prozess, wenn Bäume schwächeln, dann werden sie von Parasiten befallen und scheiden aus. Ja das gibt’s auch bei Tieren, und das gibt’s eben auch bei Bäumen, und dann greift der Förster ein und sagt: ich will das aber nicht. Das ist im Wirtschaftswald ja verständlich, – und sagt: ich will die auch noch n Sägewerk bringen, aber doch nicht in einem Schutzgebiet, ne? und da ist es eben auf europäischer Ebene gerichtlich untersagt worden, man hält sich nicht so ganz dran, also auch dort schützen wir mit unserer Waldakademie immer wieder unsere Aktivisten.

ML Sie haben faszinierende Zeitrafferaufnahmen mitgebracht, wo man sieht, wie Wachstum im Zeitraffer aussieht. Was war für Sie die wichtigste Erkenntnis aus dem, was Sie da gesehen haben. Es ging ja offenbar über nen relativ langen Zeitraum… da!

PW Also meine wichtigste Erkenntnis generell ist, das taucht auch im Film auf, dass diese alten Stümpfe, die ja eigentlich überhaupt nichts mehr dazu beitragen zur Gemeinschaft, die haben keine Blätter mehr usw., nach Jahrhunderten noch leben! Und zwar über Wurzelverwachsungen, die werden von den Nachbarn miternährt mit Zuckerlösung. Also das ist wissenschaftlich erwiesen, – wenn es Konkurrenten wären, dann würden die doch den Hahn zudrehen und sagen: verrecke! Ne? Machen die aber nicht, da ist… ML … was sehen wir da grade?   PW das ist n Farn, der sich entwickelt, für mich ist das Schöne: Pflanzen sind lahm! Und deswegen sind das für uns nicht viel mehr als grüne Steine, aber in der Zeitraffer(aufnahme) sieht man: die bewegen sich! Die kommunizieren auch… RY das ist schön! total schön! PW das sind wunderbare Wesen, sie haben den großen Nachteil, dass sie lahm sind, und: sie haben keine Nervenbahnen, sie regeln das anders: sie regeln das über Chemie, sie regeln das über Elektrizität, und sehr viel langsamer als das Menschen und Tiere tun würden, deshalb haben wir die bisher nach einer Art Ranking ganz unten angesiedelt. Also man sagt, mit Menschen muss man sehr vorsichtig sein, mit Tieren so lala, das ist aktuelle landwirtschaftspolitik, die erlaubt ja noch, Schweinen ohne Betäubung die Hoden rauszureißen, aber das wird vielleicht auch noch…, aber Pflanzen! Pflanzen doch nicht! man sagt: Moment mal, die sind schon anders, gar keine Frage, aber dass das bloße Bioroboter sind, das ist Quatsch. (Beifall 01:08:37)

ML Bio-Roboter — diese vielen Mikroorganismen, die da eine Rolle spielen, das versteht man sehr gut, wenn wir nur n ganz kurzen Blick in diesen Film reinwerfen, dann bekommt man ne Idee davon, was Wald eigentlich fürn faszinierender Kosmos ist. Bitte schön!

PM (Worte im Film) Die verabreden sich über Hunderte von Kilometern hinweg, gleichzeitig zu blühen.

Der Mutterbaum verbindet sich mit dem kleinen und ernährt ihn mit. Man kann regelrecht sagen: der wird gestillt.

Bäume sind keine Holzproduktionsmaschinen – es handelt sich um fühlende Wesen. (1:09:35) Wenn Sie was für den Wald tun wollen, können Sie es unterlassen, dort rumzusägen.

Wenn wir Naturschutz machen, schützen wir nicht die Natur. Wir schützen uns selber.

Natürliche Wälder sind Superorganismen. In einer Hand voll Walderde stecken mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt.

Die Natur können wir gar nicht kaputtmachen, die wird sich bestimmt immer wieder erholen. Der Wald kommt zurück. Es wäre nur schön, wenn wir dann noch da sind. (1:10:21) (Ende PW lacht, das Studiopublikum applaudiert)

Nebenbemerkung JR Auch in diesem Naturfilm ist es wieder mal die Musik, die die Wirkung der Bilder kitschig unterläuft und die Statements seltsam laienhaft wirken lässt.

Markus Lanz: das berührt einen irgendwie, ne? auch wenn man sowas hört, dass in einer Hand voll Waldboden, was da so alles drin ist. PM Wir wissen halt wenig. ich finde immer interessant, wenn Förster sagen, wir tun was für die Artenvielfalt, indem wir Bäume absägen, da kommt mehr Licht rein usw. usf., dazu müsste man erstmal wissen, wieviel Arten gibt es denn – vorher und nachher? Und das Interessante ist, ich frage das immer forstwissenschaftliche Mitarbeiter, die wir auch besuchen oder die zu uns kommen, wieviel Arten sind denn schätzungsweise entdeckt, deren Schätzung, ich habe dazu keine Meinung. 10 bis 15 Prozent. Das heißt also (ML wie in den Ozeanen auch!), … und natürlich Bakterien, das sind vor allem die kleinen, wie gut Bakterien sein können, das sehen wir ja am eigenen Körper, d.h. wir haben noch nicht mal die Arten entdeckt, wir wissen gar nicht, was sie machen, und dann sagen wir: wenn wir eingreifen, passiert genau das, – dass das schief geht, sehen wir ja am laufenden Band, und deswegen muss man sagen, wir brauchen einfach mehr Zurückhaltung, und die Lösung ist ganz einfach: alles was wir nicht wirklich brauchen, und das muss man halt sehr auf den Prüfstand stellen, à propos Auto usw., das sollten wir kräftig zurückfahren. Ich sag mal n einfaches Beispiel: wenn wir nur noch auf den Sonntagsbraten zurückgehen und nicht mehr soviel Fleisch essen – ich selber esse gar keins mehr, aber wenn wir auf den Sonntagsbraten zurückgehen würden, dann könnten wir in Deutschland grob geschätzt, mal durchgerechnet, 50 bis 100 000 Quadratkilometer zurückbringen, also die Waldfläche je nach Schätzung verdoppeln. Das heißt: das hat einen gigantischen Kühleffekt, – natürlich langfristig, das wird so schnell nicht gehen, so dass Sie die Temperaturspitzen dämpfen können. (01:12:08)   (folgt)

Ranga Yogeshwar:  ( 01:12:57) Als ich mir diese Bilder anschaute, tolle Aufnahmen, da ging mir ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf, und das ist: Wir leben natürlich heute in einer Welt des Umbruchs, einer Welt der Verunsicherung, in vielen Bereichen, selbst in der Welt der Künstlichkeit, und ich glaube, der Wald ist sowas wie die Erdung, wie ein stabiler Anker, und ich glaube, ein Teil Ihres großartigen Erfolges geht glaubich darauf zurück, dass Menschen im Moment irgendwo Halt suchen. Mir geht es natürlich an der einen oder anderen Stelle, wenn es um Vermenschlichung geht, ehrlich gesagt, ein bisschen zu weit, also das ist so eine Übertragung von uns Menschen auf die Botanik, die ich, ja, vielleicht nicht teile. Aber ich glaube, dahinter ist eine Stimmung, und die Stimmung ist entweder: man kuckt zurück, eh… greift das auf, was stabil ist, oder – und das ist das, was wir trotzdem wagen müssen, man kuckt nach vorne, indem man nicht das andere ignoriert, aber indem man sagt: wie schaffen wir das jetzt mit Hilfe der Technik et cetera, vielleicht auch nachhaltig für die Zukunft zu machen. Ich meine, wir leben in einem Industrieland, und wir werden nicht die Urwälder haben, die es mal vor x-tausend Jahren gab.

PW  Nenee, aber das ist ja auch nicht der Gedanke dahinter, der Gedanke ist, dass wir eine Größenordnung von 20 Prozent Schutzgebieten haben und den Rest so bewirtschaften, dass es kaum auffällt, auch der Natur nicht. Das gibt es auch schon, das haben wir in Lübeck z.B. und in Göttingen in den Städten, eh und die ernten interessanterweise mehr Holz dort, denn dort wo     wird die nächsten 50 Jahre niemand mehr Holz ernten (folgt)

Und mit den Emotionen, Vermenschlichung muss man sagen: ich kann das halt  schlecht auf bäumisch ausdrücken. (RY lacht) Und der nächste Punkt ist: ich glaube, dass die Wissenschaft – und die Universitäten gehen jetzt zunehmend dazu über, das genau so zu übersetzen – der Punkt ist, es gibt ne tolle Forschung, ne tolle Faktenlage, aber wenn Fakten nicht in Emotionen zurückübersetzt werden – und ich bin ein Optimist, das kommt in dem Film noch später raus, und in Emotionen übersetzen, dann berührt es uns nicht. Und alles was uns nicht berührt, das beschäftigt uns nicht langfristig genug. Und deswegen: ich setze voll auf Emotionen und zwar auf Optimismus. 1:15:14

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Und was sagen wir zu den folgenden Filmausschnitten? Und vor allem: zu den erneuerten kritischen Einwänden? MDR HIER

ZITAT

Hanno Charisius hat jetzt in der Süddeutschen Zeitung mit der bösen wie treffenden Überschrift „Im Märchenwald“ die kritischen bis verständnislosen Reaktionen der Wald- und Forstwissenschaft auf die Thesen von Peter Wohlleben zusammengetragen. „Hanebüchen“, „romantisches Wunschdenken“ würde die kurze Zusammenfassung lauten. Und beim Beispiel des alten Baumstumpfs ginge es weniger um ein soziales Verhalten der Flora, denn um einen Parasiten und einen Schmarotzer. Auch dem Nicht-Wissenschaftler fällt beim Buch wie jetzt beim Film auf, wie Peter Wohlleben menschliche Begriffe, Eigenschaften, Emotionen, ja, menschliches Bewusstsein auf Bäume bzw. den Wald überträgt oder auch: projiziert. Also die drei eng zusammenstehenden Eichen an der Landstraße zwischen Wohllebens Heimatort und dem nächsten Dorf. Also drei Bäume mit identischen Umweltbedingungen, die zu unterschiedlichen Zeiten beim anstehenden Winter die Blätter abwerfen.

Offenbar entscheidet das jeder der drei Bäume anders. Zwei Eichen sind etwas mutiger, und der dritte Baum ist ein wenig ängstlicher oder – positiv ausgedrückt – vernünftiger. (Peter Wohlleben, Förster)

„Mutig“, „ängstlich“, „vernünftig“ – bitte? Klassischer Anthropomorphismus, den Wohlleben hier betreibt.

ENDE des ZITATES

Die in der Kritik genannten Wissenschaftler: Ulrich Schraml , Torben Halbe , Pierre Ibisch. Sind sie neutral oder gibt es spezielle wirtschaftliche Interessen?

Interessant, mit welch rhetorischem und mimischem Aufwand sich Ranga Yogeshwar aus der Affäre zu ziehen sucht. Er sagt eigentlich – nichts, aber dies mit größter Wichtigkeit. Einerseits will er den journalistischen Effekt des Försters nicht untergraben, andererseits sich auf nichts einlassen, was als technikfeindlich gedeutet werden könnte.

Und Wohlleben antwortet allzu wortreich, er hätte sich auf eine kurze ironische Pointe beschränken sollen, die die Entgegnung des anderen als Ausflucht entlarvt.

Für mich wäre der richtige Ansatz die Frage, inwieweit der „anthropomorphe“ Zug mit Blick in die Tierpsychologie oder in die – – – Ethnologie zu relativieren oder ganz zurückzunehmen wäre. Mit dem lustigen Wort „bäumisch“ hat Wohlleben die Stoßrichtung bezeichnet, die Einräumung einer völlig anderen Dimension. Die engen Grenzen der Übersetzbarkeit. Zum Beispiel: Ein Übersetzungsversuch des Papua-Verhaltens in unsere bürgerliche Vorstellungswelt würde völlig in die Irre gehen, – aber vielleicht erste Tendenzen der Empathie aufrufen? Das Fremde zu amalgamieren. Gegenaspekt zur technischen Zukunft: je menschenähnlicher ein Roboter, desto gespenstischer und inakzeptabler… Die Technik müsste als solche in ihren Grenzen durchschaubar bleiben. Keine Anthropomorphie! Erst recht nicht vom hohen Ross der Technokratie freundlich und gewunden zugestanden.

Auch die Philologie als Beispiel: die Notwendigkeit der „Einfühlung“ in historische Weltanschauungen und Epochenstile (nach dem Muster der Mimesis von Erich Auerbach).

Auch der Versuch, meinen Vater in die Musikgeschichte (die Mentalitätsgeschichte) einzubeziehen. Noch leichter wäre es bei meiner Mutter, die viel mehr Geschriebenes hinterlassen hatte und (für seine Begriffe) eine viel zu sentimentale Weltauffassung pflegte. Seine Gemütlichkeit, ihre Ruhelosigkeit. (siehe hier).

Wenn es nicht funktionierte, wie sollte man überhaupt noch Zuversicht in die Gegenwart und Zukunft des Lebendigen entwickeln? Ohne die Anverwandlung (Empathieentwicklung) innen und außen geht gar nichts mehr in dieser (Wald-)Welt. Lässt sich das auch mit dem Wort „Anthropomorphismus“ erledigen?