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Haydn und Boccherini

ZITATE – Fundstücke zur Aufbewahrung

Solingen Konzert 141123 kl  Solingen Konzert 141123 rück

Johann Baptist Schaul: Briefe über den Geschmack in der Musik, Carlsruhe 1809

Zwar ist seine [Boccherinis] Musik nicht für jedermann. Um sie nach Verdienst zu schätzen, – so wie es überhaupt bey Quartetten u.d.g. ist – gehören gefühlvolle Kenner dazu, die seiner seltenen Schönheiten empfänglich sind. Und dann muß seine Musik beim Schimmer der Lichter, in keinem allzugroßen Zimmer gespielt werden. Die Musiker müssen sie eine Zeitlang zusammen studirt, und, so zu sagen, den Lebenssaft, der auch einen Halbtodten wieder erwecken könnte, daraus gezogen haben. Die Zuhörer müssen, gleichsam in Todtesstille versunken, von den Spielenden entfernt sitzen, um sie nicht der Zerstreuung und Störung auszusetzen; diese aber, wenn sie ihre Instrumente gestimmt haben, müssen sich des, jedem empfindlichen Ohre, so unangenehmen Präludierens enthalten, um die schöne und große Wirkung nicht zu schwächen, welche Stille und Überraschung so wunderbar hervorzubringen wissen. Kurz, alles muß wie in einem Heiligthum seyn. Aber dann, welche Musik! Mit diesem Vergnügen ist keines zu vergleichen. Jedes Herz schwimmt in einem Meer von Wonne; jeder glaubt sich in ein Elyseum versetzt. Und so wird die bezaubernde Kunst der Töne allein nach Verdienst und Würde geehrt und genossen.

Solingen Konzert 141123 Progr A  Solingen Konzert 141123 Celloteile

1799 wurden Boccherinis Quartette zum erstenmal an Haydns und Mozarts Quartetten gemessen (AmZ, Nr.36 / 5.Juni Leipzig):

Wenn den B o c c h e r i n i s c h e n  Quartetts auch im Ganzen das Große in der Anlage und Reiche und Frappante der liberalen Durchführung eines kühnen Genies abgeht, das man an den mehrsten H a y d‘ n und M o z a r t‘ s c h e n, auch den frühern von P l e y e l so sehr interessant findet: so kann man ihnen doch gute, oft sehr eigenthümliche und durchweg wohlausgeführte Gedanken, mitunter Feuer, in der Regel aber eine gesetzte Manier und eine gewisse gefällige Methode nicht absprechen. Es verdient wirklich Bewunderung, daß dieser verdiente Komponist, der schon ziemlich hoch in den Jahren seyn muß, und nicht wenig geschrieben hat, doch immer noch soviel Jugend und Frischheit in seine Werke zu legen weiß, und daß er so mit der Zeit fortgeht. Seine oft sehr launigen Menuetts, die er überhaupt etwas zu sehr zu lieben scheint, und die er manchmal sogar etwas barokk macht oder auch in das Geschmeidige der Polonaise fallen läßt, sind Zeuge davon. Man kann also diese Quartetts, die überdem leicht genug zu exekutieren sind, solchen, die nicht gerade die excessive Schreibart für die Violine allen anderen vorziehen, mit gutem Gewissen anempfehlen. Sie sind ziemlich einfach und nicht, wie jetzt der Ton ist, für die Violin übermäßig hoch gehalten.

Leider wird es viel verwöhnte Ohren geben, die vieles davon, wie überhaupt von mehreren der B o c c h e r i n i s c h e n Sachen, zu flach, zu eintönig und unkräftig finden werden. Allein diese mögen bedenken, daß der Geschmack wie das Bedürfnis, verschieden ist, und daß es viele Liebhaber giebt, denen mit ruhiger Unterhaltung mehr, als mit enormen Schwierigkeiten gedient ist. Nicht immer finden sich vier Spieler, die es in der Virtuosität so weit gebracht haben, daß sie den zu schweren künstlerischen Satz, wie ihn die neuesten Quartetts gewöhnlich haben, sollte er auch mehr in chikanierenden Stellen, als in eigentlich sehr kunstmäßiger Bearbeitung der Sätze bestehen, mit Leichtigkeit und ohne auffallendes Unglück bezwingen können.

Quelle der Zitate siehe ganz unten. Quelle des folgenden Artikels: Susanne Koch und Solinger Tageblatt (wiedergegeben mit freundlicher Erlaubnis).

Lamprecht Tageblatt 141115Solinger Tageblatt 15.11.14 (bitte anklicken)

Nachruf auf Luigi Boccherini (AmZ, 21. August. Leipzig 1805):

Vor zwey Monaten starb in Madrit Luigi Boccherini, fast 70 Jahre alt. Er war wirklich einer der ausgezeichnetsten Instrumentalkomponisten seines Vaterlands, Italiens. Gegen die Gewohnheit seiner Landsleute ging er mit der Zeit und der Ausbildung der Tonkunst auch in Deutschland fort, und nahm von den Fortschritten derselben, besonders in wiefern sie von seinem alten Freunde, Joseph Haydn, bewirkt oder veranlasst wurden, in sein Wesen auf, so viel ohne Verleugnung seiner Individualität geschehen konnte. Italien schätzt ihn Haydn, in den Quartetten und ähnlicher Musik beyder, wenigstens gleich; Spanien, wo er den größten Theil seines thätigen Lebens verbrachte, zieht ihn dem deutschen Meister, den man dort zuweilen zu gelehrt findet, in manchen seiner Werke noch vor; Frankreich achtet ihn hoch, ohne ihn Haydn gleichstellen zu wollen, und Deutschland scheint, in seiner jetzigen Vorliebe für das Schwierigere, Künstlichere, Gelehrtere, ihn noch zu wenig zu kennen: wo man ihn aber kennet und besonders den melodischen Theil seiner Werke zu genießen und zu würdigen verstehet, hat man ihn lieb und hält ihn in Ehren. Er hat bis an’s Ende seines Lebens geschrieben, und erst vor kurzem sind schätzbare Quartetten und Quintetten von ihm in Paris herausgekommen. Die Zahl seiner Werke (fast nur Instrumentalmusik von der Sonate bis zum Quintett) ist sehr groß. Ein besonderes Verdienst um die Instrumentalmusik Italiens, Spaniens, und wohl auch Frankreichs, erwarb er sich auch dadurch, dass er der Erste war, der dort Quartetten, worin alle Instrumente obligat gearbeitet sind, schrieb; wenigstens war er der Erste, der mit solchen dort allgemeinen Eingang fand. Er, und bald nach ihm Pleyl in seinen frühesten Werken, machten dort mit der angegebnen Gattung der Musik noch eher Aufsehen, als Haydn, vor dem man sich damals noch scheuete. Er war außerdem in früherer Zeit ein trefflicher Violoncellist, der besonders durch unvergleichlichen Ton und ausdrucksvollen Gesang auf seinem Instrumente bezauberte. Alle, die ihn gekannt haben, rühmen ihn auch als ein wackern, braven Mann, der seine Pflichten gegen Jedermann treulich zu beobachten gewohnt war.

Quelle der Zitate Christian Speck: Boccherinis Streichquartette. Studien zur Kompositionsweise und zur gattungsgeschichtlichen Stellung. Wilhelm Fink Verlag München 1987 ISBN 3-7705-2403-9 (Seite 188 – 191)

Dissertation des Autors, der auch den Boccherini-Artikel des neuen MGG geschrieben hat.