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Psychophysisch

Übungen + Gedanken

Folgender Artikel in der ZEIT 27. Januar 2022 Seite 34f

Wie hält man das aus? Vier Leistungssportler und Profimusiker sprechen über Druck, ihre Ängste und mentale Stärke (ZEIT-Interview: Christiane Grefe, Stefanie Kara)

(Musik: Andre Schoch, 34, Trompeter Berliner Philharmoniker / Tabea Zimmermann, 55, Bratschistin)

Was machen Sie, wenn die Anspannung vor einem Spiel zu groß wird?

THOLE (Beachvolley): Mir helfen Bewegung und Atmung. Beim Aufwärmen bewege ich zum Beispiel meine Beine richtig schnell, in ganz kleinen Schritten, das verringert meine Nervosität. Und ich atme besonders tief, um in der Brust nicht fest zu werden. Für einenTrompeter wie Sie, Herr Schoch, muss Nervosität ja die absolute Katastrophe sein!

SCHOCH: Die Atmung ist für mein Spiel natürlich extrem wichtig. Ich kann sie aber auch nutzen, um mit Nervosität zu umzugehen. Für die Kondition mache ich ohnehin regelmäßig Ausgleichssport… ZIMMERMANN: Ich glaube, ich bin die Einzige in diesem Raum, die keinen Sport treibt. SCHOCH:…und vor dem Konzert mache ich gezielte Atemübungen, um eine bessere Körperkontrolle zu entwickeln und ein bisschen herunterzukommen. Die kann keiner sehen. ZIMMERMANN: Wie gehen die? Schoch: Ich atme zum Beispiel ganz simpel länger aus. Acht Schläge aus, vier Schläge ein, durch die Nase. Nach einer Weile beruhigt mich das. BREMER (25) Fußballerin: Das habe ich früher auch gemacht, als ich vor dem Spiel noch nervöser war. ZEIT: Kann sich der Büromensch davon etwas abgucken, wenn er zum Beispiel vor einer Präsentation aufgeregt ist? THOLE: Auf jeden Fall! Durch solche Atemtechniken verändert sich sofort etwas. Zum Beispiel bei hoher Anspannung kurz die Schultern hochziehen und dann fallen lassen. Das ist eine Blitzversion der progressiven Muskelentspannung, das ist so eine Entspannungstechnik. Mir hilft das, den Muskeltonus runterzufahren. BREMER: Ich glaube, bei einer Präsentation oder einem Referat an der Uni kommt es genauso wie bei einem großen Spiel darauf an, bei sich zu bleiben; also nicht auf das Außen, auf die Leute zu schauen, sondern seinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Wir machen zum Beispiel Meditationsübungen, um diese innere Stärke zu entwickeln. ZIMMERMANN: Bei Musikern finde ich es problematisch, wenn sie »ganz bei sich« sind. Wenn ich als Erstes an mich denke, hat der arme Beethoven schon verloren. Ich sage meinen Studenten deshalb: Lenk dich ab, indem du das tust, was du zu tun hast – nämlich das Stück spielen. Übrigens finde ich, dass auch Routine ein wichtiges Werkzeug für mentale Stärke ist, vor allem am Konzerttag. (…) Früh aufstehen, gut frühstücken, viel spielen. Mittags schlafen. Dann diese eine Stunde Einspielzeit vor dem Konzert, die ist absolut heilig. Da arbeite ich ein Werk rückwärts durch. Letzte Seite, vorletzte Seite … So wie ein Chirurg sein Operationsbesteck bereitlegt. Das alles hilft, nicht daran zu denken, was bei dem Stück schon mal schiefgelaufen ist. Solche Gedanken sollte man absolut vermeiden. THOLE: Das kriegen Sie hin? Wenn ich versuche, nicht an etwas zu denken, geht es erst richtig los! ZIMMERMANN: Ich weiß genau, was Sie meinen! Es gab Phasen in meinem Leben, da fand ich schon den Gang von der Bühnentür zu meiner Position vor dem Orchester so schlimm, dass ich das Gefühl hatte, ich stolpere. Es gibt ja tausend Sachen, die passieren können: Die Saite kann reißen oder der Bogen zittern, besonders wenn man einen langen Ton ganz, ganz leise spielen soll. Da fühlt man sich, als müsse man auf einem dünnen Faden in hundert Metern Höhe laufen. Womöglich ist es auch noch ein Livemitschnitt, und man weiß: Das Mikrofon verzeiht nicht mal den kleinsten Kratzer. Mittlerweile habe ich gelernt, in solchen Situationen kurz die Augen zu schließen und mir ein gelungenes Konzert vorzustellen. Das gibt ein gutes Bühnengefühl. SCHOCH: Mir hilft es, am Konzerttag alles was langsamer anzugehen und Hektik zu vermeiden. Wenn mir der Erwartungsdruck trotzdem zu viel wird, suche ich mir im Publikum eine Person und denke mir: Für sie will ich jetzt ein schönes Konzert spielen. …

ZIMMERMANN: Ich gehe davon aus, dass jeder seine Ängste und schwachen Momente hat. Wir haben in der Musik aber noch eine Herausforderung, die ihr im Sport überhaupt nicht kennt. THOLE: Welche denn? ZIMMERMANN: Wir müssen ganz anders mit Gefühlen umgehen und von einer Minute auf die andere Fröhlichkeit, Trauer oder Verspieltheit ausdrücken. Es erfordert große mentale Stärke, den besonderen Ausdruck des Werkes mit seinen persönlichen Gefühlen in Einklang zu bringen, während man zugleich mit handwerklichen Problemen zu tun hat. ZEIT: Und was macht man mit seinen eigenen Gefühlen? Kann man zum Beispiel seine Freude zeigen, wenn etwas gelingt? Das könnte einem ja auch mentale Kraft geben, ein gutes Gefühl fürs nächste Mal. ZIMMERMANN: Ein tolles Konzert muss schon nachklingen können, vielleicht bei einem Bier mit Kollegen oder Freunden. Aber jubeln? BREMER: Also, mir hilft das Jubeln nach einem Tor schon, mentale Stärke aufzubauen, gerade mit dem Team. ZEIT: Wie ist das bei Ihnen, Herr Schoch? Ein gelungenes Solo im Orchestere ist ja ein bisschen wie ein Tor, aber Sie können sich dann nicht das Smokinghemd vom Leib reißen und feiern. SCHOCH: Natürlich freut ich man sich. Nur: Wenn man eine Stelle gut gespielt hat, kommt gleich die nächste. Ich versuche lieber, in der Musik zu bleiben.

THOLE: Wir nutzen Gefühle sogar bewusst, wenn wir Probleme im Spiel haben. Wir jubeln dann absichtlich über Kleinigkeiten, um uns aus dem Tief rauszuholen. ZEIT: Wird man eigentlich mental stärker, wenn man älter wird? SCHOCH (34): Schon, wenn man mehr Erfahrung hat, kann man mit bestimmten Erfahrungen besser umgehen. ZIMMERMANN (55): Für mich werden jetzt verschiedene Dinge körperlich schwerer. Das kann auch auf die Psyche drücken. ZEIT: Als Laie denkt man bei Musikern nie so recht an körperliche Probleme… ZIMMERMANN: Oh – das ist das, was mich jeden Tag stundenlang beschäftigt: Nacken, Arme und Hände beweglich zu halten! Um diese feinsten Nuancen spielen zu können.

Nachwort (JR)

Die Aussage Tabea Zimmermanns über Gefühle könnte zu der Fehleinschätzung veranlassen, dass man als Musiker fortwährend die in der Musik ausgedrückten Gefühle auch wirklich empfinden müsse. Das ist leicht gesagt, aber unmöglich zu realisieren, wäre auch nicht einmal im Blick auf „Realismus“ wünschenswert. Z.B. eigene Todesangst, Schmerz über das Sterben eines Kindes, Ekstase beim Anblick einer entsprechenden Rodin-Plastik: natürlich ist nicht die Realisierung eines solchen Gefühls verlangt, noch weniger die Simulation: ich muss nur wissen, wie das reale Gefühl „sich anfühlt“, um es ausdrücken zu können. Nein: einfließen zu lassen. Ich kann das leidende Gesicht einer Pianistin missverstehen, indem ich glaube, dass sie wirklich leidet. Ich konzediere aber, dass sie dieses Gesicht annimmt, weil sie sich das Gefühl vorstellt, vorstellen will, und dazu gehört es, dass sie die Miene, die gestische Form des Ausdrucks mimetisch nachbildet, wobei die reale Imagination sich unwillkürlich einstellt bzw. hinzugesellt.

Es ist nicht anders bei einem Komponisten wie Bach, der die „Erbarme dich“-Arie schreiben will und wenig später „Gebt mir meinen Jesum wieder“: er liest den Text und kennt die dem entspechenden Affekte, die Ausdrucksmittel. Er muss nicht weinen oder rasen, er muss wissen wissen, wie das ist. Selbst wer einen Betrunkenen auf der Bühne darstellen will, darf nicht betrunken sein. Ich habe einen Fehlgriff des großen Sängers (und Darstellers) Fischer-Dieskau in Erinnerung, wenn er in Haydns Jahreszeiten das Wort „fahl“ mit irgendwie hohler Stimme intoniert, es ist und bleibt aber – nur das Wort, ein Symbol, nicht das Symbolisierte selbst.

Ich denke an das „Paradox des Schauspielers“, schaue auch nach, wo ich es selbst zu verstehen gelernt habe (glaube gelernt zu haben): hier.

Und noch zwei Rückblenden, die mit Gefühl und – Atmen zu tun haben: hier und hier.

Sehen, Hören und

und was als Drittes?

Man stelle sich vor, wenn einem Hören und Sehen vergeht, – was bleibt? (Hoffentlich). Es gibt einen Artikel in diesem Blog, den ich anklicke, um mich zu erinnern. Gestern habe ich allerdings einen Fehler gemacht, und habe oben in das Suchfeld Hariri eingegeben (statt Harari). Und tatsächlich: die Makamen des Hariri wären lesenswert. Hier aber ging es mir um das Atmen, über das ich mich damals im Dezember gründlicher informieren wollte. Nein, ich wollte mir einfach dessen wieder bewusst werden. Hatte ich nicht gelesen, wie es Stockhausen erging? Als er Mary Baumeister mitteilte, er habe eine neue Methode des Atmens gefunden, lebte er nicht mehr lange. Das Risiko muss ich eingehen, zumal ich nicht mit Genialität vorbelastet bin.

Mir genügt es, das Meer zu sehen oder in der anderen Richtung einen hochbegabten Hund, der fotografiert wird, und wenn ich mich selbst auf einem Foto von hinten sehe, denke ich nicht, was Sie vielleicht denken, sondern weiß, dass ich in der Hand mein Huawei-Smartphone halte und den wunderschönen Gesang einer Drossel aufnehme. (Eines Tages werde ich ihn hier, an dieser Stelle, zum Abhören bereitstellen.) An etwa derselben Stelle, im Garten des Restaurants Worsteltent, haben wir zu anderer Jahreszeit schon mal eine Schwarzdrossel beim Beerenverzehr abgelichtet.

Ich schaue und höre, lese und übe, und nun soll ich dabei auch noch meine Atmung kontrollieren? Wer unterbricht mich, wenn ich nur döse, wer hilft mir, wenn ich mich dumm anstelle? Ich könnte sogar störrisch reagieren und behaupten, alles was ich zum Atmen brauche, finde ich genauso im Internet.

Zum Beispiel hier ? oder hier ? – natürlich auf eigene Verantwortung. Und dürfte es anderen nicht einfach weiterempfehlen, als sei ich ein Arzt. Das Buch, das ich lese, erzählt von allen Themen, die mit dem Atmen zu tun haben, und zwar so erschöpfend, dass ich mich schäme, den Atem immer nur mit dem Singen zusammengesehen zu haben. Trotz Yoga. Dabei habe ich vor Jahren mal vergeblich nach kompetenten Büchern gesucht. Eine Art Atemphilosophie. Das Standardwerk von Leo Kofler schien mir zu langweilig. Aber der Anfang war gemacht, damals im Januar 2008, – nur von dem „blöden Organ“, wie Roland Barthes die Lunge nannte, musste ich loskommen, siehe Fundstücke Nr.28 hier. Am Meer begreift man zunächst einmal, dass das Atmen wichtiger ist als das Singen.

Das Buch, von dem ich rede, liegt vor mir auf dem Tisch:

Jessica Braun: ATMEN Wie die einfachste Sache der Welt unser Leben verändert / Kein & Aber AG Zürich – Berlin 2019 ISBN 978-3-0369-5798-2

Auch der oben genannte Kofler kommt drin vor (Seite 180), übrigens: nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Philosophen. Im Anschluss daran die Namen Schlaffhorst und Andersen, die auch mit einschlägigen Übungen auf Youtube zu finden sind.

Es gibt einen Grund, weswegen ich das Buch vielleicht nicht gekauft hätte, wenn ich, in einer Buchhandlung stehend, es hier und da angelesen hätte: ich mag nicht, wenn die Kapitel erzählend beginnen, wie ein SPIEGEL-Artikel (Enzensberger hat diesen Stil schon Ende der Fünfziger Jahre in „Kleinigkeiten“ beschrieben). Etwa wie im Kapitel 4. „Es liegt was in der Luft“ Seite 56:

An einem heißen Tag kurz vor Weihnachten stand ich auf dem Holzsteg, der in den Lake Clifton ragt. Ein Freund hatte mich hingebracht, um mir die Trombolithen zu zeigen: ein scheinbar endloser Uferstreifen perfekt gerundeter Steine, über die blaugrünes Wasser schwappt.

Ich habe lieber ein Sachbuch, das rein sachlich daherkommt, so knapp wie möglich, nicht ausladend einladend, wie ein Abenteuerroman. Aber kurze Zeit später hätte ich nicht mehr losgelassen:

Ich las, was auf der Tafel stand: „Vor Millionen Jahren produzierten die Vorfahren dieser Trombolithen den für das Leben an Land notwendigen Sauerstoff.“ Es war, als würde ich aus dem Bild herauszoomen, könnte einen Blick auf das größere Ganze werfen. Ohne Sauerstoff gäbe es nämlich weder den zwischen den Trombolithen herumstaksenden Reiher noch das im trockenen Uferlaub werkelnde Possum oder den Spaziergänger mit seinem Labrador, der uns auf dem Weg zum Steg gegrüßt hatte. Selbst der Wald, durch den wir zum See gewandert waren, braucht Sauerstoff.

Hier hätte ich nicht mehr stoppen können, vielleicht hätte ich nur noch zwischendurch auf dem Smartphone nachgeschaut, was ein Possum (aha! Australien!) ist, aber dann weiter im Text. Ich fühle mich gern überlistet. Ein anderes Beispiel: in der Frage, was ein Muskelkater ist, hätte ich mich vielleicht zufriedengegeben mit dem alten Vorurteil: ein gutes Zeichen, der Körper merkt, dass er neue Muskeln bilden soll. Hier beginnt die Wahrheit auf Seite 96 mit dem Wort „Adenosintriphosphat, kurz ATP“, und ich lese trotzdem gespannt weiter, es geht darum, wie der Körper ins Meer eintaucht.

Wie schnell die Ermüdung eintritt, hängt von der Sauerstoffmenge ab, die der Körper aufnehmen kann. Kommt Bewegung in die Beine, signalisieren Sensoren dem Atemzentrum: Mehr Luft! Dessen Neuronen treiben die Atemmuskeln an: Zuerst zieht sich das Zwerchfell mit jeder Einatmung stärker zusammen. Genügt das nicht, helfen die Treppenmuskeln mit. Ein Atemzug, der sonst vier Sekunden dauert, kann sich so bis zu eineinhalb Sekunden verkürzen. Obwohl dadurch mehr Sauerstoff in der Lunge ankommt (und in Folge der Anstrengung auch mehr Kohlendioxid), verändert sich der Partialdruck dieser Gase dort erstaunlicherweise kaum, solange wir uns auf Höhe des Meeresspiegels befinden. Möglich ist das, weil jeder von uns mit einem überproportionierten Atmungsapparat herumläuft. Jedes Säugetier, egal ob Igel oder Giraffe, hat zwischen 300 und 500 Millionen Lungenbläschen. Deren Gesamtfläche variiert zwar mit der Körpergröße, ist wie diese aber genetisch bedingt: Sie lässt sich nicht wirklich vergrößern. Luft nach oben ist dennoch, zumindest bei größeren Lebewesen wie dem Menschen. Nicht alle unserer Lungenbläschen nehmen auch am Gasaustausch teil. Etliche sind genügend von ihnen aktiviert, diffundieren im Extremfall pro Minute bis zu sieben Liter Sauerstoff von der Lunge ins Blut. Untrainierte nutzen von dieser Kapazität vielleicht die Hälfte. Selbst nach einer Lobektomie, also wenn Lungengewebe entfernt wurde, kann ein Patient soviel Sauerstoff aufnehmen wie zuvor, wenn er sich ausreichend bewegt. Belastung bedeutet in Bezug auf die Lunge nur, die eigenen Möglichkeiten auch auszuschöpfen. Denn in jedem von uns steckt ein zu Atemhöchstleistungen geborener Superheld.

Das höre ich doch gern, muss aber zugeben, dass ich nach dem „Adenosintriphosphat, kurz ATP“ vergessen habe, die Auflösung zum Phänomen Muskelkater zu liefern. Davon nur noch ein paar Zeilen:

Die Atmung beschleunigt sich – das Kohlendioxyd muss raus – während sich das Laktat bei anhaltender Belastung in Muskeln und Blut anreichert. Früher dachte man, dieses sei schuld am Muskelkater. Heute geht man davon aus, dass die Muskelfasern zwar ermüden, weil sie in dem veränderten Milieu nicht mehr optimal arbeiten können. Die Schmerzen am nächsten Tag rühren aber wohl nicht vom Laktat her, sondern von Minirissen in den Muskelfasern. (a.a.O. Seite 96)

Falls meine Zitate interessierte Blogleser zum Kauf des Buches anregen, – was ich gern in Kauf nehme, aber nicht direkt beabsichtigte -, sollte ich doch nach anmerken, weshalb ich vorsichtig wäre, wenn und ob ich das Buch weiterverschenke und vor allem an wen… Zum Beispiel nicht an einen entfernten Großneffen, etwa zur Kommunion, und auch nicht an meine Patentante zum 85. Geburtstag, selbst wenn sie im Luftkurort Bad Salzuflen lebte und sich ernsthaft für das Thema interessierte: ich möchte nicht, dass mich später jemand streng anschaut, als sei ich persönlich der Verfasser des Kapitels über alternative Sexpraktiken und versehentliche Selbststrangulation (Seite 295 ff). Auch die Seiten über den allerletzten Atemzug sollte niemand als Wink verstehen können, dass es nun bald soweit sei.

Ich kann nicht schließen, ohne die kürzesten Übungen, mit denen das Buch endet, zur täglichen oder nächtlichen Beherzigung folgen zu lassen:

EINSCHLAFEN

Legen Sie sich auf den Rücken. Atmen Sie vollständig durch den Mund aus. Spüren Sie , wie Ihr Körper schwer in die Matratze sinkt. Nun atmen Sie durch die Nase ein, während Sie innerlich bis vier zählen. Halten Sie den Atem an und zählen Sie dabei bis sieben. Lassen Sie bis acht zählend den Atem sanft durch die Nase ausströmen. Setzen Sie die Übung fort, bis Sie eingeschlafen sind. Anfangs kann sich die Atempause auf sieben zu lange anfühlen. Passen Sie diese ruhig an, aber versuchen Sie mit jedem Mal üben, ein bisschen länger zu halten, bis auch die sieben angenehm ist.

ATEMSTILLE ÜBEN

Nutzen Sie den nächsten Spaziergang, um Atempausen zu üben. Gehen Sie dafür hundert Schritte in gleichmäßigem Tempo, während Sie den Atem anhalten. Versuchen Sie den Atemreiz vorbeiziehen zu lassen, indem Sie sich auf die Bewegungen Ihres Körpers fokussieren.

Beides hat sich schon bewährt. Aber als ich gestern Nacht die erste Übung fortgesetzt hatte, bis ich eingeschlafen war, wachte ich auf und fragte mich, ob ich nicht doch zu früh aufgehört hatte und nur deshalb wieder aufgewacht bin. Oder ob ich etwas verwechselt habe und mich nun vor nächtlicher Atemstille fürchtete. Heute werde ich mich früher hinlegen, um mehr Zeit zum Üben zu haben. Morgens will ich auf jeden Fall ein großes Aufatmen erleben. (Das ist meine Erfindung. Die Sache mit Stockhausen werde ich nie vergessen.)

Ein Letztes: Das Hyperventilieren am Strand verleitet mich leider zu Scherzen, wie ich sehe; in Wahrheit lese ich in dem großen Buch vom Atmen immer wieder aufs Neue. Und zwar ernsthaft. Eine Quelle der Anregung!

Nachtrag Ende Mai

Es war an der Zeit, mich eines Buches zu entsinnen, das ich am 19.10.1961 mit dem Vorsatz strengster Beachtung zugelegt habe; allerdings wuchsen im Laufe der Zeit auch die Zweifel, und das konnte auf die Dauer nicht gut enden. So also eine Wiederentdeckung unter neuen Vorzeichen, – welche Überraschung: mussten wirklich erst 50 Jahre vergehen?

Quelle Swami Sivananda Sarasvati: (Übungen zu) Konzentration und Meditation / Otto-Wilhelm-Barth Verlag / deutsche Übersetzung: Ursula von Mangoldt / München Planegg / 2. Aufl. 1959