„Die alten Griechen“

Einige Anregungen aus dem Bücherschrank

Ich will nicht aufwärmen, wann und wo es mir in meiner Schulzeit begegnet ist, und dass die Lektüre letztlich völlig unverstanden blieb (Aischylos oder Sophokles), bei Nietzsche: „Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“, Dionysos, Euripides, das Satyrspiel, letztlich begeisterte mich nur der Bezug auf Wagner. Jetzt ist es die spezielle Literatur zum Thema, die mich fesselt, durch was genau, soll mir erst noch klarer werden. Die Bilder, würde ich sagen, – die untrüglichen Belege, dass das einmal Wirklichkeit war, 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung. Ja, wir haben Homer gelesen, bzw. mühsam übersetzt, wir haben die „Antigone“ des Sophokles (oder Euripides?) in der Unterprima aufgeführt (ich stand im Chor, und rezitierte in der Gemeinschaft das Original der Verse: „Vieles ist schrecklich, aber am schrecklichsten ist der Mensch!“ – „Deínos…“ vielleicht auch „ungeheuer“ –  ich muss den Text wiederfinden. Insgesamt beeindruckte mich das Erlebnis (zur Hälfte war es eher lächerlich), jedenfalls ohne Bezug zum realen Abstand der Jahrhunderte. Den hätte ich nur rein verbal bezeichnet, nicht als erlebte Distanz und Überwindung der Distanz. Ich springe hinein in die doppelte Vergangenheit, also… auch in meine eigene. Ich muss nicht mehr nach dem alten Originaltext von Aischylos oder Sophokles in dem Regal hinter mir (zweite Reihe) suchen, nein, nicht zurück, – vorwärts – mit einem Sprung ins Internet bin ich weiter, bitte – unverbindlich – hier (Aischylos). Oder hier (Sophokles). Oder (s.o. Link) in der Hölderlin-Fassung.

Und dann zurück in die Gegenwart: das neu entdeckte Buch (aus dem Nachlass meines Freundes Christian Schneider), zudem ganz neuwertig, er hat nicht mehr darin lesen können.

schnell weiter – zur Sache! Ich kopiere, so gut es geht. Unglaublich – die Equipe eines Satyrspiels. Ich glaube, wenn Christian mir dies gezeigt hätte, hätte ich ich das Werk  zwingend kaufen müssen. Nun stand es in meinem andern Bücherzimmer inmitten der Bach-Literatur. Nein, da entdeckte ich auch aufs neue das hervorragende Buch „Das Musikleben der Griechen“ von Max Wegner, und dabei glaubte ich wahrhaftig seit meiner Studienzeit, die Sachen von Thrasibulos Georgiades würden für mein ganzes Leben ausreichen. Doch der Reihe nach.

bitte vergrößern, im Detail betrachten!

Auf der obigen Textseite ist von einem Flötenspieler die Rede, ein Fehler, der weit verbreitet ist, aber in einem so kompetenten Werk verwundert. Ein Aulos ist keine Flöte! Ich habe ein anderes Buch bereitgelegt, in dem der Aulos so genau beschrieben ist, – dazu auch in so anschaulicher Sprache -, dass ich nicht umhin kann, auch daraus ausführlich zu zitieren. Es stammt aus dem Jahre 1949.

Max Wegner: Das Musikleben der Griechen / Walter de Gruyter & Co. Berlin 1949

Tafel 10 und 11

 

Tafel 12 bis15

 

Zitat (Seite 19)

Dieser Widerstreit zwischen Saitenklang und Schalmeiengetön scheint sich vergrößert wiederzuspiegeln [sic!] in dem spannungsreichen Gegensatzpaar des Apollinische und des Dionysischen, mittels deren Zusammenwirkens Nietzsche sich die Tragödie aus dem Geist der Musik entstanden dachte. Da nimmt es zunächst Wunder, daß D i o n y s o s selbst gar keine so innige Beziehung zu eigener Musikübung hat wie Apollon. Der Musik wohnt – nicht allein nach griechischer Auffassung – ein Geist der Ordnung inne, wie er dem Wesen des Apollon gemäß ist, sich aber mit der ausgelassenen dionysischen Schwärmerei, mit deren unvermittelt ausgestoßenen Schreien und ihrem aufreizenden, gellenden Getön schwer verträgt. So wild wie sein Schwarm ist nun allerdings Dionysos selber merkwürdigerweise nicht und es ist für das Verständnis seines Wesens nicht bedeutungslos, daß er in Delphoi herrschen konnte, während Apollon bei den Hyperboräern weilte. Im Griechischen sind immer die Gegensätze irgendwie im Kontrapost, in wechselseitiger Gebundenheit oder harmonische Spannung aufeinander bezogen. Niemals bläst Dionysos die Schalmei.

  Eine solche Statue befand sich im Ratsgymnasium Bielefeld auf dem Flur neben unserer Klassentür, weniger als lebensgroß, dafür auf hohem Sockel, in meiner Unter-/Obersekunda-Zeit; als ich sie kennenlernte, ohne je genauer hinzuschauen, wusste ich nicht einmal, ob es sich um Sokrates oder Sophokles handelte. Vielmehr: ich war enttäuscht, dass es nicht Sokrates war.

Noch eine wichtige Statue meiner Schulzeit… sie passte. Autoritär eben.

Über schwarzfigurige und rotfigurige Vasenmalerei (Wikipedia)

Vorwärts zu Aischylos! zuerst biographische Übersicht bei Wikipedia hier, dann zu Gutenberg (Texte Orestie I) Inhalt + Text „Der Mord“ (Agamemmnons Tod) – Erklärende Anmerkungen dazu hier (auch Versmaße). Inhaltsangabe:

Als die vor Áulis zum Rachekriege wider Ílion versammelte Flotte der Hellénen durch widrige Winde zurückgehalten ward, verkündigte der Seher Kálchas, daß die grollende Ártemis die Abfahrt so lange verzögern werde, bis Iphigenía, die Tochter des Heerführers Agamémnon, ihr als Opfer gefallen sei. Agamemnon schwankte, ob er die eigene Tochter der Göttin zum Opfer bringen oder den Heerzug gegen Trója aufgeben solle. Endlich siegte sein kriegerischer Ehrgeiz über die Regungen des Vaterherzens: Iphigenia wird unter dem Vorwand einer Vermählung mit Achílleus nach Aulis gelockt und geopfert. Aber die unnatürliche That sollte durch eine neue Unthat gebüßt werden. Wie nun Agamemnon, siegreich von der eroberten Troja zurückkehrend, von seiner Gemahlin Klytämnéstra feierlich empfangen, wie er von ihr und Ägísthos, welchem sie während der Abwesenheit ihres Gemahls in ehebrecherischem Bunde sich ergeben, zugleich mit der tróischen Königstochter, der kriegsgefangenen Kassándra, noch an demselben Tage gemordet wird, ist in dieser Tragödie dargestellt.

Scene. Königlicher Palast in Árgos. Flügelgebäude zu beiden Seiten, rechts die Wohnung für das Gesinde, links die Gastwohnungen. Vor dem Palaste stehen Bildsäulen und Altäre des Zeus, des Apóllon, des Hérmes. Auf dem flachen Dache der Gesindewohnung, das die Aussicht auf Gebirge, Meer und Land bietet und das als Warte dient, sieht man den Wächter sich von seinem Lager aufrichten.

(Übertragung von Johann Jakob Christian Donner, ca. 1900)

Das nächste Drama „Das Totenopfer“ oder „Die Blutrache“ / Inhalt siehe hier :

Die Mörderin des Gatten, Klytämnéstra, ist mit ihrem Buhlen Ägísthos an dem Orte ihres Verbrechens in frechem Trotze zurückgeblieben; ihr und Agamemnons einziger Sohn, Oréstes, ein zwölfjähriger Knabe, war von seiner Schwester Eléktra, gleich in der ersten Verwirrung nach dem Tode des Vaters, zu dem Könige Stróphios in Phókis, ihrem Oheim, gesendet worden, mit dessen Sohne Pýlades er die berühmte Freundschaft schloß; Elektra selbst lebte im väterlichen Hause zu Mykénä unter den Mördern ihres Vaters ein kummervolles Leben. Nach acht Jahren war Orestes zum Manne gereift. Da erhält er von dem Orakel Apóllons die bestimmte Weisung, den Tod des Königs und Vaters an den Mördern zu rächen. Er kommt mit Pylades nach Árgos, eben als Elektra nach dem Befehle der Mutter mit einer Schar dienstbarer Frauen am Grabe des gemordeten Vaters Trankopfer bringt. Zuerst fällt Ägísthos, dann Klytämnestra, die Mutter, von seiner Hand. Aber die Qual der Reue ergreift alsbald seine zagende Seele. Von den Erínnyen verfolgt, die vorerst nur seinem Auge sichtbar sind, flieht er nach Délphi zum Heiligtum Apollons, um bei dem Gotte Schutz und Reinigung zu suchen, dessen Ausspruch ihn zu der verhängnisvollen That getrieben hat.

Das dritte Drama „Die Eumeniden“ oder „Die Sühnung“ / Inhalt siehe hier :

Oréstes ist im Heiligtume zu Délphi. Auf dem Vorplatze desselben erscheint die Pýthia, die weissagende Priesterin des Apóllon, spricht ein Gebet zu den Göttern des Orakels, der Stadt und des Landes und geht dann in den Tempel, ihres Amtes zu warten. Bald aber wankt sie voll Entsetzen wieder zurück. Sie hat den Orestes erblickt, der als Schutzflehender den Altar des Gottes umschlingt, und um ihn her, vom Schlafe betäubt, die schwarzen Gestalten seiner Verfolgerinnen. Nachdem sie den Gott angerufen, daß er selbst sein Heiligtum vor Befleckung wahren möge, eilt sie hinweg.

Die Scene verwandelt sich. Wir sehen das Innere des Tempels, in demselben den Orestes von den schlafenden Erínnyen umgeben. Apollon selbst tritt zu seinem Schützling, spricht ihm Mut ein und verweist ihn an Pállas Athéne.

Noch schlummern die rächenden Göttinnen; aber nun hebt sich der Schatten Klytämnéstra’s Rache fordernd aus der Unterwelt empor. Die Erinnyen raffen sich auf, sehen mit Ingrimm ihre Beute sich entrissen und häufen Vorwurf und Schmach auf den rettenden Gott. Dieser erscheint selbst, die düsteren Töchter der Nacht aus seinem Heiligtume zu verscheuchen.

Orestes ist nach Athen geflohen, zum Altare der Pállas, daß sie über ihn richte, ihn rette. Bald stürzen auch die Erinnyen herbei, mit Drohungen gegen den Flüchtling, der ihnen dennoch nicht entgehen werde, und mit einer schauerlich erhabenen Verkündigung ihres Amtes, ihres ewigen Rechtes, ihrer unentfliehbaren Gewalt. Da naht Athene selbst auf den Ruf des Orestes. Beide Parteien tragen ihre Sache vor und übergeben ihr das Richteramt in dem schweren Handel. Aber die Göttin wagt nicht allein den Streit zu schlichten: aus den Besten ihres Volkes will sie Richter setzen, die nach heiligem Eide zwischen den Streitenden entscheiden sollen. »So wird denn das Gericht angeordnet, und Athene verkündigt, daß diese Anordnung nicht bloß für den gegenwärtigen Fall, sondern auch für die Zukunft bestehen und ein ehrwürdiger Rat, auf dem Áreshügel versammelt, fortan immerdar das Richteramt verwalten solle. Apollon erscheint, um für Orestes zu zeugen und als Anwalt seine Sache zu unterstützen. Die Verhandlung beginnt: die Erinnyen bringen ihre Anklage vor, Orestes seine Rechtfertigung, und was er selbst nicht hinreichend darlegen kann, ergänzt Apollon. Darauf werden die Richter zur Abstimmung aufgerufen, wobei Athene erklärt, daß bei gleicher Zahl der beiderseitigen Stimmen Orestes als losgesprochen gelten solle und daß sie selbst ihre Stimme den lossprechenden zulegen werde. Die Stimmen werden gezählt; sie sind auf beiden Seiten gleich; Orestes ist also losgesprochen, und mit Dank an die Göttin, mit Segenswünschen und Verheißungen für die Stadt eilt er von dannen.

Aber die Erinnyen zürnen heftig. Sie glauben ihre Ehre verletzt, ihr uraltes, heiliges Recht gekränkt und drohen dem Lande, in dem ihnen diese Kränkung widerfahren, mit Unheil und Verderben. Athene sucht sie zu beruhigen; sie seien nicht entehrt, ihr Recht sei nicht verkannt, da ja die Hälfte der Stimmen für sie gewesen sei; und auch fortan, wenn sie nicht selbst es verschmähen, solle ihnen Dienst und Ehre in Áttika neben dem Sitze der Schutzgöttin selbst gleich den erhabensten der Himmlischen erwiesen werden. Endlich gelingt es ihr, sie zu besänftigen. Sie lassen sich unter dieser Bedingung sowohl das, was jetzt geschehen ist, als auch die Stiftung eines Blutgerichtes für die Zukunft gefallen und verheißen dem Volke, wenn es ihrer eingedenk sein und ihre Macht und ihr Recht anerkennen und ehren werde, Heil und Segen dafür. So führt sie denn Athene in feierlichem Festzuge zu dem ihnen bestimmten Heiligtume, und mit Festgesängen und der Einsetzung des Kultes der Erinnyen, die fortan wohlwollend und segensreich, als Eumeníden, im Lande wohnen und walten werden, schließt die Tragödie.

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Merken, hier anschauen und bald anschaffen: Christian Meier „Die politische Kunst der griechischen Tragödie“ siehe Leseprobe HIER

13.03.2024 Das Buch ist eingetroffen (meine Buchhandlung Jahn SG machte es möglich), und es übertrifft alle meine Erwartungen. Was mir in der Schule vor 70 Jahren gefehlt hat: eine Art altgriechische Ethnologie. Erst nachdem sich Japan, Indien, Südsee und Afrika in mein Interessenuniversum gefügt hatte, begriff ich allmählich, wozu das – im wahrsten Sinne des Wortes – humanistische Gymnasium den Boden hätte bereiten können. Und heute: zu spät???

Das Inhaltsverzeichnis:

Unerhört interessant. Dadurch bewirkt die Vergewisserung anhand Immanuel Geiss:

Erinnerung an eine Viertelstunde des jüngst vergangenen Tages (6.März 2024 18.10 bis 18.25)

Kurdische Geige u.a.

Melodische Zellen erschließen (es ist nur ein Spiel). Sie können jedes andere Melodieinstrument verwenden, auch Ihre Stimme! Am besten ohne Zeugen.

Ein Beispiel in dem Band V „La Musique Arabe“ von Rodolphe d’Erlanger. Links die vollständige Skala des Modus, unterteilt in die Abschnitte, die der Reihe nach einzeln melodisch erschlossen werden. Darunter die Analyse und die Spielanleitung. Auf der rechten Seite die Darstellung einer möglich Entfaltung, soweit sie sich in Notenschrift darstellen lässt. Es empfiehlt aber , das was man tut, in Worten zu beschreiben, statt es in Notenschrift wiederzugeben, da es nicht wie eine detaillierte Übevorschrift genommen werden soll: man sollte sich an bestimmte Töne und Tonfolgen halten, aber rhythmisch und bogentechnisch völlig frei bleiben, auch Wiederholungen sind erwünscht und anheimgestellt. Die Impression ist: man tastet schrittweise voran in dem anliegenden Tonraum, jedes Detail auskostend, verändernd, umfärbend „bis zum Überdruss“, bzw. solange es Vergnügen bereitet.

Ich beschreibe, frei nach dem schriftlichen Vorbild d’Erlangers, wie ich voranschreiten möchte:

Beginn auf der A-Saite 1.Lage, mein erster Zentralton ist der Ton d“‘, mit Einstieg auf Leiteton cis, zugleich im Sinn: das leere A (a“) schwingt innerlich mit, dort werde ich zwischenlanden. Im Notenbeispiel sind das die ersten anderthalb Zeilen. Das Anspielen des Tones f“‘ ist schon ein „Angang“ (egal wie ich den kleinen Lagenwechsel mache), danach, das lange e“‘, ist sozusagen eine „Wiedergutmachung“, weil ich es am Anfang nur gestreift habe. Jetzt gebe ich seinem Ruf nach, es verlangt nämlich nach den tieferen Tönen, die noch gar nicht weiter „karessiert“ sind, in Richtung A-Saite vor allem cis und b. Zur Stärkung kann der untere Wechselton g“ kurz berührt werden.

Beispiele anderer Geiger, die den armen Nachahmer inspirieren, aber nicht indoktrinieren.

Für mich ist dies eine Erinnerung (im Sinne von Mahnung), die Geige loszulösen vom stupiden Technik-Üben. Mich zwanglos mit melodischen Formeln zu beschäftigen, die mir in schriftlicher oder praxisnaher Form gegeben sind.

 

Energie, Kommunikation, Mobilität

Vorgemerkt: TERRA X Harald Lesch

https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/was-die-welt-am-laufen-haelt-energie-mit-harald-lesch-doku-100.html HIER ENERGIE

darin erwähnt das Feilichtmuseum Hagen, siehe hier

Ab 8:24 über die SONNE ab 12:40 Elektrisiermaschine 14:20 Stromleitwarte in Brauweiler 17:00 „Kohlendioxid ist die Asche aller Feuer“ – „Überall brennt es, aber das Feuer selbst sieht man nicht!“ (Beispiel Zündschlüssel) 18:00 Zeitenwende: das jahrtausedalte Spiel mit dem Feuer braucht neue Regeln / ab 19:00 aus Pech : URAN über Strahlung (Joachimsthal) Curie / Kernspaltung 1945 bis 25:00

 

https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/was-die-welt-am-laufen-haelt-kommunikation-mit-harald-lesch-doku-100.html HIER KOMMUNIKATION

https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/was-die-welt-am-laufen-haelt-mobilitaet-mit-harald-lesch-doku-100.html HIER MOBILITÄT

Computerspiele u.ä.

Ein philosophisches Thema?

Ich habe eine Abneigung gegen Computerspiele, vielleicht sogar gegen Spiele überhaupt. Hauptgrund: Zeitverlust, ohne erkennbaren immateriellen Gewinn. Damit bin ich zufrieden…  und werde erst stutzig, wenn ich höre, dass andere womöglich das Klavierspielen als überflüssig bewerten. Ein irritierender Gedanke. Der Hinweis auf den Ernst des Spiels läge auf der Hand, ist aber kein Argument.

https://de.wikipedia.org/wiki/Computerspiel hier

Daniel Martin Feige:

https://media.suhrkamp.de/mediadelivery/asset/755c720198454b66abad0fa507d130db/computerspiele_9783518297605_leseprobe.pdf?contentdisposition=inline HIER

Auszug:

Mit Computerspielen ist ein neues ästhetisches Medium entstanden – und die Geburt ästhetischer Medien ist seit jeher von kritischen Stimmen begleitet worden, denen der kulturelle Wandel, der mit diesen Medien einhergeht, nicht geheuer war. Schon bei der Erfindung der Fotografie und des Films wurde der Untergang des Abendlandes ausgerufen. Natürlich lässt sich aus dieser Beobachtung nicht schon eine Apologie des Computerspiels stricken. Damit würde man einer Gleichsetzung des Ungleichen das Wort reden, insofern historische Genesen unterschiedlicher ästhetischer Medien keineswegs bloße Variationen eines letztlich identischen Vorgangs sind. Eine Analogisierung kann aber zumindest den Blick dafür schärfen, kritische Reaktionen gegenüber Computerspielen vorgängig ins rechte Licht zu rücken und sich von pauschalen Verurteilungen dieses Mediums freizumachen, wie sie etwa für die unsägliche, weil von jeglicher Kenntnis des Gegenstands freie Diskussion um so genannte »Killerspiele« charakteristisch sind. Es kann, kurz gesagt, nicht darum gehen, das Computerspiel als solches und das heißt alle Computerspiele entweder als Ausdruck einer defekten Lebensform oder als wertvoll anzusehen. Denn offensichtlich sind Computerspiele sehr unterschiedlich und können zudem in ausgesprochen unterschiedlichen Hinsichten als misslungen oder gelungen, als förderlich oder schädlich angesehen werden.

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Das Buch unternimmt somit den Versuch, aus der Perspektive der philosophischen Ästhetik zu explizieren, was für Computerspiele wesentlich ist. In diesem Sinne konkurriert oder konvergiert es in seinen Thesen nur dort mit Beiträgen der Game Studies, wo diese explizit oder implizit als philosophische Thesen zu Fragen der Ästhetik oder Kunstphilosophie gelesen werden können. Das wirft die Frage auf, was eine philosophische Beschäftigung mit Computerspielen von anderen Arten der Beschäftigung mit Computerspielen und damit auch von denjenigen Beiträgen der Game Studies, die keine philosophischen Thesen entwickeln, unterscheidet. Die Antwort darauf lautet kurz und bündig: Einer philosophischen Analyse des Computerspiels in seiner ästhetischen Eigenart geht es um eine reflexive Klärung der für unser Verständnis dieser ästhetischen Eigenart unverzichtbaren Grundbegriffe. In diesem Sinne ist die bereits erwähnte Kontroverse zwischen Deutungen, die Computerspiele primär in Begriffen der Tätigkeit des Spielens erläutern, und Deutungen, die Computerspiele primär in Begriffen interaktiver Erzählungen verstehen, durchaus eine philosophisch relevante Kontroverse. Denn es scheint bei ihr darum zu gehen, was Computerspiele im Kern sind. Die Frage hingegen, was
für die sozialen Interaktionen bei Multiplayerspielen übers Internet oder im Fall der leiblichen Ko-Präsenz bei Lan-Partys relevant ist, ist dort richtig aufgehoben, wo sie ohnehin in weiten Teilen bereits diskutiert wird: in der Soziologie. Die Frage, ob der exzessive tägliche Konsum von Computerspielen einen schädlichen Einfluss auf die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern hat, ist ebenfalls dort am besten aufgehoben, wo sie ohnehin diskutiert wird:
in der Pädagogik und Psychologie. Auch wenn die Grenzen keineswegs bei allen Fragen so deutlich liegen mögen – bei der Frage der Schädlichkeit des exzessiven Konsums von Computerspielen könnte man zum Beispiel die Rückfrage stellen, warum so etwas nicht auch beim exzessiven Konsum von Romanen oder von Musik untersucht wird und ob eine  Vorentscheidung in dieser Frage nicht subkutan eine bestimmte problematische medien- und kulturpolitische Agenda kolportiert: Die Tatsache, dass das vorliegende Buch zu vielen derartigen Fragen schweigt, ist keineswegs Ausdruck einer Borniertheit oder Ignoranz, sondern vielmehr der Tatsache geschuldet, dass die Philosophie zu solchen Fragen schlichtweg gar keine Auskunft geben kann, weil sie nicht in der Reichweite ihrer theoretischen Mittel liegen.

– – – – – – – – – – Zitatende – – – – – – – – – –

Oder besorge ich mir zunächst was anderes, was mir noch zur Bewältigung der aktuellen Krise fehlt? Mal sehen: Byung-Chul Han in seinem Buch „Infokratie – Digitalisierung und die Krise der Demokratie“ (Berlin: Matthes & Seitz 2021)

Zu Computerspielen befrage ich erstmal die Enkelgeneration, ich kenne da sehr gesprächsbereite menschliche Exemplare.

So geht es los:

s.a. hier

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Nachholen (bis 22.03.2024) den Film über K-Pop:

https://www.3sat.de/gesellschaft/politik-und-gesellschaft/suedkorea-milliardengeschaeft-k-pop-102.html hier

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TUVA Bernard Kleikamp: ab 25.2.24 anschauen siehe unten LINKs rechts neben dem Foto

At WDR Folk Festival in Cologne, Germany, 4 July 1991. Gennadi Tumat was born on 25 February 1964. This video premiered on what was to be his 60th birthday, 25 February 2024

HIER und Hier

WDR Folkfestival 1991

Zu dem interessanten pansdelight blogspot hier

Kunst der Fügung

Zu Bachs Spiegelfugen

Der Zufall wollte, dass es sich so gefügt hat: die Erinnerung an die Problematik der Bachschen Zusammenfügung der Fugen zu einem „Kunstbuch“, besonders im letzten Teil des Werkes. Meine Irritation, ob Zoltán Kocsis etwa die Rectus- und die Inversus Version nach der (irrigen) Leibowitz-Idee zusammengefügt hat, – alldies veranlasste mich, in aller Eile (ich hatte eigentlich anderes zu tun) die Belege zu sammeln, die ich so schnell greifen konnte. Der Zufall beruhte darauf, dass mich die Aufnahme mit Schaghajegh Nosrati sehr faszinierte, ihre Leichtigkeit plus Präzision, dass es mir keine Ruhe ließ, bis mir das ganz besondere Bach-Thema wieder präsent war.

Wikipedia:

Spiegelfugen

Beginn von Contrapunctus XII (Spiegelfuge)
Gespiegelte Fassung von Contrapunctus XII (Spiegelfuge)

Mit Contrapunctus XII erscheint die erste von zwei Spiegelfugen. Unter einer Spiegelfuge wird hierbei verstanden, dass der gesamte Satz anschließend mit umgekehrten Intervallen wiederholt wird (das Partiturbild lässt manchmal bei Laien die Vorstellung entstehen, beide Versionen sollten gleichzeitig erklingen). Das Thema besteht exakt aus den Tönen der Grundgestalt, erklingt jedoch hier im Dreiertakt; die rhythmische Gestalt mit Betonung auf der zweiten Zählzeit in den beiden ersten Takten erinnert an eine Sarabande. Wahrscheinlich ist die kontrapunktische Komplexität der Aufgabe dafür verantwortlich, dass dieses Stück (bzw. diese beiden Stücke) als einziges nicht durch einen einzigen Spieler auf einem Tasteninstrument spielbar ist (eine Ausführung auf zwei Cembali, die jeweils zwei Stimmen spielen, ist möglich).

Variante des Themas in Contrapunctus XIII

Die dreistimmige Spiegelfuge Contrapunctus XIII hat einen ausgesprochen tänzerischen Charakter im Sinne einer Gigue, bei der Bach fast immer zu Beginn des zweiten Teils das Thema umkehrt. Auch dieses Thema ist aus dem Urthema abgeleitet. Nach einem Oktavsprung, der schon in Contrapunctus IX auftaucht, geht es für drei Takte in eine Triolenbewegung über. Im weiteren Verlauf wechselt diese Triolenbewegung immer wieder mit punktierten Sechzehnteln ab (die nach den Regeln der damaligen Aufführungspraxis rhythmisch an die Triolenbewegung anzugleichen sind). Dieser Satz ist auf dem Cembalo nur spielbar, wenn ein Interpret über eine gewisse Virtuosität hinaus mindestens eine Dezime greifen kann (Ausnahme: Fermate in T. 59 der forma inversa). Der Umfang einer typischen Orgel der Bachzeit wird nach oben hin mit den Tönen d“‘ und e“‘ überschritten. Es existiert auch eine Fassung für zwei Cembali, bei der Bach die drei Stimmen durch eine freie vierte Stimme ergänzte.

Hier der Notentext meiner alten Graeser-Ausgabe (Juli 1956) – andere Zählung (XVI=12) / wenn Sie die Noten verfolgen, – die richtige Fuge ist der gespiegelten unmittelbar zugeordnet, und zwar ebenso in Partitur (3-stimmig) wie in „Klavierzusammenfassung“ (untereinander!); ich verfolge hier in jedem Block die unterste Doppelzeile. Jede Seite hat 2 Blocks. (Die Pianistin spielt die gespiegelte Fassung. Sie sehen die Kontur des Inversus-Themenanfangs also in der 4. Zeile bzw. 9. Zeile.)

Eine andere Druckeinteilung (nur jeweils 1.Seite) zum Vergleich

Boosey & Hawkes

die Doppelfassung à 2 Clav. (nur jeweils 1. Seite)

Kolneder: Kunst der Fuge Bd.I / II (betr. den Irrtum aufgrund der Druckanordnung, – fraglich ob Leibowitz von K. korrekt interpretiert wird )

Hier folgt die Fuge in der Fassung für 2  Cembali bzw. hier mit 2 Klavieren, ebenfalls in der Inversus-Fassung, jedoch hat Bach (!) zu den 3 Stimmen eine freie vierte hinzugefügt.

https://www.jpc.de/jpcng/classic/detail/-/art/bach-die-kunst-der-fuge/hnum/11625752 (Rousset) hier

Kunst der Fuge Reihenfolge nach dem „Schmieder“-BWV Verzeichnis

Zur Reihenfolge der Aufnahme 1984 + Text, Musica Antiqua Köln, Reinhard Goebel

Bemerkungen (aus der Henle-Ausgabe):
Ursprünglich schrieb Bach die dreistimmige Fassung (in kurzen Notenwerten) und arbeitete diese dann in eine vierstimmige Version für zwei Cembali um. Dann revidierte er die erste, dreistimmige Fassung für den Druck, wobei er die Notenwerte verdoppelte. Die Version für zwei  Cembali dient als Sekundärquelle für die dreistimmige Fassung für ein Cembalo. Ähnlich dient der inversus als Sekundärquelle für den rectus und umgekehrt, da ja rectus und inversus zwei Versionen desselben Stückes darstellen.
Es gibt für diese Komposition also insgesamt acht Quellen, die in der Reihenfolge ihrer Bedeutung vorgestellt wurden (s. o.).
Im Originaldruck ist keine Fassung der Fuge nummeriert – die Nummerierung hört ja, wie erwähnt, mit Cp 12 auf. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass diese Fuge die Nr. 13 sein sollte.
Einige Fachleute haben vorgeschlagen, sie vor Cp 12 zu stellen, da sie nur dreistimmig ist. Aber Bachs Autograph und die Druckausgabe platzieren sie übereinstimmend hinter die Nr. 12 – und, was schwerer wiegt, in kontrapunktischer Kunstfertigkeit übertrifft sie die Nr. 12 bei weitem.
Die Taktvorzeichnung lautet C für den rectus und X für den inversus. Der Vergleich mit anderen Fugen, die ursprünglich in 5 notiert waren und dann in ihren Notenwerten verdoppelt wurden (Fugen Nr. 8 und 11), ergibt, dass die Vorzeichnung für den inversus korrekt ist und für beide Versionen also X gelten muss. (Vgl. die Bemerkungen zu Cp 9.)
Ein Hauptproblem für die Erstellung einer modernen Edition sind die punktierten Noten. In zahlreichen Fällen hat Bach die Punktierungen vergessen oder die Notenbalken für die kurzen Noten nicht genau bezeichnet. Besonders in dieser Frage habe ich alle verfügbaren Quellen heranziehen müssen, um eine „Urfassung“ für die dreistimmige rectus-Fuge zu eruieren, von der alle Fassungen abhängen müssen. Bach kann keine rhythmischen Inkonsequenzen zwischen rectus und inversus beabsichtigt haben; und da die vierstimmigen Bearbeitungen für zwei Cembali unmittelbar aus den dreistimmigen Fassungen für ein Cembalo entstanden sind, bin ich davon ausgegangen, dass Bach alle Punktierungen, die in einer der acht Quellen vorkommen, grundsätzlich als für alle anderen Fassungen verbindlich erachtete. Ich habe jedoch Rhythmen, die in keiner der acht Quellen punktiert sind, auch unpunktiert belassen. (In
Takt 46 z. B. sollte der Spieler jedoch zweifellos die fehlenden Punkte selbst hinzufügen und die raschen Noten dem vorherrschenden punktierten, d. h. Triolen-Rhythmus anpassen; vgl. den inversus.) Die Dutzenden von kleinen rhythmischen Abweichungen zwischen den Quellen sind weiter unten nicht eigens aufgeführt, es sei denn, sie sind in anderer Weise von Belang. Hingewiesen sei auf die fehlende Übereinstimmung zwischen rectus (Bass) und inversus (So-
pran) in Takt 15.

Kunst der Fuge: das Rätsel, um das ich mich nie (wirklich) gekümmert habe:

Gräser-Ausgabe

Im Sinn behalten! Diese Interpretation (Kunst der Fuge Robert Hill, haenssler Classic 2000) ist also nicht identisch mit Tr. 20 auf der MAK-CD unter Goebel: dort spielt Andreas Staier solo (etwas langsamer). Robert Hill spielt solo nur den Contrapunctus 3 (Tr. 3). Es folgt dieser Canon in der Taschenpartitur-Ausgabe von Boosey & Hawkes. Meine Übung: in diesen Noten auch die direkt angeschlossene Version mit den vertauschten Stimmen mitzulesen und mitzudenken: jetzt beginnt also die linke Hand, die rechte folgt 4 Takte später.

Ausgabe Boosey & Hawkes

Dem entspricht:

Aber was ist dies?

Das dritte Ohr (eine schlechte Vorlage)

Um es festzuhalten

Ich gehe aus von Peter Szendy, der mich schon einmal in recht skeptische Stimmung versetzt hat (siehe hier , später habe ich das Thema wohl aufgegeben, ratlos), sein neuer Aufsatz begegnete mir jetzt in dem Magazin „Musik & Ästhetik“ (Heft 109, Januar 2024, S, 5-15): „Wie viele Ohren? Oder : Der Adressat des Hörens“.

Das „dritte Ohr“ als Thema ist nicht neu, zu der Kurz-Übersicht eines sehr tüchtigen Bloggers fand ich durch google, hier, wobei mich wiederum skeptisch stimmt, dass ich alle in diesem Zusammenhang wichtigen Namen falsch geschrieben sehe, nämlich so: Theodor Reick, Joachim E. Behrendt und auch Siegmund Freud.

Da mir Szendy nach wie vor aus dem Nietzsche-Aphorismus etwas anderes herauszuhören scheint als drinsteckt, etwas „Anderes“, oder gar die „Andersheit“, möchte ich die ausschlaggebenden Texte vollständig wiedergeben, um zu prüfen, ob meine intuitive Weise des Verstehens auf einem fehlenden dritten Ohr beruht, – das mir schon bei Berendt aus der Luft gegriffen schien, nachgebildet dem „dritten Auge“ der Inder. Aus Nietzsches „Morgenröte“ (alte Kröner-Ausgabe 1952) Nr. 255:

 

Von einem dritten Ohr ist im Gespräch zwischen A und B keineswegs die Rede: „Horch“ heißt es da, als die Musik von neuem beginnt, von der B überwältigt war, während A aufklärerisch von einem Drama spricht , das B „beim ersten Hören“ wohl nicht habe sehen können oder wollen, obwohl jener, wie er sagt, „zwei Ohren und mehr hat, wenn es nötig ist“. Deshalb ermuntert er A, ihm Näheres zu erklären. Und d e r flüstert seinen Kommentar offenbar parallel zur laufenden Musik.

Es ist also Person A, die nun den Aufbau der Melodie charakterisiert, die Abfolge der Motive, die sich zu einem größeren Zusammenhang formen wollen: vielmehr er hält es für die Stimme des Komponisten, die da in der Musik zu hören ist, der Anfang „ist es noch nicht, was er uns sagen will, er verspricht bisher nur, daß er etwas sagen werde, etwas Unerhörtes, wie er mit diesen Gebärden zu verstehen gibt. Denn Gebärden sind es. Wie er winkt! sich hoch aufrichtet! die Arme wirft! Und jetzt scheint ihm der höchste Augenblick der Spannung gekommen: noch zwei Fanfaren, und er führt sein Thema vor, prächtig und geputzt, wie klirrend von edlen Steinen.“

Ich sehe das Thema im Cello vor meinem geistigen Auge, wie es aus einzelnen Gebärden entsteht. Dass Musik eine Gebärdensprache ist, gilt ja als ausgemacht, es ist ein geläufiges Bild; ich stelle mir die stufenweise ausgreifenden Gesten des berühmten Mendelssohn-Trios vor, erst die „zwei Fanfaren“ kann ich nicht zuordnen, aber sonst „passt es“ überraschend: „So verschüttet er seine Melodie unter Süßigkeiten – jetzt ruft er sogar unsere gröberen Sinne an, um uns aufzuregen, und so wieder unter seine Gewalt zu bringen. Hören Sie, wie er das Elementarísche stürmischer und donnernder Rhythmen beschwört!“ – Hören Sie es auch?

Versuchen Sie jetzt nur nicht, jede musikalische Wendung auf Nietzsches Text zu beziehen, er hat sich gewiss nicht Mendelssohn dazu vorgestellt, vielleicht eher Wagner oder etwas Eigenes, es geht lediglich um die Tatsache, dass man eine Musik so beschreiben und – herabsetzen kann, wenn man sie in jedem Punkt mit einer Absicht verbindet. Zugleich sind wir wirklich erschüttert und glauben gern, „unsere Betäubung und Erschütterung sei die Wirkung seines Wunder-Themas.“ – S.o. im wiedergegebenen Text, den Sie zur Musik hören könnten…

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Ein weiterer Nietzsche-Text, den Szendy zitiert, schlicht, weil er auch mit den Ohren zu tun hat, sei wiederum aus meiner alten Ausgabe wiedergegeben, samt dem Umfeld in  „Jenseits von Gut und Böse“ Nr 246:

Festzuhalten ist, dass der erste Nietzsche-Text sich eindeutig auf Musik bezieht, dieser zweite aber auf das Bücherlesen, und nur hier taucht explizit das d r i t t e Ohr auf. Es ist zweifellos ein innerer Sinn, mit dem wir in geschriebenen Texten auch den Klang der Sprache wahrnehmen, der den Rhythmus,  das Tempo, „den Sinn in der Folge der Vokale und Diphtonge rät, und wie zart und reich sie in ihrem Hintereinander sich färben und umfärben können: wer unter bücherlesenden Deutschen ist gutwillig genug, solchergestalt Pflichten und Forderungen anzuerkennen und auf so viel Kunst und Absicht in der Sprache hinzuhorchen? Man hat zuletzt eben ‚das Ohr nicht dafür‘ : und so werden die stärksten Gegensätze des Stils nicht gehört, und die feinste Künstlerschaft ist wie vor Tauben  v e r s c h w e n d e t . -“

Klarer kann man es kaum sagen: es ist der Klang der Sprache, der auch beim stummen Lesen eine große Rolle spielen sollte, aber nicht mit dem Klang von Musik zu verwechseln ist. Das Wort Musik kommt in diesen beiden Aphorismen nicht vor, allerdings die Musiker, da es denn doch verwunderlich ist, dass auch sie wie alle Deutschen beim Schreiben und Lesen die Ohren ins Schubfach gelegt haben. Dann folgt die ausgedehnte Eloge auf die antike Redekunst (hörbar!) und schließlich das ferne deutsche Abbild, die Predigt von der Kanzel und das schriftliche Meisterstück der deutschen Prosa, Luthers Bibel.

Szendy, der allerdings von dem Psychoanalytiker Theodor Reik die (fragwürdige) Gleichsetzung des dritten Ohres mit dem inneren Ohr übernehmen will und auch noch Conan Doyle und des Heiligen Augustinus‘ „Ohren des Herzens“ zwischenschaltet, will über das dritte Ohr als das Ohr des Anderen  und überhaupt über Andersheit reden. Von daher erhält die Aufteilung des Dialogs zwischen A und B eine Bedeutung, die bei Nietzsche nicht vorgegeben ist, und das geht so:

Hier „finde nicht einfach ein Austausch zwischen zwei Hörern darüber statt, was sie hören in dem Moment in Nietzsches Gespräch über Musik, in dem B in seiner Antwort auf A das dritte Ohr erwähnt («Ich habe zwei Ohren und mehr wenn nöthig»). Jeder Hörer trägt jeweils in sich, in ihren oder in seinen Ohren die Möglichkeit, mehr als zwei oder weniger als zwei Ohren zu haben, was es unmöglich macht, sie zu zählen.“ Wo steht das bei Nietzsche? Wo erwähnt B von sein drittes Ohr?

Einesteils eine unerlaubte Begriffsverengung von dem „Zwei-Ohren-und mehr“-Satz auf das eine, das dritte Ohr, andererseits eine absurde Begriffserweiterung von B’s Ohren-Satz auf – alle Ohren im folgenden Satz: „Jeder Hörer trägt jeweils in sich…“

Später heißt es – wiederum kurzschlüssig – es handle sich bei dem Dialog nicht etwa um einen Duolog, „weil einer der beiden Charaktere, B, mehr als zwei Ohren hat, die ihn  oder sie zu mehr als einer Person machen.“ Er hat sie nicht in dem Sinne, wie er eine Person ist, sie stehen ihm imaginär zur Verfügung. (Plötzlich beginnt er zu genderisieren oder zu pluralisieren, um es nicht zu einfach zu machen.)

(Abgebrochen am Ohrenmontag)

Lotte in Weimar

Angekommen im 7. Kapitel…

…habe ich endlich meinen Frieden gemacht mit diesem Werk, gegen das ich immer wieder neuen Widerstand entwickelte. Als ich kapierte, dass nun Goethe selbst das Wort hat und wie täuschend ähnlich und bewundernswert souverän er getroffen ist, wusste ich, dass ich die Lektüre wohl doch nicht mehr aufgeben kann. Ich werde sogar die seltsamen Passagen über das Alter und die Jugend abschreiben, um sie mir vergleichend anzueignen oder abzuweisen, als habe ich bisher nur den Mut nicht gehabt, so groß von mir zu denken. Ist es gute Prosa? Oder soll sie dem „corrosiv angehauchten“ Altersgefühl entsprechen?

Erst heute kam ich auf die naheliegende Idee, Wikipedia zu konsultieren, nachzusehen, ob die Kapitel inhaltlich näher beschrieben seien. Hervorragend! Überhaupt alles lesenswert, gerade wo es um die Wirkung in Deutschland geht, z.B. nach den Nürnberger Prozessen, die Verwechslung der Thomas-Mann-Erfindung mit dem echten Goethe durch den britischen Botschafter. Die Richtigstellung der bekannten (und oft memorierten) Äußerung, er habe noch von keinem Verbrechen gehört, das er nicht habe begehen können.

HIER

Der Film hier

ZITAT (Ein Blick aufs Alter – damals)

Da ist mir die morgenfreundliche Laune getrübt und corrosiv angehaucht von ärgerlichem Sinnieren -! Wie stehts denn überall? Was ist mit dem Arm? Tut als brav weh, wenn ich ihn hintüberlege. Immer denkt man, die gute Nacht wirds bessern, aber es hat der Schlaf die alte Heilkraft nicht mehr, muß es wohl bleiben lassen. Und das Ekzem am Schenkel? Meldet sich auch zur Stelle mit gehorsamstem Guten Morgen. Weder Haut noch Gelenke wollen mehr mittun. Ach, ich sehn mich nach Tennstedt zurück ins Schwefelwasser. Früher sehnt ich mich nach Italien, jetzt in die heiße Brühe, daß sie die verhärtenden Glieder löse: so modificiert das Alter die Wünsche und bringt uns herunter. Es muß der Mensch wieder ruiniert werden. Ist aber doch ein groß, wunderbar Ding um diesen Ruin und um das Alter und eine lächelnde Erfindung der ewigen Güte, daß der Mensch sich in seinen Zuständen behagt und sie selbst ihn sich zurichten, daß er einsinnig mit ihnen und so der Ihre wie sie die Seinen. Du wirst alt, so wirst du ein Alter und siehst allenfalls mit Wohlwollen, aber geringschätzig auf die Jugend herab, das Spatzenvolk. Möchtest du wieder jung und der Spatz sein von dazumal? Schrieb den ›Werther‹, der Spatz, mit lächerlicher Fixigkeit, und das war denn was, freilich, für seine Jahre. Aber leben und alt werden danach, das ist es erst, da liegt der Spielmann begraben. All Heroismus liegt in der Ausdauer, im Willen zu leben und nicht zu sterben, das ists, und Größe ist nur beim Alter. Ein Junger kann ein Genie sein, aber nicht groß. Größe ist erst bei der Macht, dem Dauergewicht und dem Geist des Alters. Macht und Geist, das ist das Alter und ist die Größe – und die Liebe ists auch erst! Was ist Jugendliebe gegen die geistige Liebesmacht des Alters? Was für ein Spatzenfest ist das, die Liebe der Jugend, gegen die schwindlichte Schmeichelei, die holde Jugend erfährt, wenn Altersgröße sie liebend erwählt und erhebt, mit gewaltigem Geistesgefühl ihre Zartheit ziert – gegen das rosige Glück, worin lebensversichert das große Alter prangt, wenn Jugend sie liebt? Sei bedankt, ewige Güte! Alles wird immer schöner, bedeutender, mächtiger und feierlicher. Und so fortan!

Das heiße ich sich wiederherstellen. Schaffts der Schlaf nicht mehr so schafft es der Gedanke. Schellen wir also nun dem Carl, daß er den Kaffee bringt; ehe man sich erwärmt und belebt, ist sogar der Tag nicht einzuschätzen und nicht zu sagen, wies heute um den Guten steht. Vorhin war mir, als wollt ich marode machen, im Bett bleiben und alles sein lassen.

Quelle Thomas Mann: Lotte in Weimar / Fischer Frankfurt am Main 1990 (Seite 260f)

Etwas ziellos in meiner Bibliothek, – ah, was ich noch bedenken sollte: was Katja Mann und die Tochter Erika zu „Lotte in Weimar“ gesagt haben…

↑ Fischer Frankfurt am Main 1988 (1976)

↑ Rowohlt Reinbek bei Hamburg 1996

Rätsel Fußball

Ein Abend mit Bayer Leverkusen (6.Februar 2024)

Wie entsteht Wirkung? Nach diesem Spiel weiß man es wieder. So laut und wild es zugeht: es hat auch rituellen Charakter, der sich eher in der Kreuzung der Gesänge und Rhythmen spiegelt. Ich versuche, es auf dem Handy einzufangen, aber ich vermag es nicht. Vielmehr: ich kenne jemanden, der es besser kann. Ich helfe der Erinnerung visuell nach.

Fotos: ©JR

In Fußballsprache / Zitat:

Lange Zeit hatte Bayer Leverkusen vor 30.210 Zuschauer*innen in der ausverkauften BayArena große Probleme im Aufbau mit den Stuttgartern. Diese boten den Gastgebern Paroli und verhinderten klare Torchancen für B04. Eine Ecke brachte dem VfB die Führung: Angelo Stiller schlenzte den Ball von der rechten Seite an den zweiten Pfosten, wo Waldemar Anton recht frei zum Kopfball kam – und zum 1:0 einnickte (11. Spielminute). Weiterhin zeigte die Hoeneß-Elf ein bärenstarkes Spiel: Wenn sie in Ballbesitz waren, schalteten sie sofort gefährlich um. Erst in der Schlussphase nahm der Druck der Werkself nahezu minütlich zu – dennoch blieb es zur Pause beim 1:0 für die Gäste. Ohne Wechsel ging es weiter. Die Gastgeber kamen mit Schwung aus der Kabine und durften schon nach wenigen Minuten jubeln: Florian Wirtz flankte von der linken Seite nach innen, wo die Hereingabe nur vermeintlich geklärt wurde. Der Ball landete halblinks vor dem Sechzehner bei Robert Andrich, der anschließend im hohen Bogen über Keeper Alexander Nübel hinweg unter die Querlatte schlenzte (50.). Ein Traumtor! Als Bayer wenig später den Ball im Aufbau am eigenen Sechzehner verlor, ging der VfB dann durch einen Rechtsschuss von Chris Führich wieder in Führung (58.). Wieder glichen die Gastgeber aus, diesmal durch Joker Amine Adli, der halblinks im Sechzehner frei zum Abschluss kam (66.). Lange Zeit sah es ganz danach aus, als würde es in die Verlängerung gehen – ehe Jonathan Tah die Partie in letzter Minute per Kopf für Leverkusen entschied (90.). Die Aufstellungen: Bayer 04 Leverkusen: Kovar – Tapsoba, Tah, Hincapie – Frimpong (90.+3 Stanisic), G. Xhaka, Andrich, Grimaldo – Hofmann (63. Adli), Schick (63. Borja Iglesias), Wirtz (90.+3 Hlozek) Trainer: Xabi Alonso VfB Stuttgart: Nübel – Rouault, Anton, H. Ito – Vagnoman, Karazor, Stiller, Mittelstädt (70. Stergiou), Millot (62. Leweling), Führich (79. Dahoud) – Undav Trainer: Sebastian Hoeneß Schiedsrichter: Daniel Schlager (Hügelsheim) Kommentator: Moritz Zschau  

Nächstes Spiel: Samstag 10.02.24 um 18.30 Uhr Bayer Leverkusen gegen Bayern München

ST 9.2.24 S.9 Thomas Schulz „Der Fußballflüsterer“ Xabi Alonso

Ich habe mich schon mehrfach mit dem Thema theoretisch beschäftigt, und wiederhole, was ich damals u.a. auch zitiert habe:

Auch wenn Fußball von Menschen gespielt wird, entsteht seine Poesie nicht durch menschliche Handlungen allein. In die unvergesslichen Spiele mischt sich etwas ein, was über Menschen hinausgeht. Der Zufall lässt unfassbare Dinge entstehen: übermenschliches Gelingen, aber auch unbegreifliches Versagen. Eine geheimnisvolle Dramaturgie kann einen Spielverlauf hervorbringen, der die menschliche Phantasie übersteigt. Fußball ist freilich nicht mit den Schönen Künsten verwandt. Er ist ein rohes Geschehen und vollzieht sich im Augenblick, wie der Einschlag eines Meteoriten.

Und doch:

 Im Drama des Fußballs findet man Elemente, die wir von anderen Dramen kennen, von den Dramen des Theaters, des Films, der Politik. Anders als in diesen entsteht seine Poesie aus einem gemeinen Spiel, das sich von der hohen Kultur abkehrt. Die Abwehr gegen den hohen Ton, den guten Geschmack, die vergeistigte Haltung lässt sich nicht mit Begriffen beschreiben, die der Hochkultur entnommen werden.

Quelle Gunter Gebauer Poetik des Fussballs, Campus Verlag, Frankfurt / M. 2006 (a.a.O. Seite 8 und 9)

Interessant auch Otto A. Böhmer in der Wiener Zeitung 4.6.2016: „Als Heidegger Sein und Zeit vergaß„.

10.02.24 abends – Das Wunder ist geschehen! (Kein Wunder!)

Die letzten Minuten im Kicker-Ticker-TV

Was ist hier passiert???

Korrektur – hier

Zusammenbruch eines Imperiums

Roms letzte Jahrzehnte: Klima, Krankheit und Vulkane

Das Thema reaktiviert frühere Lektüren (beide 2005): s.a hier und hier

Anknüpfend an Jugendlektüre: HIER https://de.wikipedia.org/wiki/Ein_Kampf_um_Rom (JR ca.1955, nach Quo vadis, Julian Apostata)

(Fortsetzung folgt)

La Singla

Geschichten vom Flamenco (zum Vormerken)

https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/la-singla-2023 hier

https://www.arte.tv/de/videos/109359-000-A/la-singla/ HIER

Zitat

Der Film erzählt die unglaubliche Geschichte von Antoñita „La Singla“, der Flamenco-Tänzerin, die in den 1960-er Jahren Spanien und den Rest der Welt im Sturm eroberte. Als Kleinkind verlor sie ihr Gehör und lernte trotzdem zu tanzen. Mit zwölf Jahren begann sie aufzutreten. Und dann, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, verschwand sie spurlos.

Der Film erzählt die unglaubliche Geschichte von Antoñita „La Singla“, der Flamenco-Tänzerin, die in den 1960er Jahren Spanien und den Rest der Welt im Sturm eroberte. Aufgewachsen in einer Roma-Siedlung am heruntergekommenen Strand von Barcelona, war es eine Weltkarriere gegen alle Wahrscheinlichkeit. Denn als Kleinkind hatte Antoñita ihr Gehör verloren und lernte nur mühsam sprechen. Das Tanzen lernte sie, indem sie ihrer Mutter beim Klatschen zum Flamenco zusah und den Rhythmus in sich aufnahm. Mit zwölf Jahren begann sie, in den in Tavernen von Barcelona aufzutreten. 1965 erlebte sie ihren Durchbruch bei der internationalen Tournee des Festival Flamenco Gitano. Manche bezeichneten die damals 17-Jährige als beste Flamenco-Tänzerin der Welt. Sie ging mit Ella Fitzgerald auf Tournee, tanzte für Salvador Dalí, wurde bewundert von Marcel Duchamps und Jean Cocteau. Und dann, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, verschwand sie spurlos. Der Film erzählt das Leben und die Tragödie von Antoñita Singla. Paloma Zapata nutzt Archivmaterial, Fotos und Fernsehauftritte, aber auch nachgestellte Szenen. Sie erzählt das bewegende Leben eines Roma-Mädchens, deren Tanz wie ein stummer Schrei ihrer Verzweiflung wirkte. Aber warum verschwand sie spurlos? Der Film begibt sich auf die Suche nach dem verschollenen Flamenco-Star und findet in der Nähe des Strandes von Barcelona, dort, wo Antoñita Singla aufgewachsen ist, eine Spur zu ihrer Familie.

In der Arte Mediathek abrufbar vom 04/02/2024 bis 03/05/2024

https://en.wikipedia.org/wiki/Anto%C3%B1ita_Singla hier

Wikipedia zu Flamenco HIER

Alle Übersichten (alphabetisch) Flamencopolis HIER

Quelle: Bernard Leblon: Flamenco Palmyra-Verlag

Quelle MGG (Musik in Geschichte u Gegenwart 1995) Marlies Glück (Marius Schneider)