Orfeo Mozart Schumann

Neue Schallplatten

Ein entscheidender Punkt, das Neue wirklich wahrzunehmen, ist simpel: die beigegebene Information beachten! Also: Booklet lesen. ABER es ist viel zu klein gedruckt. Also einscannen und um jeden Preis angenehm lesbar zu machen.

Störfaktor beim ersten Durchhören: die beiden Solostimmen sind einander in Stimmlage und Timbre zu nah, man ist sich nicht sicher, wer eigentlich singt. Textkenntnis unbedingt notwendig, mitlesen!

Irritation: die Komponisten wechseln. Erkenne ich ihre Eigenarten? Hier ist ein neuer Konnex aus mehreren Dramen geschaffen, die im Abstand von 40, 50 Jahren entstanden sind. Möglicherweise bemerkt man: oh, das hätte ich gar nicht bemerkt…

Schaffe dir Inseln der Vertrautheit, Aussichtspunkte der Neugier: Possente spirtu  Tr. 20 bis 21, Monteverdi 1607, oder auch Tr. 18  Sartorio 1672 Se desti pietá oder schon Tr. 17, „wo der herrlichen Arie ‚Se desti pietá‚ ein Rezitativ von großer Ausdruckskraft vorausgeht.“ Schön gesagt, schon höre ich es dreimal hintereinander, mein altes Geheimrezept: Wiederholung! Nebenbei: sie, Eurydike singt, bzw. ihr Schatten. Der Text:

Orpheus, du schläfst? Im dunklen Abgrund lässt du Eurydike, ihre Liebe vergisst du? Du widmest deiner Leier süßen Gesang, doch mich holst du nicht aus dem Höllenreich?

Se desti pietá – Du, der du Mitleid erweckst in Stümpfen und Steinen, lenke doch deine Schritte in das Reich der Tränen, dein Gesang wird auch dort Mitleid erwecken.

An den Leser: Bleib resistent gegenüber einfältigen Anbiederungen, – wenn da etwa im Kommentar steht: der Mythos des Orpheus, einst aristokratische Idealisierung, sei zur modernen Schilderung einer banalen Ehekrise geworden. Nein, ist er nicht!

Orfeo Cover es geht nicht nur um Jaroussky!

Orfeo a sorgfältig anklicken!

Orfeo b jeden Satz ernst nehmen!

ZITAT

Sein Possente spirto, genau in der Mitte des Werkes, bildet den Höhepunkt der Partitur. Als Konzentrat aller von den Florentinern eingesetzten Techniken ist es der Inbegriff des übermenschlichen Gesangs des Halbgottes, der alle Lebewesen bis hin zu den wilden Tieren zu bezaubern vermag, vor allem mit seinem cantar passeggiato, seinem virtuos ausgezierten Gesang. [Genau das ist es, was den „modernen“ Hörer zu allererst befremdet: die instrumentale Behandlung der Stimme, entsprechend den tatsächlichen Vorgaben der Instrumente, incl. Echo-Wirkungen, wie in der Marienversper. JR] Als Hommage an Dante, dessen metrische Struktur übernommen wird, erläutern die sechs Strophen die drei Gesichter der Musik, weltlich, menschlich und  instrumental mit einer bis dahin nie erreichten Ausdruckskraft. Das Lob auf seine Leier, im vierten Akt der Hölle, ist zugleich das Präludium zur Katastrophe des unwiderruflichen Verlusts und zur himmlischen Verklärung, mit der dieses erste große Meisterwerk der Operngeschichte endet. [Hier „nur“ in der Version des Luigi Rossi Tr. 24.]

Text: Jean-François Lattarico, Übersetzung Gudrun Meier

Zur Kombination Philippe Jaroussky / Emöke Barath s.a. HIER

Zu meiner Vergangenheit mit Orfeo: die Monteverdi-Begeisterung kam mit dem Deller-Consort, – unsere Aufführungen der Marien-Vesper, dann Harnoncourts Orfeo (1978).

Die Szene mit der düsteren Sinfonia und Orfeos Possente spirto findet man in dem Film der Züricher Aufführung  genau ab 53:10 !

Die neueren Gesamt-Aufnahmen haben mich kalt gelassen, Intonation oft unbefriedigend, auch was die sängerischen Qualitäten anging: die Tenöre Laurence Dale oder Ian Bostridge mühsam aber vibratoreich, dagegen der Bariton Philippe Huttenlocher bei Harnoncourt durchaus überzeugend. Ach, man vergisst alles über diesen klaren, makellosen Stimmen der neuen Orfeo-CD!! Vielleicht auch gerade aufgrund der neuen Compilation mehrerer Komponisten!

Orfeo Jacobs & Haim Nicht die Marienvesper hier vergessen!

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Bestellt habe ich die folgende CD, weil mir beim Hineinhören bei jpc der Mozart so ungewöhnlich erschien. Begonnen habe ich dann allerdings mit der DVD, weil ich vor Jahren im Fernsehen einen Film gesehen habe, in dem Piotr Anderszewski sich mit dem alten, untergegangenen Warschau beschäftigte, Landkarten und Bilder evozierte, als habe er es vor der Zerstörung durch die Nazis gekannt. Diesen Film über das gegenwärtige Warschau hat er selbst gemacht: „Warsaw is my name“. Wie schön, dass es nur O-Ton gibt und sparsame Klavier-Aufnahmen: wunderbar empfundene Chopin-Mazurken, polnisch bis ins Rubato der linken Hand.

Anderszewski Cover

Dann höre ich die Geister-Variationen und  rekapituliere das Violinkonzert hier, – wegen des langsamen Satzes. In diesem Booklet steht, Schumann habe das Thema der Variationen im langsamen Satz des Violinkonzertes von 1853 verwendet, was ja richtig ist, jedoch auch: dass es bereits in den Phantasiestücken op.111 von 1851 vorkomme. Die Autorin irrt, wenn sie das folgende Stück meint, nämlich Nr. 2 (aber welches sonst?):

Schumann op 111

Wenn man liest, was Anderszewski selbst im Booklet über Schumann schreibt, möchte man ihn unwillkürlich in die Schranken weisen, – aber nur wenn man die Fantasie in C-dur noch nicht gehört hat. Und auch den Mozart, der gerade durch Schumanns Nähe so plastisch im Raum bleibt:

Bei Schumann ging es weniger geradlinig, weniger konsequent zu; man ahnt, dass hinter seinen Schöpfungen ein weitaus aufgewühlterer Geist steckt. Doch sogar in seinen unbeholfeneren Stücken bleibt er seiner Intention, seiner ursprünglichen Idee treu. Er versucht nicht, seinen Einfall zu korrigieren – auch wenn er mangelhaft ist -, und die Unbeholfenheit kann in den Händen des richtigen Interpreten ungeheuer bewegend, verletzlich und menschlich wirken.

Man grübelt, was er meint, und vermutet, dass es sich wieder einmal um eine Anspielung auf das Spätwerk handelt, wohl in Gestalt dieser Variationen. Ein mangelhafter Einfall – wo? Und wie dankbar ist man doch für die endlose Pause nach der Fantasie, ebenso wie für das gewaltige Schweigen vor Mozarts Adagio, nach dem ersten Satz der C-moll-Sonate, der gewissermaßen als 5. Satz der Fantasia fungiert. (Auf dem obigen Cover und auch in der Inhaltsangabe steht kurioserweise bei beiden Werken C-DUR.)

(Fortsetzung folgt)

ORFEO !!!! Gerade noch verfügbar: HIER !!! (Inzwischen abgeschaltet) Weitere Screenshots sollen noch als Erinnerung folgen!

ORFEO Screenshot 2017-08-02 16.32.07 2. August 2017

Orfeo Screenshot 2017-08-05

Orfeo Screenshot 2017-08-05 Klagelied

Orfeo Screenshot 2017-08-05 Sie ist tot