Indien, Musik und Drogen 1969

Indische Sicht 

Neben den Teenagern gab es noch ein andere große Gruppe – bekannt als „Hippies“ – die zu meinen eifrigen Bewunderern wurden. Ich fand es sogar noch schwieriger, sie zu einem Verständnis und einer Wertschätzung unserer Musik aus dem richtigen Blickwinkel zu bringen. Der Grund dafür war, glaube ich, daß viele von ihnen verschiedene Arten halluzinogener Drogen nahmen und unsere Musik als Teil ihrer Drogenerfahrungen benutzten. Obwohl mich anfangs ihre Auffassung von indischer Musik als „psychedelischer“, geistiger und erotischer Erfahrung verletzte, merkte ich später, daß das nicht allein ihre Schuld war. Ich entdeckte, daß einige selbsternannte amerikanische „gurus“ in den letzten Jahren falsche Informationen über Indien verbreitet und gesagt hatten, fast alle bekannten Asketen, Denker und Künstler nähmen Drogen. Diese „gurus“ behaupteten sogar, man könne nicht richtig musizieren, meditieren und nicht einmal  das heilige Wort OM aussprechen, ohne unter dem Einfluß solcher Drogen zu stehen.

(…)

Indien wird nun überlaufen von ungewaschenen, rebellischen jungen Leuten; es ist wirklich traurig, die jungen Amerikanier und Europäer aus guten Familien zu sehen, die versuchen, auf diese Weise in Indien irgendeine Art von Spiritualität und Seelenfrieden zu finden. Sie merken nicht, daß sie nicht der echten indischen Religion, Philosophie und Denkungsart folgen, sondern sich wegen der Verbindungen mit Drogen und, in gewissem Maße, mit Sex, zu einigen der offen pervertierten und degenerierten Denkschulen hingezogen fühlen.

Bei einem meiner letzten Besuche in den Vereinigten Staaten kamen einige junge Männer zu mir, um Sitar zu lernen. Als ich sie zuerst sah, flößte mir ihr Aussehen Mitleid ein – sie waren blaß und anämisch und hatten glänzende, glasige Augen, ihre Hände hingen zitternd vor ihren schmutzigen Körpern, und sie zeigten eine seltsame, unnatürliche Nervosität. Als ich später merkte, daß einige recht begabt waren, wurde ich noch trauriger. Ich erfuhr dann, daß diese Jungen nicht nur gewohnheitsmäßig Marihuana rauchen, sondern auch LSD, Methedrin und Heroin nahmen. Ich versuchte verständnisvoll zu sein, und erklärte ihnen, sie müßten zuerst diese Gewohnheiten ablegen, bevor ich in Betracht ziehen könne, sie zu unterrichten. Doch sie antwortete mir mit den gleichen Worten, die ich inzwischen von Hunderten von anderen gehört habe – sie fühlten sich durch Drogen so viel „bewußter“, wären so viel geistvoller, und alles schiene viel schöner.

Quelle: Ravi Shankar – Meine Musik mein Leben Einleitung von Yehudi Menuhin  Nymphenburger Verlagshandlung München 1969 (Seite 185 f)

Westliche Sicht

Ich habe Ali Akbar Khan zum ersten Mal live spielen hören, als ich im Herbst 1969 als Erstsemester am Reed College in Portland, Oregon, anfing. Ich hatte seine Musik schon viel gehört und manchmal mit der Gitarre dazu gejamt, aber ich hatte noch keine Gelegenheit gehabt, ein Konzert zu erleben. Als guter Hippiejunge bereitete ich mich mit einer kräftigen Dosis Meskalin vor, meiner damaligen Droge der Wahl. Auf meinem Platz in der ersten Reihe war ich wie hypnotisiert von der Musik. Aber nach dem Konzert ging das Feuerwerk für mich erst richtig los. Die Leute liefen herum, redeten über den nächsten Tag, und ich saß ehrfürchtig da und fragte mich, warum alle aufgestanden waren. Die Musik spielte doch weiter!!! Der Raga, der Tala, alles lief weiter, und ich war der einzige, der das bemerkte. Die Gespräche um mich herum WAREN der Raga und das Trapsen der Füße WAR der Tala. Ich erlebte eine göttliche Darbietung der Musik der Sphären, des Liedes des Lebens! Wir haben natürlich alle transzendentale Drogenerlebnisse, aber wie viele davon dauern länger an als bis zum nächsten Sonnenaufgang? Diese Erfahrung ist jedenfalls immer noch bei mir. Ali Akbar Khan hatte mich auf die Ebene reinen Klanges gebracht, wo die Musik Gott berührt, wo die Musik Gott IST. Und damit hat er mein Leben in neue Bahnen gelenkt.

Quelle: Jais Blog – Ali Akbar Khans göttliche Musik – Notizen von Jai Uttal In: India Instruments  Rundbrief September / Oktober 2015 HIER (unter 5.) s.a. http://jaiuttal.com/

Ich erinnere mich, dass ich Anfang der 60er Jahre auch mit solchen Gedanken spielte, mir auf Biegen und Brechen neue Welten erschließen wollte, Aurobindo las und auch – mit Goethes „Faust“ als Schulerfahrung im Rücken – allen Ernstes magische Breviere anschaffte , die mir irgendwie beweiskräftig erschienen… irgendwie …. das ging vorbei, und als ich echter indischer Musik begegnete, konnte ich sie mit Esoterik nicht mehr verwechseln.

Wolff Indien  Magie Toxikologie  a Magie Toxikologie b