Archiv der Kategorie: Philosophie

Stille

Über die Stille reden

https://de.wikipedia.org/wiki/Stille hier

Barbara Bleisch

einige Sekunden ab 23:33

https://de.wikipedia.org/wiki/4%E2%80%B233%E2%80%B3 nichts (4:33)

Stille am Schreibtisch – Moment der Erinnerung 1972

  ← „Über das Wesen des Musikwerks“ und „Stille und Pause in der Musik“↓

 

Wer war Zofia Lissa? https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000497 hier

Das Buch schlug sich beim Herausnehmen von selbst auf, ein Zettel lag darin mit der folgenden Notiz (vielleicht Urlaub in La Orotava auf Teneriffa beim Wiederlesen dieses Essays):

Erinnern Sie sich an Parsifal?

Ich meine den diesjährigen in Bayreuth? Meine Erinnerung hat ihn als ironische Aufführung abgelegt, Gelächter zum Schaden der Kultur, die jetzt auch vordergründig ernst machen kann. Wie wäre es mit einem vollständig umgedeuteten Weihnachtsoratorium? Einer Bach-Passion? Also: dasselbe wie immer, aber von einem überlegenen Standpunkt aus?

Parsifal 25. Juli Live-Stream

Natürlich, das kann man nicht vergleichen, aber es geht doch, denke ich!? Auch die Religion allgemein in einen zeitgemäßen Kontext zu betten? So kann man ganz gut weiterschlafen:

Solinger Tageblatt 24.10.2023

Zitat zu Ehren des Journalismus:

„…wenige Passagen, aus denen ernste Botschaften blitzen“.

Weltfluchtmomente

Entgrenzung oder Verdichtung?

Texel Nähe Leuchtturm

unten: Oudeschild Treppe mit Hafenblick

in der Ferne: der Kirchturm von Den Hoorn

 

Texel Den Hoorn Kirche – fern, nah und von innen

Piet de Bruin

    Eine gewisse thematische Biederkeit, aber der universale Orgelkosmos im Klang, Autofahrten…

Warum dieser Haydn – unbedingt?

Zur ständigen Anmahnung: die thematische Weite. Dabei immer im Sinn: Ecomare hier. Und oben dies:

Vogelflug und trügerische Auspizien: Himmel!

Sokrates, die alte Schule und eine „ungeschriebene Geheimlehre“

Die private Vorgeschichte

Bilder aus dem Lehrer-Kollegium meines Vaters, 50er Jahre (Fotos privat).

Eine Konferenz

Zentral: Direktor „Peach“ Paul Müller

Ein eher privates Treffen

Mein Vater, nach einem Chor-Konzert, entspannt mit Frau und Kind (*1950), ihm zur Seite zwei Kollegen: „Eule“ Klaus und „OWB“ Oberwahrenbrock, etwa 1956. Meine Mutter datierte Fotos oft mit dem Hinweis: „Das war nach seiner ersten (oder zweiten) Operation.“

Die offizielle Präsentation

daraus ein Ausschnitt:

1.Reihe ganz links und ganz rechts:

Artur Reichow (1901-1959) ← Ltg. Winkler → Hellmuth Dempe (1904-1990)

(Lebensinhalt: Übungen für das komplexe Klavierspiel)

(Lebensinhalt: die Wahrheit des einfachen Lebens)

„Unsere“ letzten 50er Jahre:

eine bedrückende Zeit!

Mein Vater und meine Mutter, Spätsommer 1957, im Café Freudental, vor seiner letzten Operation. Wird alles neu? Das neue (alte) Holz-Haus am Paderborner Weg 26 – auf der anderen Seite der Bielefelder „Promenade“, also der Stadt zugewandt – hatte ihm (oder vor allem ihr?) einen Lebenswunsch erfüllt. Nur zum Schein hatte er damals fürs Foto auch noch einen Pinsel in die Hand genommen.

oben Artur, unten (v.r.n.l.) Gertrud, Jan, Bernd

Es muss dieses letzte Kaffeetrinken gewesen sein, bei dem Hellmuth Dempe hinzustieß, wie meine Mutter berichtete: die beiden Kollegen diskutierten und gerieten in Streit. Worüber? Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie über pädagogische, disziplinarische Fragen völlig unterschiedlicher Ansicht waren: mein Vater autoritär, leicht aufbrausend, Dempe philosophisch, auf sokratisches Gespräch vertrauend, zumindest „offiziell“. Wahrscheinlich beide mit Hang zur Rechthaberei. Oder war es „der vegetarische Gedanke“? (Buch Seite 90). Brisant auch für meine Mutter, ebenso Dempes Verehrung für Albert Schweitzer. Dempe war 3 Jahre jünger als mein Vater, hatte aber zum Zeitpunkt des Streitgesprächs – im Gegensatz zu ihm – noch 30 Jahre der Entwicklung vor sich. Und wenn man meint, er habe sich an einige unantastbare philosophische Autoritäten geklammert, „im Anschluss an Platon“, so mag eine Passage über die“ sokratische Methode“ uns aufklären: da gebraucht er zwar ungeniert die Formulierung von einem möglichen „geistigen Führer des Volkes“, spricht aber zugleich von einer notwendigen „Reinigung [dieser Methode] von den mancherlei Fehlern und Zufälligkeiten, mit denen sie ihr Schöpfer ins Leben gerufen und entwickelt hatte.“

Ich hätte damals, als ich selbsttätig die Lektüre des Fischerbuchs „Sokrates im Gespräch“ begonnen hatte (1955), dann mit dem rde-Band „Der Tod des Sokrates“ von Romano Guardini (1958) und drei Bänden Schleiermacher-Übersetzungen fortfuhr und mich dauerhaft für das Thema begeisterte, von Dempe ernsthaft lernen können. Oder auch gerade nicht, – während es tatsächlich einem vorübergehenden Lehrer wie Karl Ernst Nipkow mit der AG „Moderne Lyrik“ spielend gelang. So dass ich mich zugleich von Albert Schweitzer und seiner Bach-Frömmigkeit verabschiedete, für die der alternde Dempe noch in diesem späten Buch treuherzige Elogen schrieb.

Die Übungen der Breithaupt-Methode, der unser Vater am Klavier anhing, lehnten wir ab (mein älterer Bruder und ich), weil sie nicht zur absoluten Selbständigkeit der Finger zu führen schien. Aber wie er schwor ich später auf eine Sammlung von konzentrierten Einzel-Übungen (André Stoyanov), mit deren Hilfe ich glaubte allen technischen Schwierigkeiten des Klaviers gewachsen zu sein. S.a. hier.

Zu Dempes Schrift

Der Herausgeber seiner Schriften wurde Frieder Lötzsch, – Theologie-Professor in Münster, interessanterweise ein ehemaliger Klavierschüler meines Vaters. Bei einem Treffen der Ehemaligen im Bielefelder Ratsgymnasium hatte er einen Tisch mit eigenen Schriften aufgestellt. Wir haben jedoch bei dieser Gelegenheit unsere Kindheitsbekanntschaft nicht aufgefrischt.

Was mich bewogen hat, jetzt plötzlich diesen Lehrer unserer Schule, dessen Unterricht ich nie unmittelbar genoss, als Pädagogen so ernst zu nehmen, wie nie zu Zeiten meines Vaters? Es war der differenzierte tiefere Zusammenhang der beiden Lebensverläufe (nach 2 Weltkriegen!). Und: z.B. der folgende ungeschminkte Erfahrungsbericht über die (korrigierte) sokratische Lehrmethode, – exemplifiziert ausgerechnet an einem berühmten Heraklit-Satz, der mit dem Krieg als Vater aller Dinge zu tun hat oder zu haben scheint: aus der Sicht meiner Generation gehört das Thema unzweifelhaft in den Kompetenzbereich der Väter, die aber hier im realen Leben wohl beide jedes Wort darüber vermieden.

Quelle Hellmuth Dempe: Philosophie als Lebensform – Zur Wahrheit des einfachen Lebens / Essays im Anschluss an Platon / Herausgegeben mit einem Nachwort von Frieder Lötzsch / Reihe „Philosophische Plädoyers Bd.4 LIT Verlag Berlin 2006 (Seite 13 ff)

Noch etwas erinnere ich: der zweite Musiklehrer an unserer Schule, der den furchtbar unfähigen Eulenstein (?) ersetzte, hieß Georg Scheel, der offenbar in Berlin Studienkollege meines Vaters gewesen war und ernsthafte Ambitionen als Komponist entfaltete. Er war eines Abends bei uns zu Gast und hatte vorher den Wunsch geäußert, einen eigenen Text vorzutragen: über die Zukunft der Musik in einem modernen Staat. Den Entwurf hatte er allerdings nach dem Muster Platons entwickelt, so dass sich starke Einwände ergaben (etwa: das sei reichlich totalitär, – wobei dieses Wort nicht gebraucht wurde, aber ob und wie von meinem Vater, weiß ich nicht). Irgendwie entsprach das dem Zug der Zeit, neue, alte Grundlagen hochzuheben, wozu vielleicht auch gehörte, dass die Hitler-Zeit eher als Unfall eingestuft wurde. Ohne der Vergangenheit auch nur mit einem Wörtchen zu gedenken, eher der Tatsache, dass Georg Scheel „aus dem Osten“ kam. Im Unterricht erregte er mit dem Vortrag eines Klavierstücks aus op.11 von Schönberg spöttische Aufmerksamkeit, das seinen dürftigen pianistischen Fähigkeiten entsprach (sehr kurz und thematisch auf Terz-Intervall beschränkt). Er selbst komponierte eher markig-kernig für Schul-Chor mit Quart- und Quintklängen: „Bemeßt den Schritt! Bemeßt den Schwung! Die Erde bleibt noch lange jung! Dort fällt ein Korn, das ſtirbt und ruht. Die Ruh iſt ſüß. Es hat es gut.“

Zu den Themen des Dempe-Buches (Inhaltsverzeichnis):

Die Nummern 2., 6., 8. und 13. bezeichnen im antiken Versmaß gehaltene Gedichte des Autor, immer nur Höchstes wollend, entfernt an Goethes „Urworte. Orphisch“ gemahnend, die ich noch gläubig auswendig lernte, – bevor Gottfried Benn kam und für Radikalität sorgte. Einige Zeilen aus Dempes Nr.8 :  „Eines im Vielen zu sein, / vieles im Einen zu tun, / Naht dann das Schöne im Sein, / reich in dem menschlichen Kreis, glänzt es im göttlichen Licht / über dem friedlosen Streit, / und das Gerechte erblüht. / Dunkelt die leidvolle Welt, / zeigt sich Gewalt überall, / Ichsucht und Torheit und  Neid. / Aber die ordnende Zahl, / Eidos und Kosmos zugleich, / weist auf den Urgrund des Alls, / der nur dem Einen gehört.“ (…)

Ich dachte und denke nicht daran, in solchen Worten über die Gegenwart nachzudenken.

In Nr. 7 „Platon und das 20. Jahrhundert“ verweile ich im Abschnitt 7.8. und vermute, dass darin die eigentlich treibende Kraft für Dempe steckt: „Gegentendenzen aus philologischer Forschung“, darin der Satz: „Die eigenartige Mathematisierung der Wirklichkeit, wie sie in der platonischen Philosophie vorliegt, wird von führenden Physikern unserer Tage, z.B. HEISENBERG, als Vorahnung heutiger atomphysikalischer Anschauungen empfunden und gewürdigt.“ (Es lag in der Zeit: JR „Einstein und das Universum“ Fischerbuch Aug.1955).

Im vorhergehenden Text geht Dempe ausführlich ein auf „Die Tübinger Schule“ mit H.J.Krämer und K.Kaiser „Platons ungeschriebene Lehre“ – zwischen Plato und Plotin, eine Sammlung, „die uns ermöglicht, die esoterische Philosophie vor Augen zu stellen“. Ich hörte zum ersten Mal, welcher Kritik die Schleiermacher-Übersetzung, der ich immer kritiklos folgte, ausgesetzt war und ist.

(Fortsetzung folgt)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ungeschriebene_Lehre hier

Jürgen Villers hier

Ergänzendes zu „Aneinander-vorbei-lieben“

Bezogen auf einen älteren Blog-Beitrag, auf die Zeilen:

am frühen Morgen (als ich) die neue ZEIT überflogen hatte. Also irgendwie „dialektisch disponiert“ war. Ausschlaggebend waren vielleicht zwei Artikel: „Ein kleines toxisches Glossar“ (Seite 53) und „Soll man Gott nun fürchten und lieben?“ (Seite 64). Ich werde sie im Hintergrund behandeln und am Ende dieses Blog-Artikels veröffentlichen (wenn es sich lohnt). – I.M.S.

Hier ist der Hintergrund. Was mich aufhorchen ließ: die Behandlung eines häufig selbst-therapeutisch akzentuierten Vokabulars, im einzelnen fast parodistisch beschrieben in dem Artikel „Ein kleines toxisches Glossar“ von Jolinde Hüchtker. Etwa zum Netflix-Thema der nicht gelingenden Verliebtheit eines Paares: zu reden von

„unterschiedlichen Punkten ihrer Healing Journey, der Reise zum geheilten, besseren Selbst. Wer heilt, will sich nicht erklären müssen , daher weißt meistens keiner, wovon sich alle so dringend erholen wollen. Wo es mal hier: »Ich will mich selbst verwirklichen«, oder: »Ich bin anderer Meinung«, hält heute diese – vermulich endlose – Reise her, um andere abzuwimmeln.

Trauma-Dumping  Der Begriff wurde für Situationen wie diese erfunden: Im Büro erzählt ein Kollege unerwartet vom Suizid seines Vaters oder von dem missbräuchlichen Sportlehrer, wodurch er sein Trauma beim überforderten Gegenüber »ablädt«. Nennt man bereits einen gruseligen Film oder ein schlechtes Date »traumatisch«, verändert sich, was Trauma-Dumping ist: wenn jemand von seinem Liebeskummer erzählt oder seinem schlechten Tag und man selbst eigentlich zuhöre, trösten, kurzum, einfach nur ein Freund sein muss.

Oder unter dem Stichwort „Grenzen“:

Un sich zu schützen, setzt man Grenzen (»Fass mich nicht an!«). Der US-Schauspieler Jonah Hill etwa formuliert seine »Grenzen« aber so: Wenn seine Freundin mit anderen Männern surfen gehe, modele oder Bikinifotos poste, sei er nicht der Richtige für sie, weil sie damit seine Grenzen nicht respektiere. Mit Selbstschutz hat das nichts zu tun. Stattdessen bemüht Hill dieses Wort aus der sogenannten Selfcare, um den Alltag seiner Freundin zu kontrollieren und das ins Vokabular tiefer Selbsteinfühlung zu verpacken.

Quelle DIE ZEIT 28. Sept. 2023 (Seite 53) Ein kleines toxisches Glossar / Von Jolinde Hüchtker

In diesem Stil könnte ich als ein „An-einander-vorbei-lieben“ auch (nachträglich) wichtigtuerisch eine unausgereifte, ängstliche Form der ersten Liebe bezeichnen, die sich nicht einmal ein vorsichtig angedeutetes Geständnis traut oder in der indirekten Verbalisierung noch gänzlich ungeübt ist. Aber diesen sozialen Defekt nicht ehrenrührig bezeichnen mag, der mit ein wenig Phantasie leicht aufgelöst werden könnte. Es ist bequemer, daraus einen Komplex zu konstruieren.

Das (allzu)große Thema GOTT aufgreifen, um es loszuwerden. Um es nicht argumentativ zurückzuweisen. Der islamisch getönte Lebensbericht, der eine große Geschichte inszeniert, um zu bemänteln, dass es eigentlich nichts zu sagen gibt…

Quelle DIE ZEIT (28.09.23 Seite 64) Mouhanad Khorchide: Soll man Gott fürchten und lieben? / Deutschlands bekanntester Islamtheologe hat einen Roman geschrieben. / Hier erzählt seine Hauptfigur von der Suche nach dem verlorenen Glauben (erschienen im Verlag Bonifatius).

Gott? Markus Gabriel hier plus LESCH hier

Noch einmal M. Gabriel (die drei epochalen Irrtümer) hier

1. der Gedanke, dass die gesamte Wirklichkeit physikalisch messbar und naturwissenschaftlich beschreibbar ist. So dass es NICHTS gibt, das nicht naturwissenschaftlich erforschbar ist. Physikalismus.

2. dass Denken, Geist, Bewusstsein, unsere inneren geistigen u. mentalen Zustände nichts anderes sind als Emergenze, ausstrahlende Phänomene des Gehirns. Neurozentrismus.

3. dass es keine objektiv feststehenden Wertemaßstäbe ethischer Natur gibt. Also dass das, was wir tun oder unterlassen sollen, aus moralischen Gründen, lediglich ein arbiträre Setzung einer Kultur oder des menschlichen Geistes ist. Moralischer Nihilismus.

Zurückblicken auf:

Kant und Swedenborg

und auf:

Frühe Bewusstseinsspaltung

und (bei der Suche nach „Begehren“) auf :

Zu Hegel

Begehren (Wille)

Quelle Byung-Chul Han: Philosophie des Zen-Buddhismus / Reclam Stuttgart 2002 (Seite 62)

KI – steckt doch mehr dahinter?

Was unsere Sicht behindert

DIE ZEIT 7.09.23 Seite 47

auf Texel 19.6.22

  DIE ZEIT 7.09.23 Seite 57

in Solingen-Ohligs 10.11.22

Wo wird die Abwesenheit von realem Inhalt wirklich zu unwirklich? Künstlicher Tiefsinn? Geht es auch ohne den leeren Himmel? Kein Einwand: er ist gar nicht leer. Er deutet unsagbare Fülle an. Nichts. Nonsens. Besinnung auf frühere Begegnungen:

Der Caspar David Friedrich an der Wand (Hochzeit 1961)

  Lektüre1961

Caspar David Friedrich 2006 in Essen ; das unangenehm Missionarische , wie hier

Rauterberg ZEIT 7.9.23

Romantisches Missverständnis auch bei Haiku-Übersetzungen (Manfred Hausmann). Aber nicht hier:

1993

2014

Heute 2023 betr. David Chalmers – Frage: Bin ich mein Gehirn? ↓

(Englische Version des Gesprächs hier)

Darin bei 12:40 Daniel Dennett 27:10 website David Chalmers erwähnt / weiter ab 30:00

Der ZEIT-Artikel (2023) von Peter Neumann (mit David Chalmers) überzeugt mich weit weniger als das Youtube-Gespräch (2019). Woran liegt das? Der Punkt ist einfach:

Die Gewissheit des „also bin ich“ können wir keinen Moment hinnehmen, als ob das „ich“ über jeden Zweifel erhaben sei. Da hilft es auch nicht, wenn wir es wenig später wie eine Figur aus dem Computerspiel betrachten sollen. (Rechts im Bild taucht der Name Turner [s.a. hier] auf, ein Hinweis auf das Unechte der Kaufhauskunst, – der Kunstdruck, „feuerroter Himmel, eines dieser Wohnzimmerbilder, die man vor allem in Baumärkten kaufen kann“ , oder – füge ich hinzu – leicht selber produzieren kann, siehe oben). Wir wissen nicht, so erklärt Chalmers damals, wie

: die ganz subjektiv – Fortsetzung: – die Erfahrungen in diesen virtuellen Simulationen machen [wir ? die wir ein erfülltes, glückliches Leben darin führen??], und schließlich beruhen auch digitale Objekte auf realer Informationsverarbeitung in einem realen Computer: «Virtuelle Welten sind keine Realitäten zweiter Klasse».

„Immerhin sind immer noch wir es“? Ganz subjektiv?  Geht man so mit unserm scheinbar realen Kern um? Ich erinnere mich selbst – hier !

Ich frage mich nach dem Unterschied zwischen Realität und Imagination. Aber nicht im Ernst: die Schwierigkeiten entstehen, wenn man an Wunder glaubt: Von Petrus, der Jesus übers Wasser schreiten sieht, bis zu Rudolf Steiner, der seine Visionen als real Gesehenes weitergibt:

Meine Erkenntnisse des Geistigen, dessen bin ich mir voll bewußt, sind Ergebnisse eigenen Schauens. Ich hatte jederzeit, bei allen Einzelheiten und bei den großen Übersichten mich streng geprüft, ob ich jeden Schritt im schauenden Weiterschreiten so mache, daß voll-besonnenes Bewußtsein diese Schritte begleite. (…) Daß man von einer Imagination weiß, sie ist nicht bloß subjektives Bild, sondern Bild-Wiedergabe objektiven Geist-Inhaltes, dazu bringt man es durch gesundes inneres Erleben.

Siehe dazu: hier.

Siehe auch den Bewusstseinsphilosophen Thomas Metzinger hier„Wir halten unser Ich für real. Doch es ist nur ein Bild von uns selbst, das wir nicht als Bild erkennen.“

Nun schauen Sie, was über dem ZEIT-Artikel steht, aus dem ich zitiert habe:

Und nun das, worauf diese „Vision“ hinausläuft:

Und des weiteren a.a.O.:

Da sind wir wieder beim „simulierten Turner“  und müssen allein weiterdenken. Werden wir in zehn, zwanzig Jahren Chatbots und virtuelle Welten kaum noch unterscheiden können von der echten Realität und von echten Menschen? (Was ist „echt“ bei Gemälden? Zu wissen, wie es gemacht ist? gedacht ist…)

Kant und Swedenborg

Die unzulänglichen Vorarbeiten zu einem tiefer sitzenden Problem

Die hier vorangestellten Bemerkungen bzw. Blog-Links (Rückblenden in eigener Sache) können leicht übersprungen werden, da sie in der Hauptsache nur für mich Bedeutung haben, nicht so sehr für andere Individuen, die eine andere biographische Entwicklung hinter sich haben. Zumal  für sie heute (anders als in meinen bildungstechnisch wichtigen Jahren) per Internet unzählige Anregungen leicht auffindbar sind, während ich – als Musikstudent – auf die Neuerscheinungen im Angebot von „Siegert am Dom“ oder im Untergeschoss von Bücher-Ludwig im Kölner Hauptbahnhof angewiesen war. Unten nur zwei Beispiele (1961 und 1964). Abgesehen von der Lektüre, die Indien (Aurobindo), Ostasien (Zen) betraf, oder C.G.Jung und Freud. Oder Musik. Damals las ich auch zum ersten Mal (in) Kants „Träume eines Geistersehers“, nicht ohne Enttäuschung: ich begriff nicht, dass er partout nicht verriet, ob ja, ob nein, wahr oder falsch, sondern dass er (lange vor den Kritiken) auf die Erkenntnisgrundlagen ging und weit über Swedenborg hinaus die ganze Metaphysik in Frage stellte.

Aus: http://www.janreichow.de/txt_aesthetik.htm hier Nr. 38 [über Erfahrung]

Es wird berichtet, daß der greise Joseph Haydn, als er der ersten Aufführung seiner „Schöpfung“ lauschte, beim strahlenden C-dur-Klang der Stelle „Es werde Licht“ in Ohnmacht fiel.
Als er den Klang einst niederschrieb, hat niemand den Komponisten ohnmächtig gesehen, und auch beim stummen Lesen der Partitur ist ihm nichts widerfahren.

Energie!

Anlässlich des Wasserbuches von Leonardo

Etwas zum Denken

Zu einigen gebliebenen Fragen:

Welche historischen Veränderungen hat die Unterscheidung von Traum und Wachen seit der Neuzeit durchlaufen? Wie geht die Herrschaft der Vernunft um mit ihrer Angst vor der Auslieferung an innere Hirngespinste? 6

*    *    *

Bei seiner intensiven Swedenborg-Lektüre in den Jahren 1864-66, in der das Programm der kritischen Philosophie entsteht, bemerkt Kant offensichtlich eine unheimliche Nähe zu einem populären Phänomen: “Das 18. Jahrhundert ist erfüllt von Phantasten, Geistersehern, Wundermännern, Heiligen, Mystikern und Narren und wahren Begegnungen von Schwärmern, Fanatikern, Heilssuchenden, die ihnen folgen.“ 14

*    *    *

Wer wollte entscheiden, was ein solches erkennendes Sehen, was bloße Phantasterei und was eine gültige Erfahrung sei? Ist der Glaube daran nur ein Beleg des Nicht-Wissens? Kann überhaupt für den Menschen eine Realität bestehen, die sich sprachlich nicht oder nicht zutreffend beschreiben lässt? 16

*    *    *

Diese Fragen beziehen sich inhaltlich auf die folgende wissenschaftliche Arbeit (2012):

https://journals.openedition.org/ceg/11927?lang=en hier “Spekulation aus lauter Luft”: Kants Polemik wider die schlafende Vernunft

hier (die Autorin) https://www.kuwi.europa-uni.de/de/dekanat/team/prodekan_in/Allerkamp/index.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Emanuel_Swedenborg hier

Am 19. Juli 1759 soll er von Göteborg aus den 400 Kilometer entfernt stattfindenden Stadtbrand seiner Heimatstadt Stockholm beschrieben haben, um damit zu beweisen, dass er über hellseherische Fähigkeiten verfüge. Laut dem Swedenborg-Biografen Lars Bergquist sei dies jedoch erst am 29. Juli, zehn Tage nach dem Brand, geschehen.

https://meiner.de/philosophische-bibliothek/k/kant/traume-eines-geistersehers-erlautert-durch-traume-der-metaphysik.html  hier:

Die 1766 erschienenen »Träume eines Geistersehers« nehmen eine Schlüsselstellung in Kants Werk ein. Anlässlich der Auseinandersetzung mit der Geisterseherei Emmanuel Swedenborgs prüft Kant die Erkenntnisansprüche der rationalen Psychologie und weist sie als haltlos zurück. Diese Kritik weitet sich zu einer Ablehnung der gesamten herkömmlichen Metaphysik aus, deren Scheitern Kant zum Anlass nimmt, nach der angemessenen Methode in der Philosophie zu fragen. Als solche empfiehlt er die Hinwendung zu erfahrungswissenschaftlichen Verfahren. Damit hat Kant bereits wesentliche Momente seiner späteren Vernunftkritik erarbeitet. Aber auch die praktische Philosophie profitiert von der im Geist des Skeptizismus und im Tonfall ironisch­sarkastischer Redeweise durchgeführten Untersuchung. Es zeigt sich, dass die Grundzüge von Kants Moralphilosophie bereits 1766 gefunden sind. Kants Abhandlung bedeutet somit in mehrfacher Hinsicht das Ende seiner vorkritischen Phase und markiert die eigentliche Geburtsstunde des Kritizismus. Die Ausgabe präsentiert Kants Text erstmals in historisch-kritischer Gestalt und mit deutschen Übersetzungen der Stellen aus den »Arcana Coelestia« Swedenborgs, auf die sich Kant bezieht. Die umfänglichen Erläuterungen decken die Anknüpfungen an die zeitgenössische Philosophie auf und stellen die Verbindung der Abhandlung mit Kants vorkritischen wie kritischen Werken her.

ZITAT aus Kants Geisterseher-Schrift (farbige oder fette Hervorhebungen immer: JR)

Die Fragen von der geistigen Natur, von der Freiheit und Vorherbestimmung, dem künftigen Zustande u.d.g. bringen anfänglich alle Kräfte des Verstandes in Bewegung und ziehen den Menschen durch ihre Vortrefflichkeit in den Wetteifer der Spekulation, welche ohne Unterschied klügelt und entscheidet, lehret oder widerlegt, wie es die Scheineinsicht jedesmal mit sich bringt. Wenn diese Nachforschung aber in Philosophie ausschlägt, die über ihr eigen Verfahren urteilt, und die nicht die Gegenstände allein, sondern deren Verhältnis zu dem Verstande des Menschen kennt, so ziehen sich die Grenzen enger zusammen, und die Marksteine werden gelegt, welche die Nachforschung aus ihrem eigentümlichen Bezirke niemals mehr ausschweifen lassen. Wir haben einige Philosophie nötig gehabt, um die Schwierigkeiten zu kennen, welche einen Begriff umgeben, den man gemeiniglich als sehr bequem und alltägig behandelt. Etwas mehr Philosophie entfernet dieses Schattenbild der Einsicht noch mehr und überzeugt uns, daß es gänzlich außer dem Gesichtskreise der Menschen liege. Denn in den Verhältnissen der Ursache und Wirkung, der Substanz und der Handlung dient anfänglich die Philosophie dazu, die verwickelte Erscheinungen aufzulösen und solche auf einfachere Vorstellungen zu bringen.

Ist man aber endlich zu den Grundverhältnissen gelangt, so hat das Geschäfte der Philosophie ein Ende, und wie etwas könne eine Ursache sein oder eine Kraft haben, ist unmöglich jemals durch Vernunft einzusehen, sondern diese Verhältnisse müssen lediglich aus der Erfahrung genommen werden. Denn unsere Vernunftregel gehet nur auf die Vergleichung nach der Identität und dem Widerspruche. [Siehe Satz vom zureichenden Grunde hier] Soferne aber etwas eine Ursache ist, so wird durch Etwas etwas Anders gesetzt, und es ist also kein Zusammenhang vermöge der Einstimmung anzutreffen; wie denn auch, wenn ich ebendasselbe nicht als eine Ursache ansehen will, niemals ein Widerspruch entspringt, weil es sich nicht contradicieret, wenn etwas gesetzt ist, etwas anderes aufzuheben.

Daher die Grundbegriffe der Dinge als Ursachen, die der Kräfte und Handlungen, wenn sie nicht aus der Erfahrung hergenommen sind, gänzlich willkürlich sind und weder bewiesen noch widerlegt werden können. Ich weiß wohl, daß das Denken und Wollen meinen Körper bewege, aber ich kann diese Erscheinung als eine einfache Erfahrung niemals durch Zergliederung auf eine andere bringen und sie daher wohl erkennen, aber nicht einsehen. Daß mein Wille meinen Arm bewegt, ist mir nicht verständlicher, als wenn jemand sagte, daß derselbe auch den Mond in seinem Kreise zurückhalten könnte; der Unterschied ist nur dieser, daß ich jenes erfahre, dieses aber niemals in meine Sinne gekommen ist. Ich erkenne in mir Veränderungen als in einem Subjekte, was lebt, nämlich Gedanken, Willkür etc. etc., und weil diese Bestimmungen von anderer Art sind als alles, was zusammengenommen meinen Begriff vom Körper macht, so denke ich mir billigermaßen ein unkörperliches und beharrliches Wesen. Ob dieses auch ohne Verbindung mit dem Körper denken werde, kann vermittelst dieser aus Erfahrung erkannten Natur niemals geschlossen werden. Ich bin mit meiner Art Wesen durch Vermittelung körperlicher Gesetze in Verknüpfung, ob ich aber auch sonst nach andern Gesetzen, welche ich pneumatisch nennen will, ohne die Vermittelung der Materie in Verbindung stehe oder jemals stehen werde, kann ich auf keinerlei Weise aus demjenigen schließen, was mir gegeben ist. Alle solche Urteile, wie diejenige von der Art, wie meine Seele den Körper bewegt oder mit andern Wesen ihrer Art jetzt oder künftig in Verhältnis steht, können niemals etwas mehr als Erdichtungen sein und zwar bei weitem nicht einmal von demjenigen Werte als die in der Naturwissenschaft, welche man Hypothesen nennt, bei welchen man keine Grundkräfte ersinnt, sondern diejenige, welche man durch Erfahrung schon kennt, nur auf eine den Erscheinungen angemessene Art verbindet, und deren Möglichkeit sich also jederzeit muß können beweisen lassen; dagegen im ersten Falle selbst neue Fundamentalverhältnisse von Ursache und Wirkung angenommen werden, in welchen man niemals den mindesten Begriff ihrer Möglichkeit haben kann und also nur schöpferisch oder chimärisch, wie man es nennen will, dichtet. Die Begreiflichkeit verschiedener wahren oder angeblichen Erscheinungen aus dergleichen angenommenen Grundideen dienet diesen zu gar keinem Vorteile. Denn man kann leicht von allem Grund angeben, wenn man berechtigt ist, Tätigkeiten und Wirkungsgesetze zu ersinnen, wie man will.

Wir müssen also warten, bis wir vielleicht in der künftigen Welt durch neue Erfahrungen und Begriffe von denen uns noch verborgenen Kräften in unserm denkenden Selbst werden belehrt werden. So haben uns die Beobachtungen späterer Zeiten, nachdem sie durch Mathematik aufgelöset worden, die Kraft der Anziehung an der Materie offenbaret, von deren Möglichkeit, (weil sie eine Grundkraft zu sein scheint), man sich niemals einigen ferneren Begriff wird machen können. Diejenige, welche, ohne den Beweis aus der Erfahrung in Händen zu haben, vorher sich eine solche Eigenschaft hätten ersinnen wollen, würden als Toren mit Recht verdienet haben, ausgelacht zu werden. Da nun die Vernunftgründe in dergleichen Fällen weder zur Erfindung noch zur Bestätigung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit von der mindesten Erheblichkeit sind, so kann man nur den Erfahrungen das Recht der Entscheidung einräumen, so wie ich es auch der Zeit, welche Erfahrung bringt, überlasse, etwas über die gepriesene Heilkräfte des Magnets in Zahnkrankheiten auszumachen, wenn sie ebensoviel Beobachtungen wird vorzeigen können, daß magnetische Stäbe auf Fleisch und Knochen wirken, als wir schon vor uns haben, daß es auf Eisen und Stahl geschehe. Wenn aber gewisse angebliche Erfahrungen sich in kein unter den meisten Menschen einstimmiges Gesetz der Empfindung bringen lassen und also nur eine Regellosigkeit in den Zeugnissen der Sinne beweisen würden, (wie es in der Tat mit den herumgehenden Geistererzählungen bewandt ist), so ist ratsam, sie nur abzubrechen, weil der Mangel der Einstimmung und Gleichförmigkeit alsdenn der historischen Erkenntnis alle Beweiskraft nimmt und sie untauglich macht, als Fundament zu irgendeinem Gesetze der Erfahrung zu dienen, worüber der Verstand urteilen könnte.

So wie man einerseits durch etwas tiefere Nachforschung einsehen lernet, daß die überzeugende und philosophische Einsicht in dem Falle, wovon wir reden, unmöglich sei, so wird man auch andererseits bei einem ruhigen und vorurteilfreien Gemüte gestehen müssen, daß sie entbehrlich und unnötig sei. Die Eitelkeit der Wissenschaft entschuldigt gerne ihre Beschäftigung mit dem Vorwande der Wichtigkeit, und so gibt man auch hier gemeiniglich vor, daß die Vernunfteinsicht von der geistigen Natur der Seele zu der Überzeugung von dem Dasein nach dem Tode, diese aber zum Bewegungsgrunde eines tugendhaften Lebens sehr nötig sei; die müßige Neubegierde aber setzt hinzu, daß die Wahrhaftigkeit der Erscheinungen abgeschiedener Seelen von allem diesen sogar einen Beweis aus der Erfahrung abgeben könne. Allein die wahre Weisheit ist die Begleiterin der Einfalt, und da bei ihr das Herz dem Verstande die Vorschrift gibt, so macht sie gemeiniglich die große Zurüstungen der Gelehrsamkeit entbehrlich, und ihre Zwecke bedürfen nicht solcher Mittel, die nimmermehr in aller Menschen Gewalt sein können.

Der gesamte Originaltext von Kant in der Wiedergabe durch das Projekt Gutenberg HIER

Goethes Briefe 1823 – 1824

Umfeld „Trilogie der Leidenschaft“

Angefangen mit Martin Walsers „Ein liebender Mann“ … zunächst mit Aufmerksamkeit teilgenommen, erst nach der Marienbader Elegie (Goethes echter Text darin) die Geduld verloren und mit den folgenden Briefen an Ulrike (Walsers fingierter Text) endgültig aufgehört. Was  für eine Anmaßung, als derangierter Goethe auftreten zu wollen. Wie unglaubwürdig! – Stattdessen Neu-Bestellung (altes Exemplar verloren gegangen) des Buches „Lotte in Weimar“ von Thomas Mann, mit einem wohl gelungenen „alternativen Goethe“.  Zu wiederholen wäre auch die Lektüre der ebenfalls verschwundenen, aber aus den 50er Jahren erinnerten „Sternstunden der Menschheit“. Noch kopieren: was neuerdings Safranski zur Interpretation der Elegie in seinem Goethe-Buch beigetragen hat.

Gerade dieses gelesen in „Faustkultur“ (über „Lotte in Weimar) hier :

Auch das ist in seinen Grundzügen von Goethe her gedacht; er nämlich, Goethe, holte die Welt ein, vereinnahmte sie, hielt sie besetzt vor dem Prägegrund abstreichender Vergänglichkeit; nur so, im Licht, das gegeben wird und empfangen, war ihm Selbstfindung und Selbstbestätigung möglich. „Am Abglanz haben wir das Leben”, wusste Goethe und wollte bis zuletzt nicht nachgeben und nicht unterliegen. Thomas Mann hat es ihm gleichgetan, er bleibt mit seinem Vorbild auf so vertrautem Fuße, dass er an seiner Seite noch einmal das Spiel zu Würden gebracht hat: Er macht sich den literarischen Spaß, Goethes Lotte in Weimar zu begleiten, eine alte Dame, die, da sie merkwürdig klug geworden ist und mit dem Vergänglichen keine Probleme mehr hat, eine Devise verkünden darf, die ihr wohl gleich von beiden Herren, vom Geheimen Rat Goethe und seinem Bewunderer Mann, eingeflüstert worden sein könnte: „Der Erinnerung zu leben, ist eine Sache des Alters und des Feierabends nach vollbrachtem Tagwerk. In der Jugend damit zu beginnen, das ist der Tod.“

(26.08.23)

  Goethes Sekretär Riemer (die Vorlage)

Thomas Mann (Zitat):

Charlotte Buff-Kestner Dr. Riemer erinnert sich (bei Thomas Mann): „Er war bleich, Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, seine Rindsaugen blickten glotzend, und sein offener Mund, dessen sonst bloß maulender Zug dem Ausdruck einer tragischen Maske ähnlicher geworden war, atmete schwer, rasch und hörbar.“

Seite 64: «Die Augen», sagte Dr. Riemer, «die Augen sind mächtig bisweilen». Seine eigenen, glasig vortretenden, zwischen denen ein Kerbzeichen bemühten Grübelns stand, zeigten an, daß er schlecht zugehört und eigene Gedankengänge verfolgt hatte. Sich über das Kopfnicken der Matrone aufzuhalten, wäre ihm übrigens nicht zugekommen, denn wie der die große weiße Hand vom Stockknauf zu seinem Gesicht hob, um irgendein leichtes Jucken an der Nase nach Art des feinen Mannes durch eine zarte Berührung des Ringfingers zu beheben, sah man deutlich an, daß auch diese Hande zitterte.

Lotte in Weimar“  (das Buch)

*    *    *

Wann es für mich begann: seit ich die Aufnahme des „Faust“ mit Gründgens kannte. Danach, im September 1958 Klassenfahrt nach Berlin, großer Buchladen in der Karl-Marx-Allee, Ost-Berlin, Gespräche mit Goethe , „Eckermann“. Ausgabe 1956. Aufbau Verlag

Goethes Gespräche (nach Marienbad 1823)

Zur Marienbader Elegie:

Schon die ersten Strophen musste ich mir vor allem in meine Sprache übersetzen. Wie konnten die frühesten Leser (Zelter, Humboldt, Eckermann) diese fremd verschlungenen Sätze auf Anhieb verstehen?

https://www.deutschlandfunkkultur.de/goethe-im-dritten-fruehling-100.html hier (Jörg Magenau)

https://www.welt.de/kultur/article1740320/Martin-Walser-verhebt-sich-nun-an-Goethe.html hier (Tilman Krause)

Bilder (privat) aus Marienbad hier

Die Nußbäume im Werther:

Die Nussbäume bei Walser:

– – – – – – – – – – s.a. hier bei 2.2.2.

Zur weiteren „Vergegenwärtigungsarbeit“:

http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Briefe/1823 hier

http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Briefe/1824 hier

Marienbader Elegie – zur Interpretation

https://www.grin.com/document/47839 hier

https://de.wikipedia.org/wiki/Marienbader_Elegie hier

https://www.projekt-gutenberg.org/zweig/sternstu/chap007.html „Sternstunden der Menschheit“ (vorgelesen durch Jürgen Hentsch hier)

https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/159037/1/1871-1622-1-PB.pdf  Ulrike Zeuch:
Goethes Trilogie der Leidenschaft

Wahlverwandtschaften (Lebende Bilder)

Eine vergessene Kunst? Oder bloß ein Spiel?

Wie mein Interesse begann

Schubert und das lebende Bild

Eine andere Beschreibung, die ich durch Zufall in Goethes „Wahlverwandtschaften“ fand und für meine Entdeckung hielt:

Damals gab es doch schon Wikipedia…

https://de.wikipedia.org/wiki/Tableau_vivant hier

Aber wohl noch nicht diese unvergleichliche Website (mit den Erläuterungen zu den lebenden Bildern ab dem Fünften Kapitel):

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/bseiler/Wahlverwandt/kultur.htm HIER

ZITAT aus dieser Arbeit:

Das Titelblatt der Erstausgabe

Die Aufmerksamkeit, die der Roman fand, war groß, das Urteil jedoch keineswegs nur positiv. Von den moralischen Bedenken abgesehen, wurde auch die nicht immer konsequente Erzählweise beanstandet. Wilhelm Grimm schrieb am 22. November 1809 an seinen Bruder: „Ich begreife auch, daß das ganze Verhältnis sehr langsam und sorgfältig mußte entwickelt werden, nur nicht langweilig, wie es mir durchaus ist. Ich erkläre mir es aus der Art der Entstehung des Buchs, weil es durchaus diktiert ist, wo der Faden wohl nicht streng angehalten worden, sondern ganz gemächlich abgehaspelt worden und zuweilen auf die Lehne des Schlafsessels herabgefallen ist.“

Goethe in seinem Arbeitszimmer

Auch wenn Goethe stehend und nicht sitzend diktierte, muss man wohl wirklich die oft umständliche Allgemeinheit der Aussagen auf diese Arbeitsweise zurückführen. Zur Besinnung auf plastische Einzelheiten wird man bei einem vorwärtsdrängenden Diktieren kaum veranlasst.

Zitat-Ende / der Autor:

SEILER Bernd W. Seiler, Januar 2015 hier

Zu Humboldts Kritik: Mir waren bei der Goethelektüre durchaus auch stilistische Schwächen aufgefallen, die sich aus der Praxis des Diktierens ergeben, z.B. die stereotype Verwendung des Wortes „entgegnen“ statt entsprechender Varianten. Andererseits: las er denn das Diktierte nachher nicht mehr durch? –  Mir fiel jedoch das Wort vielleicht nur deshalb auf, weil es heute so viel auffälliger klingt als  „antworten“, das ich nicht moniert hätte.

Ein anderes Thema dieses interessanten Autors:

http://wwwhomes.uni-bielefeld.de/bseiler/Lesmona/ hier

Frühe Bewusstseinsspaltung

Rückblick auf Adornos Nachhilfe

As ich 1955 anfing, ernsthaft philosophische Literatur zu lesen (ich glaube, „Sokrates im Gespräch“ von Romano Guardini), stieß ich bald auf Nietzsche, nicht ahnend, dass er es mir zu leicht machte. Kant, von dem ich ein/zwei Jahre später (für Langeoog) zwei Bände der Dünndruck-Gesamtausgabe aus der Bielefelder Stadtbücherei entlieh, daneben eine voluminöse „Einführung in das Werk“ unbekannter Provenienz. Im Original – einigen naturwissenschaftlichen Schriften – blieb ich stecken. Jedenfalls begegnete mir nicht dort, sondern in Nietzsches „Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik“ zum ersten Mal das Wort „Subjekt-Objekt-Spaltung“; es erschien mir wie die Andeutung höherer Weihen. Ich weiß nicht, ob  mir klar war, dass Nietzsche diesen Begriff von Schopenhauer übernommen hatte, und dass er über diesen Philosophen bereits eine frühe Schrift veröffentlicht hatte. Schumann, Brahms, Wagner (Lohengrin). Laufend Neues in der Musik? 1956 kaufte ich Hindemiths „Unterweisung im Tonsatz“, nachdem ich ihn in der Oetkerhalle persönlich erlebt hatte („Sinfonia serena“), siehe live hier. Mein Vater, der mir immerhin die Harmonielehre von Louis/Thuille erschloss, sah die Sache skeptisch. Er sagte auch: Von Schönberg spricht in 100 Jahren kein Mensch mehr. Ein günstiger Anlass zu weiterer Opposition meinerseits, die zunächst bei Hindemith verweilte.

Beilage aus Hindemiths „Unterweisung“

Drei Jahre später – im Bielefelder Freibad – hatte ich Adornos „Philosophie der Neuen Musik“ (ebenfalls aus der städtischen Bibliothek) zu knacken gesucht, 1960 in Berlin dann ernsthaft (mühevoll – im Café Kranzler) mit einem Stift, der das Unterstreichen in Blau und Rot erlaubte, damals auch noch mit Lineal. Großer Respekt. Irgendwann habe ich gelesen, dass Ludwig Klages ein Buch „Der Geist als Widersacher der Seele“ geschrieben hatte, von dem ich annahm, dass es mir zutiefst entspräche. Weit gefehlt. In solchen Widersprüchen glaubte ich mich einrichten zu können. Die 60er Jahre waren von Adorno gezeichnet, was mich letztlich vor einem Versinken in Mystizimus (Indien) bewahrte. Nach fast allen anderen Werken von ihm erwarb ich 1970 – kurz nach seinem Tode – auch noch das letzte mit dem Titel „Stichworte“, das ich jetzt – im August 2023 – wieder hervorholte, um das zu wiederholen, was ich damals nicht verstanden hatte. Vor allem die Stichworte, die spezifisch philosophischen Themen gewidmet waren. Seite 20 ff hätte schon früh zur Einsicht führen können. Statt meine Zeit mit Merkzetteln zu vergeuden und sie in Bücher über Parapsychologie oder Halbwahrheiten wie „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ zu verteilen, die mich von Berlin nach Köln begleiteten.

„dauernd im Transzendentalen“, nur „bestritten von  seichten Empirikern“?

das Gegengift ab Seite 11, 151, 169

Aber jetzt erst, nach 50 Jahren, könnte ich wohl ernsthaft damit anfangen…

Zum Beispiel dort, wo Adorno mit seinen Worten über Subjekt-Objekt-Spaltung spricht. Und diese mit der Schimäre eines zeitlich oder außerzeitlich ursprünglichen Zustands glücklicher Identität von Subjekt und Objekt verbindet (Seite 152), passend zu den Gedanken in „Vernunft und Offenbarung“ (Seite 20). Ich zitiere den Passus (Seite 152 f) ausdrücklich, Verständnishilfen interpolierend, weil ich immer mal wieder in die Falle getappt bin, ein vages All-Einheitsgefühl – wie im Zustand einsetzender Trunkenheit – für eine Verheißung mystischen Glücks zu halten.

Das Bild eines zeitlich oder außerzeitlich ursprünglichen Zustands glücklicher Identität von Subjekt und Objekt aber ist romantisch [„romantisch“ als Epoche]; zuzeiten [eben: zu Eichendorffs Zeiten] Projektion der Sehnsucht, heute nur noch Lüge. Ungeschiedenheit, ehe das Subjekt sich bildete, war der Schrecken des blinden Naturzusammenhangs, der Mythos; die großen Religionen hatten ihren Wahrheitsgehalt im Einspruch dagegen.

Übrigens ist Ungeschiedenheit nicht Einheit; diese erfordert, schon der Platonischen Dialektik zufolge [die Kunst der logischen Unterteilung siehe hier],Verschiedenes, dessen Einheit sie ist. Das neue Grauen, das der Trennung, verklärt [!] denen, die es erleben, das alte, das Chaos, und beides ist das Immergleiche. Vergessen wir über der Angst vor der gähnenden Sinnlosigkeit die einst nicht geringere vor den rachsüchtigen Göttern, welche der epikureische Materialismus und das christliche Fürchtet euch nichtvon den Menschen nehmen wollte. Anders nicht als durch das Subjekt ist das vollziebar. [An dieser Stelle wird Adornos Text durch Abbreviatur unnötig schwierig, enthält vielleicht sogar einen Druckfehler:] Würde es liquidiert, anstatt in einer höheren Gestalt aufgehoben, so bewirkte das [eine] Regression des Bewußtseins nicht bloß [allgemein als „Regression“] sondern eine [Reduktion] auf reale Barbarei. Schicksal, [das] die Naturverfallenheit der Mythen [kennzeichnet], stammt aus totaler gesellschaftlicher Unmündigkeit, einem Zeitalter, darin Selbstbesinnung noch nicht die Augen aufschlug, Subjekt noch nicht war [einem Zeitalter, in dem von „Subjekt“ noch niemand hätte reden können]. Anstatt jenes Zeitalter durch kollektive Praxis zur Wiederkehr zu beschwören, wäre der Bann des alten Ungeschiedenen zu tilgen. Seine Verlängerung ist das Identitätsbewußtsein des Geistes, der repressiv sein Anderes sich gleichmacht.

Es ist eine Adorno-Stelle, in deren Verlauf er unnötig feierlich, geradezu biblisch wird. An Gottfried Benn gemahnend. ( „Verlorenes Ich“ oder „Astern“ ). Ansonsten bedeuten die roten Eintragungen keine Beckmesserei, sondern eigene Verständnisbrücken.

Man kann den Gedankengang der 12 Abschnitte des Artikels „Zu Subjekt und Objekt“ rekapitulieren, indem man nach der Lektüre nur die jeweils ersten Zeilen als Markzeichen memoriert:

1 Mit Erwägungen über Subjekt und Objekt einzusetzen, bereitet die Schwierigkeit anzugeben, worüber eigentlich geredet werden soll.

2 Die Trennung von Subjekt und Objekt ist real und Schein.

3 In der Erkenntnistheorie wird unter Subjekt meist soviel wie Transzendentalsubjekt verstanden.

4 Durch die Einsicht in den Vorrang des Objekts wird nicht die alte intentio recta restauriert, das hörige Vertrauen auf die so seiende Außenwelt (…)

5 Vom Vorrang des Objektes ist legitim zu reden nur, wenn jener Vorrang, gegenüber dem Subjekt im weitesten Verstande, irgend bestimmbar ist, mehr also denn das Kantische Ding an sich als unbekannte Ursache der Erscheinung.

6 Was unter dem Namen Phänomenalismus geht: daß von nichts gewußt werde, es sei den durchs erkennenden Subjekt hindurch, das verband sich seit der Kopernikanischen Wendung mit dem Kultus des Geistes. Beides wird von der Einsicht in den Vorrang des Objekts aus den Angeln gehoben.

7 Identitätsdenken, Deckbild der herrschenden Dichotomie, gebärdet sich im Zeitalter subjektiver Ohnmacht nicht länger als Verabsolutierung des Subjekts. (…) Es ist die gegenwärtig charakteristische Form verdinglichten Bewußtseins, falsch wegen seines latenten und desto verhängnisvolleren  Subjektivismus.

8 Auch nach der zweiten Reflexion der Kopernikanischen Wendung behält Kants anfechtbarstes Theorem, die Distinktion von tranzendentem Ding an sich und konstituiertem Gegenstand, einige Wahrheit.

9 Ebensowenig allerdings ›gibt‹ es eigentlich Subjekt. Dessen Hypostasis im Idealismus führt auf Ungereimtheiten.

10 Die Differenz von Subjekt und Objekt schneidet sowohl durch Subjekt wie durch Objekt hindurch. (…) An Subjekt läßt eigentlich alles dem Objekt sich zurechnen: was daran nicht Objekt ist, sprengt semantisch das »Ist«.

11 Objekt ist, wenngleich abgeschwächt, auch nicht ohne Subjekt. Fehlte Subjekt als Momentan an Objekt selber, so würde dessen Objektivität zum Nonsens.

12 Die Reflexion des Subjekts auf seinen eigenen Formalismus ist die auf Gesellschaft, mit der Paradoxie, daß, gemäß der Intention des späten Durkheim, die konstitutiven Formanten gesellschaftlich entsprungen sind.

*    *    *

Nochmal von vorn: was ist denn daran falsch, wenn ich – wie Descartes bzw. nach seinem Vorbild – anfange mit dem „Cogito ergo sum“ – „Ich denke, also bin ich“ ? Da habe ich doch – besonders in der deutschen Übersetzung – den Angelpunkt des Denkens oder sagen wir: der Weltbetrachtung: „ich“.

Leider hat sich aber inzwischen die Philosophie vollkommen auf dieses denkende Ich (das eigene Erkenntnisvermögen) konzentriert, und dabei ist es sehr fragwürdig geworden. Anders als in meiner Jugend hilft einem heute Wikipedia auf den rechten Denkweg. Zitat:

Mit der Reflexion auf das eigene Erkenntnisvermögen erfolgte in der Neuzeit ein Bedeutungswandel. Der Begriff des Subjekts wurde nun eingeschränkt auf das erkennende Ich. Es entstand die Vorstellung eines Dualismus von einer (geistigen) Innenwelt und einer (materiellen) Außenwelt. Seitdem versteht man in der Philosophie unter Subjekt den menschlichen Geist, die Seele, das seiner selbst gewisse und sich selbst bestimmende Ich-Bewusstsein. Daraus ergibt sich allerdings ein philosophisches Problem, denn die Welt erscheint einem Subjekt nicht mehr zwangsläufig so, „wie sie wirklich ist“, vielmehr wird nunmehr alles Wahrgenommene subjektiv, indem es vom Erkenntnisapparat des Subjekts zurechtgeschnitten wird (Subjekt-Objekt-Spaltung). Indem es sich auf die Dinge in der Welt richtet, ist das Subjekt Träger sogenannter intentionaler Akte. Die intentionalen Gegenstände der Erkenntnis werden dann im Denken repräsentiert und als Objekte bezeichnet.

Nachzulesen im Wikipedia-Artikel „Subjekt“: im Zitat habe ich die Links eliminiert, in der Hoffnung, dass wir zunächst einmal den Denkfluss nicht durch Einschübe und weiteres Nachlesen unterbrechen müssen. Man kann es natürlich in einem zweiten Durchgang nachholen oder erweitern: also hier.

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Was macht Adorno etwas schwierig zu lesen? Ein Beispiel aus „Vernunft und Offenbarung“ (Stichworte Abschnitt 3 , Seite 12 f), wo er beginnt mit: „Das Opfer der Intellekts, das einmal, bei Pascal und Kiekegaard, vom fortgeschrittensten Bewußtsein (….ich kürze) gebracht war, ist mittlerweise sozialisiert, und wer es bringt (das Opfer, – heute zu bringen vorgibt), ist dabei unbeschwert von Furcht und Zittern : keiner hätte mehr mit Empörung darauf reagieren können als Kiekegaard selbst.

JR „Furcht und Zittern“ ist natürlich eine Anspielung auf ein Werk dieses Titels von Kierkegaard, die Worte sind also eine nur für Kenner wahrnehmbare Anspielung. Nachzuvollziehen heute z.B. hier. Oder hier: „Kierkegaard bekräftigt in dieser Schrift, dass der Mensch, indem er aus der ethischen Sphäre heraus- und in die religiöse Sphäre eintritt, als der Einzelne höher steht als das Allgemeine, also das Ethische, und nur noch Gott Gehorsam schuldet. Ausdrücklich wird daher Abrahams Absicht gutgeheißen, Isaak auf Gottes Befehl hin zu opfern, auch wenn sich Abraham damit über die Ethik hinwegsetzt. Gleichzeitig wird ausgeführt, dass kraft des Glaubens alles möglich ist.“

Bei Adorno geht es weiter, an die Formulierung „ist mittlerweile sozialisiert“ anknüpfend, mit den Worten „Anpassung in der verwalteten Welt“:

Zitat (Adorno a.a.O.)

Weil zuviel Denken, unbeirrbare Autonomie (Akk.:) die Anpassung in der verwalteten Welt erschwert und Leiden bereitet, projizieren Ungezählte dies ihr gesellschaftlich diktiertes Leiden auf die Vernunft als solche.

Sie soll es sein, die Leiden und Unheil über die Welt gebracht hat. Die Dialektik der Aufklärung, die in der Tat den Preis des Fortschritts, all das Verderben mitbenennen muß, das Rationalität als fortschreitende Naturbeherrschung bereitet, wird gewissermaßen zu früh abgebrochen (…).

JR: Vorausgesetzt natürlich, man kennt das Buch „Dialektik der Aufklärung“, siehe zumindest hier. [Lesepause]

1971

[und Fortsetzung des zuletzt zitierten Satzes:]

… zu früh abgebrochen, nach dem Modell eines Zustands, dessen blinde Geschlossenheit den Ausweg zu versperren scheint.

Krampfhaft, willentlich wird verkannt, daß das Zuviel an Rationalität,

über das zumal die Bildungsschicht klagt und das sie in Begriffen wie Mechanisierung, Atomisierung, gern auch Vermassung registriert,

ein Zuwenig an Rationalität ist,

die Steigerung nämlich aller kalkulierbaren Herrschaftsapparaturen und-mittel auf Kosten des Zwecks,

der vernünftigen Einrichtung der Menschheit, die der Unvernunft bloßer Machtkonstellationen überlassen bleibt,

und zu der das Bewußtsein,

getrübt von unablässiger Rücksicht auf bestehende positive Verhältnisse und Gegebenheiten,

sich überhaupt nicht mehr zu erheben getraut.

Wohl ist einer ratio, als stures Herrschaftsmittel, frevelhaft verabsolutiert, Selbstbesinnung geboten,

und davon drückte das religiöse Bedürfnis heute einiges aus.

Aber diese Selbstbesinnung kann nicht bei der bloßen Negation des Gedankens durch sich selbst, bei einer Art von mystischem Opfer stehenbleiben [Anspielung auf Abraham/Isaak], nicht durch einen »Sprung« sich vollziehen:

der ähnelte nur allzusehr der Katastrophenpolitik.

Sondern Vernunft muß versuchen, die Rationalität selber,

anstatt als Absolutes sie

sei es zu setzen, sei es zu verneinen,

als ein Moment innerhalb des Ganzen zu bestimmen, das freilich diesem gegenüber auch sich verselbständigt hat.

 Sie muß ihres eigenen naturhaften Wesens innewerden.

Dies Motiv ist den großen Religionen nicht fremd: gerade es [dies Motiv] bedarf heute der ›Säkularisierung‹,

soll es nicht, isoliert und überhöht, zur Verfinsterung der Welt helfen, die es bannen möchte.

(Fortsetzung folgt)

Als ich am 12.08.23 die neueste Adorno-Lektüre begann (8:13) und als sie endete (12:08)

 

Klinikum Solingen Ausblick 8. Stock