Archiv der Kategorie: Genter Altar nach Restaurierung

Sinnenleben oder: Die Entdeckung des Spiegels

Wie wieder eins zum andern kam: das Buch, das Bild, der Film, die Musik, der Belting …

Aber wieso auch die Musik?

Noch einmal: die Musik? Wir werden es sehen und hören (Video extern hier) :

Und die Entdeckung des Spiegels? Siehe im folgenden Film ab 38:12 oder ab 47:05 „… durch Beobachtungen mit einer Spiegellinse … wie sollte das ohne optische Hilfsmittel gehen?“

Alhasen im Film schon ab 43:01: „im Bereich der Optik beschäftigte sich Jan van Eyck wissenschaftlich und technisch mit den Theorien Al-Hasins und allgemein mit den arabischen Lehren der Optik, die im 11. Jahrhundert in Kairo entstanden waren; im 15. Jahrhundert waren diese Texte vermutlich schon so weit verbreitet, dass Jan van Eyck sie kannte. Zugang zu ihnen hatte er möglicherweise in seiner Heimat Flandern oder auch auf seinen Reisen nach England, Portugal und Spanien erhalten.“ Das folgende Bild stammt aus dem Buch von Hans Belting:

 Wer ist Alhazen? Siehe Wikipedia HIER

DER FILM

Der Genter Altar

Dokumentation Frankreich / Belgien 2019 | arteMEDIATHEK

Nach achtjähriger Restaurierung hat die „Anbetung des Lammes“, ein Meisterwerk der Malereigeschichte, seinen ursprünglichen Glanz wiedergewonnen. Das 1432 eingeweihte Monumentalgemälde der Gebrüder Hubert und Jan van Eyck fesselt den Betrachter bis heute durch seinen erschütternden Realismus. Mit einer spektakulären Inszenierung, ergänzt durch Beiträge renommierter Kunsthistoriker und angesehener Maler wie David Hockney, deckt der Film die Hintergründe dieses revolutionären Werkes auf, das den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit markiert.

 Abrufbar Hier

Versuche folgendes zu verstehen:

ZITAT Coccia

Ein Bild kann seine Ausmaße vergrößern oder verkleinern, es wird sie aber niemals in Einzelteile aufteilen, zerteilen, scheiden lassen. Das Sinnliche ist das Unteilbare, ein Intensivum, das sich rein akzidentell an die Extension koppelt. Eben darum, weil die Bilder die Fähigkeit besitzen, sich nicht nach dem Modus der Extension niederzulassen, sind sie überall: in der Luft, auf dem Wasser, auf Glas, auf Holz. Sie leben an der Oberfläche der Körper, ohne sich mit ihnen zu vermischen. Eine Melodie verharrt in der Luft, deckt sich in gewisser Hinsicht mit einer ihrer Eigenschaften, mit einer ihrer Vibrationen, aber darauf reduzieren lässt sie sich nicht. Die Existenz des Sinnlichen wird nicht durch das Vermögen einer spezifischen Materie determiniert, sondern durch das Vermögen der Form, außerhalb ihres natürlichen Habitats existieren zu können.

Diese Eigentümlichkeit verleiht dem Bild-sein einen weiteren paradoxen Wesenszug: Auch wenn ein Bild ut in puncto in seinem Substrat verharrt (also auf nichtextensive Weise), das heißt im Spiegel existiert, als würde es nur einen einzigen Punkt darin einnehmen, behält es die Form oder Erscheinung der Ausmaße eines natürlichen Körpers bei. Es ist weder lang noch breit noch tief, aber es behält die Erscheinung dieser Ausmaße bei, es ist deren ratio cognoscendi  oder Erkenntnisgrund. Auch deswegen kann ein Spiegel die Gestalt von Dingen in sich fassen, die viel größer sind als er selbst.

Das Leben der Spiegelbilder, argumentieren schließlich die Scholastiker, determiniert eine vollkommen substanzlose Existenzform: Der Spiegel, der Bilder aufnimmt, verändert weder seine Identität noch seine Natur noch seine Substanz. Er verwandelt sich nicht. Das Sein des Spiegels bleibt unveränderlich, stabil, identisch. Die im Spiegel reflektierte Form hingegen ist immer noch etwas. Aber welchen Seinsmodus hat sie? (…)

Quelle Emanuele Coccia: Sinnenleben Eine Philosophie Edition Akzente Hanser München 2020 (Seite 36f)  ISBN 978-3-446-26572-1

Zum Spiegel-Motiv siehe auch hier !