Archiv für den Monat: Februar 2017

Auf der Suche nach der nubischen Melodie

Materialien zum Ägyptischen Konzert

ERSTER SATZ bis ca. 13:00 Im zweiten Satz suchen: ab 13:50. (Ja, ab 17:25 „nubisches Thema“ siehe Notenbeispiel unten).

00:00 – Allegro animato
11:44 – Andante
22:27 – Molto allegro

Nubisches Thema ab 14:48 bis 16:50 (Andante)

Nubisch a Nubisch b Nubisch c

Wikipedia zu: Ägyptisches Konzert von Camille Saint-Saëns

Was geschah in Nubien? JR Erinnerung an 1961. Assuan. Damals beschäftigten mich Zeitungsberichte über die geplante Verlegung des Tempels von Abu Simbel. Für meine Phantasien waren ausschlaggebend die (anthroposophischen) „Ideen zur Kunstgeschichte“ von Gottfried Richter. (Es passte zu den „ganzheitlichen“ Welterklärungen von Jean Gebser, die mich damals bewegten. Auch im Zusammenhang mit Aurobindo.) Über die Probleme, die der Assuan-Staudamm verursacht hat, siehe hier. Meine Empörung damals bezog sich allein auf den Frevel an den Stein-Monumenten. – Die Geschichte der Entzifferung des Steins von Rosette hatte mich schon seit Jahren interessiert (wohl angeregt durch „Götter, Gräber und Gelehrte“). Natürlich ahnte ich nicht, dass ein Freund aus jener Zeit, dem ich manche Anregung verdanke, eines Tages der Landschaft und den Menschen um Luxor eng verbunden sein würde. Sein Essay beginnt mit dem Blick auf die Leidtragenden der Assuan-Aktion, das Wort Zwangsdeportation steht im Raum:

„Horus“, die Zeitschrift der Egyptair, berichtet in ihrer Ausgabe vom November 2013 über den Hochdamm von Assuan, der nach 10jährigem Bau im Jahre 1971 eröffnet wurde. Er wird als Jahrhundertwerk gepriesen und in seiner Bedeutung verglichen mit den Tempeln der Pharaonen und dem Bau des Suezkanals. Dann wird daran erinnert, dass man Jahre vor der Überflutung, welche das Land der Nubier in einen etwa 550 km langen Stausee verwandeln sollte, ein anderes, nie dagewesenes Projekt realisiert hat: Nach einer von der UNESCO lancierten internationalen Kampagne werden die Tempel von Abu Simbel, von Philae und andere demontiert und an höher gelegenen Orten wieder aufgebaut. Nachdem der Verfasser diese Rettungsaktion gewürdigt hat, vermerkt er in einem einzigen Satz, dass „über 90.000 Nubier umgesiedelt werden mussten“.

Weiteres siehe hier.

***

Von Camille Saint-Saëns‘ Reise nach Oberägypten hatte ich damals keine Ahnung, und von seinen Werken kannte ich vielleicht nur „Introduction und Rondo capriccioso“ op. 28 für Violine. In einer WDR-Sendung habe ich es Jahrzehnte später mit südindischem Geigenspiel kombiniert. Und heute bin ich immun gegenüber Klangverfremdungen aller Art, wenn sie mich nur auf die Spur eines authentischen Originals setzen. Die Melodie des Beispiels, das zu dem folgenden Gedicht gehört, entspricht nicht dem Thema, das Saint-Saëns aufgezeichnet hat, aber in der Nähe könnte es zu finden sein…

***

In die Fremde gingen wir
die Freunde sind weit fort
um uns in die Arme zu nehmen (…)
Oh Dorf, mein Dorf
ich vermisse dich so sehr
oh Dorf, mein Dorf
ich verlasse dich mit Reue
im fremden Land erinnere ich mich an dich (…)
Oh Dorf, mein Dorf
glücklich, dir anzugehören
oh Dorf, mein Dorf.“

Quelle: Christa Laila Meryam Hatshebsut: Die Welt der 99 nubischen Lieder – World of 99 Nubian Songs – Dunya emillo wer damenil ow Nubi – عالم التسعة وتسعين أغنية نوبية, mit Audio-CD, Al-Hadara Publishing, Kairo 2/2012 (Buch und CD liegen mir noch nicht vor, sind aber unterwegs JR) Im übrigen siehe folgenden Essay: „Nubien, mein ertrunkenes Land“ von Hans Mauritz (Dezember 2013), illustriert von Claudia Ali: HIER.

Die Dualität und das Eine

Bach-Aspekte

Ausgehend vom „Clavier-Büchlein vor Wilhelm Friedemann Bach angefangen in Cöthen den 22. Januar Ao. 1720“

Bach Friedemann e

(Oben) Frühfassung des Praeludiums in e-moll, das später in erweiterter Fassung (siehe unten) in „Das Wohltemperirte Clavier“ (erster Band) des Jahres 1722 einging. Oben ist es ziemlich eindeutig als Übung für das gleichmäßige Spiel der linken Hand erkennbar. In der ausgearbeiteten Form (unten) wird es notwendig, über den Charakter und Ausdrucksgehalt, über den Affekt des Basses zu sprechen, gerade auch aufgrund der Tatsache, dass ihm eine affektgeladene Melodie gegenübergetreten ist und eine Teilung der Aufmerksamkeit erfordert.

Bach Praeludium e

Es gilt Ausschau zu halten nach Stücken, die von einer ähnlichen Affektsituation gekennzeichnet sind, sagen wir: einem in sich kreisenden, „rollenden“ Bass und einer stark linear, melismatisch geprägten Oberstimme. Denken wir an die folgende im I. Brandenburgischen Konzert, 2. Satz:

Bach I Brandenburgisches Adagio

Wo allerdings die kontrastierende Komponente im Unterbau fehlt. Stattdessen finden wir sie im „Mittelbau“ der folgenden Musik:

Bach Johannespassion

(Oben:) Der Anfang der Johannes-Passion, erste Fassung uraufgeführt 1724, moderner Klavierauszug. Man stelle sich vor, dass man aus Bass und Sechzehntel-Figuren eine gut spielbare klavieristische Figur für die linke Hand formt und unser Praeludium ins Auge fasst, das ich mir im gleichen Tempo vorstelle. Natürlich hat diese Figur „etwas zu bedeuten“. Wenn auch nicht immer und überall genau das gleiche.

Dem Programmheft der Kölner Philharmonie (Gardiner-Aufführung 29.3.2013) entnehme ich den Hinweis:

In der gesamten Anlage des Eingangschores sieht der Bach-Forscher Martin Geck die göttliche Trinität abgebildet: so stehen die sich in reibenden Dissonanzen vorwärtsschiebenden Oberstimmen der Holzbläser (Flöten, Oboen) für den Leidensweg Christi. Sie werden auf eine gleichmäßig wogende Sechzehntelbewegung der Streicher gebettet; von Geck als »Wehen des heiligen Geistes« interpretiert. Weiter meint er, beides ruhe auf dem Fundament der »unerschütterlichen Ruhe Gottvaters«, symbolisiert im Orgelpunkt der Bässe.

Ich habe den Text nicht bei Martin Geck selbst nachgeschaut, aber wie auch immer er es näher begründet: an ein „Wehen des Heiligen Geistes“ in dieser massiven Form mag ich nicht glauben. Und tatsächlich finde ich bei John Eliot Gardiner eine ganz andere Auffassung:

Die Tonart – g-Moll – steht von Purcell bis Mozart in der Regel für eine Klage. Der unerbittliche Puls der Tonwiederholungen in der Basslinie, die unnachgiebige Seufzerfigur in den Bratschen und die wirbelnden Bewegungen in den Geigen, die einen so lebhaften Eindruck von Tumult vermitteln, dass man förmlich das Wogen einer aufgebrachten Menge vor Augen hat – all das verleiht dem Stück ein einzigartiges Pathos. Vor dem Hintergrund dieses Brodelns setzen die in einen lyrischen, aber von qualvollen Dissonanzen durchsetzten Dialog vertieften beiden Bläserpaare aus je einer Flöte und einer Oboe eine ganz andere Form der Körperlichkeit in Szene, die ein erschütterndes Bild von in nacktes Fleisch getriebenen Nägeln zu erzeugen vermag.

Bis hierhin könnte man das als stark emotional aufgeladene Darstellung der Kreuzigung interpretieren, bei der jedes dieser Motive unsere Aufmerksamkeit fesselt und gleichzeitig auf seine Wechselwirkung mit allen anderen lenkt. Doch dann beginnt die in den ersten neun Takten stabile Basslinie chromatisch abzusteigen, und die Musik schwillt allmählich an. (…) Mit dem Einsatz des Chores geschieht etwas Unerhörtes und Schockierendes: Anstelle einer Wehklage lässt Bach ein Loblied auf die universelle Herrschaft Christi erklingen: „Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm / in allen Landen herrlich ist“ (Psalm 8)* –

Anmerkung: *Die überraschenden Gegensätze, mit denen Bach hier arbeitet – zwischen der „Herrlichkeit“ Jesu und seiner „Niedrigkeit“ -, lassen sich bis zu den drei Predigten über den 8. Psalm von Johann Arndt zurückverfolgen (Johann Arnd, Auflegung des gantzen Psalters Davids, Lüneburg,1643).

– ein Vorgang, der in den Passionsvertonungen seiner Zeit ohne Beispiel war. Die Stimmen setzen gemeinsam ein, in drei kurzen Stichen: Herr! …Herr! … Herr! Der Eindruck eines doppelten Affektes könnte deutlicher nicht sein: Das so vor unserem geistigen Auge entstehende Porträt zeigt, einem riesigen byzantinischen Mosaik gleich, Christus in seiner ganzen Herrlichkeit – aber einen Christus, der auf das Getümmel der verzweifelten, sündigen Menschheit herabblickt. Bach hat einen Weg gefunden, jene schlichte Dualität abzubilden, die Johannes so häufig kultiviert: zwischen Licht und Dunkel, Gut und Böse, Geist und Fleisch, Wahrheit und Falschheit. Im weiteren Verlauf des Satzes wird schnell klar, dass die Dualität hier die Gestalt eines Längsschnitts annimmt, zwischen dem göttlichen, am Kreuz „erhöhten“ Christus, der alle Menschen zu sich zieht – und seiner „Erniedrigung“ zur Rettung der Menschheit. Die Majestät Jesu offenbart sich somit, wie es ein pietistischer Zeitgenosse Bachs ausdrückte, „hinter dem Vorhange des Leidens“.

Quelle John Eliot Gardiner: BACH Musik für die Himmelsburg / Carl Hanser Verlag München 2016 (Seite 426 f)

Dies scheint mir in die richtige Richtung zu gehen, das „Wogen einer aufgebrachten Menge“ ist plausibler als das „Wehen des Heiligen Geistes“, den ich eher in den Zwischenspielen der großen Großen Violinfuge in C-dur (BWV 1005) wahrnehme. Und natürlich in der luftig-leichtfüßigen Motette „Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf“ (BWV 226), deren abschließender Choral im Fugenthema der Sonata aufgegriffen wird. (Übrigens interessieren mich all diese theologischen Fragen ausschließlich in Bezug auf Bach, nicht im Namen der „christlichen Werte des Abendlandes“.)

Zurück zum Wohltemperierten Clavier I/10 e-moll (BWV 855): Es ist wichtig, den engen Zusammenhang der Fuge mit dem Praeludium zu beschreiben. Auch die Tempofrage. Zunächst aber die Tatsache, dass es die einzige ernsthaft zweistimmige Fuge, die im ganzen Wohltemperierten Clavier (oder sogar in Bachs Gesamt-Werk) vorkommt, und innerhalb gerade dieser Fuge die beiden Unisonotakte, die nicht auf Gott oder die Einheit der Trinität bezogen scheinen*, sondern – wenn man das Fugenthema so deuten darf – auf den Teufel, der – vielleicht –  auf das allzu leichtfertige Zwischenspiel reagiert…

*wie in der Matthäus-Passion „Er ist Gottes Sohn“ oder – auf andere Weise – in der H-moll-Messe „Et in unum“. Symbolische Übereinkünfte, die schon bei Monteverdi („Duo Seraphim“) zur geistlichen Komponiertechnik gehörten.

Übrigens finde ich die Frage der Temporelation im Praeludium und des Prestos zur nachfolgenden Fuge in den meisten Interpretationen schlecht gelöst. Die Fuge darf nicht ebenfalls als Presto aufgefasst werden, sondern so stabil und „gezackt“, dass die Unisono-Takte als solche hervortreten, deutlich wahrnehmbar sind, auch als Teiler oder Pfeiler. Goulds Leggiero-Prestissimo mag technisch bewundernswert sein, verfehlt aber den Charakter dieser Fuge vollständig. Dementspechend auch noch den letzten Takt, den ausdrücklich von Bach gekürzten, arpeggierten Schlussakkord.

Sonderbar finde ich das von Alfred Dürr vorgeschlagene stringendo vor dem Presto des Praeludiums (Andras Schiff spielt es), würde stattdessen eher das Gegenteil bevorzugen, ein sanftes Verebben; und das neue Tempo erst ab zweitem Sechzehntel des Prestotaktes, nicht schon das erste als heftigen Absprung inszenieren! Auch die Abschnitte des Prestos voneinander absetzen, z.B. entsprechend dem Zuwachs der Stimmen, es muss nicht metronomisch bis zum letzten Takt durchgepeitscht werden. Absurd auch, was zuweilen mit den Harmonieachteln der ersten Praeludium-Teils angestellt wird (anstelle eines leichten Arpeggios), was für ein fehlgeleitetes Raffinement etwa bei Koroliev! Unbegreiflich übrigens, was ein tüchtiger Klavierspieler wie Stadtfeld über das Wohltemperierte Clavier daherredet (youtube!). Man darf eigentlich erwarten, dass sich Musiker bei solchen Werken nicht nur mit der Tastatur, sondern auch mit analytischen Büchern auseinandersetzen und z.B. nicht von vier bis fünf Stimmen reden, wenn fast alle Fugen dreistimmig sind. Ich bewundere die Trillertechnik mancher Pianisten, verstehe aber nicht, weshalb sie bei Bach als eine Art Fahrradklingel-Effekt eingesetzt wird.

Im folgenden Beispiel habe ich Glenn Goulds sinnlose Artikulationsvarianten in der linken Hand rot gekennzeichnet, alle Zweierbindungen bringt er penibel abphrasiert (übrigens haben seine – hier ebenfalls rot eingezeichneten – Varianten der Melodiestimme keinerlei Grundlage):

Glenn Gould Phrasierung e-moll

Er bemüht sich, die offensichtlich gemeinte Gleichmäßigkeit der linken Hand abzuschwächen und „interessant“ zu machen, den rollenden Untergrund in kleine bedeutungsvolle Gesten zu zerteilen. Jeder, der dies als interpretatorische Möglichkeit imitieren wollte, würde sich lächerlich machen: aber warum sollte ich es bei Glenn Gould akzeptieren? Er ist es ja, der das von Bach Komponierte nicht akzeptiert.

Noch ein Wort zu Glenn Gould (21.2.17)

Wer weitere Beispiele seiner künstlerischen Willkür hören will, muss nicht lange suchen. In der Französischen Suite G-dur hat er aus der Allemande einen Schnaderhüpfel gemacht, indem er die an allen möglichen Stellen hinzugedichteten Vorhalttöne (von oben) auch noch im Staccato absetzt und ein viel zu schnelles Tempo durchzieht. Noch grotesker behandelt er die Sarabande. Ich habe dafür nur ein Wort: zickig. Es hat mit heilsamer Verfremdung nichts zu tun, es ist die Karikatur dessen, was in den Noten ablesbar ist. Nur unter diesem Aspekt könnte es diskutierbar sein: wir reißen Bach die frömmelnde Maske vom Gesicht. Phantom Bach! Aber nichts zwingt uns dazu, ihn einem Klavier-Phantom zuliebe so zu sehen.

Aktuelles in Kürze

Heute wurde der Beitrag Indische Musik in der Elbphilharmonie (Hier) um 1 Foto und 2 Links mit Raga Jog ergänzt.

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Heute Nacht habe ich zu später Stunde im WDR-Fernsehen die Gruppe CAN gesehen. Eine skurille Vorstellung von Anfang der 70er Jahre, eine Form von Anti-Musik, einziges Rückgrat: das unerbittlich durchgezogene Schlagzeug. (Heute Morgen eruiert: da saß der soeben verstorbene Jaki Liebezeit in seinen frühen Jahren.) Das Exotischste nicht der japanische Sänger oder Solo-Zeilen-Schreier, dessen Gesicht hinter senkrecht verklebten langen Haarsträhnen verborgen war, sondern das jugendliche Publikum: sofern die Trauergestalten nicht vom Veitstanz (oder von Drogen) geschüttelt waren, standen sie in lethargischer Haltung herum, verlegen, als seien sie hier zwangsverpflichtet. Die Lustlosigkeit des Lebens in Perfektion. Ein schrecklicher Ernst, wie mitten im Krieg…

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Oder??? Ich lasse hier gleich die spontan gemailte Kritik von Freund BS folgen und bin bereit umzuschwenken: ich war schon ziemlich müde letzte Nacht):

Deinen Absatz zu Can finde ich allerdings etwas hart. Das war schon eine o.k.e Gruppe, im Nachhinein betrachtet, ich konnte damals (da war ich ja noch ein Teenager) nicht viel damit anfangen, wie mit der ganzen deutschen Popmusik der 1970er Jahre, ich habe mal Amon Düül in Oberbayern im Wald auf einem kleinen Festival gesehen, das fand ich sehr merkwürdig, Kiffermusik, die mich vor Rätsel stellte. Klaus Schulze und den Hamel fand ich furchtbar. Und Can hab ich auch nicht goutiert. Aber in den letzten Jahren doch allmählich kapiert. Liebezeit und Czukay haben ja bei Stockhausen studiert und einer war auch sein Assistent, und mit ihrer Gruppe haben sie zusammen mit dem Japaner, der Autodidakt war, versucht, einiges davon in die Rockmusik einzubringen, was sie im (WDR?)Elektronik-Studio in Köln gelernt hatten. Das ist, aus heutiger Sicht, nicht alles schlecht und manchmal sogar interessant. Es ist eben auch immer eine Musik gegen die (Nazi-)Väter-Generation, und gleichzeitig gegen die britische Popmusik dieser Zeit. Und als „Krautrock“ einer der wenigen Beiträge der bundesdeutschen Popmusik zum internationalen Pop- & Rock-Katalog (neben Kraftwerk, mehr ist da ja nicht…). Ich glaube Dir sofort, wie die Tanztypen aussehen mit ihrem Ausdruckstanz, ich finde es aber ungerecht, das so zu schreiben – die Armen, sie konnten ja nichts (wenig?) dafür, so zu sein, wie sie waren. Und wie die Leute mit ihren Batik-T-Shirts bei Folkfestivals tanzen, ließe sich leider im Großen und Ganzen ähnlich beschreiben. I don’t blame them. Ich hoffe, es gibt keine Aufnahmen davon, wie ich in den 1970 „frei“ getanzt habe. Grins.

Ja!! sehr guter Einwand. Ich war selbst einer, der Nachsicht brauchte. Oder immer noch braucht. (JR)

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Auch merken: im Nacht-Gespräch V.D.Precht (mit BILD!-Chef Nikolaus Blome) gab es von ihm eine gute Prognose in Kurzfassung. Aufsuchen im ZDF HIER. Seltsam am Verlauf des Gesprächs: wie nachdenklich ein BILD-Journalist werden (oder sein?) kann.

Richard David Precht (betr.: Angst) a.a.O. 7:44 bis 9:23

[Wir stehen] vor einem Umbruch, der strukturell der größte seit 250 Jahren ist. Also vor 250 Jahren entstand in England die liberal-demokratische, kapitalistische Gesellschaft, die langfristig, über einen langen Weg auch von Korrekturen durch die Arbeiterbewegung usw. zur sozialen Marktwirtschaft geführt hat und zu den bürgerlichen Gesellschaften, die wir heute kennen. Das war die Grundlage, die erste industrielle Revolution. Und diese industrielle Revolution hat aus Ländern, aus Bauernländern, Länder(n) von Fabrikarbeitern gemacht, hat den Handel explodieren lassen, die Industrialisierung vorangetrieben usw., wir ernten heute sehr weitgehend die Früchte dieser Entwicklung.

Und jetzt haben wir wieder eine technische Revolution, die genauso einschneidend ist, wie die, die [es] damals gab. Und in den nächsten 20, 30 Jahren wird sich unsere Leistungsgesellschaft, unsere Industriegesellschaft, wie wir sie kannten, vollständig auflösen zugunsten einer anderen Gesellschaft, die sehr übel sein kann, die vielleicht auch gut sein kann, und das ist es, was die Leute überall spüren, dass es eben nicht mehr weiter geht wie bisher. Business as usual ist nicht mehr möglich angesichts der gewaltigen Umbrüche. [Blome: …aber das wissen die Deutschen! Das weiß die Mitte! Jeder zweite Deutsche, der arbeitet, arbeitet in einem Beruf, den er nicht erlernt hat, er hat schon mal den Job gewechselt. Der hat schon einmal komplett sein Leben eingerichtet.] Wir reden da von Szenarien, die im Augenblick da in Davos besprochen werden, die die Oxford-Studie zur Zukunft der Arbeit und viele andere nahelegen, dass in 20 Jahren mutmaßlich – genaue Zahlen gibt’s nicht, aber mutmaßlich – jeder Zweite in Deutschland keiner Lohnarbeit mehr nachgehen wird. 9:23

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Kürzlich eine Passage von Dariusz Szymanski aufgeschrieben (und dabei gegrinst):

ich hab jetzt was von Goethe gelesen, das war so ein Theaterstück, das war die Iphigenie, glaube ich, genau, und die wurde irgendwo aufgeführt, und dann habe ich in der Zeitung gelesen, mein Gott, das ist ein furchtbares Stück, das kann man überhaupt nicht mehr auf die Bühne bringen. Wann würde man bei uns sagen, mein Gott, die Neunte von Beethoven, die ist furchtbar, die kann man eigentlich gar nicht mehr spielen. Das wird bei uns nicht gemacht, also wir machen eigentlich immer Beweihräucherung, wir machen sozusagen…

(siehe hier)

Dazu folgender Text:

In der Märchenwelt der Klassik werden die Mächte des Bösen verzaubert. Alles Verzerrte, Verquälte, Unproportionierte, Unorganische, Unproduktive, Subversive, Chaotische erscheint hier nicht ausgeschlossen, sondern – gebannt. Unter den magischen Auspizien ihrer unheilsam heilsamen Erklärungszwanghaftigkeit entwickelt das zugleich rationale und magische Denken der „Klassik“ ein Weltbild mit autonomen Gesetzen: so gesehen, als skurille, versponnene Träumerei, wäre selbst Iphigenie möglicherweise noch einmal spielbar.

Quelle Jürgen Wertheimer: Goethes Glück und Ende, oder: Vom verhängnisvollen Schicksal, Klassiker zu sein / in: Über das Klassische Herausgegeben von Rudolf Bockholdt Suhrkamp Taschenbuch Materialien Frankfurt am Main 1987 / Seite 101-109

Bei dieser Gelegenheit entdeckt (Wikipedia Jürgen Wertheimer), über JWs Standpunkt:

Ein-Deutigkeit sei artifiziell und werde im Konfliktfall konstruiert und inszeniert, um Vielfalt zu negieren, zu tarnen, zu verstecken oder beiseitezuschieben, so Wertheimer in einem Beitrag von 2002. Im Normalfall, den es zu verteidigen und zu emanzipieren gelte, seien unspektakuläre Sätze wie jene möglich, die der Bekleidungskonzern Benetton den Jugendlichen Yussef sagen lässt, in einem Kollektionskatalog vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konfliktfeldes: Er sei froh, ein Mischling zu sein. Wertheimer argumentiert, Benetton wolle keine Heile Welt- oder Multikulti-Idylle verkaufen, sondern es gehe darum, en passant „ein Gefühl für die innere Vielfältigkeit und Komplexität normaler Lebensläufe in Konfliktfeldern herzustellen.“

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Heute muss ich an „Khor Halat“ (Kurdistan / Kobane) weiterarbeiten. Eine interessante Frage ist aufgetaucht: gibt es dort „enharmonische Verwechslung“ oder eine Arte von Collagetechnik in der Kombination zweier (!) Melodien? Vielleicht ist es eine Idee des Komponisten (!) Sohrab Pournazeri.

13:05 Uhr Arbeit an diesem Stück (Skizze inzwischen ausgetauscht) beendet. Es fehlt allerdings noch der Clou, den ich erhoffe (siehe dort).

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Beim Klavierüben – wieder mal das Wohltemperierte Cl. I Praeludium e-moll – neu überdacht, was es mit dem rollenden Bass der linken Hand auf sich hat, der aus einer Übung für Friedemann hervorgegangen ist. (Siehe im gescannten Text HIER Seite 415 ab vorletzte Zeile und weiter). Dieser Bass hat zweifellos etwas zu bedeuten – soll Bach die wunderbare Melodie für nichts erfunden haben – oder nur, um uns parallel dazu wissen zu lassen „Übung macht den Meister“? Niemals. Der Bass weiß doch gar nichts mehr von der Übung, er übermittelt vielmehr etwas Ähnliches wie der Anfangschor der Johannespassion! Und wie ist die rollende Figur dort zu deuten? Sicher nicht als Wehen des Heiligen Geistes, wie es angeblich Martin Geck vermutet. (Dieser unfassbare Geist weht eher so ähnlich wie in der Motette „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“, also durchaus nicht wie ein Donnergrollen.) Mit anderen Worten: es dürfte ein neuer Blog-Artikel daraus werden. Ich habe einen plausiblen Hinweis gefunden, der vielleicht sogar bei der nachfolgenden Fuge weiterhilft, der spitzigen, zweistimmigen Fuge, die vom Teufel reden mag, aber nicht vom Heiligen Geist.

Und damit endet dieser etwas zusammengewürfelte Blog-Artikel, der seit dem 5. Februar ein paar zufallsgebundene Aktivitäten festhalten sollte. Es ist 20:45 Uhr, 7. Februar.

Kein Beziehungswahn!

Aber ja kein PC-Syndrom versäumen!

Achtung: PC heißt nicht mehr – wie in den alten Zeiten – Personal Computer, sondern Political Correctness. Und was ich – „intern“ – mit dem Wort Beziehungswahn vorsorglich unter Verdacht stelle, entbehrt der wahnhaften Beziehung auf mich selbst als Zentrum alles Geschehens. Ich lese die ZEIT, und beziehe einen Artikel, den ich plötzlich gründlicher als alles andere, was mich viel mehr anginge, auf einen anderen (Artikel) und dann, ja dann erst auf mich selbst. Zufall. In dieser Woche z.B. den Artikel über eine Gummipuppe als Geliebte. Er erinnert mich an eine böse Replik im Internet, die ich vor vielen Jahren erntete, als ich glaubte, die Gummipuppe bei Roxy Music abschätzig behandeln zu dürfen. Vor vielen Jahren? Kaum viel mehr als ein Jahrzehnt! Eine Sendung der WDR Musikpassagen am 16. März 2006: Kulturgüter, Pop und „Cultural Turns“ Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, Roxy Music, Ladysmith Black Mambazo, Hossein Alizadeh und Vilayat Khan, der Text ist archiviert:  HIER.

Einschub aus Wikipedia zum Beziehungswahn (nennen wir ihn BW):

Der Betroffene bezieht Dinge und Ereignisse in seiner Umgebung auf sich, die nach rationalen Kriterien gar nichts mit ihm zu tun haben können; er glaubt beispielsweise, dass Fernsehnachrichten versteckte Botschaften an ihn persönlich enthalten. Der Beziehungswahn ist besonders bei paranoischen Formen zu beobachten, bei denen er oft das Fundament des übrigen Wahngebäudes bildet.

Um ehrlich zu sein: bevor ich dieses Zitat hierher übertrug, hatte ich – trotz der maskulinen Grammatik – statt „Formen“ noch das Wort „Frauen“ gelesen und innerlich durchaus zugestimmt. Jetzt lehne ich allerdings jede Verantwortung für diesen Lapsus ab!

Also beginne ich doch lieber mit dem anderen Artikel, der sich als letzter einstellte – um nicht gleich jede Aufmerksamkeit von Leserseite einzubüßen (betr. Gummipuppe = Ende der Toleranz). Zumal er von einer Frau stammt, die sich eines beeindruckenden Selbstversuches unterzieht. Nein, ausschlaggebend dafür, nun auch noch diesen Artikel zu lesen, zu studieren, in Beziehung zu setzen, war die Hoffnung, von fremder (?) Seite etwas sehr Unbefangenes über das Phänomen Melodie zu hören, zumal über eine Melodie, die aus nichts (?) als einer Dreiklangsbrechung besteht…

ZEIT Walzer Beziehung

Vorgewarnt und zu tieferer Anteilnahme verführt war ich spätestens bei den Zeilen:

Kann man am kreiselnden Führen-und-Geführtwerden etwas über das Mann-Frau-Verhältnis ablesen? Wie es sich verändert hat – auch im Dreivierteltakt?

Davon hatte ich schon gehört, – BW! BW! -, durch ein junges Paar in der Verwandtschaft, das von bewegenden Erfahrungen beim Tango-Kurs erzählt hatte, sie sind also offenbar nicht taktgebunden.

Die Musik spielt wieder, sein rechtes Bein drückt irgendwie fordernd gegen mein linkes, meinen erschrockenen Rückwärtsschritt lässt er als unseren Tanzbeginn gelten und verhilft mir sogleich zu einer kompletten Rechtsdrehung um die eigene Achse, ganz leicht, völlig magisch. Noch eine und noch eine, seine Hand im Rücken stützt mich, seine Hüfte dirigiert mich durch den leeren Saal. So also ist das, wenn der Mann führt. Nicht schlecht. Eigentlich sogar ganz und gar nicht.

Denke ich schon wieder an etwas anderes? Lässt sich meine PC schon wieder schamlos vom BW überrollen? Ich füge vorsorglich an diesem Punkt die genaue Quellenangabe ein, und sei es nur um Zeit zu gewinnen:

Quelle DIE ZEIT  2. Februar 2017 Seite 53 Erkennen Sie die Melodie?* Sie feiert gerade 150. Geburtstag. Die Schriftstellerin Ulla Lenze ist zur Walzersaison nach Wien gereist, um darauf zu tanzen – auf dem ersten Ball ihres Lebens. [Das Sternchen hinter dem Fragezeichen führt zu: „*Donauwalzer, Johann Strauss, 1867“, eigtl. aus Gründen der PC zu ändern in „Strauß“, bitte!]

Klar ist mir nun auch, warum der Wiener Walzer zunächst nur vom einfachen Volk getanzt, bei der Hofgesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts verpönt war. Der richtige, echte Wiener Walzer ist tatsächlich ein extremer Tanz. Wie eine Vorübung zum Sex. Erst mit dem Wiener Kongress 1814/15 und dem flankierenden Unterhaltungsprogramm wurde der Walzer salonfähig, und man erkannte, was durch ihn möglich wurde: ungestraft Intimität mit fremden Damen und Herrn zu erleben.

Den Grund für die Beliebtheit des Walzers sieht der Strauss-Experte [Strauß-Experte] Professor Helmut Reichenauer aber auch in etwas anderem: Die Drehbewegung erzeuge einen Schwindel, man gerate außer sich, ja in einen Rausch, erklärte er mir bei meinem Besuch im Museum der Johann Strauss Dynastie, das er leitet. Außerdem bedürfe ein Dreivierteltakt stets einer Ergänzung, man könne nicht stehen bleiben – und fühle sich wie ein Perpetuum mobile, wolle immer weiter.

Quelle a.a.O. (s.o.)

Zur Sicherheit zitiere ich jetzt doch erstmal das, was ich damals zitiert habe bzw. mich selbst, um zu verdeutlichen, dass ich damals nicht bereit war, eine Gummipuppe als Lebensersatz ernst zu nehmen, ob mit oder ohne Geleitschutz von Adorno:

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlicht eine fortlaufende historische Diskothek der Popmusik von 1955 bis 2004, für jedes Jahr ein Album, im Fall 1973 mit 20 Titeln. Ich wurde aufmerksam, als ich im SZ-Magazin einen hochgestochenen Kommentar zu diesem Titel von Roxy Music las. Es beginnt mit dem Hinweis auf das Buch Die Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer – korrekt zitiert hieße es ohne Artikel: „Dialektik der Aufklärung“ -, jedenfalls: darin gebe es einen Riesenfehler!
Ich zitiere:

“ Pop und Jazz sind nämlich keineswegs bloße Verdummungsinstrumente der Kulturindustrie. Nicht nur, dass Pop mitunter dieselbe höhere Wahrheit erreicht, die bürgerliche Musikliebhaber allein in Bachs Fugen und Beethovens Streichquartetten finden; auch das Störpotenzial, das Adorno Arnold Schönbergs Zwölftonmusik zuschreibt, lässt sich ohne weiteres im Pop lokalisieren – zum Beispiel im Roxy Music-Stück In Every Home … , das von der spirituellen Leere einer vom Konsum geprägten Existenz handelt. „

Eine aufblasbare Gummipuppe symbolisiert, so heißt es, „Liebe im Zeichen der Gefühlsindustrie.“ Und dann wörtlich:

“ Fast will es scheinen, als hätte der Komponist Bryan Ferry vor der Niederschrift des Liedes bei Adorno nachgeschaut, so präzise vertont er hier kulturkritische Lehrsätze. Spätestens wenn im Herzen des Erzählers ein diffuser Schmerz auftaucht, das ‚heartache‘ des Titels, weiß man: Es gibt kein richtiges Leben im falschen. „

Das ist die aufgeblasene Sprache der Popexperten, die versuchen, mit schlechten Klassikexperten gleichzuziehen. Auch ohne Adorno hätte man gewusst, dass es mit der Gummipuppe kein richtiges Leben gibt, selbst wenn das Leben da draußen kein falsches wäre. Und es kann auch wohl nicht ernst gemeint sein, dass der Sänger Bryan Ferry wirklich kulturkritische Lehrsätze vertont hat, allenfalls könnte er sie bei der Vertonung beherzigt haben, gemeint ist aber: bei der Textniederschrift.

Und völliger Quatsch ist es, den bürgerlichen Musikliebhabern zu unterstellen, dass sie in Bachs Fugen oder Beethovens Streichquartetten nach höherer Wahrheit suchen, und womöglich derselben, die auch in manchen Popstücken zu finden ist.

Das ist großmäuliges, verdinglichtes Gerede, das gleiche, das auch auf hohe Kulturgüter pocht, die womöglich von einer Leitkultur gehütet werden.

Man hört Musik, man beschäftigt sich mit Musik, man setzt sich ihren Wirkungen aus, man lebt mit ihr, aber man geht am Ende nicht mit einer höheren Wahrheit nach Hause. Sondern … von Musik erfüllt.

CD 1973

Die Quelle des Zitates und der beiden Zitate im Zitat finden sich, wie schon vermerkt –  im Musikpassagen-Skript vom 16. März 2006, ganz am Ende, Hier.

In Every Dream Home A Heartache (Text hier)

Roxy Bass

Was mich wundert: weder der Schreiberling, der seine Adorno-Puppe zur Abwehr der Verdächtigung niederen Geschmacks einsetzt, noch ich als Kritiker haben versucht, das feine, schillernde Gewebe der Gitarren-Obertöne über dem ostinaten Bass zu würdigen. Oder die zugleich sanfte wie auch angespannte Sprechstimme, die mit magisch fixierter Melodik dem Bass folgt, stattdessen war man mit gedanklicher Nobilitierung des Textes beschäftigt, der zweifellos an ein Tabu rührte. In einer Zeit, in der Tabubrüche zum Ausweis kreativer Originalität gehörte. Der sexuelle Tabubruch, den man einst wie eine Vorübung psychotherapeutischer Selbstbefreiung feierte, passte ganz gut zur permanenten Erweiterung des kapitalistisch befreiten Marktes. (Ich las damals Arno Plack: Die Gesellschaft und das Böse / Eine Kritik der herrschenden Moral, 1968). Und es war keine 10 Jahre her, dass man über bestimmte Lehrer, Schauspieler oder Mitschüler in diskriminierender Absicht tuschelte, sie seien 175er. Es treibt einem nachträglich die Schamröte ins Gesicht. Ich erinnere mich aber an erbitterte Diskussionen der 70er Jahre, wenn die Begriffe „normal“ oder „natürlich“ durchaus noch als Keulen gebraucht wurden. Heute, im Zeichen der grassierenden PC, neigt man dazu, Varianten menschlicher Körperlichkeit oder menschlichen Verhaltens bereits für schützenswert zu halten, noch ehe man von ihnen weiß. Andererseits ist man doch überrascht, wenn das 1973 leicht peinliche oder auch trotzig hochgespielte Roxy-Music-Thema in der angesehenen „Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft, Wissen und Kultur“ behandelt wird, als sei es endlich – wie man heute gern sagt – in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Natürlich kennt Tom die Vorbehalte, mit denen die Welt auf Beziehungen wie die seine blickt. Er ist ein kluger Mann, 49 Jahre alt. Als Anwalt hält er Woche für Woche Plädoyers in Gerichtssälen, behauptet sich gegen Manager und Aufsichtsräte – deshalb steht in diesem Text auch nicht sein echter Name.

Tom sagt, durch Brigitte sei er zu einem besseren Menschen geworden: souveräner, gelassener, heiterer. Wenn er von ihr spricht, klingt er immer noch leicht erstaunt, wie einer, der so oft enttäuscht wurde, dass er nicht mehr mit einem Happy End gerechnet hatte.

Darf nicht jeder Mensch lieben, wen er will? Auch wenn dieser „Wen“ ein „Was“ ist? Kein Mensch, sondern eine Puppe?

Quelle DIE ZEIT 2. Februar 2017 Seite 50 -51 Nur Du und ich Im Gerichtssaal hält Tom überzeugende Plädoyers – zu Hause teilt er sein Leben mit Brigitte, einer Puppe aus Silikon. Von Constantin van Lijnden und Christel Mitchell (Fotos)

Ich bin gespannt, ob es heute noch Diskussionen zu solchen Themen gibt. Sie sagen, es sei kein relevantes Thema? Dann haben Sie noch nie – dank ZEIT-Lektüre – eine Online-Community Doll Forum angeklickt. Eine Summierung von Autisten, die keine zweite Persönlichkeit aus Fleisch und Blut neben sich ertragen? Ich erinnere mich an die Kinderzeit: was habe ich eigentlich in einem Stofftier gesehen, wenn ich ihm in die Augen schaute. Hat es etwa nicht gelebt? – Ich schwöre: heute ist das anders!

ZITAT

Am Anfang war alles gut, richtig und notwendig. Ethnische, religiöse und sexuelle Minderheiten mussten aus dem Ghetto der Ausgrenzung befreit werden – so durch Abschaffung des Paragrafen 175, der Homosexualität unter Strafe stellte. Das war 1968. Es geht aber auch ohne staatlichen Eingriff. Wer würde heute noch „Nigger“ oder „Kanake“ sagen? („Fuck“ oder die deutsche Variante dazu sind fast okay.) Eine wachsende Emanzipationswelle rollte erst durch Amerika, dann durch Europa.

In diesem Sinne bezeichnet der oft ironische oder spöttisch benutzte PC-Begriff kein Phantom, sondern ein gesamtwestliches Phänomen, das von San Francisco bis Stockholm obsiegt. Seit den US-Bürgerrechts- und -Wahlrechtsgesetzen von 1964 und 1965 kamen allerlei Gleichstellungsinitiativen von Amerika bis Europa hinzu. Einst durch Herkunft definierte Staatsangehörigkeit wich der „Naturalisierung“: Jeder, der die Auflagen erfüllt, die nichts mit „Blut und Boden“ zu tun haben, kann Bürger werden, und das ist gut so. Diskriminierung verwandelte sich in affirmative action, in die verordnete Förderung von Frauen und Minderheiten. Dieser stete Trend zeigte, wie sehr die Kultur des Korrekten sich durchgesetzt hat.

Universitäts-Curricula, erst in Amerika, dann hier, schworen dem „Eurozentrismus“ ab und stürzten die DWEM, die „dead white Europeans males“ (Platon und so), vom Piedestal. Erfindung der Medien, Agitprop von rechts? Es ist eine veritable Kulturrevolution, die sich quer durch die westliche Welt zieht.

Vor knapp zehn Jahren blies ein kluger Beobachter, der Stanford-Professor Hans Ulrich Gunbrecht, dennoch Entwarnung: „Das Ende der Political Correctness zeichnet sich ab.“ Das Phantom habe sich nach dem langen Marsch durch die Institutionen gleichsam totgesiegt. Jetzt dürfe man sich wieder entspannen und das Beste aus dem „Kanon“ heraussuchen, den die Korrekten als Machtinstrument der DWEM in den Reißwolf werfen wollten.

Quelle DIE ZEIT 2. Februar 2017 Seite 17 Im Wunderland der Korrektheit Warum Political Correctness eine reale Gefahr für die freie Gesellschaft ist – und keinesfalls nur ein konstruierter Vorwurf der Rechten. Eine Entgegnung auf den Beitrag von Christian Staas vom 19. Januar. Von Josef Joffe.

Ich kann nicht den ganzen Artikel abschreiben (und den von Staas dazu), aber hervorzuheben ist doch die Anti-Trump-Volte gegen Ende, zumal ich Joffe bisher als USA-Freund um jeden Preis eingestuft hatte.

Martin Walser, das Aufblitzen des Ressentiments, war gestern. Heute tobt die Revolte gegen die Deutungshoheit der „liberalen Klasse“. Die schrecklichen Vereinfacher hantieren nur am Rande mit „Volk und Vaterland“. Welche Ironie! Die Trumpisten aller Nationen bedienen sich inzwischen ebenfalls aus dem Arsenal des Korrekten – wie sie es definieren. Sie haben die strategischen Vorteile des Opferstatus entdeckt. Sie sehen sich als Leidtragende der Globalisierung, der Einwanderung, des Multikulti-Kultes – und der Bevormundung durch die „Elite“, die ihnen das Maul verbieten und die Würde raube.

Wobei die Wähler von Trump und seinen europäischen Genossen noch das geringste Problem sind, fordern sie doch Macht auf dem verfassungsgemäßen Wege. Wer wissen will, wie die echten Außenseiter denken, begebe sich in die digitalen Kommentarteile der Medien – oder zu den Websites, die vor Fake-News und „alternativen Fakten“ strotzen. Wie bei Humpty Dumpty [Alice in Wonderland] und George Orwell geht es um die Macht über die Sprache, die Denken und Handeln bestimmt.

Fortsetzung?

(hier müsste noch ein Abschnitt über die Problematik der Toleranz und des Selbstbetruges folgen)

Tanbur

Zur Langhalslaute siehe zunächst HIER.

Eine faszinierende Musik, mit einer seltsamen Tonauswahl, die ich nicht zuordnen konnte; zuerst habe ich an Maqam Saba gedacht, den ich besonders liebe, oder was soll ich sagen: eine Tonfolge, die animierend, aufregend wirkt, aber auch mit einer latent bedrohlichen Schattierung. Seit ich die wunderbare neue CD Kurdistan besitze und den persischen Namen Sohrab Pournazeri auf dem Cover wiederentdeckt habe, weiß ich auch, wie ich den Maqam benennen darf. Das Youtube-Video kann man sogar mit dem Track 5 gleichzeitig laufen lassen. Ich muss mir die Töne notieren und die Ornamentik beobachten; ich habe schon die Geige genommen, die D-Saite einen Ton tiefer gestimmt, dann kann ich auf den beiden unteren Saiten (G und C) ähnliche Tonfolgen nachspielen und ein Gefühl dafür entwickeln. KHOR HALAT.

Pournazeri (bitte anklicken)

(Fortsetzung folgt, Vergangenheit! Blick zurück, aber auch auf diese neue, kostbare CD! Zur allgemeinen Orientierung sollte man vorweg einiges lesen über die Stadt – den Stadtteil? – KOBANE, auch über den Kampf der Kurden dort: Hier! )

Kurdistan CD Zum Reinhören bei jpc HIER.

Ich erinnere mich also an meine erste Begegnung, mein vorsichtig tastendes Skript, – in der Einführung auch quasi entschuldigende Worte, weil ich fürchtete, die ständig wiederholte melodische Formel könnte allzu befremdend wirken:

Kurdistan Skript Die rührenden Lied-Texte! Wer hat das übersetzt? Damals hatte mich am Ü-Wagen ein freundlicher Kurde namens Hassan Saidou angesprochen (Kameramann?) und einen Freund als fähigen Dolmetscher empfohlen: Darwich Hasso aus Bonn.

Kurdistan Skript b Kurdistan Skript c

Der Sänger Mohammed Ali Tedjo aus der Region um Aleppo war ein Vertreter des älteren (?), eher reserviert wirkenden Stils, den zweiten Teil des Konzertes bestritt Said Youssef aus Beirut, ein junger Mann, der seine Liebeslyrik mit glühender Leidenschaft vortrug (s.u.). Erstaunlich. Was für eine Zeit des Aufbruchs. Wo in der heutigen Radiolandschaft würde man noch solche Gedichte in extenso präsentiert bekommen? Und nicht einmal auf dieser so schön edierten, mit suggestiven Fotos geschmückten CD.

Kurdistan Skript e  Kurdistan Skript d

Ein merkwürdiges Phänomen habe ich in der Sendung von 1974 erwähnt: sie betraf den Sänger Moh. Ali Tedjo: „Die Tonfolge, die er singt, weicht intervallmäßig ab von der, die er auf der Laute spielt!“ Ich kann es kaum glauben, aber auch nicht bezweifeln, da ich damals schon seit 5 Jahren (seit der Rückkehr von der ersten Orient-Tournee 1967) auf modale Skalen fixiert war. Auch im Fall dieser neuen CD führt meine Faszination zu allererst dahin, die Melodien mithilfe ihres „Tonvorrates“ zu differenzieren und zu memorieren. Es ist zum Lachen: oft ist es gar nicht leicht, allein den Grundton im Blick zu halten, obwohl er fortwährend gegenwärtig ist; aber die Beleuchtung verändert sich. Ich beginne also mit dem Track 5, verwende skizzenhaft Notenschrift, sie dient nur der eigenen Rückerinnerung, nicht einer echten Objektivierung – aber man lasse sich nicht abschrecken: es gibt Sekundenangaben, die erlauben, die Töne mit bloßem Ohr „abzutasten“. Erst anschließend werde ich mich mit dem beschäftigen, was der Booklet-Text zu den Melodien sagt. Wohlgemerkt: auch wenn unser Vorgehen jetzt anders aussieht: die Musik ist hinreißend, keine tönende Wissenschaft!!!

Kurdisch aaKurdisch bb

Nein, diese (inzwischen etwas erweiterte) Skizze hat wirklich keinen wissenschaftlichen Wert, aber ich könnte mit ihr in der Hand während des Zuhörens ein paar Hinweise geben. Um es gleich zu sagen: was mich frappiert und zur Unterbrechung genötigt hat, ist die Entdeckung, dass sich zumindest in der Notation ein enharmonischer Wechsel ergibt (Zeile 11, dann Zeile 12 am Ende und Übergang Zeile 13 zu 14), von dem ich (noch) nicht sagen kann, ob er auch beim Erklingen wirklich von Bedeutung ist oder ob er sich zwanglos als „ges-moll“ statt wir hier als „fis-moll“ hören ließe. Kurz: ist hier einfach eine zweite Melodie eingefügt, mit Grundton Fis, oder handelt es sich um eine organische „Ausbuchtung“ der Melodie, die von Anfang an herrschte und auf den Grundton D bezogen war?

Nach der Beendigung der Skizze scheint mir klar, dass es sich nicht um zwei verschiedene Melodien handelt, die „künstlich“ kombiniert wurden, sondern um zwei Aspekte desselben Modus. Ich rechne damit, dass ich die gleiche (oder eine ähnliche) „Ausweitung der Kampfzone“ in dem Tanbur-Solo (s.o.) finden kann, obwohl es nur ein Drittel der Länge hat. Wenn dies nachweisbar ist, halte ich für sicher, dass dies die zwei Aspekte des Maqams sind, und vermute, dass diese Charakteristik mit dem Thema „Sonnenaufgang“ zu tun hat (ähnlich wie – vgl. Dhruba Ghosh Einführung hier – die indischen Ragas Ramkali und Marwa mit Sonnenaufgang bzw. -untergang).

Ich glaube, ich habe richtig vermutet: die „Schaltstelle“ befindet sich im Tanbur-Solo genau bei 3:40, wo der neue Aspekt des Maqams eingeführt wir („fis-moll“), mit regelmäßiger Rückkehr zum eigentlichen Grundton z.B. bei 4:13, 4:20, 4:34, 4:45. Ab 4:50 auffällige Bevorzugung des Tones unter dem Grundton samt seiner Unterterz, erst ab 5:06 demonstrative Rückkehr bis ins völlige Pianissimo = im Grundton verlöschend.

Aber um die tonalen Schattierungen wirklich im Detail zu beschreiben, brauchte ich ein Abspielgerät, das die Geschwindigkeit halbiert, so dass die Verhältnisse auch im schnellsten Tremolo mikroskopisch genau zu erkennen wären.

Ich würde mir die Tonfolgen so merken: D – Es – F – Ges. Also wie in Saba, aber ohne dass das erwartete A als übermäßige Sekunde folgt; es folgt stattdessen ein As als Nachbarton: Unklar bleibt mir im Moment, ob der Ton Es einen Viertelton höher intoniert wird. Unterhalb des Grundtons D (der übrigens nur als D geschrieben wird, klingend ist es ein C !! Ich schreibe es nur als D, weil andere Maqamat wie Bayati oder Saba eben üblicherweise auch auf D (Dugah) notiert werden) – also: unterhalb des Grundtons D haben wir immer ein A (ich glaube als leere Saite) plus ein H als Durchgang zum C.

Alles relativ leicht zu hören, aber schwer zu beschreiben. Mit der Geige in der Hand (tiefer gestimmte D-Saite, damit man ein reales C als „leere“ Saite hat). Ich schreibe das hier in dieser Form nur für mich selbst, – sonst wäre ich nichts als ein schlechter Pädagoge… Meine Notation ist völlig unbefriedigend, ich lasse sie trotzdem folgen, mit der Bitte um Nachsicht; für eine musikethnologische Arbeit müsste ich noch ein paar Tage allein in die Notation investieren. Und dann käme noch das Hauptproblem: nämlich einen „Muttersprachler“ dieser Musik zu befragen, ob ich wenigstens einen Schatten des wahren Maqams erkannt habe, also vielleicht zumindest die Nahtstellen.

Wenn ja, könnte ich auch in Zukunft Maqam Khor Halat sicher erkennen, wenn er in einem kurdischen Bühnenprogramm vorkäme.

Tanbur Solo Skizze

Und hier folgt dann noch ein Blick auf Maqam Saba, wie er bei Rodolphe d’Erlanger im Buche steht, damit ich ihn nicht ohne Sinn und Verstand einbezogen habe. Ich weiß natürlich, dass ich Herrn Sohrab Pournazeri mit persischen Kategorien näherkäme als mit arabischen, aber ich kann mit beiden nicht über meinen eigenen Schatten springen (vgl. den abwegigen Terminus „fis-moll“).

Saba d'Erlanger

Individualist op hoge See

Rainer Prüss

Prüss Hardanger gr … …Prüss individualisierte Gesellschaft … …Pruess Denkzettel 12 Screenshot 2017 … …Pruess Web Screenshot 2017-02-02 HIER anklicken! Bio extra.

(Alle Fotos ©Rainer Prüss, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung, JR)

Ich kenne wenig Leute (genauer: keine) von dieser Kreativität, und zwar schon sehr lange, nur dass ich es vor 40 Jahren noch nicht erkannt habe. Da sah (hörte) ich nur 1 Facette, und in seiner Bio-Trilogie gehöre ich innerhalb der Musik wohl in die Radio-Sparte: „Auftragskompositionen und Produktionen für RB, NDR, WDR, tätig als Rundfunk-Moderator (WDR), Sprecher (RB), Juror (WDR, mdr).“ Da gibt es bestimmte Musiktitel, die ich durch die drei Moderatoren von „Liederjan“ kennengelernt habe und die bis heute weiterwirken. Unvergessen: „Jimmy Clay“ von Patrick Sky (aber die Fassung mit Fiddle). Wahrscheinlich gab es wenig Überschneidungen in unseren Plattenschränken, gerade das war gut so! Begonnen hatte es jedenfalls mit der „Zupf-Streich-Zieh und Drückmusik“ im Rheinischen Landesmuseum, als mir der sympathische Sprecher der Gruppe auffiel, mit seinem schönen friesischen Akzent. Wann war das? Muss bald nach meiner Festanstellung im WDR (1976) gewesen sein. Ein „Flensburg Journal“ hat das merkwürdige Original-Genie 2014 zu würdigen gewusst:

Rainer Prüß – Was noch?

ZITAT (privat)

soso, Du warst also auf Spurensuche und bist im Flensburg Journal fündig geworden… ja, das ist wirklich nett geschrieben und faktisch fast korrekt, nur dass ich, weil ich englisch Skinny Minny singen konnte, bei Paul A. Grimmke anfangen durfte, der selber stattdessen eine gute Ronny-Stimme hatte…
und die Zupf- Streich- Zieh- und Drückmusik muss zwischen 76 und 78 gewesen sein. Den Ort Rheinisches Landesmuseum hätt‘ ich gar nicht mehr gewusst, aber ich weiß, dass wir beeindruckt waren, dass Du unser einfaches Zeugs sogar für den „Rundfunk“ haben wolltest. Das hat uns in unserem musikalischen Tun sehr bestätigt! Dafür kommt hier noch mal ein verspätetes Danke! Manche Einflüsse werden einem ja erst später bewusst.
R.P.
Und das Neueste:
Prüss facelook Screenshot 2017-02-03

Sprechen (Schreiben) über MUSIK II

Eine Radiosendung (SWR2) vom 4.1.2017 (Fortsetzung von HIER)

(Nicht autorisierte Abschrift JR Ende Januar, noch nicht fertig korrigiert)

SWR2 Konzerteinführungen Screenshot 2017-02-01 06.54.18 Screenshot – Nicht hier links anklicken, sondern nach Lektüre des ganzen Textes: HIER! Auch zum Vergleich: Was bringt das stumme Lesen, was der mündliche, persönliche  Vortrag? (= Nutzanwendung der Diskussion auf das „Konzert der Sprechstimmen“ selbst im Radio)

24:35 (Nusser) Jetzt ist der Moment gekommen, Herr Szymanski, wo wir mal hinschauen, wie Sie das machen! Ich hab ja schon gesagt, Sie haben früher mal bei einer Werbeagentur gearbeitet und… kann ja sein, dass sowas hilft, (absolut!) Sie sind ja auch ein Meister der Verknappung, also ich will mal etwas zitieren, also etwa haben Sie über Tschaikowskys Sinfonien geschrieben:

Eine Sinfonie war im 19. Jahrhundert so etwas wie ein Mercedes, sehr groß, sehr perfekt und sehr aus Deutschland. Nun wollte jede aufstrebende Nation dem etwas entgegensetzen. Mal eigene Flotten-, mal eigene Auto-, und zuvor eigene Sinfonie-Industrien. Und so sind die frühen Sinfonien Tschaikowskys auch nationale Triumphgesänge.

Herr Uhde, wie finden Sie das? Darf man das?

25:22 (Uhd) Ja klar darf man das. Um Gottes willen, ich glaube, es ist alles gut, was die Phantasie beflügelt. Also jenseits der 1:1 Beschreibung dessen, was da ist. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wenn man sich anschaut, wie stark unterschiedlich Werke rezipiert werden, die im Laufe ihrer Geschichte zu einem Titel gekommen sind, und den vielen namenlosen, die es natürlich auch gibt. Also: Schubert, fällt einem natürlich sofort „Der Tod und das Mädchen“ ein, es gibt aber noch ganz viele andere, über die redet aber keiner. Und ich glaube, das ist kein Zufall, die Mozart-Sinfonien, die nicht von Mozart selber, sondern im späteren verlauf zu irgendwelchen Titeln gekommen sind, die scheinen irgendwas zu implizieren, die regen die Phantasie an, ich glaube, deswegen hat man das Gefühl, dass sie irgendwie leichter zu rezipieren sind, obwohl es natürlich lange und komplexe Werke sind. Es passiert ja nichts anderes als dass im Hörer seine Phantasie in Gang gesetzt wird, über was nun dieses Stück gehen könnte. Und insofern finde ich solche sehr lebenspraktischen Beispiele total großartig, weil man nur, wenn man einen Bezug zu seinem eigenen Leben findet, leichteren Zugang dazu findet. Weil das Hauptproblem, der Haupthinderungsgrund für die meisten Menschen, wenn man sie fragt, warum sie eigentlich nicht in klassische Konzerte gehen, ist der Satz: das hat nichts mit mir zu tun. Insofern ist das ein großartiger Zugang.

26:37 (Szym) Also, ich hab in der Tat sehr viel davon profitiert, dass ich mal in einer Werbeagentur gearbeitet habe, weil ich lerne in einer Werbeagentur zielgruppenspezifisch zu denken. Und das kann man jetzt ganz einfach sagen, in der klassischen Musik kann man einfach sagen, meine Zielgruppe sind Leute, die sich für klassische Musik interessieren, blabla. Das stimmt aber so nicht. Wir schreiben alle für Zielgruppen, wir wissen aber häufig nicht, wer unsere Zielgruppen sind. Das heißt, es kann sein, dass jemand einen Text schreibt über klassische Musik, für ein Abendprogramm, und seine Zielgruppe, die sitzt ihm auf der Schulter, hinter ihm. Und das ist nämlich sein ehemaliger Musikprofessor.

27:12 (Tew & alle) Ich stimme total zu!! Ich stimme total zu!! (Szy) … der immer noch da sitzt und man schreibt und schreibt und da weiß man: Oh Gott, mein Professor XYZ würde sagen „so darfst du nicht schreiben!“ (Uhd) mit erhobenem Zeigefinger (Szy) mit erhobenem Zeigefinger! Also das ist der Musikprofessor! Das sind vielleicht die Kollegen, die auch drüberkucken, „was??? du würdest das so nennen? Auf keinen Fall!“ Das heißt, es ist in den allerseltensten Fällen das Publikum. Und wer ist jetzt das Publikum? Ist das Publikum weiblich? Ist das Publikum männlich? Ist es eine Frau, die ungefähr 60 Jahre alt ist? Oder schreibe ich für einen Studenten, der 20 ist, – das ist ein großer Unterschied, wie ich sozusagen mein Zielpublikum wähle, und das muss man sich wirklich sehr bewusst machen, und dann muss man sich aus dem Fenster lehnen.

Gold für das Baden-Badener Festspielhaus-Magazin

28:00 (Tew) Also, Herr Szymanski, ich bin total begeistert! Das stimmt ja total! Wissen Sie, ich hatte einmal eine ganz schlimme Diskussion mit Studenten, denen ich also beibringen sollte, über Musik zu schreiben, und wissen Sie, von ihren (deren! JR )Texten vermute ich, dass sie nicht an ihre Altersgenossen denken, während sie schreiben, sondern sie denken an irgendeine Person, die 30 Jahre älter ist und sie mal ausgebildet hat. Irgendeine Autoritätsperson da draußen. Die Studenten waren so widerspenstig, das zu hören, die haben mich furchtbar an die Wand gequatscht, weil sie gesagt haben: „nein, das stimmt nicht, das würde ich auch meiner Freundin zeigen“ und ich hab gesagt: „nein, diesen Text würde eine ganz natürliche, lebendige Person in dem Alter nicht gerne lesen!“ Heute ist es so, da stimme ich Ihnen auch zu, Herr Szymanski, dass die Leute z.B., die Autoren und Autorinnen der Texte, ganz viel an Kollegen denken: Was Ihr Kollege X denken, wenn er oder sie meinen Text liest, mache ich das hier alles richtig, und das ist dann ein solcher Spagat, denn es soll ja zusätzlich auch noch ein großes Publikum mitlaufen als Leserschaft, das ist wirklich sehr schwierig, und ich bin ganz angetan davon, dass Sie sagen, man muss wirklich sich sehr stark prüfen, für wen schreibe ich eigentlich, wen habe ich wirklich im Sinn, würde ich dies auch an meine Mutter richten, oder an meinen Cousin oder an meinen Nachbarn von 85 Jahren oder an meine kleine Nachbarin von 7 Jahren, also das ist ganz ganz wichtig!

29:08 (Szy) Und da gibt es dann noch diesen netten Sprachbilder, dann sagt man irgendwie, ja, dieses Stück spielt im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne, oder sowas, und solche Begriffe wie Spannungsfeld zwischen X und Y, so reden Sie mit Ihren Freunden eben nicht, und das besondere ist wenn ich sage, dieses Stück spielt im Spannungsfeld zwischen X und Y, kann jeder sagen, ja, irgendwie schon, irgendwie auch nicht (Tew) ist immer richtig! (Szy) genau, es ist immer richtig, und eigentlich geht es darum, dass man irgendwas sagt, wo der andere sagt: nee, überhaupt nie im Leben, oder: auf jeden Fall so, oder : was? Darüber muss ich nachdenken! Also ich glaube, es ist ganz wichtig, wenn man über Kunst schreibt, dass man meinungsfreudig schreibt, dass man wirklich auch etwas zu sagen hat und sagt: Ich stehe dafür ein, dass das so ist, auch wenn mein ehemaliger Professor mich dafür köpfen würde.

29:56 (Tew) Herr Szymanski, vielleicht ist es ja leichter, Konzerteinführungen zu halten, was Sie ja vor allem auch tun, da sitzt Ihr Professor möglicherweise gar nicht drin… (Szy) oder auch manchmal schon! Durchaus. Ja, das machen wir schon, dazu möchte ich noch etwas sagen, also wenn ich Einführungen mach, ich spreche auch selten oder auch nie davon, wann ein Stück komponiert wurde, sondern es geht immer: wie hört man dieses Stück? ganz konkret, wir arbeiten dann auch mit Musikbeispielen, und eigentlich geht es darum, was mir wichtig ist – das ist so, um auch ein bisschen auf Inhaltliches zu kommen, es geht darum, dass die Leute auch heute inzwischen gewohnt sind, Komponisten zu bewundern, aber sich nicht über Komponisten zu wundern. Das heißt also, wenn die Leute hingehen und es wird ein Bach-Stück oder ein Beethoven-Stück erklärt oder auch beschrieben, dann beweisen wir immer zum tausendsten Mal, warum dieses Bach- oder Beethoven-Stück so genial ist. So, und wir hinterfragen dieses Stück nicht, sagen, ach, vielleicht hat sich ja Beethoven verschrieben, was hat es denn für Schwächen, und es muss ja nicht Schwächen haben, da beneide ich immer die Leute, die aus der Literatur oder der Malerei…  ich hab jetzt was von Goethe gelesen, das war so ein Theaterstück, das war die Iphigenie, glaube ich, genau, und die wurde irgendwo aufgeführt, und dann habe ich in der Zeitung gelesen, mein Gott, das ist ein furchtbares Stück, das kann man überhaupt nicht mehr auf die Bühne bringen. Wann würde man bei uns sagen, mein Gott, die Neunte von Beethoven, die ist furchtbar, die kann man eigentlich gar nicht mehr spielen. Das wird bei uns nicht gemacht, also wir machen eigentlich immer Beweihräucherung, wir machen sozusagen… und das Spannende ist, an Punkte zu gucken … das Violinkonzert von Beethoven, das kennt ja jeder, also nicht so anzufangen, also schaut mal, das ist darum genial, sondern fragt, Moment, wir haben ein Problem, wir haben einen ersten Satz, und in diesem ersten Satz spielt die Geige nie irgendeine Melodie, sie begleitet immer nur das Orchester, sie spielt eigentlich immer nur Läufe, nur Etüden, und alles Wichtige spielt nur das Orchester, das ist eigentlich ein Konzert gegen die Geige. Warum eigentlich? Und das ist ganz spannend, weil Sie dann eigentlich sagen, da hat Beethoven einen Fehler gemacht, hat er tatsächlich gegen die Geige komponiert? Hatten die Leute in Beethovens Zeit recht, wenn die gesagt haben, das ist eigentlich ein schlechtes Stück, das wollen wir gar nicht hören, und es geht dann fast gar nicht mehr darum, ne Antwort zu geben, sondern dass die Leute nochmal anfangen sich über Beethoven zu wundern und überhaupt zuhören: stimmt, die Geige spielt ja eigentlich nie mit dem Orchester, sie begleitet immer nur das Orchester, sie spielt immer Läufe, es gibt ungefähr zwei, drei Takte, wo sie mal ne Melodie spielt, aber eigentlich nicht.Und… ich glaube, man muss einfach an solche Punkte gehen, an die Punkte gehen, wo auch diese alte Musik uns weh tut, und diese alte Musik uns Fragen stellt, ja, wo man sich wundern muss, das ist glaube ich wichtig.

32:40 (Tew) Na, ich glaube, das hängt mit der Repertoire-Bildung zusammen, diesem ganz großen Hang, sich dem Kanon zur Verfügung zu stellen, natürlich sind viele Werke, – also ich nenn jetzt keine Namen -, natürlich sind manche Werke schlecht gemacht, langweilig, zu lang, schief konstruiert usw., das ist einfach so, es kann ja nicht alles da draußen nur aus Gold und Platin bestehen, das ist ganz klar. Aber man muss dann das Konzerterlebnis anders begreifen, als eine Dokumentation von Musikgeschichte, eher als ein Vorzeigen der Perlen der Musikgeschichte, das ist ein ganz großer Gedankenwechsel zwischen diesen beiden Sachen, und dann könnte man natürlich auch im Programmheft schreiben: das ist sehr problematisch an diesem Werk, wir zeigen es Ihnen aber trotzdem undsoweiter.

33:17 (Nus) Herr Uhde, wie stehen Sie denn zu solchen Konzerteinführungen, wenn die die Werke auch durchaus mal in Frage stellen? (Uhd) Also, ich wär bestimmt begeistert, von den Einführungen in Baden-Baden da, das kann ich mit Sicherheit sagen, ich muss mal vorbeikommen, ich hab doch überhaupt nichts dagegen, ich finde alles großartig, was den Zugang erleichtert, aber – ich würde gern in einem Punkt einstimmen, es geht eigentlich darum – egal, wie man das macht, und es muss eben nicht unbedingt eine Einführung sein, es geht um den Punkt des Wunderns (Szy: ja!), der Verwunderung, in dem Moment hat man die volle Aufmerksamkeit. Ob man das tatsächlich mit einem Text, so gut der auch geschrieben sein möchte, schaffen kann, wage ich zu bezweifeln, also, ich versuche da auch mit ganz vielen andern Elementen zu arbeiten, also ne Irritation kann auch diese Art von Aufmerksamkeit produzieren, also alles, was den Besucher für den Moment aus seiner Routine herausreißt, reicht eigentlich aus, um plötzlich eine Offenheit zu haben und wirklich Überraschungen nachvollziehen zu können und dann auch wirklich über ein oder zwei Stunden dabeizusein. Das ist eigentlich das Ziel, und wenn man das mit einer so tollen Einführung schafft: großartig!

34:26 (Nus) Ja, wie schaffen Sie das im Radialsystem Berlin, wie irritieren Sie das Publikum?

(Uhd) Na, indem z.B. Dinge passieren, mit denen man nicht rechnet. Also ich arbeite z.B. ganz viel mit einem irgendwie gestalteten Einlass, dass eben nicht einfach das Saallicht an ist und die Leute nehmen langsam ihre Plätze ein, und man spricht eben mit den Bekannten, mit denen man zusammen gekommen ist, sondern dass man fast das Gefühl hat, es ist schon irgendwie losgegangen, man weiß aber nicht so genau, gehört das jetzt irgendwie dazu oder stimmt da noch jemand oder spielt sich da noch jemand ein oder solche Dinge. Oder es kann n ganz andern Anfang nehmen, dass der Chor auf die Bühne auftritt, und es fängt dann aber jemand an, im Rücken des Publikums die Musik zu machen. Das ist n wahnsinnig einfacher Effekt, funktioniert seit der Steinzeit, wir sind einfach immer noch so konstruiert, dass wenn jemand von hinten kommt, in unserm Rücken eine Tür klappt, drehn wir uns um, weil in der Steinzeit hätte das vielleicht den Unterschied zwischen Leben und Tod ausgemacht, wenn man sich nicht umgedreht hätte und der Tiger im Rücken ist. Und es funktioniert immer noch, und plötzlich sind alle Menschen ganz alert, ich benutz das auch bei Vorträgen, das ist eben auch der Vorteil bei der Einführung im Gegensatz zum Programmheft/Text. Wenn man sein Publikum vor sich hat, spürt man ja sehr genau, ob sie einem folgen oder ob jemand anfängt, auf dem Stuhl rumzurutschen. Und wenn der Saal ganz still ist, kann man so gut wie alles erzählen, weil einem das Publikum wirklich total folgt. Und im Konzert selber ist das natürlich genauso, da muss man alles dafür tun, dass es erst gar nicht zum Rascheln und Geruckel kommt, indem man sich ganz unterschiedlicher dramaturgischer Kniffe bedient, indem man mit Kontexten arbeitet, mit Lichtgestaltung, da gibt es unendlich viele Möglichkeiten, um letztendlich, und das muss das Ziel sein, eigentlich die Wirkung der Musik so maximal wie möglich zu entfalten.

36:10 (Tew) Man hört ja nicht Musik in einem luftleeren Raum, und das wiederum führt mich auch dazu, nochmal darauf hinzuweisen, dass es einfach so bestimmte Gattungsgeschichte gibt so von Sprechen oder Schreiben über Musik, und die hat so bestimmte Hierarchien, bringt die mit sich, zum Beispiel die Hierarchie: es ist besser über die Struktur des Werkes zu schreiben als über den Klangeindruck, oder es ist besser über den Aufbau zu schreiben als über die Personen, die das sozusagen ins Leben bringen, und das hat Traditionen: wir gehen zu Adornos ganz oft natürlich herbeizitierter Hörertypologie, die die ganz große Wirkung entfaltet hat, dass derjenige Hörer der beste ist, der die Struktur hört, derjenige Hörer, der kommt, weil er bestimmte Personen und ihre Art zu interpretieren genießt, weil er sozusagen die Werkzahlen kennt, das ist ein nicht so guter Hörer, und das hat dazu geführt, dass es auch heute noch z.B. tabuisiert sein kann, in bestimmten Redaktionen, wenn man starke Metaphern benutzt, z.B. Essen benützt als Metapher oder das Wetter, das sind so ganz klassische Metaphern in der Musikbeschreibung, und ich finde das eigentlich sehr schön, wenn Sie über Autos, wenn Sie über die S-Klasse schreiben, das ist für so viele Menschen so einleuchtend, und für die Leute, die sich aber auf formale Strukturen in der Musik konzentrieren, die würden sagen: mein Gott, der lenkt aber jetzt die Rezeptionshaltung, das ist aber nicht so gut. Es ist etwas daran, was ich gern amerikanisch nenne, und das auf eine wunderschöne Weise der in New York sitzt, Alex Ross, der über Musik schreibt für den New Yorker, und der schreibt dann über Vivaldi in den Coffeeshops, und der fängt dann an von dort aus über Vivaldi zu sprechen, wie Vivaldi schon in seiner Lebenszeit zu Popularität gelangt ist, und in unserer erst recht, weil es eine bestimmte Vereinbarkeit ist mit den täglichen Erlebnissen, dem Wunsch des Ohrs, nach etwas Reiz, aber nicht zuviel Reiz usw. usf. Und es ist ganz klar übrigens an der Textur dieser Stücke (Szy: ja!) festzumachen, und es ist aber auch ganz klar sitzt das in der Realität des Alltagshörens.

Adorno Musiksoziologie Adorno Bildungskonsumenten

38:05 (Szy) Also ich glaube, was ganz wichtig ist, man muss ja sich Gedanken machen über Wahrnehmung. Und was Sie grade über Adorno und sowas beschrieben haben, da geht es um Konzentration, es gibt eine Schule, die sagt, du gehst ins Konzert, um dich zu konzentrieren auf dieses Werk, und wehe, du fängst dann plötzlich an, über Schäfchen zu denken, oder bei ich weiß nicht über untergehende Sonnen, denn das erste ist die Konzentration. Das Interessante ist aber, wenn man sich die Musikgeschichte ankuckt, die wenigste Musik will eigentlich, dass man ihr konzentriert zuhört. Also: wenn ich an Haydn denke, da schon, wenn man bei einem Haydn – es wird jetzt ein bisschen fachlich – aber wenn ich bei einem Haydn nicht wahrnehme, wann die Reprise beginnt, weil er sie so ein bisschen versteckt, was er absichtlich macht, dann habe ich den Witz des Stückes nicht verstanden. Das heißt, dann muss ich mich konzentrieren, ich muss auch wissen, worauf ich mich konzentriere, nämlich auf ne Form, und dann muss ich mich sozusagen darüber amüsieren, wenn er mit der Form spielt. Es gibt aber ganz andere Stücke, es gibt diese ganze Überwältigungsmusik oder Überwältigungsästhetik, es gibt ne Form von Musik, die will mich erschlagen, die will, dass ich mich hinsetze und uahhhu! Die will mich in einen Rausch bringen, die will mich in eine Hypnose versetzen, Vivaldi ist ein schönes Beispiel, also wir haben eine barocke Überwältigungsästhetik, die damit arbeitet, dass wir Motive haben, die sich ständig wiederholen, und dadurch komme ich in einer Art Rausch, komme ich in eine Hypnose, und dann kann ich mich auf gar nichts konzentrieren, aber ich kann mich wunderbar entspannen, und das ist auch durchaus legitim,. Also dieses ganze Thema der Wahrnehmung der klassischen Musik ist ja auch ein weites Feld.

39:37 (Nus:) Herr Uhde, wie oder mit welchen Erfahrungen soll ein Hörer, eine Hörerin aus ihrem Konzert herauskommen?

(Uhd) Das soll ein möglichst starkes Erlebnis sein, also, für mich waren immer die Konzerte die schlimmsten, wo die Leute hinterher gesagt haben: ja, war ganz schön, ja, Solist, ja, ja, ja, war ganz schön. Hat man eigentlich am nächsten Tag vergessen. Was ich mir wünsche, ist eigentlich genau dies Anknüpfung an das alltägliche Leben eigentlich, weil das ist die Voraussetzung dafür, dass genau dieses Argument, das hat nichts mit mir zu tun, das ausgehebelt wird und dazu führt, dass Besucher nach Hause gehen und sagen: Mensch, das hatte sehr wohl was mit mir zu tun. Also ich wünsch mir da so was wie Resonanzmomente, dass etwas ins Schwingen gerät, ich hab da gerade in Feldkirch ein Projekt gemacht, das hat viele Menschen sehr bewegt, wir haben uns mit dem Messias auseinandergesetzt, wo ich mich lange geweigert habe, das zu tun, weil, das ist einfach – wie sagt man? – so ein Schinken, wahnsinnig langes Stücke, komplex, ich habe das selber unendlich oft gespielt, an der Geige, ich habs gesungen früher als Kind, und wir haben sehr lange nachgedacht, wo bei diesem sehr langen, durchaus auch textlich komplexen Stück Ansatzpunkte sind, um genau das zu erreichen, und am Ende haben wir einen Trick gemacht, wir haben eine Video-Ebene eingeführt, wir haben so eine Art Außenreporterschalte gemacht, tatsächlich mit einem Fernsehjournalisten, einem sehr bekannten, und wir haben den während des Stückes, – das haben wir natürlich vorproduziert, das war nicht wirklich live -, durch die Stadt geschickt und haben zum Beispiel vor dieser berühmten Arie „He was despised, rejected“ diese Arie, wo’s ums Ausgestoßensein geht, die Erkenntnis, dass der, auf den alle gewartet haben, der Messias ist, das ist der, der in der Ecke sitzt und mit dem keiner was zu tun haben will, der völlig ausgeschlossen ist von der Gesellschaft, wir haben davor ein Interview gezeigt von einer Schulpsychologin, die wir über Mobbing befragt haben, also: wie funktioniert eigentlich Mobbing? Wie funktioniert Ausgrenzung? Wir haben an das Publikum Fragen verteilt, wir haben zwei Pausen gemacht und in den Pausen diese Fragen ausgewertet und haben die gefragt z.B.: waren Sie schon mal Opfer von Mobbing oder Ausgrenzung? Oder waren Sie schon mal an Mobbing oder Ausgrenzung beteiligt? Haben Sie Angst vorm Tod? Wenn Sie morgen sterben müssten, wären Sie mit Ihrem bisherigen Leben zufrieden? Und wir haben an späterer Stelle dann ein Interview gehabt mit dem Chefarzt der Palliativ-Medizin, und wir haben ihn gefragt über den Prozess der letzten Tage und Stunden, was bleibt den Menschen wichtig? Welche Rolle spielen religiöse oder spirituelle Erwartungen? Was ist das Bedürfnis von dem, was denn eigentlich bleiben soll, im Sinne von Vermächtnis, und das waren sehr sehr bewegende Momente. Und nach dem Konzert kam dieser Palliativ-Mediziner, der mir sagte, er hat noch nie in seinem Leben son langes Stück Barockmusik gehört, weil er das eigentlich schrecklich finde, und er gar nichts damit anfangen konnte, und er hat zum ersten Mal verstanden und er hätte jede Sekunde genossen, ein großartiges Erlebnis. Solche Erlebnisse wünsche ich mir natürlich, dass man diese Welt der Kunstmusik eigentlich in den Alltag hineinholt und es damit auch wieder in gewisser Weise relevant macht.

42:36 (Szy) Ich finde es ganz toll, Herr Uhde, was Sie gerade erzählt haben, das ist ganz spannend. Ich hab irgendwann mal gelesen: den Unterschied zwischen Realien und Existentialien, und dieser Unterschied war der, dass man bei Realien gesagt hat, Realien ist das, was man alles messen und wiegen kann, das ist sozusagen die Welt der Fakten, die Welt der Dinge, die sich verändert, wir haben heute ein Handy, und vor 100 Jahren gabs halt noch kein Handy, das sind die Realien. Und Existentialien, das ist eigentlich, was sich viel weniger ändert, die Liebe, das ist der Tod, das ist die Angst, das ist das Vereinsamen, das ist alles, was Sie gerade erzählt haben, und wenn man sich mit dieser Musik beschäftigt, oder mit Kunst beschäftigt, dann hat man erstmal diese Schicht der Realien, und die steht erstmal vor einem, da sind diese merkwürdigen Akkorde, die haben ja ne Bedeutung und so, ja, aber dahinter ist die Frage, wie lebe ich eigentlich ein richtiges Leben, was ist die Liebe, was ist der Tod, und eigentlich geht es wie ich glaube in der Kunst vor allem um so etwas. Und ich finde, dass ein Sprechen über die Kunst immer ein Sprechen über das Leben sein sollte. Also prinzipiell das, was Sie da auch machen.

43:41 (Nus) Ich bedanke mich sehr herzlich, das war das SWR2-Forum, „Der Traum vom wissenden Publikum. – Wer braucht Konzerteinführungen und Programmhefte?“ Es diskutierten der Musikwissenschaftler Dariusz Szymanski – Redakteur und Dozent, Festspielhaus Baden-Baden, Dr. Christiane Tewinkel – Musikkritikerin, Musikwissenschaftlerin, Universität der Künste, Berlin, Folkert Uhde – Konzertgestalter, Radialsystem Berlin, Festivalleiter in Köthen, Nürnberg und Feldkirch, Gesprächsleitung: Ursula Nusser.

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Zu Folkert Uhde s.a. in diesem Blog hier („Der ideale Jesus“) und hier („Konzert, Performance, Ritual“).

Sprechen (Schreiben) über MUSIK I

Eine Radiosendung (SWR2) vom 4.1.2017

(Nicht autorisierte Abschrift JR Ende Januar, noch nicht fertig korrigiert)

SWR2 Konzerteinführungen Screenshot 2017-02-01 06.54.18 Screenshot – Nicht hier links anklicken, sondern nach Lektüre des Textes unten: HIER! Auch zum Vergleich: Was bringt das stumme Lesen, und was der mündliche, persönliche  Vortrag?

Es diskutieren:
1 Dariusz Szymanski – Redakteur und Dozent, Festspielhaus Baden-Baden, 2 Dr. Christiane Tewinkel – Musikkritikerin, Musikwissenschaftlerin, Universität der Künste, Berlin, 3 Folkert Uhde – Konzertgestalter, Radialsystem Berlin, Festivalleiter in Köthen, Nürnberg und Feldkirch
4 Gesprächsleitung: Ursula Nusser

Der Traum vom wissenden Publikum. Wer braucht Konzerteinführungen und Programmhefte?

Am Mikr.: Ursula Nusser.

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit, hat Karl Valentin einmal gesagt, und wer vom Konzert etwas haben will, sollte nicht einfach so hineinspazieren. Was man wissen soll, hat ein Musikwissenschaftler einmal im Programmheft geschrieben, und immer öfter führt er auch leibhaftig in einem Seitenfoyer in das Programm des Abends ein. Das Ganze scheint zu funktionieren. Die Programmhefte werden wie eh und je, und die Konzerteinführungen sind erstaunlich gut besucht. Musik für alle steht als Motto über diesen Aktivitäten, aber wer wird davon tatsächlich erreicht? Kann man über eine Haydn-Sinfonie oder über Bachs Matthäuspassion wirklich so sprechen und schreiben, dass auch Leute mit wenig Hörerfahrung etwas davon haben? Und braucht man wirklich Vorkenntnisse, um sich in einem Konzert nicht zu langweilen? Darüber diskutieren wir in diesem SWR2-Forum. Meine Gäste (siehe oben)…

Christiane Tewinkel hat jetzt ein Buch geschrieben mit dem Titel: Muss ich das Programmheft lesen? Verraten Sie mir doch gleich einmal: Muss ich das Programmheft lesen?

2:04 (Tewinkel) … wenn einem das Werk rätselhaft erscheint… wenn man besonders begeistert ist, liest man auch besonders gern das Programmheft…

2:28 (Uhde) im Radialsystem gibt es keine Programmhefte… warum verzichten Sie darauf? Weil wir keine öffentlichen Subventionen bekommen zum Beispiel.Wir haben leider keine dramaturgische Abteilung, die uns mit diesen Informationen versorgen würde und auch keine Hausdruckerei, die uns dann ein schönes Programmheft druckt. Aber darüberhinaus bin ich persönlich der Überzeugung, dass Musik schon auch für sich selber sprechen kann, und wenn man weitere Informationen haben möchte, kann man auch schnell zu seinem Smartphone greifen und sich die selber recherchieren. Bei den Festivals arbeite ich ganz anders, dort in den Programmbüchern, die wir da machen, ganz andere Zugänge zu finden, die sehr viel persönlicher sind, zum Beispiel im Gespräch mit einem Interpreten. Weil ich finde eigentlich, die Verbindung mit der Persönlichkeit eines Interpreten und seines ganz persönlichen Ansatzes oder Zugriffs auf dieses Werk interessanter als eine rein musikologische Einführung, die interessant sein kann, aber wahrscheinlich nur für einen ganz kleinen Teil des Publikums. So viele Leute lesen das gar nicht, was ich auch bei mir selber schon festgestellt habe, dass ich nach der vierten oder fünften Zeile ins Stocken gerate und denke, hm, so richtig weit bringt mich das nicht, weil der Kollege, der das geschrieben hat, schon zuviel voraussetzt, also selbst für mich zuviel voraussetzt.

3:50 Herr Szymanski, Ihre Konzerteinführungen im Festspielhaus B.B. sind Kult, Sie schreiben aber auch Texte für Programmhefte. Halten Sie das Programmheft auch für überschätzt?

4:05 (Sz:) Nein, ich glaube, es gibt verschiedene Gründe, warum das Programmheft ein gutes Medium ist, und es sind nicht immer nur vernunftmäßige Gründe, es ist z.B. zunächst ein Grund des Rituals: ich geh in ein Konzert und muss mich konzentrieren, muss mich ein bisschen sammeln, und da ist und mich irgendwo in eine Ecke zu stellen und ein bisschen zu lesen. Eine Möglichkeit sich zu sammeln, in sich zu gehen, das ist ja erstmal nicht schlecht.

4:29 (Tewinkel) Die Frage des Ortes und des Zeitfensters, in dem das Programmheft gelesen wird, ist eine ganz wichtige. Meistens wübnschen sich die Veranstalter, dass das tatsächlich vor dem Hören der Musik geschieht. Und so ist es historisch auch entstanden, zur Vorbereitung auf Konzerte. Wenn wir aber an den konkreten Konzertabend denken, ist es oft ein Din der Unmöglichkeit, die Leute kommen an, sie geben den Mantel ab, ich sag jetzt ganz pragmatische Dinge, sie begrüßen Freunde, mit denen sie sich verabredet haben, sie trinken noch etwas, sie gehen dann in den Saal, und man kommt ja selten in einen Konzertsaal und dort ist es wie in einem Lesesaal in der Staatsbibliothek, die Leute unterhalten sich stattdessen, sie kucken ein bisschen, wer ist noch da, wie ist die Bühne aufgebaut usw., und ich vermute, dass nur ganz wenige Leute diesen Zeitrahmen wählen, um sich dem Programmheft zuzuwenden. Und wenn sie’s tun, sind die Programmhefttexte meistens zu komplex und auch zu lang, um noch ganz in Ruhe durchgelesen zu werden, und das bedeutet, ich verlagere das entweder in die Pause, die Pause hat aber auch wieder andere soziale Funktionen, oder ich verlagere es auf die Zeit nach dem Konzertabend. Manche Leute nehmen tatsächlich das Heft auch mit nach Hause, aber wieder wäre zu fragen, wie Herr Uhde es angesprochen hat: Lesen sie dort das Heft tatsächlich?

5:40 (Nusser) Es gibt ja auch die Menschen, die das Programmheft dann während des Konzerts lesen, und da denke ich mir manchmal, es wäre gut, Programmhefte zu verbieten. Weil das Rascheln kann einen enorm nerven…

5:52 (Uhde) Das berühmte Rascheln, da kann man sich natürlich drüber ärgern, aber es gibt dann ganz tolle Gegenmaßnahmen, die aber viel zu wenig, dann bei uns im Radialsystem ergriffen werden, bei uns im Radialsystem ist es z.B. so, selbst wenn es ein Programmheft gäbe, in der Regel das Publikum überhaupt nicht die Chance hätte, dieses zu lesen, weil wir das Licht im Saal ausmachen und die Bühne sehr präzise beleuchten. Also gibt es eine Wechselwirkung zwischen einigermaßen interessant oder weniger interessant gespielter Musik, der Aufmerksamkeit des Publikums, wo aber noch solche Faktoren mit hineinspielen, wie ist eigentlich der Raum beleuchtet, wie leite ich die Konzentration des Publikums…

6:24 (Tewinkel) Eine andere Sache ist die: wird das gemocht, wenn gelesen wird während des Konzertes? die Konzertveranstalter selbst, das hat mir einer wörtlich gesagt, sehen es nicht gerne, weil es als ein Zeichen gesehn wird, dass die Musik selbst nicht besonders spannend gefunden wird.

6:38 (Nusser) Also, Herr Szymanski, man liest im Programmheft, wenn man sich langweilt.

(Szymanski) Na ja, ich überlege grade, bei uns speziell im Festspielhaus ist es so: wir haben Kurztexte, die man in einer Minute vorher lesen kann, dann hat man das Wichtigste, ich hab mal über einen Liederabend geschrieben, es war tatsächlich „Die schöne Müllerin“, diesen Liederzyklus, und ich hab das so gemacht, dass ich keinen großen Text über diese Schöne Müllerin geschrieben hab, sondern zwei, drei Sätze, so dass ich mir gedacht hab, o.k., so kann der Mensch vielleicht in 30 Sekunden mal diese zwei Sätze durchlesen und ist vorbereitet für das nächste Lied.

7:15 (Tewinkel) Das ist eine Entwicklung der letzten Jahre, und die führt eigentlich auf wunderbarerweise zurück auf die Anfänge des Programmheftes, die Anfänge bestanden nämlich tatsächlich in solchen kurzen Texten, die dann untermischt waren mit Notenbeispielen, d.h. Man konnte den Text anschauen und dem Werk folgen, indem man sich durch die Seiten arbeitet. Und das Problem heute bei den Erläuterungstexten ist leider auch, dass sie oft dem Aufbau des Werkes nicht folgen. Manche Texte beginnen mit dem Finale, oder manche Texte beginnen mit einem Rundumblick, der verschiedene Themen verfolgt, durch das Werk hindurch, und dann kann man gar nicht gut an den Sätzen entlanghören mit Hilfe des Textes.

7:48 (Nusser) Herr Uhde, seit wann gibt’s denn überhaupt Programmhefte?

Ich denke, dass es mit dem beginnenden 19. Jahrhundert angefangen hat, also 1830er Jahre wurde das immer stärker, parallel zur Erfindung des Reiseführers, der berühmte Bädeker, der auch durch die Landschaft führt, indem er sagt, ich gehe ein Stück auf den Hügel und wende mich nach links und sehe eine Kirche aus dem 11. Jahrhundert, so ähnlich waren diese frühen Programmhefte oder Programmbücher gestaltet, wirklich als Führer durch die musikalische Landschaft, also 1 : 1 in Analogie zu der Abfolge der Musik.

8:19 (Szymanski) Also ich glaube, wenn man das historisch betrachtet, war es meines Erachtens vorzüglich Hector Berlioz, der diesen Begriff des Programms ja auch eingeführt hat, wie er eine Sinfonie geschrieben hat: sie ist nicht selbsterklärend, sondern er hat ein Programm, eine Geschichte in dieser Sinfonie erzählt, und er war glaube ich der Allererste, soweit ich weiß, der tatsächlich ein Programm den Leuten erstmal ausgeteilt hat, in dem er gesagt hat: ohne dies Programm könnt ihr die Sinfonie nicht verfolgen…

(Nusser) also die Symphonie fantastique, (Szymanski) genau, um die handelt es sich, (Tewinkel) dies berühmte rosa Faltblatt, das Hector Berlioz damals ausgegeben hat, 1830 … (Szy) das war rosa? (Tew.) ja, offenbar war es rosa, das überliefern die Quellen, – das ist ein Strang, der das Programmheft ins Leben gerufen hat, und ein anderer Strang ist das tatsächlich Abdrucken von geistlichen Texten bei geistlicher Musik, und natürlich haben wir auch als zusätzliche Spur, dass das Programmheft so eine Art Eintrittskarte war, als Eintrittskarte genutzt wurde, aber später im 19. Jahrhundert, da fängt tatsächlich die Hoch-Zeit dessen an, was wir heute als Programmheft kennen. Das beginnt in England und wird dann von den Berliner Philharmonikern nach Deutschland gebracht. In den 1880er Jahren, da sagte man, nach englischer Sitte möchten wir auch die Programmhefte hier einführen, weil wir uns erhoffen, dass die Leute dann mehr vom Konzert haben.

(Szy) Ja, ich glaub, das hat was damit zu tun, dass diese Musik auch immer komplizierter wird, also ich denke auch gerade – wir wollen hier ja nicht über Opernwerke, an Wagners Musikdramen, wo es plötzlich ganz wichtig wird, dass man im voraus die Leitmotive kennt, und dass man genau weiß, was für Leitmotive das sind, und da haben sich bestimmte Gruppen sogar gebildet, die sich zu Hause getroffen haben, und sich diese Leitmotive erstmal am Klavier vorspielen ließen oder gegenseitig vorgespielt haben, um überhaupt mal Wagners Musikdramen mitzuverfolgen. Dann geht es halt so weiter, dann auch so Sinfonische Dichtungen, wo es auch so Leitmotive gibt, die ja auch erstmal vorgestellt werden, ja, und dann heißt es da, das ist erstmal das Leitmotiv von Pelleas, und das ist von Melisande, wenn ich jetzt an Schönberg denke, usw., das MUSS man vorwissen, also wenn man da das Vorwissen nicht hat, ist man aufgeschmissen, dann setzt man sich hin und langweilt sich gepflegt.

Parsifal Motiv-Tafel

10:23 (Nusser?) Na ja, wenn man die Handlung gut verfolgt, und die Bühne für sich gut spricht, dann kann man schon die Leitmotive für sich aufschlüsseln, aber ich stimme ihnen also zu, natürlich, wer wissend hört, hört noch mehr. Aber ich möchte auch sagen, wenn Sie Wagners Leitmotive ansprechen, da zeigt sich natürlich auch die Abgründigkeit von solchen vorbereitenden Schriften, ja, dass also Leute kommen, und die geben ganz hammerhart inhaltsbezogene Etiketten für diese Leitmotive, und die teilen die aus und die hören die vereinigen sich dann im Wissen um die bestimmten Leitmotive, und wie heißen die und es passiert, dass man winzige Teilchen von den Leitmotiven absplittert und dann kommen da wieder Motive raus, und das verselbständigt sich dann lange nach Wagners Tod, wahrscheinlich nicht von ihm tatsächlich erwünscht, und das führt dann zu einer so festen Gruppenbildung, da kann man fast sagen, dass dann diejenigen, die sich nicht gut auskennen mit den Leitmotiven, oder die nicht sofort aha! schreien, wenn dann ein Leitmotiv mit einem andern sich verbindet, dass die dann sich ausgeschlossen vorkommen. Das ist eigentlich die ganze Sache mit der Vorbildung und dem Vorwissen der Konzertgänger und der Konzertgängerinnen in einem Brennglas abgebildet, diese Sache mit Wagners Leitmotiven.

11:33 (Szy) Aber ich glaube, das ist generell das Problem des Genießens! Wenn ich in ein supergutes Restaurant komme und dort Hummer bestelle, und ich bekomme ein Hummer-Besteck, glauben Sie mir, ich fühle mich da auch ausgeschlossen, ich muss natürlich mit Hummer-Besteck umgehen können, um Hummer bestellen zu können, das Problem bei dieser Musik, oder bei der Musik aus dem späten 19. Jahrhundert ist, dass diese Musik in der Tat erklärungsbedürftig ist, und da ist es natürlich so, dass Leute, die es ein bisschen verstehen, dass die dann mitmachen, und andere Leute fühlen sich ausgeschlossen, man dieses Ausgeschlossensein natürlich dann auch irgendwie forcieren, wenn man am Schluss nach einem Konzert – was ich z.B. ganz furchtbar finde – wenn man so rausgeht und gefragt wird, na, wie fandest du das Konzert? das Konzert fand ich sehr schön, und dann sagt irgendjemand, ja, aber die Geigen waren irgendwie heute total verstimmt, usw., und die Leute, die das nicht hören, sagen hups! und ich fand das grade schön jetzt, – merken die alle, dass ich nicht gut höre. Das Problem hat man immer, in solchen … (alle lachen)

12:32 (Uhde) Ich glaube, die Gretchenfrage ist: Ist denn ein klassisches Konzert für uns ein Bildungsereignis, ein ästhetisches Ereignis? Oder ist es vielleicht mehr ein soziales Ereignis? Und wenn ja, was brauchen wir dazu, um das zu erfüllen? Und die Konzertsituation, die Frau Tewinkel beschrieben hat, ist ja genau die, wie sie normalerweise abläuft: die Menschen treffen sich mit ihren Freunden, sie gehen da hin, sie quatschen bis zur letzten Minute, weil das ja schön ist, wenn man etwas gemeinsam mit seinen Freunden machen kann, – die haben doch überhaupt keine Zeit, sich damit tiefergehend auseinanderzusetzen, und, um nochmal auf Wagner zurückzukommen, also, wenn man eine Umfrage machen würde, beim Bayreuther Publikum heutzutage, ich wär da nicht so sicher, wer da wieviel über die Leitmotive weiß, natürlich gibt es da viele Fans, aber auch sehr sehr viele Menschen, die da einfach hingehen, weil sie einfach dahingehen … wollen.

13:17 (Nusser) Jetzt kommt noch dazu, Frau Tewinkel, dass es ja schwer ist, über Musik zu schreiben, und wenn man diese Texte liest, dann hat man oft den Eindruck, die Autoren, das sind ja Musikwissenschaftler, die versuchen sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Also, ich sag mal ein Beispiel: Hebriden-Ouvertüre von Mendelssohn Bartholdy, dann wird von Mendelssohns Reise nach Schottland erzählt. Und wenn Le Sacre du Printemps von Strawinsky gespielt wird, dann wird gerne der Skandal bei der Uraufführung 1913 in Paris beschrieben. Aber bei so einem Haydn-Quartett oder so, da wird’s dann schon schwierig, oder?

Tewinkel

13:57 (Tew) ja, das ist ein großes Problem, wie versprachliche ich Musik, wie blumig werde ich, wie technisch werde ich, wie sehr möchte ich für Fachleute schreiben, die das aber vielleicht schon alles wissen, wie sehr möchte ich Laien erreichen, man kann aber natürlich auch nicht die Musik irgendwie verhackstücken zu irgendetwas, – das Programmheft, wie es sich jetzt darstellt, handelt vorbei an dem Konzert als sozialem Handlungsraum. Wenn Herr Uhde gesagt hat, die Leute treffen sich auch im Konzert, dann stimmt das natürlich, manche Leute gehen nur ins Konzert, weil sie sich gern mit jemandem treffen, weil sie bestimmte Aufführende hören wollen, NICHT, weil sie bestimmte Werke hören wollen, und das Programmheft geht meisten vorbei an dieser Art von Wissen über Musik, wenn wir Wissen über Musik begreifen als etwas, was ganz vielschichtig ist. Es ist ja nicht nur das Wissen über die Struktur oder Textur eines musikalischen Werkes, es kann auch ein Aufführungswissen sein, Interpretationswissen, ein Wissen über das, was im Konzert überhaupt stattfindet, zwischen Interpretierenden und dem Publikum, wie verhält es sich mit Zugaben, wann werden überhaupt Zugaben gegeben, wann wird geklatscht, wenn jemand sehr berühmt ist, wann wird geklatscht, weil man Mitleid mit jemand hat, wie überhaupt wird geklatscht, wird bei einer geistlichen Musik geklatscht, wäre es da pietätlos, wenn man klatscht, usw., da sind eigentlich alles Probleme, die zusammenführen, was an Werkverständnis und auch an Rezeptionsverhalten da zusammenwirkt, ja, das ist eine ganz komplizierte Situation, und meistens gehen die Texte im Programmheft an solchen Sachen vorbei, indem sie sich ganz stur mit dem Werk beschäftigen und die Musiker und Musikerinnen begreifen als so eine Art Bildaufhänger, die das Werk einfach irgendwo an der Wand gut aufhängen, sind sie dann nicht. Und das ist schade, das geht eigentlich an einem ganz wichtigen Erleben im Konzert eigentlich vorbei, nämlich dass wir erleben wie andere mit uns von der Bühne aus kommunizieren.

15:36 (Nusser) Herr Szymanski fühlt sich jetzt herausgefordert.

(Szy) Ja, aus meinem grünen … (???) Als erstes, wenn ich mit meinem Kollegen drüber rede, der das Programmheft bei uns koordiniert, wir haben das Problem, oder es ist nicht das Problem, es ist die Erfahrung, dass die Leute vor allem Biographien lesen, also da schreibt man tollste Texte, man denkt sich ein Superbildkonzept aus, (Tew: Ich glaubs sofort!) Bildkonzepte sind auch total wichtig und machen sehr viel Spaß, wir haben das alles, und die Leute setzen sich hin und blättern nach hinten, dort sind die Biographien, und der Witz ist, Muskerbiographien sind wahnsinnig langweilig. (Uhde: Ganz schlimm, ja! Ganz schwieriges Thema!) Weil sie das richtig Interessante überhaupt nicht verraten dürfen. (Tew: Da steht immer, wieviele Preise die schon gewonnen haben!) Dann schreibt man eben die Preise von A bis Z. Dann gibt es aber Musiker, die einfach ziemlich gut darin sind, Preise zu gewinnen, und das sind gar nicht die besten Musiker, naja, und dann schreibt man, oder der Kollege, der die Biographien bei uns macht, der hat meinen größten Respekt und mein vollstes Mitleid, weil es ist wirklich langweilig, Sie müssen dann diese Biographien den Künstlern auch zum Gegenlesen geben, die werden natürlich sagen, nee, die wollen das natürlich ein bisschen anders… Das zweite Problem: Ich bin ein Fan von Werkbeschreibungen. Ich finde dann die Frage, wann ein Stück komponiert wurde oder sowas, ist da Mendelssohn nach Schottland gefahren oder ist er nicht gefahren, hat meines Erachtens, wenn ich ein geniales Streichquartett oder eine geniale Sinfonie, dann brenn ich doch dafür, dieses Stück zu erklären und zuzeigen, warum das Stück so genial ist. Und dann habe ich natürlich das riesengroße Problem, dass ich Trockenschwimmen mache, also dass ich… wenn ich über Malerei schreibe, dann kann ich natürlich ein Bild zeigen, dann kann ich natürlich auch zeigen, auf diesem Bild ist das und das zu sehen, dann kann ich natürlich auch eine Bildanalyse liefern. Aber hier habe ich natürlich das Problem, dass ich versuchen muss, über ein Stück zu schreiben, aber keine Notenbeispiele bringe, weil Notenbeispiele ähnlich wie chemische Formeln total abstoßen, vor allem Leute, die keine Noten kennen, und ich muss natürlich über Beispiele schreiben, die ich nicht bringen kann. Und das ist in der Tat ein großes Problem, aber das ist ein Problem, dafür gibt es bestimmte 1000 Lösungen.

17:35 (Tew?) Ich möchte noch etwas zu den Biographien sagen. Es wäre ja eigentlich die Freiheit der Redaktion, hier auch mal was anders zu machen, also zum Beispiel zu sagen, ich verweigere mich dieser impliziten Vorschrift, dass wir darüber schreiben müssen: wo ist jemand aufgetreten, nennen wir … wir wissen, Säle können auch gemietet werden, und Veranstalter können Dinge manipulieren, es sagt nicht soviel aus, wo jemand aufgetreten ist, es sagt nicht einmal viel aus, mit wem jemand aufgetreten ist, da hat man auch die Freiheit z.B. mit den Künstlern vorab ins Gespräch zu gehen und das z.B. auch in den Erläuterungstext hineinzunehmen, es zwingt einen ja keiner, die Biographien so und so zu schreiben, ich meine auch nicht so sehr die Herkunft, die Ausbildung von den Ausführenden, sondern ich meine eher: wie denken Sie denn über Ihr Werk, was sind denn Ihre schwierigen oder Ihre Lieblingsstellen, aus welchen Gründen haben Sie sich damit auseinandergesetzt, warum haben Sie das überhaupt gewählt, manchmal mögen das sehr banale Gründe sein, aber manchmal sind das auch Dinge, die ganz tief mit der Ausbildung oder der Herkunft verbunden sind, und sowas finde ich eigentlich sehr interessant.

18:35 (Uhd) Zumal die Biographie ja auch einen ganz eigenen Zweck verfolgt, und in der Regel ist es der der Honorarsteigerung, weil die Biographien werden natürlich von den Agenturen herausgegeben, die werden dann immer weiter geschrieben, die bestehen dann oft darauf, dass sie dann gegengelesen werden können, wenn man die abdrucken will. Wir machen das bei unseren Festivals z.B. auch fast gar nicht, wir machen da eher eine Art Glossar von allen Mitwirkenden, die Biographien sind so fünf, sechs Zeilen lang, mit den allerwesentlichsten Sachen, wo kommt jemand her, wie ist er dazu gekommen, und wir haben z.B. bei den Köthener Bachfesttagen etwas gemacht, wir habe im Vorfeld den beteiligten Musiker und Musikerinnen einen Fragebogen geschickt, den konnten sie online ausfüllen, und da haben wir tatsächlich nach persönlichen Bezügen gefragt, wie kam das eigentlich, dass Ihr Euch ganz besonders mit Bach auseinandergesetzt habt, was macht Ihr eigentlich, wenn Ihr keine Musik macht, wie sieht Euer Leben aus, wie würdet Ihr bach in drei Zeilen beschreiben, was ist das für Euch für ein Charakter, – solche Dinge, die sich ganz unmittelbar aus der Persönlichkeit eigentlich ergeben, die unendlich viel interessanter sind in Kombination, wie man sie dann auf der Bühne erlebt, als welche Preise sie gewonnen haben.

19:35 (Szy) Herr Uhde, ich habe eine Frage: Haben Sie eine gute Antwort darauf bekommen? Denn wir haben etwas Ähnliches probiert, wir haben mal unsern Künstlern mal die Fragen gestellt, warum sie dieses Werk gewählt haben, weil wir das für das Jahresprogramm schreiben wollte, also der Künstler hat das und das gewählt, und wir haben alle unsere Künstler angeschrieben und haben ungefähr von hundert Künstlern drei Antworten bekommen, und die Antworten, die waren ungefähr so, wie man ich das so in der Schule vorstellt, also wenn ein strenger Lehrer anfragt.

(Uhde) haben Sie das wirklich persönlich geschrieben oder haben Sie das über die Agenturen gemacht? (Szy) Neinnein, wir haben das … och, das weiß ich gar nicht mehr, wir haben das gemacht, und es war … (Uhd) Das ist nur ein bescheidener Punkt, ich arbeite vorzugsweise mit Künstlern, die ich persönlich kenne und wo ich einen persönlichen Zugang hab. Und ich hab auch schon die Erfahrung gemacht, gerade bei größeren Agenturen, die schicken dann so 2 Seiten Biographien, wenn man irgendwas von den Künstlern will, dann wird das so total abgewiegelt, da kommt man überhaupt nicht ran, es gibt gar keinen direkten Kontakt, auch die Antwort auf diese Frage „warum haben Sie denn dieses Werk gewählt?“ ist natürlich wahnsinnig schwierig, es gibt eigentlich hier Zwänge, die werden halt irgendwo eingeladen, um genau das zu spielen, und deswegen spielen sie es noch dreimal woanders, also: das ist tatsächlich schwierig, zum einen, den richtigen Zugang zu gewinnen, aber auch ganz praktisch, wie erreiche ich überhaupt den Künstler, komme ich an seine Persönlichkeit ran, und das geht eigentlich nur tatsächlich über einen ganz persönlichen, privaten Kontakt.

20:50 ( ) Was konstituierend ist für das Konzerterlebnis, ist diese ganz starke, harsche Trennung zwischen denen, die auf der Bühne sitzen und denen, die im Konzert sitzen und zuhören. Und das ist auch etwas, das beigetragen hat zu manchen Problemen, die wir heute im Konzertleben haben. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass das Programmheft und der Erläuterungstext und die Biographien zugeschnitten sind auf die Interessen des Publikums und auf die Marketinginteressen des Künstlers, dann verstärken eigentlich diese Spannung, ja? Ich möchte ein kleines Beispiel nennen. Wenn Musiker auf die Bühne kommen und meinetwegen eine Sinfonie X von einem Komponisten Y spielen, dann haben sie überhaupt nicht das Interesse, meistens auch nicht den Zugang zum Erläuterungstext. Sie kommen aus einer ganz anderen Richtung, sie sind ausübende Musiker, haben das Stück einstudiert, vielleicht schon im Studium, dann in der Probe nochmal, sie sind mehrere Sitzungen durchlaufen, mit dem Dirigenten, usw., so gehen sie auf die Bühne, praktisch vorbereitet, ganz tief in dieser praktischen Musikausbildung drin. Das Publikum hat davon erstmal überhaupt keinen Schimmer, ja, wie kommt dieses Werk wirklich unter den Händen dieses Musikers zustand, das ist kein Thema für das Publikum, für das Publikum zählt meist die Gemachtheit des Werkes und vielleicht noch einzelne Höreindrücke, die es empfangen kann. Ich finde das eigentlich sehr schade, es hindert einen doch niemand, z.B. in den Erläuterungstext auch hineinzunehmen … Gespräche mit Musikern, und ich komme hier auf ein anderes: wenn die Musiker dann mal antworten auf das, was sie zu bestimmten Stücken zu sagen haben, dann ist das wirklich manchmal schockierend naiv, wenn ich das so sagen darf, (Szy: ja, das stimmt!) ohne hier irgendjemand zu nahe zu treten, warum ist das schockierend naiv? – weil diese Trennung zwischen den musikalischen Wissensformen ganz früh einsetzt. Weder beim Publikum wird weiter gebohrt, dass es sich mal ein ganz bisschen einfühlt in die Seite der Ausführenden, noch wird bei den Musikern darauf Wert gelegt, das sie ein gutes Verständnis bekommen von historischen Zusammenhängen. Das ist eigentlich sehr schade (Szy) Aber das ist natürlich wie alles von Person zu Person unterschiedlich. Es gibt unglaublich meinungsstarke (Tew: Ja!) Künstler, ich denke gerade an eine Patricia Kopatschinskaja, das ist diese Geigerin, die Interpretationen sehr anders anlegt, als das gewöhnlich der Fall ist, und die darüber sehr gern auch spricht. Solche Person interviewt man natürlich auch gerne (Tew: ja!) und da kann man solche Interviews natürlich auch ins Programmheft geben, und das ist dann sehr spannend. Dann kann es sogar so sein, dass ich sage: Mein Gott, das sehe ich nun völlig anders, aber es ist großartig, dass sie es so macht, wie sie es macht, auch wenn ichs furchtbar finde. Das ist ja nun völlig egal dann. Nun, ich muss dazu sagen, ich finde Kopatschinskaja ganz toll, aber man kann das furchtbar finden. Und das ist das Tolle, da sind wirklich Interpretationen, die extrem polarisieren, und das sind Personen, die auch Meinungen haben, und auch meinungsstark sind und auch meinungsfreudig. Also, die sagen auch was Interessantes.

23:28 (Nusser) Die Schwierigkeit mit den Texten im Programmheft ist ja auch, Frau Tewinkel, dass diese Musikwissenschaftler, die dort schreiben, eigentlich gar nicht genau wissen, welches Niveau sie da anlegen sollen, was sie bei den Lesern voraussetzen können, und in den letzetn 10 Jahren ist ja die Tendenz, weniger Fachbegriffe zu benutzen, weil man gar nicht weiß, kennt der Leser eine Terz, kennt er eine Fermate, also man versucht das zu vermeiden, und dann kommt eben dieser blumige Stil dabei heraus, da wird dann das C-Dur-Licht zum Flackern gebracht, oder das Hauptmotiv ist mal sehnsüchtig aufstrebend, dann festlich leuchtend und schließlich impulsiv pochend – das lesen wir ja heute immer noch…

(Szy) Ich bekenne mich schuldig, ich schreibe auch so… (Tew:) aber Herr Szymanski! ich möchte ne Lanze brechen für alle Autorinnen und Autoren unserer Zeit, ich finde, das sind oft sehr sehr gut gemachte Texte, sehr gut redigiert, sehr gut vorbereitet, Riesenfachwissen, das sind wirklich eierlegende Wollmilchsäue, diese Autorinnen und Autoren, die heute über Musik in den Programmheften schreiben, das ist schon ganz schön toll!

24:35 (Nusser) Jetzt ist der Moment gekommen, Herr Szymanski, wo wir mal hinschauen, wie Sie das machen!

(Fortsetzung folgt hier)