Archiv für den Monat: Dezember 2016

Rückblick auf halben Dezember

Anhand einiger Handy-Bilder

rueck-dez-4-2016 Meine Wildnis nach dem ersten Nachtfrost

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Saad Thamir (Foto: Bassem Hawar)

Kommentar:

Manchmal bin ich für Nachbars Katze zuständig: sie liebt meine Hand, aber nicht das Handy. – Weiterhin interessiere ich mich für das, was Fritz Neumeyer eingespielt hat. – Schulkonzert im Hardtberg-Gymnasium Bonn – und das Umfeld des Domes ist attraktiver als man denkt. – Wenn ich vor langer Zeit vom Kölner H.-Bahnhof aus die Treppe hinaufstieg, konnte ich durch die Seitentür in den Dom treten, quer hindurchwandern, auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinaus und geradeaus weiter über den Roncalliplatz, bis zum „Carlton“-Haus (ehedem Hotel), – das Eckzimmer in der ersten Etage war mein WDR-Büro. Der heiligmäßige Querweg durch den Dom war in meiner späten Zeit schon nicht mehr möglich, und heute liest man verbindlich, dass der offensichtliche Eingang an der Seite „KEIN EINGANG“ ist. So war es gestern: ich nahm den anderen Weg in Richtung Museum Ludwig, wo ich um 15 Uhr verabredet war, mit Wolfgang Hamm und dem irakischen Komponisten Saad Thamir. Gutes Gespräch. 19.00 Uhr Aufbruch.

In der Nähe meiner Citroen-Werkstatt (Winterreifen, Bremsscheibe) höre ich heute, durch den Park am Kannenhof spazierend, die CD, die mir Saad Thamir überreicht hat, manchmal stand ich lange still, die stufige Anlage des Parks betrachtend, die Eichhörnchen und die Krähen in den hohen Bäumen beobachtend, die Blattmuster der Rhododendren, die wilde Kunst an den leicht schäbigen Hauswänden, es störte mich etwas, dass aus der schönen Musik plötzlich der lateinische Text „dona nobis pacem“ hervortritt, als sei er nach den Jahren, die seit der Aufnahme vergangen sind, blasphemisch geworden. Kein Ende abzusehen in Aleppo.

Und ansonsten:

geige-vorn geige-hinten

Die jeweils linke Geige ist echt und gehört mir. Oder ich ihr, meiner Peinigerin und Segenspenderin, seit – glaube ich – 1962. Man könnte meinen, es sei eine Maggini, aber es ist nur eine sehr echte – Kopie. Da das Quartett Pause hat bis 2017, spielen die beiden Geiger erstmal Duo, Charles Auguste de Bériot op.57. Was mich im Augenblick verfolgt, ist die Begleitstimme der zweiten Geige, zweites Duo, zweiter Satz, Andante – jeder Geiger wird das verstehen: diese Doppelgriffe nicht nur sauber, sondern absolut schön zu spielen, mit Fingern meines Alters… Zwei Takte vorweg allein, auf dem Tablett serviert…

beriot-primo beriot-secondo

(Wie es klingen könnte? Vielleicht so! Aber soll ich extra den Lack entfernen von meiner Geige???)

Die Probe wird Montag sein. Am Abend vorher jedoch etwas ganz anderes:

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Wenn Sie sich wundern, wie preiswert die Karte ist: wir belegen die Plätze von 33 bis 36. Aber kommen Sie nur ungeniert; meinetwegen auch aus Ingolstadt. Es ist ein gemütliches Stadion. Auch wenn man nicht gewinnt.

Wie man mit Zahlen lügen kann

Am Beispiel einer Diskussion bei Maischberger (ARD 7.12.2016)

Die ganze Sendung ist bis 7.12.2017 in der ARD Mediathek abrufbar: HIER 

http://www.daserste.de/unterhaltung/talk/maischberger/videos/angst-vor-fluechtlingen-ablehnen-ausgrenzen-abschieben-102.html

Für die Abschrift in diesem Blog ist dessen Autor (JR) verantwortlich, Missverständnisse sind nicht ausgeschlossen, daher ist die Vergewisserung an der Originalsendung empfehlenswert, zumal der Ton, der Nachdruck, das Mienenspiel, die Verzögerungen, die Einwürfe u.a. jeweils die verbalen Aussagen vervollständigen oder auch verharmlosen. Der Link zur BKA-Studie, die in der Diskussion behandelt wird, folgt am Ende dieses Blog-Beitrags. Warum diese Abschrift? Sie soll ermöglichen, den logischen Ablauf der Diskussion zu objektivieren, loszulösen von einem täuschend freundlichen, zuweilen fast „verliebten“ Unterton (im Namen der „correctness“) und die Frage zu klären: Wie ist der Umgang mit der Wahrheit? Wie greifen Analyse, Aufklärung, Verdunklung und Lüge ineinander?

Redende Personen in diesem Ausschnitt: Alice Weidel (AfD), Ranga Yogeshwar ( ARD-Moderator), Paul Ziemiak (CDU), Boris Palmer (Oberbürgermeister/Die Grünen), in Kürzeln: AW, RY, PZ, BP und M = Sandra Maischberger 

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Screenshot: Alice Weidel & Ranga Yogeshwar am 7.12.2016

(Zitate – nach Gehör notiert JR)

Ab 32:00 AW Wir haben durch die ungesteuerte Zuwanderung, haben wir ein strukturelles Problem mit Migrantenkriminalität. Es gibt einen Bericht des Bundeskriminalamtes, so, in diesem Bericht wird dargelegt, dass allein im Jahr 2015, also letztes Jahr, insgesamt 208.000 Fälle belegt sind, die von Migranten begangen wurden. Das heißt eigentlich nichts anderes (BP was für Fälle? von welcher Art?), Gewaltverbrechen …  – Verbrechen! (BP das waren 6,2 Millionen im letzten Jahr, wir haben) … so, also, lassen Sie mich bitte ausreden! (BP ich will nur die Zahl verstehen!) Ich höre Ihnen auch zu. Kriminalität… (BP ich möchte die Zahl verstehen!) … Sie haben darin Drogendelikte, Sie haben darin Körperverletzung, Sie haben Sexualdelikte dadrin, Sie haben Diebstahl dadrin, und was noch alles dazugehört. Lesen Sie doch bitte einfach mal den Bericht … (BP aber das waren 6,2 Millionen letztes … da sind 200.000 viel zu wenig!) … des Bundeskriminalamtes, ich würde das gerne aufführen, das waren 208.000 Fälle. Das heißt eigentlich: letztes Jahr, in den Monaten von Januar bis Dezember, ja, war das pro Tag 570 Fälle, und pro Stunde drei-und-zwanzig Fälle (BP aber was sagt das?), das hat eine Steigerung vom Vorjahr (BP aber wissen Sie, ich bin Mathematiker ) 2014 um 80 Prozent (BP Ich will die Zahlen nur einordnen, das sagt doch nichts, was Sie da sagen!) … Ja, eben! Also: Die Zahlen liegen doch vor, vom Bundeskriminalamt (M aber die Zahlen liegen vor, und die sind ein bisschen anders … BP Ich kann Ihnen das erklären! M Darf ich mal ganz kurz zur Versachlichung beitragen und das erstmal… AW ja gerne! M danke! – und das erstmal dazufügen, was Kriminalisten dazu sagen, das ist einmal das Bundeskriminalamt, – da ist aber auch einer, der sich ausgiebig damit beschäftigt hat, gerade mit dieser Frage: Sind Ausländer überproportional bei Straftaten – ja oder nein? )

EINSPIEL-Video [Hier nur Stichworte] 33:50 (Bild: Kölner Dom) Stimme: Übergriffe in Köln der terroranschlag im Zug nach Würzburg, der Mord in Freiburg, ist Deutschland durch den Zuzug von 1 Million Flüchtlingen tatsächlich unsicherer und krimineller geworden? 34:00 Nein, stellen die Experten einhellig fest. Die Sorge vor Einbrüchen und Diebstahl sei unbegründet.

34:40 M Ich ergänze nur noch soviel, das BKA hat ja auch ne große Studie gemacht, und das BKA sagt genau dasselbe: die Zuwanderer sind nicht krimineller in Deutschland, und sagt noch dazu: eine Million Zuwanderung des letzten Jahres hat nicht entsprechend zu einem Anstieg der Straftaten geführt – das heißt also: entweder zitieren Sie das BKA falsch oder aber (AW Nee!) das BKA lügt in diesem Fall.

alice-w-ranga-y-screenshot-2016 Alice Weidel & Ranga Yogeshwar

AW Nein, das tut es eben nicht!  Es gibt diesen Bericht des BKAs, und die Fallzahlen sind  sogar noch von 2016 angestiegen, wenn Sie  (M …widerspricht dem, was das BKA sagt) statistisch gesehen das … so sehen: Sie haben 80 Millionen, ja, Menschen, so, und Sie haben Zuwanderungen von einer Million, so, und davon begeht ein Bruchteil Straftaten, ja? so! dann führt das nicht zu einer statistisch signifikanten Anstieg der Gesamtkriminalitätsrate – darüber wird ja die ganze Zeit gesprochen – nichtsdestotrotz haben wir einen eklatanten Anstieg der Migrantenkriminalität, ja, auch vor allen in den Großstädten.

35:45 PZ …sagen sie etwas ganz Richtiges, Sie nennen ja , Sie haben einige Delikte genannt, da sagen Sie etwas Richtiges, und ziehen aber eine Schlussfolgerung, die völlig falsch ist. (AW Das tue ich überhaupt nicht!) Nämlich: wir haben tatsächlich in manchen Bereichen von der Kriminalität einen überproportionalen Anteil von Menschen, die nicht deutsche Staatsangehörige sind (AW z.B. in Berlin!), im Betäubungs…, bei der Betäubungsmittelkriminalität, bei der Einbruchskriminalität, auch bei Gewaltdelikten so, (AW hält sich teilweise…) Sekunde! (AW ja?) Sie nennen dann in einem Atemzug (M zu AW Sie wollten doch nicht unterbrechen!) gleich – und das haben Sie grad getan – dann Mord und Sexualdelikte, und dafür gibt es in keiner Statistik irgendeinen Hinweis, dass in diesem Deliktbereich es einen überproportionalen Anstieg und dann noch grade durch Flüchtlinge gibt. Und das ist einfach unseriös. (AW – beiseite: – Unglaublich!)

paul-ziemiak-screenshot-2016 Paul Ziemiak

36:35 RY Also, Sie haben die Zahlen genannt, ne?, die Zahlen stimmen. Das Interessante bei den Zahlen ist: was ist damit gemeint? Weil: die Zahl klingt ja unglaublich gewaltig, aber da sind – Leute, die einfach illegal hier sind, das steht da mit aufgeführt, da werden eine Menge von Delikten aufgeführt, die – ich sage mal – fast formell sind, die man sogar rausgenommen hat, man hat ja die Statistik – wir haben ja natürlich diese Studie alle gelesen – hat man angefangen, wirklich mal rauszuziehen, sehr differenziert geguckt, okay, wie ist es, wie ist das bezogen auf die Gruppe der Menschen, die da ist, und wenn man das alles tut, so Schritt für Schritt, ist – finde ich – das Interessante, dass die vergleichbar sind mit den Deutschen, und dass es einen Unterschied gibt, und das ist – sehr spannend, finde ich – nämlich das Profil ist nicht, dass die gewalttätiger sind, sondern dass die schlichtweg arm sind. Also: es wird mehr geklaut et cetera, was mit Armut zu tun hat (AW organisierte Kriminalität! also…) das ist n anderes Thema, das hat aber wenig mit Flüchtlingen so zu tun, also – jaja klar! -, aber … wenn man sich die Statistik anschaut, ich finde es dann einfach wichtig, dass man wirklich versucht zu verstehen: ist es so, dass es nicht diesen großen Unterschied gibt. Aber das klingt natürlich gewaltig, wenn Sie die Zahl nennen, denkt jeder, okay, soundso viel tausend Morde, Vergewaltigungen durch … (leise Frage an AW, sie beharrt und schüttelt den Kopf).

Herr Palmer, kommt man mit Zahlen weiter?

boris-palmer-screenshot-2016 Boris Palmer

BP  Ich glaube schon, die 200.000 klingen viel, und deshalb habe ich eingehakt: was ist gemeint? Das BKA hat auch 6,2 Millionen Straftaten insgesamt registriert – und dagegen – wenn ich das jetzt umrechne pro Stunde, kommt auch ne ganz furchtbare Zahl raus. An der Debatte, die wird ja immer wieder geführt, stört mich, dass beide Aussagen falsch sind: Die Aussage, die Migranten hätten die gleiche Kriminalitätsbelastung wie die Deutschen, ist falsch. Und die Aussage, die Migranten sind ganz furchtbar schlimm kriminell, ist auch falsch. (M: Was ist denn dann richtig, Herr Palmer?) Beides ist falsch. Richtig ist, wenn man statistische Korrekturfaktoren einfügt, also z.B. Alter, Geschlecht, sozialer Status, Armut, Reichtum, dann sind die Menschen, die zu uns gekommen sind, gerade so wie die Vergleichsgruppe der Deutschen. Da aber die Deutschen im Schnitt nicht gleiches Alter haben – sondern es gibt mehr junge Männer bei den Migranten, weil wir nicht das gleiche Einkommen haben, es gibt Ärmere, es gibt viel weniger Gebildete, Kriminalitätsbelastung ohne Korrekturfaktoren bei den Migranten größer. Nur, die Erklärung ist nicht das Ausländerdasein, sondern die gesellschaftliche Position, das erklärt auch, warum so viele Menschen sagen: ich versteh die Kriminalitätsstatistik nicht, da  stimmt entweder die Kriminalitätsstatistik nicht – die AfD sagt dann, das sei Lügenpresse – weil es komplexer ist – es ist ne Scheinkorrelation zwischen dem Ausländerstatus und der Kriminalitätsbelastung. Tatsache ist: ja, Ausländer sind im Schnitt krimineller, wenn man nicht die Korrekturfaktoren einfügt, aber es sind im Schnitt genau die gleichen Menschen wie wir, wenn die gleichen Einflüsse auf sie wirken, haben sie die gleichen Kriminalitätsdaten. (Mehrere Stimmen durcheinander.) Und es ist schwieriger als so ne einfache These 39:35

42:17  RY über Aggression in Flüchtlingsheimen

AW 48:25: „Wir haben ja auch eine große Binnenmigration innerhalb Europas. Gut dann reden wir jetzt einfach nicht davon…“ RY 48:28: „Luxembourg zum Beispiel! Ich bin Luxembourger.“

alice-w-ranga-y-screenshot-48-26-2016 48:25alice-w-ranga-y-lux-screenshot-2016 48:28

Bericht über BKA-Bericht in der „Welt“ HIER (beginnt mit Reklame)

Direkt zum BKA-Bericht (pdf) „Kriminalität im Kontext“ HIER

bka-bericht-anfang-screenshotBKA-Bericht Seite 7 (Achtung: diese Tabelle allein genügt nicht zur Urteilsbildung! Siehe Link davor zu „Kriminalität im Kontext“ und den hier folgenden Link!)

Allgemeine DATEN zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland HIER

Nachtrag 2. Mai 2017

Pressemitteilung vom 24.04. 2017  Po­li­zei­li­che Kri­mi­nal­sta­tis­tik und Fall­zah­len Po­li­tisch Mo­ti­vier­te Kri­mi­na­li­tät 2016 vor­ge­stellt HIER

Lascaux 4 ist fertig? Was geht uns das an!

Die Kinder des Prometheus

Heute in der Tageszeitung (Solinger Tageblatt 10. Dezember 2016)

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Man muss es gesehen haben und vielleicht Fragen gestellt haben über eine Zeit, die ca. 35 000 Jahre zurückliegt. Als wir „Menschen“ geworden waren. Ich (WIR) beginne(n) HIER. Und habe jetzt den Parzinger neben mich gelegt.

Neben der Kunst und der Sprache bildet die Musik eine weitere wichtige Form der Kommunikation, deren älteste Zeugnisse uns aus dem Jungpaläolithikum bekannt sind. Der Mensch des Aurignacien machte Musik, und zwar – zumindest – mit Hilfe von Flöten aus Vogelknochen und Elfenbein, den ältesten bekannten Musikinstrumenten der Menschheit. Während es nicht ungewöhnlich scheint, aus hohlen Röhrenknochen Flöten herzustellen, so ist die aus Elfenbein gearbeitete Flöte aus dem Geißenklösterle, Schwäbische Alp, einzigartig (Abb….). Sie stellt die erste aus Elfenbein gefertigte Hohlform dar – ein kleines Kunstwerk, das nur mit größtem Aufwand zu erschaffen war. Es führt uns einmal mehr die herausragenden technischen Fertigkeiten der Menschen im Aurignacien vor Augen. Es dürfte kein Zufall sein, dass sich diese Flöten in jenen Höhlen der Schwäbischen Alp fanden, aus denen auch überragende beispiele frühester Plastiken bekannt sind. Der Kontext zwischen bildender Kunst und Musik könnte deutlicher nicht sein. Sie in den Rahmen von Kult und Ritual einzuordnen, ist sicher eine erlaubte Interpretation.

Quelle (aller Zitate und der folgenden Karte): Hermann Parzinger: Die Kinder des Prometheus / Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift / C.H.Beck München 2015 (Zitat oben: Seite 89)

Siehe linke Hälfte der Karte, Mitte: Weinberghöhle. Vgl. auch Geißenklösterle. Ganz links, grüner Schriftblock neben „Atlantischer Ozean“, 2.Wort von oben: „Lascaux“

aurignacien-parzinger Scan aus „Kinder des Prometheus“ S.78f

Interessant erscheint die Tatsache, dass die Tiere überwiegend in ruhigen Positionen, mitunter zwar auch in Bewegung dargestellt wurden, jedoch nie in aggressiver Haltung. Szenen etwa, in denen Raubtiere ein anderes Lebewesen reißen oder gar Menschen bedrohen, fehlen völlig in der eiszeitlichen Kunst. Es ist mehrfach darüber spekuliert worden, inwieweit diese künstlerische Ausdrucksform als kultische, ja magische Handlung zu deuten sei. Versuchte der Mensch damals, über die Kunst Einfluss auf die Natur zu nehmen? So hat man vermutet, dass das Zeichnen der Tiere möglicherweise ihre Kraft und ihr Bedrohungspotential bändigen sollte; demnach wäre das Kunstschaffen des frühen Menschen gleichsam ein Weg gewesen, sich der Tierwelt und der natürlichen Umwelt insgesamt zu bemächtigen.

Doch die Deutung der Eiszeitkunst bleibt ein hochspekulatives Unterfangen, bei dem sich kaum sicherer Grund für die Argumentation gewinnen lässt. Schon früh wollte man in diesen Bildern belege für schamanistische Rituale erkennen; insbesondere die oben erwähnten Mischwesen und abstrakte Zeichen wurden mit Trancephasen der Schamanen in Verbindung gebracht. Belegen lässt sich das alles nicht. Die Bilder der Eiszeitkunst sind weitgehend hermetische Repräsentationen ihrer Zeit. Wenn man ihnen diese Fremdheit zugesteht, bedeutet das nicht, dass man der jungpaläolithischen Kultur – unter Einbeziehung dieser Kunstäußerungen – animistische Züge absprechen müsste. Aber wir wissen einfach nicht, ob diese Bilder Platzhalter für Ahnen waren oder in Verbindung mit Jagdmagie, Initiationsriten oder anderen kultischen Handlungen entstanden und zu interpretieren sind. Mit Sicherheit dürfen wir aber davon ausgehen, dass die so reich mit Wandmalereien ausgestatteten Höhlen wie jene von Lascaux oder Altamira oder auch die vielen anderen in Portugal bis Norditalien auch als Kultplätze gedient haben.

Die Eiszeitkunst hat – wie auch immer sie im Einzelnen zu deuten sein mag – die menschliche Kulturgeschichte über 25 000 Jahre lang nachhaltig geprägt. Ihre uns erhaltenen Zeugnisse sind nicht in spontanen, emotionalen Einzelaktionen entstanden; vielmehr wurden die Bilder nach und nach häufig planvoll angefertigt. Viele Generationen haben sie gesehen und ihre Botschaften fortgeschrieben und erweitert – ein Prozess gesellschaftlicher Tradition, an der jeweils die ganze Gruppe teilgenommen hat. Kunst und Symbole des Eiszeitalter konnten nur entstehen und sich entwickeln, weil geeignete soziale und kognitive Vorbedingungen gegeben waren. Solche Darstellungen setzen die Fähigkeit, ja das Bedürfnis zur Mitteilung und zur Kommunikation von ganz bestimmten Inhalten und Botschaften voraus.

Diese Kunst basiert ferner auf der Fähigkeit, in der Vergangenheit zu lesen und in die Zukunft zu denken.

Quelle Parzinger a.a.O. Seite 87f

Glanz und Elend der Sequenz

Zum (zur) „Chanson d’Hélène“

Als eine melodische Sequenz bezeichnet man eine Tonfolge, die mit Intervallschritten gleicher Richtung auf benachbarten Tonstufen nachgebildet wird, aufwärts ebenso wie abwärts. Eine einfache Technik, aus einem gegebenen Motiv heraus sinnvoll fortzuschreiten und einen scheinbar natürlichen Zusammenhang zu stiften. Das kann intensivierend und sogar ergreifend wirken, aber auch ermüden, wenn es zu oft hintereinander geschieht.

Wenn es um die Wirkung des folgenden Liedes geht, hilft es kaum, die Sequenz nur zu benennen oder zu bewerten. Zudem wollen wir auch nichts berücksichtigen, was sich aus der Handlung des Films und aus dem Text ergibt, ebensowenig die Faszination der Stimme und des Gesichtes der Schauspielerin. Was erstaunt, ist wohl zunächst eine gewisse Müdigkeit: die Verweigerung einer konsequenten Fortspinnung und die Taktik der Verzögerung des Abschlusses.

Auf dem 4. Ton des 4. Taktes wird der Lauf der Sequenz beendet, indem der letzte Ton unmittelbar Bestandteil des aufsteigenden Dreiklangs wird, Neues versprechend: um uns dann dessen Zielton, die hohe Oktave, zu verweigern: der „Ersatzton“ F tendiert zurück, abwärts, in die Tonfolge des Taktes 6, der wieder dem Modell der Sequenz(en) folgt; man könnte eine weitere daranhängen, um einen Takt verkürzt, und so einen bündigen Schluss erzielen. Realisieren wir einmal probeweise genau diese (fehlerhafte) Version der beiden Zeilen (Ia), danach folgt die annähernd originale Wiedergabe (Ib). Und wir sehen, dass die Ersatzversion von einer unangenehmen Glätte war…

Ia Didaktische Variante (JR)

sequenz-helene

Ib La Chanson d’Hélène (Philippe Sarde)

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Wir lassen freilich auch die Harmonik außer Acht, obwohl sie wesentlich die Wirkung der Melodie stützt. Wenn wir eben meinten, dass wir einen anderen Zielton erwartet haben, der sich (angeblich) aus dem aufsteigenden Dreiklang nach der Sequenz ergeben sollte, hatten wir vielleicht eine ganz andere Melodie im Ohr (wie immer unseren Hörgewohnheiten folgend), eine fast identische, die sich erwartungskonform verhält, dann aber einen ganz anderen Weg der Rückkehr wählt (II):

II Tum Balalaika (Russian/Yiddish)

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Mit Pete Seeger und Ruth Rubin hier.

Stattdessen wählt unsere Melodie Ib ein Ausweich-Manöver und eine leicht stockende Rückkehr. Dass dieses Zögern Methode hat, spürt man, wenn jetzt der Anfang wiederkehrt (9) und nach 4 Takten zur Ruhe kommt, vorzeitig, denn die zweite Takthälfte bleibt leer. Stattdessen scheint es so, als ob der Abschluss im nächsten Takt geruhsam nachgeholt wird, nach den Tönen B und A (13) müsste der Grundton kommen, aber das A verharrt gewissermaßen unschlüssig. Das Klavier „klimpert“ eine Handvoll Töne (14 &15), eine Verlegenheit, noch einmal die Grundtonvorbereitung B und A (16), noch einmal die „Verlegenheit“  (17&18), und wieder die Grundtonvorbereitung (19) mit Verlangsamung („ced.“ = cédez), und es beginnt von vorn, d.h. die nächste Strophe, die im Bass zwar den Grundton einlöst, in der Melodie aber die Ungewissheit des Schwebetones D mit Sequenzmotiv wiederkehren lässt. Erst am Ende der letzten Strophe erreicht sie an dieser Stelle den Grundton.

Die dritte Melodie illustriert das Übermaß der Sequenz, diesmal in aufsteigender Form: kaum vorstellbar, dass sie im Tonfall der Melodie II gesungen würde. Sie trumpft auf, jeder neue Sequenz-Ansatz (3 und 5) wird per Sext-Intervall angesprungen. Nach dem dritten Mal ist es genug – der lang ausgehaltene Ton G markiert zugleich die Rückkehr, inszeniert vom überbietenden hohen B. Nur 2 absteigende Sequenzen, eine „Klimperstelle“ auch hier (13 und 14), sowie eine leicht übertriebene Abschluss-Kadenz (15 & 16). Die Melodie sagt: Ich weiß, was ich will, und bemühe mich nicht, ausgewogen zu erscheinen. Walzertakt, es ist egal. (Meine Notation ist unangemessen.)  „Eins und Eins, das macht Zwei“. Dem „Berliner Herz mit Schnauze“ und Hildegard Knef freundlich zugedacht. (Anfangswerbung bitte überspringen).

III „Eins und Eins, das macht Zwei“ (Charly Niessen)

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Übrigens ähnelt die Vierton-Formel des Chanson d’Hélène den vier absteigenden Tönen der Lamento-Formel, die man z.B. aus Bachs „Ciaconna“ oder aus der „Schutzengel“-Passacaclia von Biber und zahllosen anderen Stücken der Kunst- und Volksmusik kennt. Wozu ja auch der klagende (?) Charakter dieses Liedes passen würde; auch der Bass scheint in diese Richtung zu weisen, biegt aber nach 2 Tönen ab. Tatsächlich hat aber die Melodiegestalt, zumal in Sequenz behandelt, nicht im geringsten mit der Lamento-Bass-Formel zu tun, die eher aufsteigende Gegenlinien provoziert, wie es bei Biber geradezu exemplifiziert wird. Zudem ist der Lamento-Bass viel zu stark, als dass man ihn mit dieser Sequenz vergleichen könnte. Er geht vom Grundton aus und kehrt kraftvoll zu ihm zurück, diese Sequenz aber sinkt von einem „Schwebeton“, der Quinte, abwärts in Richtung Grundton, der erst in einem zweiten Vorgang erreicht wird. In einem Sinkvorgang. Emotional wäre eine sanfte Traurigkeit, ja Müdigkeit zuzuordnen. Und genau das entspricht der Situation und den Texten im Film.

Hélène/Romy: (34:47, im Auto, es regnet) Ich seh dich an, und ich könnte weinen, weil ich so müde bin, müde, dich zu lieben. Ich bin müde, Pierre. Müde dich zu lieben. [MUSIK nur 1 halber Takt als Auftakt]  Pierre: Ich bin auch müde. Immer Erklärungen sprechen, das muss aufhören… ich will auch keine langen Briefe schreiben…

Pierre/Michel (56:00, vor seinem Tode): Glück gehabt, nochmal gut gegangen, war nicht meine Schuld, mein Anzug ist bestimmt hinüber… Bin müde, fühl mich so wohl im Gras… Gleich mach ich die Augen auf. Moment noch. Ich muss erst zu mir kommen. Ich werde Helene sagen, sie soll mich mitnehmen. Aber erst ruh ich mich aus. Ich mach die Augen auf und sag Hélène Bescheid.

Lamento dagegen gehört zur großen Trauer, zum unerbittlichen Gang der äußeren Geschichte, zum mächtigen Pathos des Leidens, auch wenn es leise vorübergeht und sich allmählich auflädt.

biber-schutzengel Biber 1687

Manchem Leser mögen diese Gedankenverbindungen zu weit gehen, besonders bei dem Link zu Hildegard Knef, – ist denn jede geschmackliche Wertung ausgeschaltet? Ja, gewiss!!! denn die Regel Nr. 1 jedes Musikethnologen lautet „Es ist zu fragen: Was liegt vor? nicht aber nicht: Finde ich das schön?“ Wenn ich wertende Vergleiche ziehen müsste, würde ich sagen: das kürzeste Lied aus Schumanns „Dichterliebe“, ja, 1 Takt aus der „Mondnacht“ wiegt 100 Film- oder Bühnensongs dieser Art auf. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass hier – wie so oft – der ganze Film mitschwingt, die regungslosen Gesichter von Romy Schneider und Michel Piccoli, der minutiös erfasste Autounfall, die logische Konstruktion seiner Wiederkehr, die historisierte Realität der Gesellschaft, der Straßen und der Landschaften aus den Vor-Siebziger Jahren in Frankreich, eben – „les choses de la vie“. Die Stimme natürlich: es ist doch die einer ewigen Kindfrau, aus Männerphantasien destilliert. All dies hindert mich, den dummen Text, insbesondere die von Michel Piccoli gemurmelten Phrasen, zu bewerten, – so wenig man eine heilige Handlung nach ästhetischen Kriterien bewertet. Philippe Sarde hat die Musik geschrieben, aber die Verse stammen – ich weiß nicht, woher. Schön werden sie nur, wenn man an Verlaine denkt. Oder ihn nicht kennt… Le ciel est, par-dessus le toit, / Si bleu, si calme ! / Un arbre, par-dessus le toit, / Berce sa palme. /  La cloche, dans le ciel qu’on voit, / Doucement tinte. / Un oiseau sur l’arbre qu’on voit / Chante sa plainte.

Ce soir nous sommes septembre et j’ai fermé ma chambre
Le soleil n’y entrera plus
Tu ne m’aimes plus
Là-haut un oiseau passe comme une dédicace
Dans le ciel

Parlé :
Je t’aimais tant Hélène
Il faut se quitter
Les avions partiront sans nous
Je ne sais plus t’aimer Hélène

Avant dans la maison j’aimais quand nous vivions
Comme un dessin d’enfant
Tu ne m’aimes plus
Je regarde le soir tomber dans les miroirs
C’est la vie

Parlé :
C’est mieux ainsi Hélène
C’était l’amour sans amitié Il va falloir changer de mémoire
Je ne t’écrirai plus Hélène

L’histoire n’est plus à suivre et j’ai fermé le livre
Le soleil n’y entrera plus
Tu ne m’aimes plus

(Fortsetzung folgt)

Ich müsste auch Einzelheiten der gealterten, leicht schrebbelnden Musik benennen, Einzelheiten, die ich nicht missen möchte: das klimpernde Klavier, die aufschluchzenden, in enge Akkorde gepressten Violinen, die ungelenke Achtelbewegung, die schon unter den beiden Einleitungstakten anhebt.

Vgl. auch Albinoni (zu lange Sequenz: wirkt larmoyant, das Stück ist ein Pastiche). Unvergesslich: Bach „Es ist vollbracht“, Beethoven „Ermüdet, klagend“ aus op.110, dies anstelle weiterer Beispiele (die Fassung in g-moll wegen besserer Vergleichbarkeit).

beethoven-klagender-gesang

Was tun, wenn es weihnachtet?

Mehrere Themen, die mir unter den Nägeln brennen. Oder im Herzen, was schwülstiger klingt, aber besser zu dem geplanten Fortgang des Satzes passt: man muss sie behandeln, ehe sie erkalten.

1) Es geht um ein Lied, „La Chanson d’Hélène“ aus dem Film „Die Dinge des Lebens“, den ich erst spät, – aufgrund des Interviews mit Matthias Brandt -, kennengelernt habe. Ich glaube, eine wesentliche Komponente – jedenfalls einen Anteil, der die ausweglose Stimmung des Filmes zumindest vertieft und jederzeit wieder aufruft – bildet die wiederkehrende Melodie, und zwar mit der Stimme Romy Schneiders, die Cover-Fassungen kann ich nicht gelten lassen. Zu dem Erlebnis gehört, dass ich die Melodie letztlich nicht gut gemacht finde. Ein „Trotzdem“ gehört dazu.

2) Es geht um Rom. Da ich neuerdings wieder Max Weber auf CD-Rom durchstöbert habe, mich in mehreren Themen festgelesen habe, vor allem aber in dem Aufsatz „Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur“. Gleich am Anfang stellt er Fragen, die ich immer schon hätte stellen wollen, aber nicht ernst genommen habe. Etwa in der Art wie Brechts Fragen eines lesenden Arbeiters: „Wer baute das siebentorige Theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?“ Ich weiß: sie hatten nur Befehlsgewalt, aber warum haben sie im Fall Rom, das ja Hunderte von Jahren bestand, aufgehört zu befehlen. Warum ist es untergegangen? Ja, ich weiß, es gibt ein Geflecht von Gründen, aber letztlich steht der Grund, den Max Weber behandelt, auch in Brechts Gedicht. Aber wenn ich danach in die Geschichtsbücher schaue, etwa in den bewährten Überblick von Imanuel Geiss (Seite 118) oder in das frühe Buch von Herfried Münkler über „Imperien“, so suche ich vergeblich.

3) Und schließlich geht es wohl um ein Buch, das ich erst morgen besitzen werde: „Der Klang“, – es ist mir nicht ganz geheuer: es stammt von einem Geigenbauer, enthält offenbar viel Wissenswertes, aber auch ein Glaubensbekenntnis. Und das trifft mich als lesenden Geiger, der auch gern Fragen stellt, irgendwie auf dem falschen Bein. Habe ich doch gerade wieder kursorisch „Das Böse“ von Rüdiger Safranski rekapituliert und darin vorgemerkt, was Kant zu den Versuchen sagt, den Willen Gottes aus seinen Naturwerken oder denen seiner irdischen Helfershelfer herauslesen zu wollen. Er nennt es „Phantome“, und der Geigenklang ist zweifellos ein „Naturwunder“, gehört aber in diesem Sinne auch zu den Phantomen. Passend zur Weichheit, die sich des Gehirns der Menschen gern zur Weihnachtszeit bemächtigt. Auch meine Oma hat gern davon gesprochen und „bis ins kleinste die wunderbaren Zweckzusammenhänge und ihren Nutzen für den Menschen darzulegen“ (Safranski Seite 310) versucht, insbesondere am Beispiel der Blumenblüten und der Bienen. Sie wusste allerdings nichts von dem Fachbuch „Insecto-Theologie“, das im Jahre 1738 erschienen ist: ein „Vernunfft- und schrifftmäßiger Versuch wie ein Mensch durch aufmercksame Betrachtungen der sonst wenig geachteten Insecten zu lebendiger Erkänntnis und Bewunderung der Allmacht, Weißheit, der Güte und Gerechtigkeit des großen Gottes gelangen könne.“

Aber keine Angst: ich spotte nicht. Ich frage nur! Und staune. Hier.

Nachtrag 8.12.2016

Inzwischen besitze ich das zuletzt genannte Buch, nein, nicht die Insecto-, sondern eine Art Violino-Theologie, habe sie von Anfang bis Ende durchgeblättert. Im Namen der Geige: lesen werde ich das nicht. Vielleicht die „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ – aber diese aus historischen Gründen (1796).

Es gibt Übersetzungsfehler, die ähnlich dem – nach Freud – typischen „Versprecher“ eine Wahrheit ans Licht bringen, heute mehr denn je: Auf einer unserer Italien-Tourneen (Collegium Aureum mit dem Tölzer Knabenchor) sahen wir auf den Plakaten in der Stadt unter der Ankündigung in großen Lettern ORATORIO DI NATALE als deutschen Titel: Weichnachtsoratorium. (Siehe am Ende dieses Artikels!)

Nachtrag 20.12. zu Roms Niedergang (Max Weber)

Ich halte den Anfang von Webers Gedanken über Roms Niedergang lieber sofort griffbereit, ehe ich vergesse, was mir bei ihm besonders plausibel erschien. Egal ob es bei Karl Marx vielleicht längst detaillierter ausgeführt wurde. Das Hauptargument der Funktion der Sklaven sollte weiterführen. Zumal es möglich scheint, dass ihre Bedeutung im Christentum eine ganz andere wurde und das Christentum sich im Grunde die bürokratische Ordnung und Verwaltung des Römischen Reiches (der zivilisierten Welt) zunutze machte. Das habe ich undeutlich in Erinnerung, ohne einen konkreten Beleg vorweisen zu können: das Christentum als effektives Verwaltungssystem, das die äußere Ordnung durch eine innere (totalitäre!) ergänzte: die Erfassung jeder menschlichen Seele (samt Körper) von der Wiege bis zur Bahre… Wie gelingt es Weber, unser Interesse zu „erzwingen“?  De te narratur fabula, sagt er. Und ich möchte naseweiß hinzufügen: Tua res agitur. Deine Sache wird betrieben. Jeder weiß, dass die Zeit, „da Pontius Pilatus Landpfleger war“ – samt nachfolgenden Jahrhunderten – uns nicht Hekuba sein kann…  

Das Römische Reich wurde nicht von außen her zerstört, etwa infolge zahlenmäßiger Überlegenheit seiner Gegner oder der Unfähigkeit seiner politischen Leiter. Im letzten Jahrhundert seines Bestehens hatte Rom seine eisernen Kanzler: Heldengestalten wie Stilicho, germanische Kühnheit mit raffinierter diplomatischer Kunst vereinigend, standen an seiner Spitze. Warum gelang ihnen nicht, was die Analphabeten aus dem Merowinger-, Karolinger- und Sachsenstamme erreichten und gegen Sarazenen und Hunnen behaupteten? – Das Reich war längst nicht mehr es selbst; als es zerfiel, brach es nicht plötzlich unter einem gewaltigen Stoße zusammen. Die Völkerwanderung zog vielmehr nur das Fazit einer längst im Fluß befindlichen Entwicklung.

Vor allem aber: die Kultur des römischen Altertums ist nicht erst durch den Zerfall des Reiches zum Versinken gebracht worden. Ihre Blüte hat das römische Reich als politischer Verband um Jahrhunderte überdauert. Sie war längst dahin. Schon anfangs des dritten Jahrhunderts versiegte die römische Literatur. Die Kunst der Juristen verfiel wie ihre Schulen. Die griechische und lateinische Dichtung schliefen den Todesschlaf. Die Geschichtsschreibung verkümmerte bis zu fast völligem Verschwinden, und selbst die Inschriften begannen zu schweigen. Die lateinische Sprache war bald in voller Degeneration begriffen. – Als anderthalb Jahrhunderte später mit dem Erlöschen der weströmischen Kaiserwürde der äußere Abschluß erfolgt, hat man den Eindruck, daß die Barbarei längst von innen heraus gesiegt hatte. Auch entstehen im Gefolge der Völkerwanderung keineswegs etwa völlig neue Verhältnisse auf dem Boden des zerfallenen Reichs; das Merowingerreich, wenigstens in Gallien, trägt zunächst in allem noch ganz die Züge der römischen Provinz. – Und die Frage, die sich für uns erhebt, ist also: Woher jene Kulturdämmerung in der antiken Welt?

Mannigfache Erklärungen pflegen gegeben zu werden, teils ganz verfehlt, teils einen richtigen Gesichtspunkt in falsche Beleuchtung rückend:

Der Despotismus habe die antiken Menschen, ihr Staatsleben und ihre Kultur gewissermaßen psychisch erdrücken müssen. – Aber der Despotismus Friedrichs des Großen war ein Hebel des Aufschwungs. –

Der angebliche Luxus und die tatsächliche Sittenlosigkeit der höchsten Gesellschaftskreise haben das Rachegericht der Geschichte heraufbeschworen. – Aber beide sind ihrerseits Symptome. Weit gewaltigere Vorgänge als das Verschulden Einzelner waren es, wie wir sehen werden, welche die antike Kultur versinken ließen. –

Das emanzipierte römische Weib und die Sprengung der Festigkeit der Ehe in den herrschenden Klassen hätten die Grundlagen der Gesellschaft aufgelöst. Was ein tendenziöser Reaktionär, wie Tacitus, über die germanische Frau, jenes armselige Arbeitstier eines kriegerischen Bauern, fabelt, sprechen ähnlich Gestimmte ihm heute nach. In Wahrheit hat die unvermeidliche »deutsche Frau« so wenig den Sieg der Germanen entschieden, wie der unvermeidliche »preußische Schulmeister« die Schlacht bei Königgrätz. – Wir werden vielmehr sehen, daß die Wiederherstellung der Familie auf den unteren Schichten der Gesellschaft mit dem Niedergang der antiken Kultur zusammenhängt. –

Aus dem Altertum selbst dringt Plinius‘ Stimme zu uns: »Latifundia perdidere Italiam«. Also – heißt es von der einen Seite – die Junker waren es, die Rom verdarben. Ja – heißt es von der andern – aber nur weil sie dem fremden Getreideimport erlagen: mit dem Antrag Kanitz also säßen die Cäsaren noch heute auf ihrem Throne. Wir werden sehen, daß die erste Stufe zur Wiederherstellung des Bauernstandes mit dem Untergang der antiken Kultur erstiegen wird. –

Damit auch eine vermeintlich »Darwinistische« Hypothese nicht fehle, so meint ein Neuester u.a.: der Ausleseprozeß, der sich durch die Aushebung zum Heere vollzog und die Kräftigsten zur Ehelosigkeit verdammte, habe die antike Rasse degeneriert. – Wir werden sehen, daß vielmehr die zunehmende Ergänzung des Heeres aus sich selbst mit dem Untergang des Römerreichs Hand in Hand geht.

Genug davon. – Nur noch eine Bemerkung, ehe wir zur Sache kommen:

Es kommt dem Eindruck, den der Erzähler macht, zu gut, wenn sein Publikum die Empfindung hat: de te narratur fabula, und wenn er mit einem discite moniti! schließen kann. In dieser günstigen Lage befindet sich die folgende Erörterung nicht. Für unsere heutigen sozialen Probleme haben wir aus der Geschichte des Altertums wenig oder nichts zu lernen. Ein heutiger Proletarier und ein antiker Sklave verständen sich so wenig, wie ein Europäer und ein Chinese. Unsre Probleme sind völlig andrer Art. Nur ein historisches Interesse besitzt das Schauspiel, das wir betrachten, allerdings eines der eigenartigsten, das die Geschichte kennt: die innere Selbstauflösung einer alten Kultur.

Jene eben hervorgehobenen Eigentümlichkeiten der sozialen Struktur der antiken Gesellschaft sind es, die wir uns zunächst klar machen müssen. Wir werden sehen, daß durch sie der Kreislauf der antiken Kulturentwicklung bestimmt wurde. –

Die Kultur des Altertums ist ihrem Wesen nach zunächst: städtische Kultur. Die Stadt ist Trägerin des politischen Lebens wie der Kunst und Literatur. Auch ökonomisch eignet, wenigstens in der historischen Frühzeit, dem Altertum diejenige Wirtschaftsform, die wir heute »Stadtwirtschaft« zu nennen pflegen. Die Stadt des Altertums ist in hellenischer Zeit nicht wesentlich verschieden von der Stadt des Mittelalters. Soweit sie verschieden ist, handelt es sich um Unterschiede von Klima und Rasse des Mittelmeers gegen diejenigen Zentraleuropas, ähnlich wie noch jetzt englische und italienische Arbeiter und deutsche und italienische Handwerker sich unterscheiden. – Ökonomisch ruht auch die antike Stadt ursprünglich auf dem Austausch der Produkte des städtischen Gewerbes mit den Erzeugnissen eines engen ländlichen Umkreises auf dem städtischen Markt. Dieser Austausch unmittelbar vom Produzenten zum Konsumenten deckt im wesentlichen den Bedarf, ohne Zufuhr von außen. – Aristoteles‘ Ideal: die autarkeia (Selbstgenügsamkeit) der Stadt – war in der Mehrzahl der hellenischen Städte verwirklicht gewesen.

Quelle Max Weber: Die sozialen Gründe des Untergangs der antiken Kultur. (1896)

Nur noch 2 herausgegriffene Zitate als Hinweis zum weiteren Verlauf des Gedankenganges:

Aber während aus dem Mittelalter die freie Arbeit und der Güterverkehr in zunehmendem Maß als Sieger hervorgehen, verläuft die Entwicklung des Altertums umgekehrt. Was ist der Grund? Es ist derselbe, der auch den technischen Fortschritten des Altertums ihre Schranken setzte: die »Billigkeit« der Menschen, wie sie durch den Charakter der unausgesetzten Kriege des Altertums hervorgebracht wurde. Der Krieg des Altertums ist zugleich Sklavenjagd; er bringt fortgesetzt Material auf den Sklavenmarkt und begünstigt so in unerhörter Weise die unfreie Arbeit und die Menschenanhäufung. Damit wurde das freie Gewerbe zum Stillstand auf der Stufe der besitzlosen Kunden-Lohnarbeit verurteilt. Es wurde verhindert, daß mit Entwicklung der Konkurrenz freier Unternehmer mit freier Lohnarbeit um den Absatz auf dem Markt diejenige ökonomische Prämie auf arbeitsparende Erfindungen entstand, welche die letzteren in der Neuzeit hervorrief. Hingegen schwillt im Altertum unausgesetzt das ökonomische Schwergewicht der unfreien Arbeit im »Oikos«. Nur die Sklavenbesitzer vermögen ihren Bedarf arbeitsteilig durch Sklavenarbeit zu versorgen und in ihrer Lebenshaltung aufzusteigen. Nur der Sklavenbetrieb vermag neben der Deckung des eigenen Bedarfs zunehmend für den Markt zu produzieren.

***

Die Sklavenkaserne vermochte sich nicht aus sich selbst zu reproduzieren, sie war auf den fortwährenden Zukauf von Sklaven zur Ergänzung angewiesen, und tatsächlich wird von den Agrarschriftstellern dieser Zukauf auch als regelmäßig stattfindend vorausgesetzt. Der antike Sklavenbetrieb ist gefräßig an Menschen, wie der moderne Hochofen an Kohlen. Der Sklavenmarkt und dessen regelmäßige und auskömmliche Versorgung mit Menschenmaterial ist unentbehrliche Voraussetzung der für den Markt produzierenden Sklavenkaserne. Man kaufte billig: Verbrecher und ähnliches billige Material solle man nehmen, empfiehlt Varro mit der charakteristischen Motivierung: – solches Gesindel sei meist »gerissener« (»velocior est animus hominum improgorum«).

***

Rückblende 1990 (Handy-Foto JR)

venedig-toelzer-bach-1990

Schubert & Tod

Zweischneidige Höraufgabe

kopatschinskaja-schubert-vorn kopatschinskaja-schubert-rueck Alpha 265 (Foto Julia Vesely)

Dem Rätsel der runden Gebilde im Wald – ich denke sinnloserweise an „Arrival“, aber auch an ein geschmackvoll eingesetztes Soundsystem  – kann ich im Video nachgehen.

Seltsam: der Flirt (oder die Identifizierung) dieser Geigerin mit dem fiedelnden Tod. Es ist (nur) eine Verkleidung, die aus andern Gründen befremdet als der Tod mit seiner Knochenfiedel.

geiger-tod-kopatschinskaja Aus der Fotoserie im Booklet

geiger-tod-rethel Aus meinem Bücherschrank

Quelle Volksbücher der Kunst: Alfred Rethel / Velhagen & Klasings Volksbücher Nr. 22 / Bielefeld & Leipzig 1911 (Seite 32)

Der Eindruck, dass die Inszenierung des „Mädchens“ als Tod – eine bloße Performance-Idee – vor allem als Denkfehler ankommt. Was aber noch nichts über die musikalische Interpretation und Gesamtkomposition sagt. Trotzdem: Erlebt man denn die Szene von innen oder von außen? Ist es nicht eine einsame Konfontation? Wenn man Tr. 5 – die Variationen über „Der Tod und das Mädchen“ – hört, irritiert nicht die angestrengte Tendenz zur Aufhebung der Individualität, wenn die 1. Geigenstimme chorisch gespielt, die Divergenz sogar hörbar wird? Warum soll man die panische Akivität des verlorenen Ichs auf viele Schultern verteilen?

Ich vermute, dass die Live-Wirkung auf der Bühne eine ganz andere ist, die Gruppe, die sich einig ist, jederzeit das solistische Quartett gemeinschaftlich zu übernehmen, hin und wieder einzelne Stimmen nach Bedarf heraustreten zu lassen, Zerbrechlichkeit zuzulassen. Bei 10:45 bis über 11:00 droht es zu misslingen und klingt leicht schäbig. Man fragt, ob man so mit Schuberts Tod verfahren darf: schon im Solisten-Quartett geht es hart an die Grenze. Und wenn ein Schubert-Satz zum Ende kommt, eine Erwartungspause entsteht, darf da eine andere, schwer einzuordnende  Realität antworten, z.B. Gesualdo, der nur aus unserer Entfernung doppelt erratisch wirkt? Schuberts wildes Scherzo also mit Verzögerung, ja, gewiss, es büßt seine Wirkung nicht ein. Natürlich nicht. Und die Kammerorchester-Version passt gut zum rabiaten Tonfall. Ist ein gemeinsames Wüten gemeint?

Ich denke an den Abend mit dem Kelemen-Quartett zurück (hier). Entscheidend war die Live-Aufführung auf und jenseits der Bühne, die Licht-Regie, die Verteilung im Raum, aber das Haydn-Quartett blieb doch ein Ganzes. Ich glaube gern, dass auch der aufgeteilte Schubert in Berlin – samt Intermedien – ein erschütterndes Ereignis war (vielleicht ohne das kokette Spiel mit dem Knochenkostüm?) und man wusste, alle Sätze werden eintreten, der letzte gewissermaßen durch Kurtágs „Kafka“ (Tr.9) herbeigeschrieen.

Und man muss nicht die Litanei vom Ganzen des Werkes herbeten, das man erstens kennt und das sich auch innerhalb des neuen Ganzen herauskristallisiert. Schwierig ist nur, die großen Quartett-Versionen, die man (vielleicht) im Ohr hat, nicht zu vermissen. Der Nachhall am Ende der CD enthält doch eine Spur zuviel Kammerorchester?

Vielleicht ist die Performanz der Musik wirklich ein Weg, den man neuerdings immer wieder gehen muss. Hélène Grimauds „Water“, Igor Levits „Goldberg“-Stille mit Marina Marina Abramović und vieles andere. Vor allem führt er die Neue Musik zurück in die „Gemeinschaft“. Oder verwandelt Alte in Neue Musik. Nehmen wir Kai Schumann mit „Insomnia“ hier. Ich wette: im Konzert wenigstens mit dem Thema der Goldberg-Variationen kombiniert. Oder … haben Sie 10 Minuten Zeit? Ob mit freundlicher Zuneigung oder leisem Widerstand – mir kann es egal sein. Der Komponist ist anwesend und darf entscheiden.

Ein aufrechter Politiker

Und wir? Das Volk der „Wir-sind das Volk“-Schreier?

Eine noch ungeordnete, unkorrigierte Nachschrift (Sendung ab 10:23), probeweise und ergänzungsbedürftig, als Diskussionsgrundlage. Ohne Gewähr. Schreibfehler: JR

Betr.: Markus Lanz ZDF-Sendung 1. Dezember 2016 Gast u.a.: Wolfgang Thierse.

Man kann den gesamten Text auch lesen als eine dramatische Szene auf der Bühne des. „Per aspera ad astra“. Beginnend mit den Verwicklungen – unter Erwähnung des gordischen Knotens – bis hin zu einem Höhepunkt der deutschen Selbstdarstellung. Es scheint mir aber wichtig, den so in Schriftform zu bedenken, wohl bedenkend, dass es sich um eine frei gesprochene Rede handelt, deren Glaubwürdigkeit auch mit Tonfall, Mimik und Gestik der redenden Person(en) verbunden ist.

Wir steigen ein bei Punkt 10:25. Voran ging etwas aktuelle Thematik (Gabriel, Schultz, Erdogan, Putin), es schien zunächst auf die von Lanz bei Politikern gern geübte, insistierende Fragetechnik hinauszulaufen, die den Interview-Partner zermürben soll, aber letztlich das Publikum ebenso nervt wie jenen, letztlich doch nichts – sagen wir – zur Kanzlerkandidatenfrage zutage fördert. Thierses Ermutigung, „laut zu widersprechen“ statt den Despoten nach dem Munde zureden, führt zu der listigen Frage, ob ihm das denn im Moment alles zu „stromlinienförmig“ sei. Bemerkenswert, dass Wolfgang Thierse dank seiner Ernsthaftigkeit nun doch sein ganzes Konzept ungestört entfalten konnte.

***

THIERSE: Wir sind ja in einer ziemlich schwierigen Situation im Moment, wir erleben ja, wie die politische Kommunikation vergröbert, wenn man ans Internet denkt, an die sozialen Medien, Hass gegen demokratische Politiker, Empörung und Wut, die sich auf den Straßen äußert, und Gewalt auch, gegen Ausländer, gegen Minderheiten, auch gegen Politiker, das ist eine ziemlich beunruhigende Situation, – vonwegen stromlinienförmig. Dass es in unserer Politik nicht mehr die abgrundtiefen Unterschiede gibt, zwischen gut und böse, zwischen Ost und West, zwischen Kommunismus und der westlichen Welt, das kann ich nicht für einen Verlust betrachten, sondern … es gibt aber genug demokratische Unterscheidungen, so ähnlich und so gleich sind die politischen Parteien immer noch nicht.

(LANZ: Aber davon einmal ganz ab: Viele derer, die da grade … nicht nur ihre Abneigung, sondern ihrer Wut und ihrem Hass Luft machen, die erreichen Sie ja gar nicht.)

Das sagt sich so leicht.

(Leicht nicht, Herr Thierse, ich finds schlimm, aber…)

Ja, da muss man über Ursachen reden, warum das so ist.

(… Attacken nach Auftritt bei Günter Jauch / Morddrohungen)

(BARBARA RÜTTING bezieht sich – ohne die Pegida-Haltung verteidigen zu wollen – positiv auf den Slogan „Wir sind das Volk“, erinnert an Protestbewegungen der 50er Jahre, kommt schließlich auf die derzeitigen Waffenexporte Deutschlands, auf TTIP u.ä. und meint, die Bevölkerung habe zu recht Wut. „Wir haben dagegen gestimmt“. )

THIERSE: Wer ist wir? Wer darf für sich in Anspruch nehmen, das Volk zu sein? (Rütting: Jeder von uns!) Jeder ist immer nur ein Teil. Und es gibt ganz andere Meinungen dazu. Und die Demokratie ist, sehr nüchtern betrachtet, ein Regelwerk und ein Institutionengefüge zum Erwerb und zur Kontrolle von Macht mit dem Ziel, dass möglichst viele sich an der gemeinschaftlichen Regelung, der gemeinschaftlichen Angelegenheit beteiligen. Demokratie heißt nicht, dass ich jeweils recht bekomme. Sondern in mühseligen Auseinandersetzungen, in Kompromisssuche, in Konsenssuche, in Mehrheitsentscheidungen kommt man dann zu jeweils vorläufigen …. Entscheidungen, die man immer noch kritisieren kann, aber keiner darf für sich in Anspruch nehmen, „ich – oder wir sind das Volk“. (Beifall) Da gibt es große Unterschiede in den Meinungen, und das muss man auch denen sagen, die montags oder an anderen Tagen jetzt unsern wichtigsten Ruf aus dem Jahr 1989 in den Mund nehmen „Wir sind das Volk!“ Damals haben wir diesen Ruf gerichtet gegen die SED-Herrschaften, jetzt richtet sich das gegen Demokraten, gegen Ausländer, gegen Minderheiten, – das ist ein riesiger Unterschied! Und auf diesem Unterschied bestehe ich. (Beifall) (Rütting: da bin ich absolut ihrer Meinung!)

(LANZ: Was macht man damit? (15:50) Also – wenn Sie sagen, man müht sich da ab, man sucht diese Leute zu erreichen, Sie sind ja einer, der dran ist an den Leuten, ähnlich wie ich das vorhin bei Sigmar Gabriel beschrieben habe, der versucht das ja auch immer wieder. Dann rutsch auch schon mal was raus, dann sagt er in Heidenau „Pack“ – was man nicht machen sollte, finde ich, wenn man Vizekanzler dieses Landes ist, oder finden Sie das…)

THIERSE: Nein entschuldigen Sie, die Situation muss man rekonstruieren, er sagte das genau zu Leuten, die ihn wüst beschimpft und bedroht haben. Und dann einem Politiker nicht zu erlauben, die als das zu benennen, was sie in diesem Moment sind, – damit hat er doch nicht alle AfD-Wähler gemeint und alle Protestierenden gemeint, sondern ein ganz bestimm… wenn wir das nicht sehn … wir müssen immer beides miteinander verbringen: klare Abgrenzung gegenüber dem Hasspredigern und den Gewalttätern einerseits, und andererseits den mühseligen Versuch des Gesprächs mit denjenigen, die Sorgen haben, die unsicher sind, die empört sind aus, wie ich finde, erklärbaren, nachvollziehbaren Gründen. (16:49)

(LANZ: O.k., aber wie sprechen Sie denn dann mit denen?)

THIERSE: Es ist ganz schwierig. Ich hab die Erfahrung gemacht. Da steht jemand auf, der alle seine Sorgen in einer Litanei, heftigst, zornig, wütend, hervorbringt, und ich – dann bin ich dran und sage: Könnten wir aus den 30 Themen, die Sie jetzt könnten wir zwei oder drei mal nehmen, damit wir das diskutieren können, – was spricht für die Lösung, was spricht für die Lösung, warum ist das etwas besser? Ich erlebe jedes mal: die Geduld bringen sie nicht auf, sie wollen noch nicht mal zuhören, die gehen dann. Das ist die Schwierigkeit.

(LANZ: Weil es darum gar nicht geht?)

THIERSE: Weil zunächst einmal ein Überdruss (Übermaß) an Empörung und Wut und Aggressivität, und nicht mehr überhaupt die Bereitschaft, – und das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der Demokratie – die Bereitschaft a) zuzuhören, nicht nur etwas selber zu sagen, sondern auch den Widerspruch, die Antwort des andern, zu hören.

Demokratie lebt auch – deshalb hab ich gesagt, Demokratie ist langsam, man muss wechselseitig zuhören und bereit sein zum friedlichen Streit, und das ist eine andere Definition von Demokratie, friedlicher Streit nach Regeln der Fairness.

(LANZ: Mindestens genau so wichtig wie das, was Sie vorhin sagten, es fast ein bisschen untergegangen, du musst dann auch akzeptieren, dass du nicht recht bekommst. (Richtig) Aber da sind wir drüber weg, das ist vorbei. Da gibt es eine große Masse von Menschen, die wollen…, viele die krakeelen und sagen: wir wollen recht bekommen.)

THIERSE: Weil Sie vorhin danach gefragt haben, was hat sich verändert, was ist schlimmer geworden… da nenne ich mindestens zwei Ursachen, es gibt sicher viel mehr, erstens: das Internet erzeugt eine ganz andere Art der Kommunikation, man spricht ja jetzt davon, das ist jetzt ein Echoraum der eigenen Meinung, das ist gewissermaßen … das Internet ist ein großer kollektiver Stammtisch, ein Sammelsurium von Stammtischen, wo man sich gegenseitig seine Wut erzählt und bestätigt. Aber Demokratie lebt von dem Austausch mit den ganz Anderen, die anderer Meinung sind. Und das zweite ist ohne Zweifel das Thema Flüchtlinge, plötzlich erleben viele Menschen, dass die Globalisierung, dieses Abstraktum, – und Deutschland war bisher Nutznießer der Globalisierung, einer Welt offener Grenzen, wir fast Exportweltmeister (19:01).

Jetzt kommt die andere Seite der Globalisierung: die Fremden, und das Fremde kommt uns näher. Und stellen uns in Frage, unsere Gewohnheiten, unsere Selbstverständlichkeiten, unsere Alltagskultur, und das erzeugt, glaube ich, ich beobachte das vielfältig, Unsicherheiten, Besorgnisse, ich nenne das mit einem vielleicht zu vornehmen Wort, was da entsteht sind „Entheimatungsbefürchtungen“. Das Vertraute, das, worin man so selbstverständlich lebt, das wird in Frage gestellt durch die Anderen. Und darauf reagieren viel abwehrend, aggressiv.

(Kann man das nachzuvollziehen?) Ich kann das nachvollziehen. Ich kann das nachvollziehen, es geht überhaupt nicht… ich versuch das zu beschreiben, zu erklären, damit nichts zu rechtfertigen, aber das kann man doch nachvollziehen, wir leben in einer dramatischen Situation von Veränderungen. Für die wir dieses abstrakte Wort „Globalisierung“ haben, aber was heißt das? Beschleunigung von Entwicklungen, Entgrenzung der Welt, globale Arbeitsteilung, dass sozusagen die Welt nicht mehr draußen ist, sondern sie kommt zu uns, Verschärfung sozialer Gegensätze, ehm, 1% der Weltbevölkerung besitzt 46 % des Weltvermögens, das sind skandalöse Entwicklungen! Und die Politik ist bisher aus sehr verschiedenen Gründen nicht in der Lage gewesen, mit dieser Herausforderung fertigzuwerden. Kann ich natürlich billig (mit dem Finger) drauf zeigen, aber wir wissen doch EINES: nationalstaatlich sind all diese Probleme nicht mehr zu lösen.Und jetzt erleben wir, dass die AfD und andere ringsum, die Rechtspopulisten, genau etwas tun, was ich … Re-Nationalisierung – die Gespenster der Vergangenheit kehren wieder, und sie meinen, die Nation sei die Antwort auf diese Herausforderung. Dann sag ich: Ich glaub das nicht. Ich bin nicht der Meinung wie manche anderen, dass die Nation erledigt ist. Ich glaube, dass die Demokratie noch immer am besten innerhalb von Nationalstaaten funktioniert. (Warum glauben Sie das?)

ja, das ist ja die Realität, – die Hoffnung auf die Vereinten Nationen ist ja getrogen, es gibt keine Welt-Demokratie, man muss sogar sagen: Unsere Art von Demokratie, liberale Demokratie, parlamentarische, ist die Ausnahme in der Welt. Das macht sie so kostbar. Gucken Sie ringsum: Diktaturen, autoritäre Regime, autoritäre Demokratien sind eher die Regel. Und die können sogar wirtschaftlichen Fortschritt organisieren, nehmen Sie das Beispiel China, die große Alternative, – rasanter wirtschaftlicher Fortschritt ohne die Freiheitsrechte des Individuums, ohne Demokratie, das heißt unsere kostbare Offene Gesellschaft und liberale Demokratie ist angefochten durch andere. Und genau deshalb bin ich so leidenschaftlich dabei, sie zu verteidigen, indem ich immer wieder erkläre, dass Demokratie etwas ziemlich Mühseliges ist.

Ich sag immer, wenn junge Leute mich fragen, können Sie uns nicht für Demokratie begeistern? Dann sage ich, – unterhaltend ist sie nicht. Die wirkliche Demokratie, die wirkliche demokratische Politik ist klein, grau, hässlich, schweißtreibend und enttäuschungsbehaftet. Ganz mühselig ist sie!! (Beifall) Weil man – und das ist das Wichtigste! – das macht sie so kostbar, weil nur so, weil sie langsam ist, weil sich nur so möglichst viele an ihren Entscheidungsprozessen beteiligen können, wenn sie’s denn wollen. Aber genau das macht sie so mühselig. Wenn ich alleine meine Willen und meine Meinung durchsetzen könnte, wäre das ganz flott. Diktaturen machen das, die Zeche zahlen immer die andern!

(LANZ: Aber haben Sie nicht das Gefühl, dass da im Moment etwas im Gange ist, was viel gefährlicher, mir Blick z.B. auf die USA, (…..) das sind nicht nur die sogenannten Abgehängten, gut gut rein in eine Mittelschicht, die Abstiegsängste (23:03) Was gibt man denn denen als Antwort?)

THIERSE: Zunächst mal eine ziemlich schwierige Antwort, auch mit Blick auf unsere Wahl demnächst: das ist das unerhört Anstrengende, wir Menschen sind so gestrickt, dass es einen Mechanismus gibt, dem wir auch immer anheimfallen. Je größer, dramatischer und bedrohlicher ein Problemberg ist, dem wir uns gegenübersehen, um so stärker unser Wunsch, geradezu dramatischer unsere Sehnsucht nach den einfachen, radikalen, schnellen Antworten. Nach jemandem, der das Problem wie einen gordischen Knoten löst. Also, fast nicht der Wunsch nach Lösung, sondern nach Erlösung.Und das ist die Stunde der Populisten. Sie bieten die einfachen Antworten, die Nation wieder! Sie bieten die einfachen Schuldzuweisungen: die Ausländer! Vor 80 Jahren: der Jude (du brauchst’n Sündenbock!), ja, Sündenbock. Ich beschreibe das ja, weil man zunächst einmal verstehen kann, dass das so ist. Und dann muss man aber genau darauf antworten: Es gibt diese einfachen Antworten nicht, aber Politik muss ERKLÄREN, warum es schwierig ist, was wir zum, und jetzt geht es nicht nur um Erklären, sondern wir brauchen deutlich mehr sichtbare Anstrengung für sozialen Ausgleich und soziale Gerechtigkeit, eine der Erfahrungen für die Wut und Empörung ist die Wahrnehmung tiefer sozialer Ungerechtigkeit, – das ist ein wichtiger Punkt.

24:40 (LANZ: aber mit Verlaub, Herr Thierse, Wahrnehmung tiefer sozialer Ungerechtigkeit, sagen Sie. In den USA usw. können Sie das für Österreich nachvollziehen? Für Deutschland? )

THIERSE: Entschuldige, das ist immer der spannende Punkt: in allen Umfragen gibt es einen interessanten Widerspruch: die Leute beurteilen ihre eigene Lage immer etwas besser als die Lage des Landes insgesamt und die Lage der Welt. Jetzt gab es den sogenannten Sachsen-Monitor, eine Meinungsumfrage im Auftrag der Sächsischen Staatsregierung. Da passierte folgendes: über 50%, 58% meinen: Deutschland ist überfremdet. In Sachsen gibt es deutlich weniger Ausländer, weniger Fremde als anderswo. Eine Mehrheit sagt, Deutschland geht es wirtschaftlich problematisch, eine Mehrheit sagt, uns persönlich geht es relativ gut. Wir Menschen sind auch so gestrickt, dass wir immer in einer doppelten Welt leben. Die eigene unmittelbare Wahrnehmung, die eigene Situation und dann die Wahrnehmung der Welt insgesamt. Via Fernsehen, via Internet, in den Echokammern des Internets, wo man sich wechselseitig bestätigt, und da entsteht ein Eindruck, den ich gar nicht bestreiten kann, der Eindruck der Weltunordnung, eine Welt voller Konflikte, voll Kriege, unbewältigbare, der Terrorismus, der näherrückt. (26:06) Das alles bestimmt die eigene Weltwahrnehmung. Und auf die reagiert man mit mindest soviel Besorgnis, soviel Ängsten, mit dem Ruf nach der Erlösung davon.

(LANZ: Aber was ist denn die Lösung? Wenn Sie sagen, man muss das sehr ernst nehmen, wir müssen einmal anfangen, dem Problem wirklich ernsthaft zu begegnen. Und wahrscheinlich werden Sie mir nicht widersprechen, wenn ich sage: das was viele Menschen in diesem Land, gerade in Ihrer Generation, was die doch erlebt haben, ist eine Form von Aufgabe der staatlichen Souveränität, beispielsweise im Herbst vergangenen Jahres, als plötzlich sehr sehr viele menschen in dieses Land kamen und der Staat noch nicht mal in der Lage war sicherzustellen, dass klar ist, wer die sind.)

THIERSE: Deswegen sagte ich ja auch, es gehört zur Politik dazu, dass man nicht den Eindruck der Beschönigung und Verharmlosung von wirklichen Problemen macht. (Wer hat das gemacht?) Ja, das hats immer auch gegeben. (Wird das jetzt gemacht?) Das klingt etwas polemischer, als ich meine. Die ständige Wiederholung des Satzes „Wir schaffen das!“ – der ja von der Kanzlerin der Satz der Ermutiguung und der Ermunterung war (LANZ: das war irgendwann eine Provokation!) – ich verstehe diesen Satz! Der wirkte aber, je öfter man ihn wiederholte, bei immer mehr Leuten, so „die weiß gar nicht, wovon sie redet“. Denn da gibt es eine ganz andere Problemwahrnehmung. Und diese Differenz ist gefährlich.

Sichtbar die Überzeugung vermitteln: wir Politiker wissen ziemlich genau, worin die Probleme bestehen. Das ist der erste Schritt, und der zweite Schritt, dann Vorschläge zu machen, wie man das löst. Der zweite Schritt aber verlangt schon wieder Geduld beim Zuhören, denn gibt es nicht mehr die ganz einfachen Antworten. Dass nur so wäre… Und dann muss ich noch sagen, damit wie uns da auch nicht missverstehen, wir reden immer nur über einen Teil der Gesellschaft. Denn Deutschland ist auch emotional gespalten, nicht nur national Denn es gibt ein gut Teil der Bevölkerung, die das gelebt haben, was man so Willkommenskultur nennt, und andere, die das ganze immer mehr als ein Bedrohung empfunden haben. Und da sage ich, wenn ich unterwegs bin, rede ich über etwas, was zunächst mal etwas abstrakt klingt, ich rede darüber, ob wir Deutschen nicht aus unserer Geschichte und unserer Kultur eine bestimmte Art von Selbstbewusstsein gewinnen können. Denn … das ist doch so … wenn man unsere eigene Geschichte betrachtet, kann man lernen, dass wir in vielen langen Phasen unserer Geschichte, in den guten Phasen, Einflüsse, Ideen und Menschen aus Ost und West, aus Süd und Nord aufgenommen haben, und daraus etwas Eigenes gemacht haben: Das Fremde und die Fremden wurden deutsch. Und in den schlechten Phasen waren wir mit Abgrenzungen und Ausgrenzung befasst und das endete in Katastrophen. Deutschland hat mehr als jedes andere Land – weil wir in der Mitte des Kontinents leben – die Erfahrung gemacht, wie das ist, Integration, Aufnahme, bis hin zu der Erfahrung mit 14 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, mit den Gastarbeitern, und sogar, wenn ich das sagen darf, mit der Vereinigung Deutschlands, man muss nur wissen: das dauert alles ein bisschen länger als man sich wünscht.Selbst die innere Einheit der Deutschen, jetzt sind wir im 27. Jahr, ist immer noch nicht ganz vollendet, es gibt immer noch mancherlei Fremdheiten. Ich sag das, ohne zu beklagen, nur immer nüchterner Blick. Die Integration der Heimatvertriebenen dauerte ungefähr 20 Jahre und ist eine riesige Erfolgsgeschichte geworden für Deutschland. Unser Reichtum und unser Wohlstand beruht auch auf dieser wunderbaren Anstrengung, die gelungen ist. (LANZ: Absolut! Wobei … eine… eine… (Beifall) … der Begriff des Postfaktischen…30:00 geht auf Österreich..)

ENDE dieses Talkshow-Teils mit Wolfgang Thierse bei 33:50 (Insgesamt abrufbar HIER)

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Die Wahrheit der Politik und die Philosophie

Das sind Universalien, die eben nicht individuell sind, sondern von allen konkreten Wahrheiten, die sich der einzelne für seine Selbstgestaltung erwählt oder erfindet, abstrahieren und lediglich die äußeren Bedingungen der Freiheit und den wechselseitigen Schutz vor den gewaltsamen Übergriffen der ‚Wahrheiten‘ der anderen garantieren.

Was wir brauchen, ist eine wahrheitspolitisch abgemagerte Politik ohne Sinnstiftungsambitionen; keine Politik mit Seele, die dann vielleicht nach den Seelen der Bürger greift; wir brauchen eine Politik, die es den einzelnen erlaubt, nach ihren Wahrheiten zu suchen; eine Politik ohne geschichtsphilosophisches Pathos und weltanschauliches Tremolo. Eine Politik, die vielleicht gerade wegen dieser lebensdienlichen Enthaltsamkeit ein wenig langweilig, vielleicht sogar unansehnlich ist: ebenso unansehnlich und gewöhnlich wie unsere gewöhnlichen, alltäglichen, kleinkarierten, egoistischen Interessen, um deren vernünftigen Ausgleich untereinander und mit den natürlichen Lebensgrundlagen sich die Politik zu bemühen hat.

Quelle Rüdiger Safranski: Wieviel Wahrheit braucht der Mensch? Über das Denkbare und das Lebbare. Fischer Frankfurt am Main 9.Auflage 2005 (1993) (Zitat Seite 207)

P.S. Ein entscheidender Punkt in diesem Buch ist die Rolle, die der Phantasie und der Kultur zugestanden wird (kein Künstler liest das mit Begeisterung, aber vielleicht mit Einsicht, und das genügt):

Es kann sein, daß die Kultur das intensitätssteigernde Leiden, die Tragik sucht; die Politik aber muß vom Prinzip der Verhinderung oder Linderung von Schmerzen ausgehen. In der Kultur ist oft sogar Lust an der Gewalt im Spiel; in der Politik aber muß Gewalt verhindert werden; die Kultur sucht nicht nach Frieden, sondern nach Leidenschaft; die Politik aber muß auf den Frieden verpflichtet werden; die Kultur kennt Liebe und Erlösung, nicht aber die Politik, sie muß sich um Gerechtigkeit und Wohlfahrt sorgen. (a.a.O. Seite 208)